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ch. Fortsetzung und Schluß ) im Glauben dessen gewiß, daß jegliche Krankheit, weil ent fernt, ein Ausfluß des Zornes Gottes über unsre Sünde zu sein, die ja abgewaschen ist durch Christi Blut, vielmehr eine Heimsuchung Gottes ist, daran wir des Vaters Liebe erkennen sollen nach dem Spruch: Welchen ich lieb habe, den züchtige ich. Das Reich Gottes ist eben nicht Leibes gesundheit, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geiste. Wenn Strube sagt: „Ist dieser Grund (der Heiligung durch den Glauben) gelegt, so nimmt die Seele offenbar eine Stellung ein, wo es des schmerzlichen Schmelztiegels der Krankheit zur Zerstörung der sündlichen Eigenheit nicht mehr bedarf", so kann man ihm nur die Nüchternheit und Demut des Apostels Paulus wünschen, der sich selber als den größten unter den Sündern bezeichnet und am Ende seiner Laufbahn bekannte: Nicht, daß ich es schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei, und daher es ganz erklärlich findet, daß der Herr ihm den Pfahl aus dem Fleische nicht wegenommen habe, lind zu welchen Folgen führt solche Lehre, zu welchem lieblosen Urteil gegen solche, die man noch in den Banden der Krankheit, folglich auch noch in den Banden der Sünde sieht, während doch der Herr ausdrücklich seinen Jüngern, wie Golt den Freunden Hiobs, es verweist, in jeder Krankheit die Strafe für eine bestimmte Sünde zu sehen; dann aber auch zu welcher Ungerechtigkeit im Urteil über diejenigen, welche von Gesundheit strotzen, denn die müßte man von diesem Standpunkte aus als vollkommene Heilige ansehen. Auch ist es doch entschieden ein schiefes Urteil, daß man, um dem Herrn dienen zu können, unbedingt gesund müsse. Wie manchen läßt der Herr, wie eben den Apostel Paulus, sein Leben lang mit Schwachheit des Leibes kämpfen, ganz sicher zu dem Zwecke, damit er durch solches Beharren ihm diene an den Brüdern, als ein Exempel der Geduld und zum Ruhme des Herrn, der in dem Schwachen mächtig ist. Freililch — und das dürfte das zweite Körnlein Wahr heit sein in diesem Irrtum — eine Ergebung, die im Glauben an ein unabwendbares Schicksal alles hinnimmt, wie es kommt, aber nicht um Abwendung des Leides zu bitten wagt, kommt nicht aus dem Glauben, sie ist Unglaube Aber — das ist mir, daß ich's offen sage, der Satans- engcl in Lichtgestalt in dieser Lehre — dieses Erhabensein über die Demut, die mit dem Herrn in Gethsemane ihr Gebet schließt: Nicht, wie ich will, sondern wie du willst!, dieses die Gesundheit gleichsam dem lieben Gott auf seine Verheißung hin abtrotzen wollen, ist — ich kann mir nicht helfen — ein titanenhafter Hochmut, der unmöglich aus dem heiligen Geiste kommen kann. Mag's Luther getan haben! Er waren eben auch ein sündiger Mensch, der auch in manchem Worte gefehlt hat. Ich für meine Person bitte Gott, daß er mich bis an mein selig Ende bewahre in dem einfältigen, kindlichen Glauben, der ihm alles, aber auch alles ohne Einschränkung zutraut, aber auch in der einfältigen Demut, die ihm keine Vorschriften macht, sondern alles seinem weisen Rat anheimstellt. Und wenn beide, Arzt und Seelsorger, also gesinnt sind und, dasselbe Ziel, das Seelenheil und das Leibeswohl des Kranken, fest im Auge, in Gemeinschaft solchen zuver sichtlichen und zugleich demütigen Glaubens und Gebetes sich die Hände reichen, dann ist der Kranke in guten Händen. Der Herr gebe jedem unsrer Kranken solchen Arzt und mache uns zu solchen Krankenseelsorgern! Frieden mit Gott giebt, eine Hilfe sein würde auch für leibliche Leiden, namentlich