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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 25.03.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190303250
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030325
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030325
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-03
- Tag 1903-03-25
-
Monat
1903-03
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 25.03.1903
- Autor
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halten, sind, wie seinerzeit gemeldet, die beiden ersten ,um Tode verurteilt worden. Goldschmidt, ein ge. borener Dresdner, der, ebenso wie Fousse, nur an dem Jenaer Morde beteiligt war und vor der Tal längere Zeit im Dresdner Jrrenhause zugebracht hatte, muhte erst noch auf seinen geistigen Zustand untersucht und beobachtet werden, was in der Jenaer Jrrenhetlanstalt geschah. Nach Dr. Binswangers Gutachten ist Goldschmidt erblich belastet, der Vater war Trinker, die Mutter litt an Melancholie. Gold schmidt ist geistig zurückgeblieben und zeigt ver. minderte ethische Entwicklung; aber geistesgestört und unzurechnungsfähig ist er keineswegs. Auf die An frage de« Verteidiger«, ob derartige Individuen der Suggestion einer dritten Person leicht unterworfen seien, antwortete der psychiatrische Sachverständige mit .Ja". Goldschmidt wurde jetzt vom Schwur gericht in Weimar wegen Beihilfe zum Raubmord (er hatte nachträglich noch zwei Schläge nach dem von Behnert schon tätlich getroffenen Opfer geführt) zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Gegen da« Urteil hat er Revision angemeldet. Der Prozeß gegen die Spiritistin .Blumen medium" Anna Rothe begann am Montag vor der Berliner Strafkammer unter starkem Andrang. Sie ist de« vollendeten und de« versuchten Betrug« angeklagt. Die Angeklagte, die im 53. Lebensjahre steht, erklärte, daß sie schon al« Kind übersinnliche Erscheinungen gehabt habe. Geschäst«mäßig habe sie die „Sache" nie betrieben, sondern stet« eine Aufforderung abgewartet. Seit vier Jahren sei sie mit einem Herrn Jentsch in Verbindung getreten, der den geschäftlichen Teil übernommen, weil „so viel Briefe" kamen. Zu den „Sitzungen" habe sie sich nie vorbereitet, sie wisse auch über deren Ver laus nur da«, wa« sie nachher erfahren. Sie habe die Sitzungen mit einem Gebet eröffnet, weil da« ganze Leben für sie ein Gebet sei. Wenn ihr die Leute scharf in die Augen sahen, sei sie in den so genannten „Trancezustand" verfallen, unerklärlich für sie. Ob durch ihren Mund die Geister Ver storbener gesprochen haben, wisse sie nicht, ebenso wenig ob sie bei ihrer Verhaftung Blumen in ihren Kleidern verborgen hielt. Die Geldgeschäfte habe allein Jentsch besorgt. Erster Zeuge Kriminal- kommiffar Leonhardt, der den Sitzungen wiederholt dienstlich beiwohnte, schilderte diese. Im Zimmer habe nur ein Tisch gestanden. Nachdem e« etwas dunkler gemacht worden war, sei die R. bei offenen Augen in einen traumartigen Zustand verfallen. Nach einer Weile kamen Blumen anscheinend von der Decke herabgefloge». Die Angeklagte habe eine verdächtige Bewegung nach ihren Beinen gemacht. Sie zu überführen gelang zunächst nicht, der Zeuge ist aber überzeugt, daß Schwindel dabei im Spiele war. Die Angeklagte müsse bei vollem