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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 19.03.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190303195
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030319
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030319
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-03
- Tag 1903-03-19
-
Monat
1903-03
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 19.03.1903
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Gera, 16. Mär,. Der Telegraphenbaulehrling Adolf Derbsch au» Debschwitz und eine Anzahl gleichalterige Genoffen, die gierig Indianer, und Räubergeschichten lasen, hatten au« diesen Büchern die Ucberzeugung gewonnen, daß die Diebe und andere Verbrecher ein sorgenlosere« Leben hätten al» ehrliche und arbeitsame Menschen, die immer nur so viel erwerben können, al» sie gerade zum Leben brauchen. Die Phantasie der Burschen war schon so vergiftet, daß Derbsch zur Aussührung einer kühnen Tat schritt, wie er sich einbildete. Er verschaffte sich einen schwarzen Bart und brach in einem Hause der Jlurstraße in den Keller ein, um zunächst Lebensmittel zu stehlen. Später wollte er dann auf der schiefen Ebene weiter schreien. Zu seinem Glück wurde er schon bet der ersten Tat ertappt. Da» Gericht sprach den Burschen frei, weil e, annahm, daß der unbesckoltene Mensch tatsächlich durch die Schundlektüre versührt worden ist und auch in Rücksicht darauf, daß niemand Schaden erlitten hat. Gerechte Strafe- Die Strafkammer in Fürth verurteilte dieser Tage die Gla«polterer«ehefrau Marta Vollrath und die Schreinerisrauen Kuni gunde Vollrath und Anna Schmidt, welche bei der Beerdigung einer Verwandten, mit der sie ver feindet waren, laut aufgelacht, in die Hände ge. klatscht und gerufen halten: „So, jetzt liegt sie drin, da» ist recht!" wegen Vergehen» wider die Religion zu je einem Monat Gefängni». Kleine Chronik. * Berlin, 17. März. Zum Tode des Sohnes des Bankdirektors Koch infolge von Mißhandlungen durch den Privatlehrer Dieppold werden der „Post" noch folgende Einzelheiten mitgeleilt: Die beiden 11- bezw. 15jährigen Söhne des Direktors der Deutschen Bank, Herrn Rudolf Koch, befanden sich seit etwa 3 Wochen während der Abwesenheit der Eltern, welche in Cannes weilten, bei dem Privatlehrer Dieppold in Drosendorf bei Hollfeld (Bayern) in Wohnung und Pflege. Dieppold ist zurzeit noch Student; er studiert in Berlin Juris prudenz. Da die beiden Knaben von zarter Kon stitution sind und daher der Aufenthalt in Drosen dorf kräftigend auf sie einwirken sollte, wurden sie zeitweilig mit leichten landwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigt. Der Vater des Privatlehrers D. soll nämlich ein Gutsbesitzer sein. Am letzten Mittwoch starb nun der 15jährige Heinz plötzlich, nachdem er sich schon kurz zuvor unwohl gefühlt hatte. Ursprünglich wurde angenommen, daß er an dem Genüsse eines der Schlafpulver, die ihm auf ärzt liche Anordnung zuweilen verabfolgt wurden, ge storben sei. Da jedoch in der Bevölkerung alsbald der Verdacht laut wurde, Dieppold habe des öf teren seine Schutzbefohlenen schwer mißhandelt, so wurde die Polizei benachrichtigt, die die Leiche be schlagnahmte. Bald darauf erschien eine Gerichts kommission aus Bayreuth, bestehend aus dem ersten Staatsanwalt Dröber, dem Landgerichtsrat Dr. Weiß und einem Gerichtsarzte, welch letzterer die Sektion der Leiche vornahm. Hierbei wurden an dem Kör per des Verstorbenen Spuren von schweren Züchtig ungen wahrgenommen. Im übrigen soll der Leichen befund zweifellos