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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 24.04.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190304244
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030424
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030424
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-04
- Tag 1903-04-24
-
Monat
1903-04
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 24.04.1903
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* Bad Elfter. Ein Echulrelrut zuviel hatte sich am Montag vormittag im UnterrichtSzimmer der hiesigen Volksschule eingefunden. ES war ein kleines Mädchen, mit Fibel und Schiefertafel, sowie mit einem mächtigen Butterbrot ausgerüstet, aber niemand wußte, woher eS kam. Die Kleine gehört wahrscheinlich in einen benachbarten Ort ;bi» Dienstag war sie weder von den Eltern noch von einer Schulgemeinde reklamiert worden. * Ans dem Vogtlande Wegen Einschmuggelns eine- auf 300 Mark geschätzten Pferde» au» Böhmen nach Sachsen sollte am Montag bei Brambach eine Zigeunerbande festgenommen werden. Die Leute ließen jedoch lieber da» Tier im Stiche (welches dann der Obergrenzkontrolle Adorf »ugeführt wurde) und flüchteten über die Grenze zurück. * Altenburg, 21. April. Auf einer Dorf wiese in Vollmershain wurde gestern früh eine in den zwanziger Jahren stehende, anständig gekleidete Frauensperson tot aufgefunden. Man nimmt an, daß bei dem in der Nacht herrschenden Unwetter die Unglückliche vom Wege abgekommen und in folge Ermattung erfroren ist. * Altenburg, 22. April. Ueber da« bereits kur, berichtete furchtbare Familiendrama, da« sich in dem zum altenburgischen Westkreise gehörigen Orte Rattelldors bei Ruda zutrug, wird noch folgen de« bekannt. Der 47 Jahre alte Guttbesitzer Emil Lust, Vater von neun Kindern, hatte sich in letzter Zeit etwas dem Trünke ergeben und nahm e« mit der Arbeit nicht mehr so genau, wethalb er seinem ältesten Sohne die Führung der ziemlich umsang, reichen Wirtschaft überließ. Am Sonnabend nun kam der Besitzer Lust etwas angeheitert nach Hause, worüber ihm seine Frau geringe Vorwürfe machte. Hierüber geriet L. so in Zorn, daß er plötzlich einen Revolver au« dem Schürzenlatz hervorzog und auf feine Frau zielte in der Absicht, sie zu er schießen. Sein ältester Sohn sprang auf den Rus seiner Geschwister hinzu, um seine Muller zu schützen. In diesem Augenblicke drückte der Vaier ab, der Schuß ging lo« und tras den ältesten Sohn ins Gesicht, sodaß dieser bewußtlos und blutüberströmt zusammenbrach. Die Kugel war ihm in« Gesicht gedrungen und blieb im Kehlkopf sitzen. Lust hat hierauf den Schauplatz seiner verwerflichen Tat ver laffen und sich aus dem Oberboden erhängt. * Meuselwitz, 20. April. Aus dem zum Braun kohlenwerk „Zum Fortschritt" gehörigen Heinrich- schachte geriet gestern nachmittag ein großer Kohlen haufen in Brand, der bei dem herrschenden gewaltigen Sturme auch auf den Gebäudekomplex übcrzugrcifen drohte. Der Herbeigeeillen Feuerwehr gelang eS jedoch, nach dreistündiger angestrengtester Arbeit daS Feuer auf seinen Herd zu beschränken. Leider hat sich bei den ReltungSarbeiten ein Feuerwehr mann, der Glasermeister Krödel, eine Rauchver giftung zugezogen. Gerichtssaal. 