Bewußtsein gewesen sein, denn sie habe die Anwesenden während des angeblichen Trancezustande« genau gemustert. Der Tisch hob sich, anscheinend mit dem Fuße ge- hoben. — Dann wurden die Ergebnisse de« Ent- larvunglabend« geschildert. Die Angeklagte wurde nach heftigem Widerstand überwältigt, und man fand in ihrem Unterrock, den sie dütenartig um ihren Leib trug, wohlgeordnet 153 Blumen, ferner Apfel- sinen und Zitronen. E« kamen auch einige Ent- lastung«zeugen zu Worte. Die gerichtlichen Sach- verständigen sagten au«, daß die Rothe zwar krank haft veranlagt, aber nicht unzurechnungsfähig sei. Im weiteren Verlause der Verhandlung wurden Protokolle kommissarisch vernommener Zeugen ver lesen. Am heutigen Dienstag wird die Verhand lung fortgesetzt. Kirchliches. Sine bemerken«wecte Erklärung hat die Biele felder Psarrgeistlichkeit anläßlich der Papsijubiläum« erlassen. Bekanntlich hatte man er in Deutschland in großen, teil« evangelischen Ländern an un würdigen Verherrlichungen nicht fehlen lassen. Die Erklärung lautet: „Wenn sogar im Namen der Evangelischen der Papst Leo XIII. gepriesen wird al« „ein Hort de« Friedens und der Versöhnung", so sind wir um unsrer Gemeinden willen verpflichtet, dieser Fälschung historischer Wahrheit cntgegenzu- treten und ruhig au«zusprechen, daß kein Papst feit Jahrhunderten in so rücksichl«loser Weise aller ge schmäht und beschimpft hat, wa« un« Evangelischen hoch und heilig ist, al« gerade Leo XIII. Er Hal unser kirchliches Recht „die lutherische Rebellion," unfern Reformator Dr. Martin Luther einen „Erz- ketzer", unfern Glauben eine „Pest" und „vergiftete Lehren", und unsre Missionare Leute genannt, „welche die Herrschaft des Fürsten der Finstern » zu erweitern bestrebt sind." In der Canistusenzy- klika vom 1. August 1897 bezeichnet dieser Papst den evangelischen Glauben, welcher zwei Drittel der Bewohner Deutschland«, darunter der Kaiser und sein Haus, bekennen, als ein „unheilvolles Gift, da« die Sitten untergräbt und die Völker dem Verderben zusührt." E« ist leider eine nicht wcg- zuleugnende Tatsache, daß Leo XIII. mehr al« irgend ein anderer dazu beigelragen hat, die in unserm Vaterlande nun einmal vorhandenen Konfessionen, die in Frieden miteinander leben wollen, gegen ein ander zu reizen und zu Hetzen; — mehr al« irgend ein anderer dazu beigetragen hat, den konfessionellen Unterschied, der im Geiste evangelischer Duldung getragen werden muß, zu unversöhnlichem Gegen satz zu verschärfen, zu schwerem Unheil unsre« deutsch-nationalen Lebens und zur unheimlich drohen den Gefahr unsres Deutschen Reiche«. Solchen Mann können wir Evangelischen in mancher Be ziehung achten, wenn er auch unser Gegner ist, aber niemal« können wir ihn feiern al« einen Hort de« Frieden» und der Versöhnung." Aerztlichc Mission. Die Leipziger Mission hat nun auch einen Di. west, nach dem Kilimandscharo entsandt. Die heidnischen Medizinmänner feisten ja unglaubliche«. Von einem kranken Chinesen, der vor kurzem in« Mission«hospital zu Honan kam und um Heilung seiner Magenschwäche bat, wird berichtet: Er halte nach Verordnung feine« eingeborenen Arzte» 60 Pfund Steine, d. h. einen halben Mühlstein pulverisiert gegessen, jeden Morgen eine Taffe voll. Da e« nicht besser wurde, nahm er auf weitere