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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 16.05.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-05-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190305166
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030516
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030516
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Fehlende Seiten in der Vorlage
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-05
- Tag 1903-05-16
-
Monat
1903-05
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 16.05.1903
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Zukunft laut Beschluß de» Lande-auSschusseS den Kreisfeuerwehrverband Zwickau-Glauchau bilden. Sonach scheiden 7 Feuerwehren aus dem Verbände Chemnitz aus und werden dem Verbände Zwickau- Glauchau einverleibt. Aus diesem scheidet hin gegen die Feuerwehr zu Lößnitz aus, die dem Ver band Annaberg-Schwarzenberg zugeteilt wird. * — 200000 Mark-Gewinn gezogen. In der gestrigen Ziehung der 5. Klasse der 143. Säch- fischen Landeslotterie ist der zweite Hauptgewinn von 200 000 Mark in die Kollektion von Hermann Leonhardi in Dresden auf Nummer 48 538 ge- fallen. Nun befinden sich bloß noch an höchsten Hauptgewinnen ein 100 000 Mark-Gewinn und die Prämie von 300 000 Mark in der Glückstrommel. * — Als Gerücht geht die Meldung durch die Blätter, Fürsterzbischof Dr. Kohn in Olmütz solle von feiten deS Vatikans zum Rücktritts veranlaßt und Prinz Max von Sachsen zum Verweser der Olmützer Erzdiözese ernannt werden. Wir halten die Meldung für unglaubwürdig. * — Bleibe im Laude und »ähre dich rcd lich. Der vielgenannte Führer der amerikanischen Bergleute John Mitchell hat den Vorsitzenden des deutschen sozialdemokratischen Bergarbeiterverbandes, Reichstagsabgeordneten Sachse, ersucht, die deutschen Kollegen zu bitten, im Lande zu bleiben. Die Ge rüchte von den hohen Löhnen der amerikanischen Bergleute seien außerordentlich übertrieben; der amerikanische Bergmann müsse sehr schwer und hart arbeiten, um sich durch das Leben zu schlagen; die Gruben produzierten soviel Kohlen, daß es nicht möglich sei, alle zu konsumieren. Daher komme es, daß auf den Kohlengruben durchschnitt lich nur 225 Tage gearbeitet werde. In Amerika seien mit Einschluß der jugendlichen 485,544 Berg- leute tätig, von denen im vorigen Jahre 1467 ge tötet und 3653 schwer verwundet worden seien; für jede 188,000 Tonnen, welche gefördert worden seien, habe also ein Bergmann sein Leben lassen müssen. Auffällig ist in diesem Jahre die geringe Anzahl von Schwalben; es ist das sehr zu be dauern, denn der Nutzen der Schwalben für die Landwirtschaft ist ein sehr großer, hat man doch wiederholt festgestellt, daß ein Schwalbenpaar zur Zeit der Fütterung täglich 6000 bis 7000 Insekten vertilgt! Es sei hierbei bemerkt, daß eine Schwalbe niemals gereichtes Rutter nimmt; wird sie einge sperrt, so verhungert sie. * — Eine Maikäferplage wurde für dieses Jahr befürchtet. Bisher sind aber die Maikäfer infolge der nassen und kalten Witterung in hiesiger Gegend noch nicht zum Vorschein gekommen. * — Der 2. Sächsische Greuadiertag findet am 15., 16. und 17. August in Chemnitz statt. Die Vorbereitungen, die zu dieser Zusammenkunft alter Soldaten getroffen sind, stellen den Teilnehmern einige recht genußreiche Tage in Aussicht. * — 104er RegimentStag iu Markneu kirchen vom 