ergeben haben, daß Heinz Koch infolge fortgesetzt schwerer Mißhandlungen gestorben sei. Der Beschuldigte wurde daher verhaftet und dem Landgerichtsgefängnis in Bayreuth zugeführt. Wie erzählt wird, soll er die Knaben mehrfach in der rohesten Weise durch Fußtritte regaliert haben. Der zweite Sohn des Bankdirektors Koch wurde einstweilen bei einer Osfiziersfamilie in Bamberg unlergebracht. Der Verhaftete, welcher geistig ge stört zu sein scheint, war zu einem Geständnis bis her nicht zu bewegen. * Potsdam, 17. März. Im Hotel „Zum deutschen Hause" ist heute vormittag ein Liebes paar, das gestern abend dort abgestiegen ist, ver giftet aufgefunden worden. Es handelt sich um einen Dr. Dittenberger und eine Schwester vom Roten Kreuz, namens Kerwin, welche in einer Berliner Klinik tätig war. Die in Halle wohnende Mutter des Dr. Dittenberger wurde sofort benach richtigt. Das Paar hat sich anscheinend mit Morphium vergiftet. * Ickowitz. Da« Skelett eine» erwachsenen Menschen wurde Montag früh bei Erdarbeiten auf dem Grundstücke de» hiesigen Gemeindevorstande« Zschoche aufgesunden. Der Kopf und ein Arm fehlten, dagegen sand man gleichzeitig ein größere« Messer. Man vermutet, daß e« sich bei dem Funde um ein Opfer de« Kriegsjahre« 1813 handelt. * Bernstadt in der Oberl. Der älteste Kon firmand, der wohl jemals eingesegnet wurde, stand kürzlich vor dem Altar der Kirche zu Bernstadt. Das Melchiorsche Ehepaar feierte die eiserne Hoch zeit (70. Hochzeitstag) und dabei stellte sich heraus, daß der Bräutigam noch nicht konfirmiert war. Der dortige Oberpfarrer holte nach feierlicher An sprache das lang Versäumte nach und nahm den alten Herrn in den Bund der Christenheit auf. * Frankfurt a. M., 17. Mär,. Der katho- lisch« Pfarrer de« Vororte« Schwienheim, Schneider, wurde gestern abend an der Waldbahnhaltestelle tot aufgefunden. Man nimmt an, daß er in der Dunkelheit von der dortigen eine hohe Böschung herabsührenden Treppe abgestürzt ist. * Frankfurt, 18. März. Eine in den Kreisen des ehemals souveränen deutschen Adels spielende Affäre wird hier viel besprochen. Prinzessin Alexandra von Usenburg hat, um dem Drängen ihrer Gläubiger zu entgehen, die Flucht ergriffe». Ihr gegenwärtiger Aufenthalt ist unbekannt. In Frankfurt, wo sie sich vor einiger Zeit aufgehalten, hat ein Schuhmacher wegen eines Paares unbe zahlter Schuhe ein Versäumnisurteil gegen die Prinzessin erwirkt. - Der Gothafche Hofkalender verzeichnet eine Prinzessin Gertrude Philippine Alexandra Marie Auguste Luise, geb. Wächtersbach 28. Dezember 1855; in erster Ehe vermähll 1875 mit Adalbert Prinz zu Mnburg und Büdingen, in zweiter Ehe 1878 mit Robert Freiherrn von Pagenhardt (geschieden am 9. Juni 1899). * Köln, 17. März. Bei einem Theeabend in einem hiesigen Tanztränzchen brachen plötzlich 10 Damen und 3 Herren ohnmächtig zusammen. Man schaffte sofort ärztliche Hilfe; es wurde Vergiftung durch Kohlenoxydgas sestgestellt. Der Zustand zweier Damen und eines Herrn ist sehr bedenklich. Die übrigen Personen konnten sich wieder erholen. * Köln, 18. März. In der vorletzten Nacht haben Bubenhände auf der Kleinbahn Haidewerde eine Weiche abgeschraubt, sodaß eine alsbald die Strecke passierende Lokomotive entgleiste. Der Lokomotivführer erlitt so schwere Verletzungen, daß er bald darauf starb. * Gladbeck, 17. März. Bis heute ist es noch nicht gelungen, zu den sieben aus der Zeche Moltke verschütteten Bergleuten zu gelangen. Seit heute früh 4 Uhr wurde von den Verschütteten keine Antwort mehr vernommen, sodaß man annimmt, daß die Verunglückten nicht