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Nr. 22. Pulsnitzer Tageblatt. — Donnerstag, den 27. Januar 1927. Seite 6. deutsche Mannschaft hat damit, abgesehen von Oesterreich, wohl die beiden stärksten Konkurrenten geschlagen. Die Nodelmeisterschaft des Thüringer Wintersport verbandes in Ilmenau wurde in der Herrenklafle von Horn- Merseburg in 4:27,4, in der DamenkRissc von Frau v. Oster rot h - Oberwesel in 4:53,5 gewonnen. Die Meisterschaft im Zweisitzer holte sich das Ehepaar Horn (Merseburg) in 4:25,6. Franz Diener soll nach seiner Rückkehr aus Amerika zum erstenmal am 13 Februar in der Dortmunder Westsalsnhalle wieder in einen dcuischen Ring gehen. Sein Gegner steht noch nicht fest. Unsere täglichen fünf Fragen. Frage: Gibt es mehrere Bananen-Eorten? Antwort: Es gibt mehr als 60 Dananensorten, die sich untereinander ebenso unterscheiden wie etwa die Äpfel- oder Birnensorten. Die Bananen, welche nach Deutschland kommen, sind zu allermeist Früchte der westindischen Musa paradisiaca. —Frage: Wieviel Menschen leben auf der Insel Island? Antwort: Ca. 80000. Sie könnte aber für über 1 Million Menschen alle Nahrungsmittel und sonstigen Bedürfnisse liefern. —Frage: Ueber wieviel Worte mutz man ver fügen, um als gebildet zu gelten? Antwort: Nach genauen Forschungen verfügt ein Kind von 6 Jahren über etwa >700 Worte, ein Kaufmann über 3000 bis 5000, ein Gelehrter über 8000 bis 20000. Besonders sprachgewandt müssen natürlich Schriftsteller sein. — —Frage: Wieviel Gold wird jährlich au» der Erde gewonnen? Antwort: Im Durchschnitt jährlich etwa 300000 Kilogramm. —Frage: Was weih man von der Geschichte des Contretanzes? Antwort: Der Name „Contretanz" ist nicht eigent lich französischen Ursprungs, sondern kommt aus Eng land, wo er ursprünglich countrv Zanse, ländlicher Tanz, hieß. 1710 wurde er durch einen englischen Tanz- meister in Frankreich eingesührt, wo man nach und nach Contretanz (Gegentanz) daraus machte, weil tatsächlich ver schiedene Paare gegeneinander tanzen. In Frankreich sagte man auch „Contre Francaise', weshalb der Tanz in Deutschland ost einfach »Francaise* genannt wird. Hallo! Hallo! ruft es am Fernsprecher; hallo! oder holla! rufen wir wohl, wenn wir einen Laden beim Eintritt leer finden. Wer sollte es diesen Wörtchen, die heute im Getriebe des städtischen Lebens unent behrlich scheinen, noch ansehen, daß sie ursprünglich der Ruf nach dem Fährmann (dem Feigen) aus der anderen Seite des Flusses waren und eigentlich „Hol über!" bedeuten? „Loha, Hala, scrg, hol!" heißt es in einer Schrift des Heidelberger Olearius «um 1500). Der lau tische Unterschied der beiden Wörter erklärt sich daraus, daß die ältere Sprache für unser „holen" zwei Formen halte, Halen und holen. Nun hängte man im Diittelalter, um einen Ruf zu verstärken, ein a an, das sich später zu o verdunkelte (Htlfa! hola! Halo!). Auch das Aus rufswort i o ! mußte noch bis ins 18. Jahrhundert diesem Zweck dienen. Die beiden Rufe ^Feurio! Mordio!" in Schillers Räubern gehören wohl zu den letzten dieser Art, die sich noch im Schrifttum finden. Viele unserer Wörter enden ja auf ein tonloses e, dos den Schall, auch wenn man es verlängert, nicht weit trägt („Diebe! Hilse!"). Wie ganz anders mag da in den unsicheren Zeiten des Mittelalters in dunk ler Nacht oft der Ruf: „Hilsa! Mordio! Dicbio!" erklungen sein! In Konstanz sollen übrigens noch heule die Felchen des Bodensees in den Straßen mit „Felchio! Felchiol" auSgcrufen werden. Holla! Hallo! sind also eigentlich die Befehlsformen von „holen (Halen)" mu dem schallverstärkendcn a(o); sie forderten den Fährmann auf, den Rufer zu holen. Im ersten Bande der von Jakob Grimm gesammelten Weis- tümcr (volkstümliche Rechtssatzungen) heißt cs in einem Weistum vom Jahre 147l: „Seeß «in menlsche jinsil Meyns (jenseits des Mains) und riff dri male: Hallo! Hallo! w lt ine der serge darr nit Halen." Sinngemäß wurde dann der Ruf auf der Jagd verwendet, zunächst als Zuruf an die Hunde, das Wild zu holen. Endlich gebrauchte man es, um überhaupt die Aufmerksamkeit eines anderen zu erregen. Je weiter vom Ursprung, umso verwehter und verbissener wnd meist die Bedeu tung der Wörter, wie der Rauch der aus dem Schornstein geht. — So ist Hallo! ein Nachklang aller Zeit, einer Zeit, in der Brücken noch selten waren, als Furten und Fähren noch eine wichtige Rolle spielten. Welch weiter Weg von da bis zum Fernsprecher! Handel. Berliner Börse vom Mittwoch. Der Beginn der Berliner Börse zeigte eine gedrückte Haltung, da auf der einen Seite die politischen Besorgnisse sich stärker fühlbar machten und aus der anderen Seite die überraschen» plötz lich erfolgte Begebung der neuen deutschen Anleihe die Gcsamt- stimmung beunruhigte. Im weiteren Verlause stellte sich jedoch bald, von dem Montanaktienmarkt ausgehend, eine festere Tendenz ein, die, wenn sie auch die anfänglichen Kursverluste nicht völlig wieder etnbrachte, sich schließlich behaupten konnte. Amtliche Devifen-Notierung. Devisen «I» Reichsmark! 26. Januar Geld f Briet 25. Ja Geld nuar Brie! New York . . 1 r London .... I Amsterdam . 100 Glü. Kopenhagen . 100 Kron. Stockholm . . 100 Kron. Oslo 100 Kron. Italien .... 100 Lire Schweiz ,.. 100 Frcs. Paris 100 Frcs. Brüssel .... 100 Belga Prag ..... 100 Kron. Wien ..... 100 Schill. Spanien ... 100 Pesel.: 1 franz. Franc 0,16 0,18 Rm., 1 poln. Zloty 0 Bankdistonl: B Brüssel 6)6, Italien 7, Oslo 4)6. Parts 6)6. P Wien 6)6. 4,214 20,437 168.9 112,24 112.45 107.67 18.10 81,135 16.66 58,62 12,476 59,46 68,94 Rm., 1 B 47 Rm. crlw 5 (L Kopenhage cap 5)4. 4,224 20,489 168,81 112,52 112,73 107,93 18,14 81,335 16,70 58,76 12,516 59,6!) 69,12 elga 0,58 omdard 1 n 5, Lon Schweiz 3 4,2135 20,447 168,44 112,30 112,44 107,67 18,055 81,15 16,68 58,595 12,474 59,47 68,91 Rm., 1 i ). Amsteri )on 5, D >6, Etockh 4,2235 20,499 168,86 112,58 112,72 107.93 18,095 81,85 16,72 58,735 12,514 59,61 69.09 tal. Lira >am 3)L, adrid 5, olm 4)4. Effektenmarkt. Inländische Anleihen erfuhren eine weitere Ab- schwäch ung. Die 5proz. Reichsanleihe hatte mit 0,9 eingesetzt und zog weiterhin auf 0,905 an. Die Schutzgebiets, an lei he eröffnete mit 17,62, und der erste Kurs der Ab lösungsanleihe stellte sich auf 372 Prozent. Eisenbahn aktien gaben nach. Bankaktien nicht ganz einheitlich. Monta naktien zeitweilig lebhaft. Kaliwerte schärfer rückgängig. Elektrowerte gaben nach. Die Aktien der Maschinen- und Motorenfabriken waren teilweise schärfer abgeschwächt. Amtlich festgesetzte Preise an der Produktenbörse zu Berlin. (Getreide und Oelsaaten per 1000 Kilogramm, sonst per 100 Kilogramm, alles in Reichsmark.) Weizen, märkischer 267—271, Marz 291—290, Mai 285—284,50 Brief, Juli 287—286 Brief, etwas fester. Roggen, märkischer 253—256, März 270 bis 268,75, Mai 268,50—267,25, Juli 254,50—253,50, Anfang fest, Schluß abgeschwächt, Gerste, Sommergerste 217—245, feine