8 Schleiz, 21. April. Vom heutigen Schöffen gericht hier wurde ein Arbeitgeber wegen Unter lassung von Anmeldungen in 3 Fällen zur Kranken versicherung (Ortskrankenkasse) zu je 10 Mk. Geld- strafe verurteilt. — Eine Warnung dafür, daß die Anmeldungen rechtzeitig zu bewirken sind! 8 Bamberg. Der angebliche Bankier Karl Schmitt, der seinerzeit wegen seiner Schwindeleien große» Aussehen gemacht und unter jenem Ramen sich in ganz Thüringen und Nord-Oberfranken herumgclrteben und bei den Landleuten gefälschte Lose einer gar nicht bestehenden angeblich landwirt schaftlichen Kreditbank in München teuer verkauft hat, stand am Dienstag vor den Schranken der Strafkammer de« hiesigen Landgericht». Er ist als der schon vielfach vorbestrafte verheiratete Gerber geselle Andrea« Hofmann aus Eger ermittelt worden und aus diesen seinen wirklichen Namen wurde er, nachdem ihm seine Schwindeleien in ungefähr 70 Fällen nachgewiesen werden konnten, zu drei Jahren Zuchthaus und 600 Mk. Geldstrafe (gleich weiteren 10 Tagen Zuchthaus) und zu fünf Jahren Ehrver lust verurteilt. § Thor», 22. April. Da« Urteil im Prozeß wegen Münzverbrechen« lautet gegen den Lithographen Feyerabend au» Thorn wegen Münzverbrechens in drei Fällen und Verbrechen« gegen 8 151 St.-G.-B. in einem Falle zu vier Jahren Zuchthaus und sechs Jahren Ehrverlust, Wagner wurde nur wegen Ver gehen gegen 8 151 zu acht Monaten Gefängnis verurteilt, die durch die Untersuchungthast als ver büßt anzusehen sind. Der Lithograph Schröder- Berlin wurde völlig sceigesprochen. Gegen Feyer- abend waren acht Jahre Zuchthaus, gegen Wagner ein Jahr beantragt. Kleine Chronik. * Berlin. Eine Episode au« den jüngsten Sturmtagen teilt man au« Berlin mit: Umlagert waren vor den großen Casö« Unter den Linden die Türsteher, denen man hohe Trinkgelder für die Be schaffung eine» Wagens bot. In den meisten Fällen glückte e« nicht. Eine Dame, die mitten unter den Hilfesuchenden stand und den kurzen Weg zu ihrem Hotel hinübergelangen wollte, zahlte dem Boten, der ihr endlich eine Droschke brachte, ü Mk. und dem Kutscher 20: im ganzen 25 Mark für eine Fahrt, die zu normalen Zeiten 60 Psg. kostet! — Von einer Tragödie auf See wird berichtet: Im Stet tiner Haff sank infolge des Sturme» ein Fahrzeug. In der Mastspitze hatte sich ein Matrose zu bergen gesucht, der notdürftig und auch nur mit Strümpfen bekleidet war. Einem Dampfer gelang da» Rettungs werk des hohen Seegang« wegen nicht. Inzwischen ist der Mann, der sich festgebunden hatte, erfroren und hängt als Leiche im Mast. Schiffikatastrophen werden überhaupt viele bekannt. An der pommerschen Küste strandeten fünf Schuner au« Ostpreußen, wo bei 3 Mann umkamen. Zwei weitere ostpreußische Schuner werden vermißt. — In der Umgegend von Gleiwitz in Oberschlesien wurden vier erfrorene Menschen au« den Schneemaffen ausgeschaufelt. * Bre»lau, 23. April. Die 25jährige Ehe frau des Schweizers Bartsch auf dem Gute Küns dorf bei Nimptsch wurde nachts in ihrem Schlaf zimmer überfallen und durch Messerstiche schwer verletzt. Der Verbrecher goß hierauf Petroleum auf ihr Bett und zündete es an. Die Frau erlitt furchtbare Brandwunden. Der Mörder ist noch nicht ermittelt. * Gnesen, 