Verordnung noch so Pfund Zimmet bi« ihm alle Kraft aulging. Im christlichen Hospital ist er dann hergestellt worden. Kleine Chronik. * Berlin, 21. März. Aus Verzweiflung über den Selbstmord ihrer Stieftochter in den Tod ge gangen ist eine hiesige Rentiere Namens Haula. Die Tochter hatte auf den Eisenbahnschienen beim Bahnhof Grunewald ihrem Leben ein Ziel gesetzt. Die Mutter tötete sich durch einen Schuß in die rechte Schläfe. Die 37 Jahre alte Mutter und die 18 Jahre alte Tochter werden gemeinsam zur Ruhe bestattet werden. * In Sommerfeld (N.-Lausitz) trasen dieser Tage bei dem Magistrat, von Berlin aus kommend, 2500 Mk. ein mit einem ohne Namensunterschrift versehenen Begleitschreiben, nach welchem ein früherer Einwohner der Stadt die seinerzeit hinterzogenen Steuern mit ZinS und Zinseszinsen reumütig be richtigt. Der Magistrat von Sommerfeld wird dem von seinem Gewissen aufgerüttelten Steuerzahler jedenfalls nicht zürnen. * Sprottau. Hier erregte die Verhaftung des wohlhabenden Rentiers Greulich großes Aufsehen. Dieser war verdächtig, am 6. März den großen Scheunenbrand auf dem Gräflich Dohnaschen Dominium Klein-Eulau verursacht zu haben. Greu lich hat sich im Gerichtsgefängnis erhängt. * Kiel, 23. März. Das Segelschiff „Louise" hat im Nordostseekanal ein Leck bekommen und ist plötzlich gesunken. Der Kanalverkehr ist unbehindert. * Lübeck, 23. März. Ein Hamburger Bank beamter erfchoß im benachbarten Schwartau seine Geliebte und darauf sich selbst. * Lehrte, 23. März. Heute morgen wurde hierselbst die Witwe Karoline Boedecker in ihrem Bette erstickt aufgefunden. Fußboden, Bett und Stuhl standen in Flammen. Eine Fensterscheibe war zertrümmert, auf dem Hof fand man einen leeren Geldbeutel. Es liegt anscheinend Raubmord vor. Der Täter ist noch nicht ermittelt. * Schroda (Westpr.), 23. März. Aus Schroda Westpr. wird geschrieben: Der Ansiedler Bentsch aus Pontkau war mit seiner Frau verreist und ließ seinen 15jährigen Bruder allein zu Hause. Als der Knabe abends bei der Lampe am Tisch saß, klopfte es plötzlich ans Fenster, und drei Männer, die vor dem Fenster standen, riefen ihm zu, er falle sofort das Licht auslöschen, oder sie würden ihn sonst erschießen. Er folgte diesem Gebot, schlich sich aber leise an den Schrank, nahm das geladene Jagdgewehr des Bruders heraus und trat so bewaffnet auf den Hof. Dort sah er, wie die Fremden sich am Stalle zu schaffen machten: um sie zu vertreiben, feuerte er einen Schuß ab, worauf alle drei die Flucht ergriffen. Wie eine Blutspur bewies, muß er einen verwundet haben, doch ist es trotzdem noch nicht gelungen, des Ein brechers habhast zu werden. Es scheint dies die selbe Bande zu sein, die schon seit einiger Zeit die Gegend unsicher macht. * Essen. Wegen heftiger Kopfschmerzen suchte ein russischer Arbeiter in Essen ein Krankenhaus auf. Dort stellte man fest, daß er eine halbe Taschenmesserklinge im Kopfe stecken hatte. Er war vor acht Tagen an einer Schlägerei beteiligt gewesen. * Heidelberg. Glück muß der Mensch haben! Ein Fabrikant von hier, der sich in Zahlungs- Schwierigkeiten befand und seinen Konkurs anmelden wollte, erhielt gerade an diesem Tage die Nachricht, daß sein Lo« der hessisch-thüringischen Staatslotterie mit 200 000 M. Gewinn gezogen worden sei. Er erhielt