Sorten über Notiz, Wintergerste 194—207, stetig. Hafer, märki scher 187—198, feine Qualitäten über Notiz, Marz 209, Mai 210 bis 209,50 Brief, fester. Mais loko Berlin 190—192, fest. Wiezenmehl per 100 Kilogramm frei Berlin brutto inkl. Sack (feinste Marken über Notiz) 35,25—38, fest. Roggenmehl per 100 Kilogramm brutto inkl. Sack 35,25—37,25, stramm, Weizen kleie frei Berlin 15, fest. Roggenkleie frei Berlin 14,75—15, fest. Viktoria-Erbsen 52—66, feine Sorten über Notiz, kleine Speise erbfen 30—32, Futtererbsen 22—25. Pelusckken 22—23. Acker. bahnen 20,50—21,50, Wicken 23—24,50, Lupinen, blaue 15,50 bis 16,50, Lupinen, gelbe 17,50—19, Serradella, neue 30—33, Raps- kuchen 16,20—16,30, Leinkuchen 20,70—21, Trockenschnitzel 11,80 bis 12, Sojaschrot >9,70-20,10. Kartoffelflocken 30,20—30,60. Amtlicher Berliner Schiachtviehmarkt. Auftrieb: 1039 Rinder, darunter 236 Ochsen, 220 Bullen, 583 Kühe und Färsen, 2161 Kälber, 3019 Schafe, 11211 Schweine (zum Schlacht- Hof direkt 1975 seit letztem Biehmarkt), 1415 Auslandsschweine. Verlauf: Bei Rindern ziemlich glatt, bei Kälbern und Schafen glatt, bei Schweinen langsam; bei Schluß erheblicher Ueberstand. Preise: Ochsen: a) 59—62, b) 54—57, c) 48—50, ü) 43—46; Bullen: a) 55—58, b) 52—54, c) 48—50, d) 45—46; Kühe: a) 46 bis 51, b) 36—42, c) 25—30, d) 20—22; Färsen: a) 50—60, b) 51 bis 55, c) 44^8-, Fresser: 38—45; Kälber: a) —, b) 78—90, c) 57 bis 72, d) 45—54; Schafe: a) 56—59, b) 48—53, c) 40—45, d) 30 bis 35; Schweine: a) —, b) 68—70, c) 65—68, d( 62—65, e) 58 bis 61; Sauen: 58—60. Berliner Magerviehmarkt. (Amtlicher Marktbericht.) Schweine- und Ferkelmarkt. Auftrieb: 381 Schweine und 671 Ferkel. Verlauf: Anfangs belebt, später abflauend. Preise un verändert. Es wurden gezahlt im Großhandel für: Läuferschweine, 7—g Monate alt 65—80, 5—6 Monate alt 45—65; Pölke, 3 bis 4 Monate alt 32—45; Ferkel, 9—13 Wochen alt 27—32, 6—8 Wochen alt 21—27. Wild- und Geflügelpreise. Wild und Wildgeflügel per 16 Kilogramm: Damwild, mittel und leicht 0,70—0,75, do. Kälber 0,85—0,95, Rotwild 0,60—0,70, do. Kälber 0,70—0,75, Schwarzwild, schwer 0,40—OZO, do. mittel 0,60—0,65, d». Frisch linge 0,70—0,75, Kaninchen, wilde, große, Stück 2F0—2,60, Hasen, große, Stück 6,20—6,60, do. mittel und kleine 4—5, Wildenten Stück 2,25, Fasanen, Hähne, alte Stück 3,70—4^—, do. junge Stück 5—5,50, do Hennen Stück 2,75—3,—. Zahmes Geflügel (geschlachtet): Hühner, hiesige, Suppen-, 16 Kilogramm 1,10—1,15, do. Ila 0,80—0,90, do. junge, 16 Kilogramm 1,20—1,25, do. Pou- lets 16 Kilogramm 1,25-—1L0, Holländer, fette, 1,20—1,25, Hähne, alte 0,85—0.90, Tauben, italienische Stück 1,40—1,55, Gänse, la, 16 .Kilogramm 1,00—1,10, do. Ila 0,75—0,90, Enten la, 16 Kilo gramm 1,20—1P5, do. Ila 0,90—1,00, Puten, Hähne, 16 Kilo gramm 1,05—1,08, do. Hennen 1,10, do. paarweise 1,10—1,15. Die Preise sind die amtlichen Berliner Markthallenpreise einschließlich Fracht, Spesen und Provision. Metallpreise in Berlin (für 100 Kilogramm in Mark): Elektrolytkupfer wire bars 127,75, Hüttenrohzink im freien Ver kehr 59,50—60,50, Remelted Plattenzink 55,500—56,50, Orig.- Hüttenaluminium 98—99 Prozent 210, do. in Walzen oder Draht- harren 214, Reinnickel 340—350, Antimon-Regulus 120—125, Silber in Barren, ca. 900 fein, für 1 Kilogramm 78,50—79,50. Kirchen - Nachrichten. Pulsnitz Donnerstag, den 27. Januar, 8 Uhr B'belstunde im Kon- firmaudenzimmer. - Sonntag, den 30. Januar, 4. nach der Er« scheinung: '/,9 Uhr Ab ndmahl. 