23. April. Ein Gattenmord hat sich in Gousawa ereignet. Der Arbeiter Liuda er schlug seine Frau mit einem Stock. Der Täler wurde verhaftet. * Hamburg, 21. April. Die in Mona-Ot- teufen wohnhafte Telephonistin Fräulein Dora Drügge, die beim Fernsprechamt Hamburg ange stellt ist, wurde bei dem jüngsten Gewitter, während sie am Apparate saß, vom Blitzschlag getroffen. Die Unglückliche brach sofort zusammen und wand sich längere Zeit in krampfhaften Zuckungen; sie befindet sich noch in ärztlicher Behandlung. Ob der Unfall nachteilige Folgen für die bedauerns werte Dame haben wird, ist noch ungewiß. * Nienburg (Weser), 21. April. Ein ent setzliches Unglück ereignete sich gestern anläßlich einer Beerdigung auf der Verdener Straße, als ein scheu gewordenes Pferd mit dem Wagen von hinten in das zahlreiche Trauergefolge hineinraste. Mehrere Personen wurden nur leicht verl-tzt, da gegen der Faktor der Hoffmannschen Buchdruckerei, van Acken, dem „Hannov. K." zufolge, so schreck lich zugerichtet, daß er bald darauf verschied. Ein Arzt, der sich ebenfalls im Gefolge befand, leistete die erste Hilfe. Unmittelbar vor dem Leichenwagen rissen die Stränge, andernfalls würde der Vorfall noch weitere schlimme Folgen gehabt haben. * Hildesheim. Wegen Verausgabung von falschen Zweimarkstücken, die ihr Ehemann, der frühere Assistent an der landwirtschaftlichen Ver suchsstation in Hildesheim, Dr. phil. E. v. Wedel- städt, angefertigt halte, wurde seinerzeit Frau Elfriede v Wedelstädt vom Schwurgericht zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Diese Strafe ist jetzt im Gnadenwege in ein Jahr Gefängnis um- gewandelt worden. Dr. E. v. Wedelstädt kam da mals unrer Zubilligung mildernder Umstände mit einem Jahr Gefängnis davon. * Neustadt a. H., 23. April. In Knopp bei Zweibrücken wurde die 9jährige Ida Kessler, die Schwägerin des Bürgermeisters, im Stalle mit durchschnittenem Halse aufgefunden. Der Tat ver dächtig ist der 42jährige, erst kürzlich aus dem Ge fängnis entlassene Knecht Bohn des Bürgermeisters. Bohn ist flüchtig. * Frankfurt a. M, 22. April. In Butzbach ist unter den Mannschaften der 2. Kompagnie des dort garnisonierenden Bataillonsdes 168.Jnfanterie- Regiments die Genickstarre ausgebrochen. * Pilsen. In der Nähe des Waldes bei Ober-Berkowitz hat ein Kutscher in einem 160 cm langen und 1 m tiefen Graben einen mit Erde halb bedeckten Mann aufgefunden, der sich durch einen Schuß in die Brust entleibt hatte. Neben dem Selbstmörder, einem Dienstknecht namens Paul aus Berkowitz, lag ein sogenannter Wildererstutzen. Wie festgestellt wurde, hatte sich Paul das Grab selbst geschaufelt, und zwar in solcher Weise, daß durch die Wirkung des Schusses das Erdreich auf ihn stürzen sollte, damit der Leichnam nicht aufgefunden würde. Diese letzte Absicht aber wurde, da nur ein Teil des Erdreiches niederstürzte, nicht erreicht. * Lemberg, 22. April. Im Vororte Zastacie der Stadl Grodek sind gestern über 60 Häuser niedergebrannt. In Lanezyn im Bezirke Nadworna brach gestern ein großes Schadenfeuer aus, bei dem über 300 Häuser niederbrannten. * Zürich. Ein Opfer gefordert hat der Rhein fall bei Schaffhausen, dessen obere Felsen infolge niedrigen Wasserstandes des Rheins z. Z. größten