sofort 164000 M. autbezahlt und war so au« aller Verlegenheit. * Agram. Von einem entsetzlichen Wettlauf mit dem Tode wird berichtet: Ein hiesiger Bürger wollte gegen die zehnte Abendstunde von Agram in das jenfeits des Savestromes gelegene Gebiet gelangen. Nm sich den Weg abzukürzen, ging er über die große eiserne Eisenbahnbrücke, die den Fluß überspannt. Der Mann befand sich kaum in der Mitte der Brücke, als der von Agram gegen Karlstadt verkehrende Nachtzug heranbrauste. Als der Unglückliche den Zug herankommen sah, be gann er wie wahnsinnig zu laufen, wobei er un- abläfsig schrie. Unerklärlichcrweise entdeckte der Zugführer den Mann nicht, während die Loko motive immer näher brauste. Der Unglückliche sah die roten Lichter austauchen und, an Rettung verzweifelnd, sprang er über das Brückengeländer in den Strom, in dessen reißenden Fluten er seinen Tod fand. Die Leiche wurde erst nach langem Suchen gefunden. Handels-Nachrichten. Gorlin, 23. März. «Wechset-CourSI Mark 168,75 G 167,60 G 81,25 G 80,70 G 81.80 G 81,30 G 20,49 iS 20,29 G 81,10 iS 80,80 iS 85,25 G 84,60 G Reichsbank 3'/."/», Lomb.-Z.-F. 4'/,"/«. Aoxäpdurr, <23. März. Rornzuckcr cxct. 88°/, Rcn- demeni 0,00—0,00. Nackprodutte exct. 75'/« Rendement 7,30—7,50. Stimmung: Matt. Krystaltzucker 1 30,07'/, Brodrasfinade I 29,82'/,. «cm. Raffinade mit Faß 29,82. Gem. MeliS 29,32. Rohzucker I. Product Trans, f. a. B. Hamburg per März 16,50 Gd., 16,70 Br., per April 16,55 Gd., 16,65 Br., per Mai 16,85 Gd., 16,90 Br., per Aug. 17,15 Gd., 17,25 Br., 00,00 bez., per Okt.-Dezbr. 18,15 Gd., 18,25 Br., 00,00 bez. Stimmung: Flau. KW Uawdurs, 23. März. Weizen ruhig, Holsteinischer und Mecklenburger 154, Hard Winter 131. Roggen flau, südrusf. 104, Holsteinischer und Mecklenburger 140. Mai« stetig, 121-123, runder 90'/,. Hafer matt, »erst« matt. 8 3 8 4' vank- vlesont 4 5 5 4 Amsterdam per lOO fl. d. Brüssel und Antwerpen pr. 100 Franc«. Italienische Plätze pr. 100 Lire Schweiz. Pl. 100 Irc. London pr. 1 Lstrl. Madrid und Barcelona pr. 100 Peseta« Pari« pr 100 Franc Petersburg pr. 100 Rubel Warschau 100 Rubel Wien 8 r 2M 8 T 3M 10 r 2M 10 r 8 r 3M I4T 2M 8 T 3M 8 T 3M 5'/, 8 T 8'/. bL 23. Mär». (Baumwolle). Tendenz: Ruhig. Upl. middl. loco 51 Pfg. Liverpool, 28. März. (Baumwolle.) Muthmaßlichcr Umsatz: 8000 B. Stimmung: Willig. Import: 16 000 Ballen. Preise 2—8 Punkte niedr. — Umsatz: 7000 Ballen davon für Epeculation und Export 500 Ballen. Amerikaner fest, 4 Punkte niedr. Ostindische unver ändert. Lieferungen: träge. März 5,22, März-April 5,22, Mai-Juni 5,25—5,26, Juli-August 5,25, Scptbr.- Oktober 4,87—4,88. Zahlungseinstellungen. Carl Moritz, Tost. Friedrich Lüdicke, Werder a. H. Otto Martin, Witten. Max Silberberg, Wittenberge. Ernst Eduard Richter, Zeitz. Gebr. Perrot, Biberach. Wilh. Rode, Wegeleben-Halberstadt. Briefträgers Hannchen. Von Georg Paulsen. 10. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Aber cS muß leider gesagt werden, daß die letzten Worte des Generalpostmeisters, daß eine solche Stimme eine Gottesgabe sei, für die man dankbar sein müsse, von Lebrecht Hölder nicht zu meist beachtet wurden. Er vergötterte sein Hannchen beinahe, aber das Gelderwerben lag ihm so in Fleisch und Blut und war ihm — auf seine Weise — so gelungen, daß immer fester in ihm der Ge- danke Leben gewann, für sein Hannchen seien Lob und Anerkennung allein auch nicht genug, daS Gold der Stimme müsse in echtes Edel-Metall umge wandelt werden. Geld hatte er ja, er konnte ge trost, ohne etwas zu riskieren, so ein paar tausend Taler für die musikalische, künstlerische Ausbildung seiner einzigen Tochter in der nächsten großen Stadt, in der sich eine bekannte Musik-Akademie befand, auSgeben. Aber wollte der „Racker", wie Hölder Hann chen seit manchem Wortgefecht zu nennen pflegte? Nein, „er" wollte nicht. Einiges kam hinzu, um für Hölder schon seit einiger Zeit diesen Gedanken angestrengt zu ver treten: 'S Mädele war kein Kind mehr, aber hörte die Herumbalgerei mit PosthalterS Jüngstem, der doch ein Jahr älter war, wohl aus? Justement nickt. Und dabei machte die Frau Posthalterin noch immer ihre spitzen Bemerkungen und nun erst recht. Und zwar nicht ohne Grund! Da war ein reizvolles Waldsest für die jungen Leute, mit einem kleinen Tänzchen hinterher, ge wesen, und zu dieser kleinen Festivität, auf welcher ihr Hermann schon als Kavalier erschien, hatte dir Beherrscherin der Posthalterei — sie war eS wirk lich geworden, seitdem der Herr Gemahl immer mehr Haare aus seinem so lange kräftigen Schopf verlor, — eine Nichte eingeladen, deren gelinder — oder sagen wir reichlicher — Familieustolz ziem lich blank mit gemünztem Gold verziert war. ES war die alte Geschichte: ein Vermögen sollte zum anderen kommen, und da sollten zum Schluß die Herzen der beiden jungen Leute mit als Beilage auf die Wagschale geworfen werden, damit eine et waige Differenz zum AuStrag kam. Uebrigens : Niemand hätte der Frau Posthalterin das ins Gesicht sagen dürfen, die Antwort wäre von einer Deutlichkeit gewesen, daß sie sofort ver standen worden wäre. Madame sagte sich und Anderen: Erstens sind die beiden jungen Leute nicht auS der ersten, besten Familie, zweitens müssen sie sich gut sein, und drittens haben sie Geld! Also! DaS klang anders, als 'nen baumlangen, hölzernen Briefträger Hölder sein Hannchen und des reichen Posthalters Grau Jüngster! Sollte die Range, daS Hannchen, nicht schon so gescheidt sein mit ihren siebzehn Jahren, die sie damals war, daß sie fühlen mußte, sie habe sich nicht zwischen ihrem einstigen Spielgenossen und seiner Base Gertrud zu stecken? Aber nein! Was halte der erwachsene Unband zu dem jungen Herrn gesagt: „Du, Hermann, als wir den Bären tanzen ließen, warst Du doch beinahe fideler, wie heute!" Und die junge Dame hatte dabei gestanden, nicht gewußt, was sie sagen sollte, und Hermann Grau — Frau Posthalterin sagte daS in heimlichem Grimm nur zu sich selbst — hatte — wie auf den Mund geschlagen — aus diese Bemerkung keine Silbe zu erwidern gewußt. Damit noch nicht genug: Die „Erzkokette", die trübseliger Weise Hannchen schon mit siebzehn Jahren geworden sein sollte, hatte den „Demelack" — wieder eine heimliche Randbemerkung der Frau Mama — für alle interessanten Tänze zu gewinnen gewußt, und die arme, zum Besuch gekommene Base hatte voller Zorn schließlich erklärt: Bei ihr zu Hause zeigten sich die jungen Herren höflicher, nament lich ... . „Pst, pst, Kind!" hatte die Frau Posthalterin vorzubeugen gewußt. Aber geholfen hatte es nicht. Die junge Anverwandte wußte nicht