9 Uhr P-edigtgottesdienft (Luk 4, 16 30); Pfarrer Kchulze. Lieder: Nr 2 8 1 — 3; 366, 1— 3; 14. Sprüche: Nr 85; 99 '/»11 Uhr Kindergottesdienst (Joh. 2, 1—11). 2 Uhr Taufen. 2 Uhr Junaschar. '/,5 Uhr Jugendbund für E. C. 8 Uhr Junamännerverein (Herr Hans Schmidt, Pulsnitz — Man« tag, den 31. Januar. 8 Uhr Gustav Adolf Frauenverein im Konfir- mandenzimmer. Dien-tag, tun 1. Februar, */,5 Uhr Großmütter» chenverein. 8 Uhr Bibeistunde in landeekirchl Gemeinschaft. — Mitt» woch, den 2 Febiuar, 6 Uhr Singestunde des Kindergottesdienstes. 8 Uhr Bibelstunde des Jangmännerverveins. 8 Uhr Jungsiauenverein. Ohorn Donnerstag, den 3 Februar, 3 Ukr Altenvereinigung „Gut mann". 8 Udr Bibel stunde (Ehrler). — Freitag, den 4. Februar, 8 Uhr Jungsrauenverein. Obersteina Sonntag, den 30. Januar, 5 Uhr Predigtgottesdienst (Pfar- rer Ehrler. Niedersteina Dienstag, den 1. Februar, 8 Uhr Frauenverein („Vergißmein nicht"): „Was will der christliche Frauenverein?" (Frau Eise Schulze). Mittwoch, den 2. Februar, 8 Uhr Jungfrauenverein („Heiterer Blick"). Reichenbach 4. Sonntag nach Epiphanias: Vorm. 9 Uhr Predigt gottesdienst ; anschließend Kinderpoiiesdienst. — Dienstag, den 1. Februar, abends 8 Uhr Frauenverein in Niederlichtenau. Zwei Welten. Roman von O. Elster. Copyright by Greiner L Camp., Berlin W30 (Nachdruck verboten) 5. Fortsetzung. ,Lch könnte es mir ja bequemer machen, mein Junge/' sagte er einst lächelnd zu Walter, „denn mein alter Körper will oft nicht mehr vorwärts — der verdammte Rheumatismus sitzt mir zu fest in den Knochen. Aber so kann ich doch dem Arthur auch eine kleine Zulage geben, und die har er in dem teuren Königsberg wohl nötig. Ich sterbe in den „Sielen", setzte er heiter hinzu, „wie ein größerer Mann, als ich es bin, von sich sagte." Jedermann liebte den kleinen, dürren, alten Herrn, mit dem leicht gestutzten schneeweißen Schnurrbart, den lustig lachenden blauen Aeuglein, um die der Schalk und die Gutmütigkeit in hundert und aberhundert Fältchen zuckten. Ein braveres, weicheres, pflichtbewußteres Herz ließ sich nicht denken, als dieser alte Jurist besaß. Tas Mädchen meldete den Besuch des Herrn Assessors von Platen. „Ah — der tolle Kurt! Sieh', das ist aufmerksam von ihm. Wir sprachen nämlich vor einigen Tagen ganz zufällig von deinem Geburtstag Marianne, als er mich in einem Laden traf, wo ich Einkäufe für dich besorgte. Da hat er sich den Tag gewirkt. Ich lasse bitten," wandte er sich an das Mädchen, das sich rasch wieder entfernte. Herr von Platen brachte ein kostbares Bukett, das er Marianne mit ehrerbietiger Verbeugung überreichte, in dem er die Hacken zujammenschlug. „Gestatten Sie mir, mein gnädiges Fräuletn, Ihnen meine Glückwünsche zu Füßen zu legen," sprach er mit seiner etwas schnarrenden Stimme. danke Ihnen sehr, Herr von Platen, — welch' herrliche Blumen!" „Sie sind doch ein Schwerenöter, Herr von Platen," meinte der alte Oberlandesgerichtsrat, ihm lächelnd mit dem Finaer drohend. „Man muß sich in Acht nehmen mit seinen Worten, wenn Sie zugegen sind. Doch nun, Ma. rianne, besorge uns ein Glas Wein — dort auf den Balkon — Sie trinken doch ein Glas auf das Wohl des Geburts tagskindes mit, Herr von Platen?" „Auf das Wohl des gnädigen Fräuleins — stets," entgegnete Kurt höflich. Marianne entfernte sich. Tie beiden Herren begaben sich auf die kleine, von wilden Kletterrosen umrankte Veranda. „Ich glaubte schon," nahm