11. bis 13. Juli. Wie uns vom Festausschuß mitgeteilt wird, gehen die Anmel- düngen recht zahlreich ein, sodaß schon jetzt ein glänzender Verlauf gesichert ist. Den ehem. 104ern ist Gelegenheit geboten, in Markneukirchen das be rühmte Gewerbemuseum, das viele Hunderte wert voller Musikinstrumente von den ersten Anfängen bis zur heutigen Vollendung birgt, in Augenschein zu nehmen, außerdem aber einige Tage in dem anmutigen Städtchen mit seiner herrlichen Um gebung zu verweilen, insbesondere aber auch dem herrlichen Bad Elster einen Besuch abzustatten. Für 104er, die sich bis zum 1. Juni bei Alb. Wunderlich in Markneukirchen anmelden, wird unbedingt Freiquartier beschafft werden. * GerSdorf, 14. Mai. Gestern abend in der 7. Stunde verunglückte bei dem Güntherschen Scheunenbau der Maurer Karl Schwalbe von hier, indem derselbe beim Giebelmauern das Ueberge- wicht verlor und ca. 8 Meter hoch vom Gerüst abstürzte. Der Bedauernswerte brach hierbei das Schulterblatt und erlitt auch innere Verletzungen. — Auf heute nachmittag 5 Uhr war hier im „Blauen Stern" eine Wählerversammlung anbe- räumt, in welcher Herr Referent Baudert aus Apolda sprechen wollte. Die Versammlung wurde aber polizeilich verboten. * Oelsnitz i. E., 13. Mai. Der 15 Jahre alte Arbeiter Speck von hier wurde gestern mittag gegen 1 Uhr nach verübtem Einbrüche in das Bahnhofsrestaurant zu Höhlteich, welches mittags geschloffen gehalten wird, von mehreren Bahnbe amten festgehalten und dem zufällig dort anwesenden Gendarmeriebrigadier von Oelsnitz übergeben. * Callnberg. 14. Mai. Die Weihe der neu erbauten Turnhalle findet vom 13. bis 15. Juni statt. Zahlreiche Einladungen an die Turnvereine des Gaues sind ergangen, sodaß die Festlichkeit im Rahmen eines großen Volksfestes abgehalten werden wird. * Glauchau, 14. Mai. Sin schwerer Unglück«- sall ereignete sich gestern Abend gegen 7 Uhr in der Zimmerstraße. Da« vor dem Bierwagen ge- spannte Pferd des Flaschenbierhändler« Hähnel scheute auf dem Leipziger Platze und nahm von dort in rasendem Tempo seinen Weg über die Albertbrücke, bi» e« an der Ztmmerstraßen-Ecke vor dem Karstenschen Laden stürzte. Der Kutscher wurde gegen die Wand geschleudert und besinnung«- lo« nach seiner Wohnung in der Mauerstraße ge- tragen. Da« Pferd mußte schwerer Verletzungen halber getötet werden. * Dresden, 14. Mai. Von der Aussperrung im Baugewerbe sind, soweit sich bis jetzt überblicken läßt, etwa 1300 Arbeiter betroffen worden. Der größte Teil davon hat allerdings noch vor dem durch den Arbeitgeberverband beschlossenen Termin freiwillig die Arbeit niedergelegt. Die Zahl der AuSgesperrten dürfte in den nächsten Tagen noch eine Steigerung erfahren. * Leipzig. Am letzten Sonntag verstarb ein hiesiger Briefträger, der nicht in den glücklichsten Verhältnissen lebte. Am Montag darauf wurde die Nummer des Zehntels der sächsischen Landes lotterie, das er spielte, mit dem großen Lose ge zogen. Leider ein verspätetes Glück, das nun den Erben zugute kommt. * Ehemuitz, 14. Mai. (Schiedsgericht für Arbeiterversicherung.) Eingezogen wünschte die Be rufsgenoffenschaft die 10prozentige Rente, mit der die Wirtschaftsbesitzersehefrau Gimpel in Gersdorf für die am 22. Dezember 1902 erlittene Verletzung des rechten Handgelenkes noch entschädigt wurde. Der Einziehungsantrag stützt sich auf ein Gutachten des Bezirksarztes Dr. Gelbke, das eine auf den Unfall zurückzusührende