teils trocken liegen. Ein lojähriges Mädchen, das in Gesellschaft von Verwandten und Bekannten auf dem Felsen herumkletterte, glitt plötzlich auf einer glatten Felsschicht aus und stürzte kopfüber iu den Wasserstrudel, den die herabstürzenden Wogen bilden. Alle Rettungsversuche der zum Tode erschrockene» Gesellschaft waren erfolglos. An der gleichen Stelle verunglückte vor zwei Jahren ein junger Mann, dessen Leiche nie mehr zum Vorschein kam. Vermischtes. -p Necht hübsch lautet eine amtliche Kund- machuug im „Liechtensteiner Volksblalt" (Nr. 15): „Diejenigen, welche an die Vaduzer Gcmeindckasse ihre Steuer noch nicht bezahlt haben, werden noch mals dringend ausgesordert, sich von dieser schweren Unterlassungssünde frei zu machen, noch ehe der Käser durch die Fluren schwirrt. Vaduz, am 7. April 1903. Der Gemeindekassierer." s - Die Stadt Tturbridge im Staate Massa chusetts steht unter dem Eindruck der gräß lichen Wahnsinnstat einer Mutter. Die 34 Jahre alte Fran Burke, die mit ihrem Manne in glücklichster Ehe lebte, zerschmetterte in Abwesenheit ihres Mannes, nachdem sie alle Türen in der Woh- nnng fest verrammelt hatte, ihren vier Kindern im Alter von 6 Jahren bis 5 Monaten mit einem gro ßen Beile den Kopf, begoß die Leichen mit Petro leum und zündete sie an. Hierauf beendete sie ihre furchtbare Tat damit, daß sie ihrem eigne» Leben ein Ende machte, indem sie sich den Hals durchschnitt. Flamme», die aus einem Fenster der Wohnung drangen, veranlaßten Nachvarsleute in die Wohnung einzudringen, wo sie die fünf Leichen schon fast ver kohlt vorfanden. Das Feuer, das sich schnell ausge breitet hatte und nun fast das ganze Haus bedrohte, konnte nur nach größten Anstrengungen unterdrückt werden. Der unglückliche Vater verlor beim An blick der Leichen seiner Liebe das Bewußtsein. Frau Burke zeigte wohl früher mitunter Zeichen einer geistige» Störung, doch dachten weder ihr Mann »och ihre Verwandten im entferntesten daran, daß ihr krankhafter Zustand zum Wahnsinn führen könnte. ch Wie tötet »ran Aale am leichtesten? Diese Tiere haben bekanntlich eine wahre Unverwüstlich keit ihrer Lebenskraft und find gar nicht tot zu kriegen. Jetzt schreibt ein Tiersreund: Ich muß mich wundern, daß das einfache Mittel nicht bekannt ist, um Aale schnell zu töten, wie es meine Frau anwendet. Sie nimmt eine Schüssel mit kaltem oder lauwarmem Wasser, gießt einen Tassenkopf Weinessig hinzu und schüttet die Aale hinein. Diese drehen sich dann 2- bis 3mal herum und in einer halben Minute sind die Aale tot, und den anhaftenden Schleim kann man leicht mit den Fingern abstreifen. Die Aale sehen dann blau aus, zucken nicht mehr und können nun leicht ausgenommen werden. Durch Nachspülen mit klarem Wasser wird der etwa be fürchtete Essiggeschmack beseitigt. Briefträgers Hannchen. Bon Georg Paulsen. 