allein ganz genau, wie viel sie nach dem Urteil ihrer Eltern Verwandt- und Freundschaft wert sei, sie sprach daS auch ziemlich unverblümt aus. Und Madame Grau, so sehr sie geneigt war, verwandtschaftlichen Eigenheiten Rechnung zu tragen, mußte mit einem leisen Seufzer doch zugeben, daß bei dem jungen Fräulein daS Selbstbewußtsein in einer Weise ent- wickelt sei, bei der, unter weiterer Entfaltung im Laufe der Jahre, der künftige Gatte nicht eben gut fahren werde. Dies Wesen hatte den stillen, gut mütigen PosthalterSsohn immer wieder abgestoßen, und die Folgen waren die fortwährenden Tänze mit dem „Briefträger-Unband". Der Name war Hannchen trotz ihrer siebzehn Jahre geblieben. Ein heftiges Donnerwetter war diesem Wald- Intermezzo gefolgt. Die Frau Posthalterin hatte sich sogar zu der — freilich etwas unüberlegten Drohung — verstiegen, sie werde sich „hohen OrtS" darüber beschweren, daß Briefträger Hölder feiner Tochter den „Männerfang" nicht untersage. Ganz gewiß, daS böse Wort hatte sie gebraucht, und zwar so laut, daß Hölder, der gerade einen AmtSauf- trag auszurichten hatte, es hören mußte. Er hatte sich umgewandt und trocken gesagt: „Tun Sie, was Sie halt nimmer lassen können, das hat daS Hann chen von der Stammmutter Eva! Und selbiger hat das ganze Weibsgeschlecht bis auf diesen Tag nachgeeifert, sogar die Frau Posthalterinnen nicht ausgenommen. Und meine Elise auch nicht!" „Tie unverschämter Mensch!" war die grob« Antwort gewesen. Hölder grinste; aber er wußte, al« er sich still verzog, ganz genau, daß seine alte Feindin sich nicht beschweren werde. Denn über da» „Lieber- leben" in der Posthalterei ward ja nun doch ein mal Manches erzählt, waS menschlich war. DaS Pantöffelchen von Madam' war nicht groß, aber der Hausherr kämpfte einen verzweifelten Kamps gegen seinen Druck. (Fortsetzung folgt.) Standesamt Hohenstein-Ernstthal. Nachrichten über die Woche vom 15. März bi« mit 21. März 1003. Geburten: Ein Sohn: dem Schlossermeister Max Paul Lederer, dein Geschäftsexpedient Hugo Paul Tauscher ; Eine Tochte: dem Geschäftsführer Robert Oswald Griesbach, dem Strumpfwirker Karl Gottlob Lorenz, deni Strumpfwirker Hermann Theodor Flechsig, dem Strumpf wirker Karl August Rehm, dem Maurer Emil Richard Feldmann. Aufgebote: Der Schmied Theodor Max Engelmann hier mit der ledigen Handschnhnühcrin Thekla Selma Esche in Rüß dorf, der Bücker Oskar Max Höber hier mit der ledigen Trikotagennüherin Frieda Elisabeth Werner hier, der HauSinaiin August Friedrich Fritzsche hier mit der ledigen Fabriksoulcrin Emma Auguste Eibisch hier, der Schrift setzer Wilhelm Friedrich Karl Charl« hier mit dem ledigen Dienstmädchen Hedwig Minna Kreitenmcier in Gersdorf. Eheschließungen: Der Ziegelnieister Otto Wilhelm August Laudon in Mühlhausen i. Th. mit der ledigen Haustochter Elsa Steinmetzger hier. Sterbefälle: Emma Elsa Baßler, Tochter des Tischlers Ma): Baßler, 7 Tage alt, die Webermeisterswitwe Auguste Wilhelmine Holzhacker, geb. Günther, 65 Jahre alt, der Lausweber Karl Hermann Gläßer, 43 Jahre alt, Ella Frieda Beyer, Tochter des Handarbeiters Friedrich Wilhelm Beyer, 8 Monate alt. Kurt Paul Sax, Sohn des Handarbeiters Johann Paul Sax, 7 Tage alt, die Amtsgerichtssekretärs ehefrau Johanne Klara Günther, geb. Wagner, 32 Jahre