Erwerbsminderung nicht mehr anerkennt. Diesem Gutachten schloß sich auch der schiedsgerichtliche Vertrauensarzt an. Die Rente wurde antragsgemäß eingestellt. — Eine Verren kung und Verstauchung des rechten Schultergelenkes zog sich 1897 der Gartenbesitzer Wienhold in Lichtenstein zu. Die erwerbsmindernden Folgen wurden ihm mit einer 10prozentigen Rente ent schädigt. Diese Rente einzustellen, hatte die Be rufsgenossenschaft unter Berufung auf ein Gutachten des Dr. Horn-Zwickau beantragt. Da aber nach dem Gutachten des schiedsgerichtlichen Vertrauens arztes die vom Unfallverletzten noch vorgebrachten Beschwerden als glaubhaft zu bezeichnen sind, zog der Vertreter der Berufsgenoffenschaft den Einstel lungsantrag zurück, sodaß W. die Rente behält. * Chemnitz, 14. Mai. Heute Donnerstag abend 8 Uhr 54 Minuten wurde die Feuerwehr durch den Privatfeuermelder der Aktien-Lagerbier- Brauerei Schloß-Chemnitz nach der Hauptbrauerei anlage an der Salzstraße gerufen. Daselbst war in den über den Stallungen, in denen sich 40 Pferde befanden, gelegenen Stroh- und Heu-Nieder- lagsräumen ein erhebliches Schadenfeuer ausge brochen, zu dessen Bewältigung sechs Schlauchlei tungen, darunter vier von der Dampfspritze, in Betrieb gesetzt werden mußten. Die Beräumungs- arbeiten gestalteten sich äußerst anstrengend und langwierig, da nicht weniger als rund 400 Zentner Heu und 100 Zentner Stroh, sowie auch eine große Anzahl Zentner Häcksel in Brand geraten waren. Der große Niederlagsraum ist völlig ausgebrannt. Die Feuerwehr konnte die Brandstelle erst spät in der 2. Morgenstunde verlaffen. * Freiberg, 14. Mai. Da« Komitee der liberalen Wähler für den 9. Wahlkret« (Freiberg) hat beschloßen, Herrn Generalsekretär Dr. Kunze- Dresden al« Kandidaten aller liberalen Wähler aufzustellen. Herr Dr. Kunze hat die Kandidatur angenommen. * Zwickau. Die hiesige königl. Amt«haupt- mannschaft hat zwei sozialdemokratische Versamm lungen in Reinrdorf und Hartmanntdorf verboten, weil diese im Freien abgehalten werden sollten und befürchtet wurde, daß der öffentliche Verkehr beeinträchtigt werden könnte und die Kontrolle be treff« der Teilnahme Minderjähriger erschwert sei. * Zwickau, 14. Mai. Gestern nachmittag in der 5. Stunde nahm sich eine aus Schwarzenberg gebürtige, 73 Jahre alte Bergschmiedswitwe durch Sturz auS einem Fenster ihrer drei Treppen hoch gelegenen Schlaskammer das Leben. Die Genannte war krank und lebensmüde; sie hatte u. a. einen Schädelbruch und eine Verletzung des Herzens er litten, sodaß der Tod sofort eingetreten war. * Werdau, 13. Mai. Unter dem Verdachte des Meineides wurde die bei einer gerichtlichen Beweisaufnahme a.s Zeugin abgehörte 21 Jahre alte Fabrikarbeiterin Frieda Feustel von hier in Haft genommen. Das gleiche Schicksal widerfuhr der 56jährigen verw. Waschfrau Kath, die die Feustel zu dem Meineide angestiftet haben soll. * Crimmitschau. In der letzten Stadt- verordneten-Sitzung ist beschlossen worden, sämt lichen Stadtverordneten freie Fahrt 2. Klaffe nach Dresden zu gewähren, damit sie dort die Städte- Ausstellung besichtigen; auch soll bei der Aus stellungsleitung beantragt werden, daß für sämtliche Stadtverordnete freier Eintritt in die Ausstellung gewährt werde. * Crimmitschau, 13. Mai. Eine au«gertssene Kuh verursachte gestern abend in der 9. Stunde im Bereich des Bahnhof« große Aufregung, da die Außreißertn den gesamten Verkehr der Staatibahn