der Nat das Wort, „Sie wären für unsere Gesellschaft verloren, wie ein gewisser Jemand, der den Geburtstag meiner Tochter ganz ver gessen zu haben scheint/) „Ah — Sie meinen Herrn Breßnitz?" „Ja, ich meine Walter. Sind Sie denn auch noch der: ständige Begleiter der interessanten Amerikanerin?" „Nein — nein," lachte Kurt gezwungen aus. „Tie Ge-! sellschaft war mir oenn doch zu abenteuerlich." „Was Sie sagen! Freilich — wenn ich den Mister Gris wold ansehe, steigt eine alte Erinnerung in mir auf. Es sind fast fünfunddreißig Jahre her — aber trotzdem — sagen Sie, Herr von Platen, hat Mister Griswold niemals Andeutungen über sein früheres Leben gemacht? Er ist doch ein Deutscher von Geburt, nicht wahr?" „Der Soh» deutscher Eltern, wie er behauptet." „Vor langen, langen Jahren stand ein Kavallerie offizier in Königsberg, wo ich damals Kriegsgerichtsrat bei der Division war. Er war ein wilder, aber treu herziger Bursche. Wo es ein gutes Glas Wein gab oder ein Spielchen arrangiert wurde, war er zugegen. Ein Lieb- ling der Damenwelt — er hätte die beste Heirat schließen können, aber — plötzlich hieß es, er habe sich mit einem Mädchen von zweifelhaftem Ruf verlobt. Gewisses erfuhren wir nicht, und eines Tages war der slotte Dragoneroffizier mit Hinterlassung einer beträchtlichen Schuldenlast ver schwunden. Wir erfuhren nichts weiter wieder von ihm. Dieser Mister Griswold erinnerte mrch an den stüheren Kameraden." „Tas ist ja sehr interessant!" meinte Herr von Platen lauernd, der sich seit der Zurückweisung seiner Werbung durch Edith von der Amerikanerin mehr und mehr zu rückgezogen hatte und die durch Miß Edith erlittene De mütigung noch immer nicht verschmerzen konnte. „Aber," fuhr er nach einer Weile fort, „Sie mögen schon recht haben, Herr Rat. Dieser Mister Griswold kommt mir sehr — sehr abenteuerlich vor — ebenfalls diese Miß . . . doch wie hieß denn jener Offizier?" „Ich entsinne mich jenes Namens nicht mehr; es ist schon allzulange her, ich war auch nicht persönlich mit ihm bekannt. Griswold hieß er aber nicht . .. halt, ja, er hieß von Geierswald oder ähnlich." „In Am: "a sollen die Leute ihre Namen oft ändern, und Griswold oder Geierswald — das könnte schon stimmen — aber da kommt ja das gnädige Fräulein wieder!" Marianne erschien in Begleitung des Mädchens, das eine Flasche Rheinwein und Gläser auf den Tisch stellte. Der Oberlandesaerichtsrat schenkte ein. „Auf das Wohl meiner Marianne — meines Lieb lings !" — — „Auf das Wohl des Geburtstagskindes!" rief Herr von Platen und erhob das Glas. Da erscholl eine Stimme von der Tür des Zimmers herein: „Kann ich nicht auch auf das Wohl deS Geburtstags- kindes anstoßen?" „Ah, Walter — mein Junge! Tos hast du recht gemacht!" Eine plötzliche Glut flammte in den Wangen Ma riannes empor; ihre Hand zitterte leicht, als sie das Glas auf den Tisch mederjetzte. Dann trat sie aus Walter zu, ihm die Hand bietend. ,/Zch hatte fast die Hoffnung aufgegeben, Sie heut noch zu sehen, Walter," jagte jie. „Sie haben sich m letzter Zeit so selten blicken lassen." Walter hielt ihre Hand mit warmem Druck umfangen. „Konnten Sie wirklich glauben, ich würde diesen Tag vergessen, Marianne?" Sie senkte die ernsten, blauen Augen; um den seinen Mund irrte ein trübes Lächeln, wie denn über ihrem ganzen Wesen ein leichter, melancholischer Hauch zu liegen schien, wie leichter Rebelj-sileier über einer herbstlichen Landschaft. (Fortsetzung folgt.)