33. Fortsetzung. (Nachdruck verboten). „So kommst mir? Hab' doch vermeint, wird'st Gerechtigkeit üben und sehen, daß der Hermann der war, der mit der Gewalt anfangen hat. Bin wie a Hund Dir nachlausen, had's so gut meint, daß Dir nix von dem Vornehmen passieren tät. Aber Ihr Mädeln seid all' gleich, all' ohne AuSnahm', aus'S Geld schaut Ihr, nach 'nem Mann " Ein Klirren unterbrach ihn; das entrüstete Mädchen hatte daS Fenster schnurstraks geschlossen. Aber fast im selben Augenblick öffnete sich ein Fenster an der anderen Ecke des Hauses, oben im Giebel, und eine hastige Stimme fragte: „Wer ist da?" „Um Gotteswillen, die Mutter," flüsterte Hann chen erschrocken vor sich hin, aber sie wagte eS nicht, zum zweiten Male daS Fenster zu öffnen. Zu ihrer Erleichterung bemerkte sie auch, wie der nächtliche Besucher sich schweigend in den Schatten des Wein- spalier» zurückzog. „Da war doch jemand im Garten," wiederholte Frau Elise Hölder oben an ihrem Fenster. „Ich habe doch sprechen und nachher daS Fenster zu schlagen hören?" „Wirst träumt haben," klang jetzt Lebrechts knarrende Stimme dazwischen. „Denkst etwa, daß Hannchen schon wieder mit jemand ein Rendezvous gehabt hat?" Hannchen faltete unten in heißer Angst die Hände, wenn nun bloß nichts weiter darnach kam. Die Sommernacht war so still und friedlich, waren denn aus sie ganz allein alle Zufallstücken loSge- lassen? Schorsch hielt sich unbeweglich, sie hoffte, es werde alles wieder ruhig werden. Und so würde es auch gekommen sein, wenn Frau Hölder nicht brummig ihrem Eheherru geant wortet hätte: „Trau Du dem leichten Ling! Haben doch heute gerad' genug erfahren." Das war ge nug, um Lebrecht wieder völlig munter zu machen, Hannchen brauchte nur den Gegenstand des Gesprächs zu bilde», und sofort war sein allerhöchstes Interesse erweckt. „WaS sprichst da schon wieder? Nu schau ge rad' nach, ob Hannchen noch wach ist, oder jemand im Garten steckt. 'S Mäbele wird net wieder was verschweigen, daS hat's heut ihrem alten Vater seier- lich versprochen." DaS junge Mädchen fühlte den Angstschweiß aus ihre vlirne treten. Ja, wirklich, alles hatte sich diesen Abend gegen sie verschworen. Es flimmerte vor den Augen, sie mußt' nicht, waS sie denken sollt', und schon polterte der Vater mit schwerem Tritt die Treppe herab. Was sollte sic sagen, wenn er nun kam? Aber Hölder vertraute seinem Mädele viel zu sehr; er pochte nicht an ihre Kammerlür, sondern ging sofort zur Gartenpforte. Sie war von innen verriegelt. Er wollte nach Entfernung der Sicher- heitSvorrichtung öffnen, als er fand, daß von draußen die Tür zugchalten wurde. Der Schlag sollte ihn rühren, meinte er. Und mit einem Male war seine ganze sonstige Vorsicht bei persönlicher Gefahr von ihm gewichen; die Wut gab ihm verdoppelte Kräfte, er warf sich mit einem gewaltigen Ruck gegen die Tür, daß sie barst. Er stürzte nach und sah, wie jemand aus der andern Seite zu Boden fiel. Schorsch war eS, der unwillkürlich die Tür von außen zu versperren gesucht hatte, denn er hatte auf der Straße Stimmen gehört und wollte nicht über die Mauer zurückklettern, so lange jemand in der Nähe war. Seiner eigenen Sicherheit wegen schon nicht! Jetzt waren die Stimmen verhallt, eben wollte er mit ein paar heftigen Sprüngen ent weichen, als die Bretter zusammenbrachen. Lebrechts knochige Hände packten den Burschen am Halse. „Hab'ich Dich, Hallunk, hab' ich Dich!" stöhnte er dabei. Schorsch machte eine übermensch liche Anstrengung, er sprang empor, stürzte unter einem erneuten Angriff Höldcrs abermals zu Boden und fiel so unglücklich, daß sich sein Gewehr ent lud, daß er immer