auszuhalten drohte. Die Kuh war beim Au«laden au« einem Eisenbahnviehwagen entwischt, auf dem Bahnkörper nach Leitel«hain zu weiter gelaufen und verhinderte so den 8 Uhr 50 Minuten hier durchfahrenden Schnellzug am Einlaufen. Erst nach längeren Anstrengungen eine« zahlreichen Mannschafttaufgebot« gelang e«, de« Flüchtling« habhaft zu werden, worauf der Schnellzug mit mehrmtnutiger Verspätung weitersahren konnte. * Adorf. Weil dem Restaurateur Hermann Meinel von hier eine dreitägige Gefängnisstrafe drohte, nahm sich am Mittwoch der 54jährige Mann, welcher den 1870/7 ter Krieg mitgemacht, durch einen Revolverschuß das Leben. Meinel hinterläßt eine kränkliche Frau und 5 Kinder. * Auerbach i. V, 14. Mai. Verboten hat die Königl. Amtshauptmannschaft hier eine für den 10. d. M. in Rempesgrün geplant gewesene Volks versammlung, weil diese in einem freigelegenen Gar tengrundstück abgehalten werden sollte. * Oelsnitz i. V. In diesem Jahre ist die schon lange ins Auge gefaßte Anlegung eines Schul- und Pflanzgartens für Lehrer und Schüler der 2. Bezirksschule zur Tat geworden. Um syste matisch und zweckmäßig vorgehen zu können, war Herr Lehrer Aßmann beauftragt worden, die Schul gärten von Marienberg, Glauchau und Chemnitz zu besichtigen. In der am Dienstag abgehaltenen Versammlung der Freien pädagogischen Vereinigung gab Herr Lehrer Aßmann seine Erfahrungen zum Besten. * Kleinueuschönberg bei Olbernhau. Im Vorjahre hatte ein Schwalbenpaar aus der Spitze des Kronleuchters im Tanzsaal unseres Gasthofes Quartier bezogen und auch Nachkommen gezeitigt. Zur großen Üeberraschung hat sich das Pärchen auch in diesem Jahre wieder eingestellt, um von neuem, trotz des Tanzbodengeräusches, dem Brut geschäft nachzugehen. * Grimma, 13. Mai. Schlecht belohnt wurde ein hiesiger Gastwirt für seine Gefälligkeit. Er gestattete einem Gaste, der es eilig hatte nach der Post zu kommen, daß er ein in den Gasthof ein gestelltes Fahrrad benutze. Der Gast versprach, in wenigen Minuten zurück zu sein. DaS war schon vor mehreren Tagen. Aber noch heute sieht der Wirt vergeblich nach ihm aus. * Siebenkehu, 14. Mai. Im Dachraume des Bäckermeister Fischerschen Hausgrundstückes ent stand Feuer, durch welches dieses, sowie das an grenzende Wohnhaus des Schuhmachermeisters Otto zerstört wurde. Gerichtssaal. 8 Zeugenmeineid. Zwickau, 14. Mai. Der am 18. Oktober 1876 geborene, wiederholt wegen Beleidigung und Widerstands vorbestrafte Weber- geselle Adolf Uhlig auS Hohenstein-Ernstthal hatte sich in der heutigen Schwurgerichtsverhandlung wegen Zeugenmeineid zu verantworten. Uhlig ist am 9. Dezember vorigen JahreL vor dem Königl. Schöffengericht zu Hohenstein-Ernstthal in einer Privatklage der WeberSehefrau Schwalbe gegen den Schuhmacher Albam, beide in Hohenstein-Ernstthal, als Zeuge abgehört worden. Albani war beschuldigt, am 22. Oktober 1902 gegen 5 Uhr nachmittag- auf der Aue — einer Straße — in Hohenstein- Ernstthal nach vorausgegangenem Wortwechsel die Privatklägerin wiederholt mit der Faust auf den Kopf geschlagen und sie dadurch körperlich verletzt zu haben. Uhlig, der Augenzeuge gewesen ist, hat daS Rencontre, daS sich zwischen der Schwalbe und Albani abgespielt hat, ander« dargestellt. Diese Aussage, die er auch beschworen hat, soll wahrheitswidrig sein. AIS Beweggrund zur Tat wird angenommen, daß Uhlig und Albani, die Freunde sind und ihr freundschaftliches Verhältnis bis