alt, außerdem eine Totgeburt. Gesundheitspflege. Die gefürchtete Säuglingssterblichkeit ist bei den sog. Brustkindern notorisch am geringsten. Bedauerlicherweise sind aber sehr viele Mütter heutigentags mangels genügender Nahrung außer stande, ihre Kinder selbst zu stillen. In solchen Fällen dürfte der Gebrauch der Somatose von eminentem Wert für sie sein. Wie erst durch neuere Untersuchung wiederum festgestellt worden ist, fördert die — am besten auch schon mehrere Wochen vor dem zn erwartenden freudigen Ereignis — regel mäßig verabreichte Somatose in erheblichem Maße die Milchsekretion und erhöht den Fettgehalt der Muttermilch. Daher sollte jede Mutter, der daran liegt, selbst zu stillen, beim leisesten Verdachte eines möglichen Milchmangels zur Somatose greifen. Neueste Nachrichten und Depeschen vom 24. März. Berlin. Wie au« guter Quelle mitgetetlt wird, ist der sogenannte Jmpressarto der Anna Rothe, Jentzsch, aus der Reise von Amerika nach Deutsch land begriffen und wird wahrscheinlich noch an Gerichirstelle al« Zeuge erscheinen. Innsbruck. Von der Reitherspitze sind 3 Touristen und zwar der Gymnasiast Platter, der Eirpächler Wohlsarter und der Kanzlist Posoll ab gestürzt. Man befürchtet, daß sie tot sind. Rom. Der Generaltarif des neuen Handels vertrages wurde gestern definitiv festgesetzt. Rom. Zur Verhaftung deS Michael Goetz, welcher an der Ermordung deS russischen Staats- ininisterS Szipjagin teilgenommen haben soll, wird noch gemeldet: Goetz ist der Sohn eines Millionär-, 23 Jahre alt und lebte seit dem Morde im Nus lande und zum großen Teile in der Schweiz, wo er ein revolutionäres Blatt herausgab. In seinem Koffer wurden viele Briefe beschlagnahmt. Goetz beschwor, sie nicht der russischen Regierung auSzu- liefern, da sonst viele russische Familien unglücklich würden. Die Briefe wurdennachRom insMinisterium gesandt. Zur Verhaftung war ein hoher russischer Polizeibeamter erschienen. Der ältere, ebenfalls verhaftete Goetz wurde freigelassen. Petersburg. Wie die „Frankfurter Zeitung" meldet, hat der koreanische Kriegsminister den koreanischen Gesandten in Japan beauftragt, alle aus japanische Militärschulen befindlichen Koreaner nach Seoul zurückzusenden. Belgrad. Die Regierung beschloß alle Kom- Mandanten der Landwehr zu einer mehrwöchent lichen Uebung einzuziehen. Sofia. In einer gestern hier abgehaltenen Konferenz der macedonischen Führer gab Michalwsy die Erklärung ab, daß er sich von den macedonischen Organisationen vollständig zurückziehen werde. Rewyork. Wie die „Frkf. Zlg." meldet, find bei einem Aurbruch de« Sufriere auf der Insel St. Vincent Menschen um« Leben gekommen. Die Bevölkerung flüchtet nach der Insel Barbado«. Mellila. Der Prätendent befindet sich einen Tagesmarsch von Mellila entfernt. Die Kabilen- truppen erhielten Befehl, sich zu rüsten und die Truppen deS Sultans zu unterstützen. Trinidad. Nach Blättermeldungen haben hier vor dem Parlamentsgebäude große Unruhen statt gefunden. Die Menge warf mit Steinen die Fenster des Kammergebäudes ein und suchte Feuer anzulegen. Die Polizei feuerte hierauf auf die Menge, wobei mehrere Personen verwundet wurden. Treiberinnen sowie Spulerinnen für mechanisch gesucht. Robert Pfefferkorn.
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