noch krampfhaft festzuhalten ver sucht hatte. Mit einem jähen Schmerzensschrei sank Lebrecht Hölder zu Boden; Schorsch stand eine Sekunde regungslos. In der nächsten war er schon über die Mauer gesetzt und verschwand im Dunkel der Nacht. Nächsten Morgen stand ganz Sonnenfeld bald Kopf. Der Posthallerssohn war schwer verwundet, und der Lebrecht Hölder sollte gar totgeschossen sein. Und alles daS um Hannchen HölderS wegen ! Einige übereifrige Gemüter berieten nun schon, wie viel Strafe das Mädchen haben müsse. Denn die Haupt schuld hatte sie. So etwas ist ja auf der ganzen Welt noch nicht dagewesen, in Sonnenfeld natürlich erst recht nicht. Zum Glück erwuchsen dem hart angegriffenen Hannchen auch Verteidiger, an der Spitze der Polizei- Kommissar, der jedem, der eS hören wollte, erklärte, Hannchen Hölder sei nicht blos ein tapfere», sondern auch ein gescheidteS Mädchen. Sic hätte gerade Unglück verhüten wollen und eS auch dahin gebracht, wenn nicht ein böser Zufall dazwischen gekommen wäre. Er möchte eine Sonnenselderin sehen, die in solcher Lage so viel Mut bewiesen hätte! Und der zweite war der Doktor, der mit jovialer Ruhe erklärte, der alte Hölder sei nur unerheblich I verletzt von dem loSgegangenen Schuß, aber «r hätte einen bösen Fall dabei getan, der wohl seiner Postlausbahn ein Ziel setzen werde. Mit dem Rennen, wie man e» bei ihm gekannt, sei e» vorbei. Da» habe aber auch anderswo passieren können, man solle also daS Hannchen in Frieden lassen. E» sei so wie so schon gcnug zu bedauern, da e» nun zur Pflege des Vater- habe daheim bleiben müssen. „Und sie hatte doch wirklich Gold in der Kehle!" So war eS, Hannchen war insolge der Ereignisse de» „tollen Abends" daheimgeblieben, so sehr ihr Vater auch auf der Abreise bestanden hatte. Er würde schon allein gesund werden, sein Mädele könnte auch nicht» ander- tun, als ihm abwarten helfen, bis die alten Knochen ihm wieder parierten. (Fortsetzung folgt.) Neueste Nachrichten und Depeschen von» 23. April. Berlin. Anläßlich der Aufenthalte« de» Kaiser« in Gotha bez. Schloß Niederstein wird dem Monarchen aus besonderen Befehl der kleinste Soldat de« 1. Jnfanteriebataillon« Nr. 95 in feldmarsch mäßiger Autrüstung vorgestellt werden. E« ist die» der Oekonomiehandwerker Pietsch mit 1,52 Größe. Durch diese Vorstellung soll dem obersten Kriegl- herrn erklärt werden, wieviel der kleinste Soldat zu tragen vermag. Frankfurt a. M Die „Franks. Zeitung" meldet aus Belgrad: Die Offiziere der Landwehr werden vom 29. April ab zu einem längeren Kursus einberufen werden. Alle Rekruten sämt licher Truppengattungen haben sich vom 30. April ab zum Dienst zu melden. Wien. Wie aus Uesküb gemeldet wird, be zeichnet Hilmi Pascha die Vorgänge in Radowitsch als das ernsteste und wichtigste Ereignis der bis herigen Kämpfe. Bis jetzt wurden auf dem Kampf plätze 52 tote Insurgenten aufgefunden. Die türkischen Truppen mußten schwierige, bewaldete Höhen angreifen. Sie verloren 15 Mann und 2 Offiziere. Die Behörden des Distrikts konnten die Toten nicht rekognoszieren, doch vermutet man, daß es eine Bande Bulgaren war, welche aus Bulgaren hereingebrochen ist. Prag. Eine gestrige Versammlung der unter schiedlich tschechischen Aerztevereinigung