in die neueste Zeit fortgesetzt haben, sich gegen wärtig unterstützen, da im Laufe des letzten JahreS gegen beide verschiedene Strafsachen anhängig ge wesen sind. Wenn sie nicht als Angeklagte in Frage kamen, haben sie sich gegenseitig als Ent lastungszeugen gedient und immer haben sie ihre Aussage so eingerichtet, daß dieselbe für den Anderen günstig war. Der Angeklagte leugnet auf daS hartnäckigste. Zur Verhandlung sind 12 Zeugen geladen. Auf Grund deS vom Obmann der Geschworenen auf „Schuldig" abgegebenen Wahr- sprucheS wird Uhlig zu 3 Jahren ZuchthauSund 10 Jahren Ehrenrechtsverlust verurteilt. Die Ver handlung endete erst gegen 9 Uhr abend». 8 Freispruch. Zwickau, 14. Mai. Auf Grund deS in der gestrigen Verhandlung deS hiesigen Schwurgerichts gegen den Kaufmann Ernst Paul Günthel au« Schönheide wegen Brandstiftung und Versicherungsbetruges geführten Indizienbeweise-, der al- erbracht angesehen werden müsse, beantragte der Vertreter der öffentlichen Anklage, Herr Staats anwalt Güttel, die Bejahung der Schuldfragen, indem er als Motiv der Tat den Umstand in Betracht zog, daß der Angeklagte nur im Interesse seiner Verwandten, der Schumannschen Eheleute, gehandelt habe, um sür diese die Brandversicher ungssumme zu erlangen. Die Geschworenen ver neinten die Schuldfrage, worauf abends 9 Uhr die Freisprechung de- Angeklagten und seine sofortige Entlassung auS der Untersuchungshaft erfolgte. 8 Dresden, 14. Mai. Der vormalS beim Postamte Cotta mit 70 Mk. Monatsgehalt angestellt gewesene Postbote Paul Arthur Rastig, 1876 in Schönfeld bei Großenhain geboren, war durch Alimentationsverpflichtungen in Geldverlegenheit ge kommen. Dieser Umstand brachte ihn dahin, einen Geldbrief, enthaltend 200 Mk. in bar und einen Wechsel über 600 Mk., zu unterschlagen und die Flucht zu ergreifen. Er ging nach der Schweiz und schrieb im Gefühle allzugroßer Sicherheit Briefe höhnischen Inhalts an seinen ehemaligen Vorgesetzten und die hiesige Oberpostdirektion. Der ungetreue Beamte wurde jedoch von der Schweiz au-geliefert und nunmehr von der 5. Strafkammer deS hiesigen Landgerichts zu 2 Jahren Gefängnis und 3 Jahren Ehrverlust verurteilt. 8 Eine raffinierte Wahrsagerin. Dresden, 14. Mai. Die am Montag vertagte Verhandlung gegen die „wissenschaftliche Wahrsagerin" Therese Minna Pauder au« Pieschen endete heute mit der Verurteilung der Schwindlerin zu 8 Jahren Zucht haus, 1500 Mk. Geldstrafe und 10 Jahren Ehr verlust. Die Geldstrafe gilt al« durch die Unter suchungshaft getilgt. Der Gericht-Hof nahm die Höhe des von der Angeklagten angerichleten Schaden« mit mindesten« 25 000 Mk. an; 3000 Mk. find Er satz geleistet worden, aber mit fremdem Gelbe. Der Vorsitzende führte in der Urteil»begründung folgende« au«: Die Behauptung der Angeklagten, sie sei da« Opfer eine- internationalen Gauners geworden, er scheine völlig unglaubhaft. Die Pauder erschien in der ganzen Verhandlung al- eine Person von größter Durchtriebenheit, welche wohl befähigt sei, eine aben teuerliche Legende zu ersinnen und au-zunUtzen. Die Ermittelungen über den Verbleib der 25000 Mk. haben nicht» ergeben; einen Teil der Summe mag die Angeklagte mit Hilse ihrer Verwandten verbraucht haben, da die Familie in ihren leiblichen Bedürf nissen sich nicht« abgehen ließ. Immerhin wäre e« möglich, daß ein Rest de« Gelder irgendwo verborgen worden sei. Erschwerend sür die Ctrafau«meffung fiel in« Gewicht, daß