dann, wenn dasselbe in seelischen Verstimmungen und Störungen seine Ursache hat. Lemme hat ganz recht, wenn er sagt: „Mehr Glaube in der Welt, und es würde unendlich viel mehr Gesundheit in der Welt sein!" „Diele Leiden leben von unserm Kleinmut und unsrer Verzagtheit, von unserm Sorgengeist und unsrer Abhängigkeit von der Welt". Das Wort: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig, bezieht sich nach dem Zu sammenhang zunächst auf den Leib. Wenn sonach Heiligung der Seele und Gesundheit des Leibes häufig miteinander im Zusammenhang stehen, so ist es doch andrerseits Schwär merei, zu behaupten, daß sie stets in einem solchen gegen seitigen Zusammenhangs stehen müßten. Gewiß, der Herr hat uns nicht nur von der Sünde, sondern auch vom Tode erlöst und will uns endlich auch von allen Gebrechen des Leibes erlösen, aber nirgends in der heiligen Schrist ist ein Anhalt für die Lehre, daß die völlige leibliche Ge sundheit und die Verwandlung ohne Tod schon hienieden als selbstverständliche Folge der Heiligung im Glauben gegebeu sei. Im Gegenteil, als ob der heilige Geist der Gemeinde auch gegen diese Irrlehre der Heilung durch Heiligung im voraus eine Waffe in die Hand hätte geben wollen, hat er dafür gesorgt, daß der Apostel Paulus klar und deutlich darlegen müßte, daß der Herr auf sein wiederholtes Bitten ihm den Pfahl im Fleische nicht weggenommen, sondern ihn einzig und allein aus seine Gnade angewiesen habe. Es ist daher auch nicht zufällig, daß die Vertreter dieser Lehre von der Heilung durch Heiligung sich immer wieder auf das Alte Testament und die Stellen berufen, deren Inhalt man zusammen fassen kann unter das Thema: Tut Gutes, so wird es euch wohlergehen! Ihr Stand punkt ist in der Tat ein alttestamentlich-gesetzlicher, der von Heiligung im Glauben die Leibesgesundheit gewissermaßen als Lohn erwartet. Das ist aber nicht der Stand punkt des neuen Bundes. Der Christ betrachtet die sündenvergebende und heiligende Gnade als das höchste Gut, das alles andere, auch die Leibesgesundheit verschmerzen läßt, und läßt sich daher an der Gnade Gottes genügen, ja, freut sich ihrer, wenn er auch eine kleine Zeit, wo es sein soll, traurig ist in mancher lei Anfechtungen, denn er weiß, daß die Leiden dieser Zeit nicht wert sind der Herrlichkeit, die dort an uns soll offenbar werden, wenn Gott abwischen wird alle Tränen von unsern Augen und der Tod nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei mehr sein und das Alte vergangen sein wird. Er weiß, daß er der Leiden dieser Zeit, also auch der Krankheiten (denn die Aussch: uug der Kran.h >l n aus der Klasse der Leiden ist eine der heiligen Schrift künstlich, aufgepfropfte) auch als Gotteskind gar nicht entbehren kann denn sie sind eine Züchtigung und Gelegenheit zur Prüfung und Bewährung (1. Petri 5, 10), ja, ein Mittel in der Hand Gottes, auch in dem Stück dem Herrn ähnlich zu werden, daß man barmherzig wird gegen die leidenden Brüder und, darinnen man versucht wird, helfen kann denen, die versucht werden (Hebräer 2, l7. 18). Er ist Arzt und Seelsorger in ihrer gegenseitigen Ergänzung und Begrenzung. Vortrag, gehalten auf der Hohenneinev Konferenz am IS. Juni 1902 von vr. Kober, Superintendent in Auerbach i. V. Auch hier muß unsre Ausgabe zunächst sein, das Körn lein Wahrheit, das in diesem Irrtum verborgen ist, her auszuheben. Und das dürfte ein Zweifaches sein: Einmal ist wohl zuzugestehen, daß Unzähligen, wenn sie nur glauben wollten und könnten, schon der Glaube, der der Seele den Druck und Verlag von Horn L Lehmann, Hohenstein-Ernstthal.