beschloß an die Stadtgemeinde in Prag, wie alle tschechischen Gemeinden, die Bezirkiverlreter aller tschechischen Korporationen und Geistlichen, wie überhaupt an da« ganze tschechische Volk einen Ausruf zu erlassen, dem Spital der barmherzigen Brüder in Prag jede Hilse zu entziehen, weil diese Anstalt öffentlich germanisiere und nur eine Filiale der medizinischen Fakultät der deutschen Universität in Prag sei. Prag. Die Karolinenthaler Stadtvertretung beschloß, ihren Vertreter in der Prager statistischen Kommission auszusordern, in der Kommission dahin zu wirken, daß au» deren Ausweisen die deutsche Sprache entfernt und durch die kulturell bedeutend höher stehende französische Sprache ersetzt werde. Kraka». Wie der „Naprzed" au« Rußland meldet, erließ der Gouverneur von Wilna einen geheimen Erlaß, wonach die Stadt in drei Reviere eingeteilt und jede» Revier eine militärische Macht erhalten soll, um bei etwaigen Unruhen sofort ein zugreisen. Paris. Ein Telegramm aus Flemaren be- richtet über sehr ernste Zwischenfälle. Es kam zu einem Handgemenge zwischen Juden und TurkoS, wobei 50 Juden schwer verwundet wurden. Den Behörden war längst bekannt, daß etwas im Werke sei. Infolgedessen waren alle Vorsichtsmaßregeln getroffen. Im Ministerium will man noch keine Einzelheiten über den Zwischenfall erfahren haben. Paris. Der „Figaro" meldet au» Rom, daß alle Einzelheiten über den Besuch de« König« von England beim Papst endgültig geregelt sind. — Ein Bataillon de« 153. Infanterie-Regiment« ist nach dem Karthäuser Kloster abgegangen, um die Schließung derselben vorzunehmen. Marseille. Gestern nahmen 1200 Dockarbeiter die Arbeit wieder auf. Unruhen sind bieher nicht zu verzeichnen. Die Polizei und die Truppen be wachen die Hafenanlagen. Rom. Der König unterzeichnete gestern die Ernennung Morin« zum Minister de« Aeußeren und die Ernennung de« Kontreadmiral» Bettolo zum Marinemintster. Rom. Kardinal Rampolla hat eingewilligt, daß der Besuch des Königs von England vom Ouirinal aus stattfindet. Salonichi. Nach hier eingegangenen Mel dungen haben die Albanesenführer sich durch einen seierlichcn Schwur verpflichtet, die Durchführung der Reform nicht zuzulassen. Infolgedessen be schloß die Friedenskommission, jede weitere Ver handlung zu unterlassen und nach Konstantinopel zurückzukehren. Hier wird behauptet, daß zwischen der Pforte und den Albanesen ein geheimnisvolles Einvernehmen bestehe, wonach die Albanesen sich verpflichtet hätten, mit den türkischen Truppen ge meinsam ins Feld zu ziehen, falls es mit dem einen oder anderen Nachbarstaat« zum Kampfe kommen sollte. Dies sei auch der Zweck der starken Truppen zusammenziehung in Albanien. Tanger. Der Oheim de« Sultan« isi in Me lilla eingetroffen. Der Aufstand in Medine, hat sich gelegt. Die Rebellen haben versprochen, sich ruhig zu verhalten und keinerlei Schritte zu unter nehmen. Chemnitzer Marktpreise vom 22. April 1903. Weizen, sachs. Roggen, - Hafer - Stroh Heu Kartoffeln Futtergerstc Butter, i Kilo pro SO Kilo 7 M. 05 Ps. bi« 6 - 90 - - 7 - — . - 2 - 40 - - 2 - 50 - . 6 - 40 - - ii - 60 - - 7 M. W Pp 7 - 15 - 7 - 30 - 2 - 90 - 4 - — - 2 - 00 - 6 . 75 . 2 - SO -
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