die Angeklagte in früherer Zett wegen ganz ähnlicher Betrügereien vorbestraft ist. 8 Kurpfuscher. Ueber den Geschäft«betrieb gewisser „Natur-Heilkundiger und sogenannter Heil beflissener" entrollte eine Gericht«verhandlung vor dem Königl. Amt«gericht zu Dre«den ein vielsagende« Bild. In Zeitungen Sachsen« und anderer Staaten erließ der in Kötzschenbroda wohnhafte Handarbeiter Eduard Florian Martin großsprecherische, vielsagende Inserate, in denen er der kranken Menschheit un- sehlbare Heilmittel für alle möglichen und unmög lichen Krankheiten anprie« und selbst veraltete Leiden zu heilen versprach. Er sandte den Zeitungen auch Prospekte rc. ein, in welchen er sich al« Inhaber de« „Heilinstitut» und chemischen botanischen Labo ratorium« Lindenau bei Kötzschenbroda" bezeichnete. Die Zahl derer, die auf den Schwindel diese« Wunderdoktor» hineingefallen sind, mag eine sehr beträchtliche gewesen sein. Den Kranken mögen aber schließlich die Augen aufgegangen sein, al« die geheimni«vollen Kräuter die erhoffte Heilung nicht brachten und die Gelder für „gewissenhafte indi viduelle Behandlung", wie der „Heilkundige" sie ver sprach, mögen auch nach und nach spärlicher ein gegangen sein, denn Martin blieb in mehreren Fällen zuletzt die Kosten für seine Annoncen schuldig, wußte aber unter „Berufung darauf, daß er Besitzer de« Heiltnstttut« und Kräuter-Laboratorium« in Lindenau" war, Zeilung«verleger zu bewegen, die Jnsertion«- gebühren zu stunden. Erft später kamen die ersteren dahinter, daß sie einem Schwindler zum Opfer ge fallen waren, nachdem ein Zeitung«besttzer au« Arn«, berg sich persönlich nach Lindenau und Kötzschen- broda begeben hatte, um da« große „Heiltnstttut und chemische Laboratorium" in Augenschein zu nehmen. Der „Retter der Menschheit" selbst saß in einer kleinen bäuerlichen Stube, in welcher seine Angehörigen Zigarren machten. Er selbst war al« „Handarbeiter" beim Gemeindevorstande angemeldet und arbeitete in Kötzschenbroda al« Schachtarbeiter. Der Orttbehörde war von dem Vorhandensein eine« „Heiltnstttut« und botanischen Laboratorium«" nicht« bekannt. Dagegen war der Cericht«vollzteher häufiger Besucher. Mne Anzahl Verleger find um erhebliche Beträge für die gestundeten Inserate gekommen. Sie wurden vom Angeklagten getäuscht und betrogen und der Gericht«hof verurteilte den Angeklagten zu einer Gefängnisstrafe von 4 Monaten. 8 Strafverschärfung. Die gegen den Ober- leutnavt Gleiß vom Kieler Kriegsgericht de-Marine- BildungSwesenS verhängt; Strafe von einem Monat Festung-Hast wegen fahrlässiger Brandstiftung an Bord deS Schulschiffes „Moltke" wurde vom Ober« krieg-gericht der Ostseestation auf Berufung de» Gericht-Herrn in eine Gefängnisstrafe von einem Monat umgewandelt. ES trat also eine Strafver schärfung ein. DaS Berufungsgericht nahm Ver gehen der fahrlässigen Brandstiftung gemäß dem Reichsstrafgesetzbuch an. 8 Eine Coldatenschiuderei kam, wie hessische Blätter melden, dieser Tage vor dem Kriegsgericht in Darmstadt zur Aburteilung. Um seinen Rekruten den militärischen Drill rascher beizubringen, verfiel der Unteroffizier K. Weber der 9. Kompagnie de» Infanterie-Regiment» Nr. 115 auf ein abschruliche» Mittel. Zur Vermeidung der bei Griffüben anfangs unvermeidlichen Kopfbewegungen band er mittelst eines an den Nummernknopf der Achselklappe be festigten Bindfaden» ein Ohr der Rekruten fest. Wie zu erwarten war, riß nun bei dem Griffekloppen unter entsetzlichen Schmerzen einem Gardisten Ludwig der Ohrlappen lo». Die Heilung war sehr schwer. L. mußte wiederholt mehrere Wochen im Lazarett zubringen. Um seiner Roheit die Krone aufzu- setzen, gab Weber dem Ludwig au» Rache, weil er angezeigt war, noch eine Ohrfeige auf da» verletzte Ohr, sodaß e» wieder ausbrach und erneute ärzt liche Behandlung notwendig wurde. Den Gardisten Heerd und andere „dressierte" der Unteroffizier in gleicher Weise. Der Gerichtshof nahm an, daß die Tat kein Ausfluß roher Gesinnung, sondern nur ein im Diensteifer begangener Mißgriff in der Wahl der Mittel war, und verurteilte den Ange klagten zu 21 Tagen Mittelarrest. 8 Frankfurt a. M., 15. Mai. Die „Frkf. Ztg." meldet auS Zweibrücken, der frühere Direktor deS Spar- und VorschußvereinS, Herrle, wurde wegen Wechselfälschung zu 3 Jahren Zuchthaus verurteilt. 8 Bromberg, 15. Mai. DaS Oberkriegsgericht des 2. Armeekorps verurteilte gestern den Unter- osfizier Karnowski vom 43. Infanterie-Regiment, weil er daS uneheliche Kind seiner Geliebten mit Salzsäure vergiftet hatte, wegen TotschschlagS zu 10 Jahren Zuchthaus. DaS Kriegsgericht hatte Mord angenommen und auf Todesstrafe erkannt. 8 Elaußeuburg, 15. Mai. Der Advokat Mainu wurde wegen eine» in der „Tribuna" erschienenen ungarnfeindlichen Artikels zu 1 Jahr StaatSgefängni» verurteilt. Kleine Chronik. * Berlin. Eine eigenartige Sachbeschädigung ist einem Hauseigentümer in Berlin von einem seiner Mieter zugefügt worden. Ein Tischler geselle hatte, so erzählt die „Zeitschr. für Haus und Wohnung" (Leipzig, Verlag von W. Ryssel) in dem Hause des Herrn B. seit dem 1. Oktober 1902 gegen einen mäßigen Mietzins eine aus drei Räu men bestehende Wohnung inne. Der Mieter hatte jedoch außer der ersten Monatsrate noch nicht einen Pfennig Miete entrichtet. Herr B. strengte endlich die Klage auf Räumung der Wohnung an und erzielte ein obsiegendes Erkenntnis. Als man behufs Vornahme der Exmission beim Mieter Ein laß begehrte, wurde nicht geöffnet; es mußte vom Gerichtsvollzieher ein Schlosser requiriert werden, der die Wohnungstür gewaltsam aufsperrte. Wer aber beschreibt das Erstaunen der Eintretenden bei dem Anblick, der sich ihnen darbot. In Stube, Kammer und Küche fehlten die Fußbodendielen, die der Hauswirt im vergangenen Sommer hatte neu legen lassen. Der Mieter, der mit betrübter Miene in der Küche kauerte, gestand, daß er, von der bittersten Not getrieben, die noch gut erhaltene Dielung zu Schemeln und Fußbänken verarbeitet und die gefertigten Waren mit seiner Frau im Hausierhandel verkauft habe. * Potsdam. Um das Publikum und die Polizei zu necken, sprang am Dienstag in Gegen- wartszahlreicher Passanten der angetrunkene Maurer geselle Klinner in den Stadtkanal. Man glaubte erst, er wolle sich das Leben nehmen, doch hatte e» Klinner nur darauf abgesehen, die Zuschauer zu foppen; er steckte sich im Wasser eine Zigarre an, legte sich auf den Rücken und schwamm rauchend hin und her. Als ihm die Sache langweilig wurde, schwamm er zu einer Kanaltreppe, wartete dort, bis die Schutzleute ihn greifen wollten, und stürzte sich dann aufs neue ins Wasser. Nachdem sich wohl an 1000 Menschen angesammelt hatten, wurde Klinner, als er sich wieder einer Treppe näherte, von den Schutzleuten gefaßt, dem Wasser entrissen und zum Polizeigefängnis gebracht. Das kalte
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