mehr am Leben sind. * Elberfeld, 18. März. Da« hiesige Schwur gericht verurteilte den Feuerwehrmann Ca«per» wegen Brandstiftung in zwei Fällen zu zwei Jahren Zuchthau«. * Holzminden, 17. März. Ein Ackerbürger kam auf einer abschüssigen Stelle mit seinem Fuhr werk in« Rollen und stürzte in die Weser. Der Ackerbürger sowie die Pferde ertranken. * München, 17. März. Die wegen Vergif tungsversuchs zu 6 Jahren Zuchthaus verurteilte Oberin von Häußler hat nach einer Mitteilung aus München 20 000 Mk. auf der Sparkasse stehen, was sür die Verfechtung zivilrechtlicher Ansprüche des Opfers Minna Wagner von Wichtigkeit ist. Prinzessin Ludwig Ferdinand ließ der Mutter der Wagner eine größere Summe überweisen. * Ulm, 16. März. In dem benachbarten Orte Bellenberg erschlug der 36 Jahre alte Johann Weikmann seinen Stiefvater Anlon Matheis und seine leibliche Mutter Thekla Matheis. In seiner Tobsucht verstümmelte Weikmann die beiden alten Leute aufs gräßlichste. Weikmann verwundete dann noch Kuh und Pferd im Stalle; einige Hühner steckte er in ein Faß und trampelte fie mit den Füßen zu Brei. Die Tat geschah in der Nacht Als Nachbarn aufmerksam wurden, waren Anton und Thekla Matheis schon tot. Um weiteres Un heil zu verhüten, umlagerten dann die Ortsbewohner bewaffnet das Schreckenshaus. Morgens trat Weikmann blutüberströmt aus dem Haustor, war ganz ruhig geworden und ließ sich ohne Wider stand festnehmen. Er macht den Eindruck, als wisse er garnicht, was er angerichtet. Er ist Epileptiker und war schon längere Zeit im Irren- Hause. Als geheilt und ungefährlich war er aus der Anstalt entlassen worden. * Maricnbad, 18. März. Wegen Lohn differenzen ist unter den Bauarbeitern ein Streik ausgebrochen. * Lemberg, 18. März. Bei der Station Jezierzany fand gestern ein Zusammenstoß zweier Güterzüge statt. Von dem Personal wurden 8 Personen verletzt. * Zürich, 18. März. Das Dors Rhaezuens bei Zürich wurde vorgestern von einem schweren Brandunglück heimgesucht. Die ganze westliche Hälfte des Dorfes, 27 Gebäude, sind bei einem Föhnsturm abgebrannt. Die andere Hälfte ist bereits im vergangenen Jahre niedergebrannt. Man vermutet Brandstiftung. Vermischtes. s Eine abenteuerliche Flucht. Aus dem weltbekannten, oberhalb Neapel gelegenen Kastell San Elmo sind zwei zur Einschließung verurteilte Soldaten auf wirklich abenteuerliche Weise entwichen, indem sie die vier Meter dicke Außenwand mit Hilse zweier spitzer Nägel zuerst durchbrachen, sich dann an verschiedenen Posten vorbei auf die Außen» station schlichen und von dort an zusammengebundenen Lakenstreisen sich in einen Abgrund von 35 Meter glücklich hinabließen. Erst als sie unten angelangt waren und wohlgemut daS Weite suchten, wurden sie oben von einer Ronde bemerkt. Alle Versuche, sie aus der Stelle wieder einzufangen, schlugen fehl. Die Flucht war offenbar von langer Hand vor» bereitet und mit ungeheuerem Wagemut durchgeführt worden. Geradezu unerklärlich bleibt eS aber, wie sic dte enorm licke, aus festem Granit aufgesührte mittelalterliche Außenmauer mit so winzigen In strumenten durchbrechen konnten und wo sie daS abbröckelnde Material gelassen haben. Sachver ständige erklärten, eS habe dazu wenigsten» der Arbeit von zwei Jahren benötigt. Beide hatten in ihrem Bett je einen Brief in Versen hinterlassen, worin sie dem Kommandanten und den Aufsehern ein fröhliches Addio widmeten in der Hoffnung auf Nimmerwiedersehen! Wahrscheinlich haben sie sich unter Beihilfe ihrer Verwandten aus ein fremde» Schiff geflüchtet und mit diesem daS Land verlassen. -j- DaS Geheimnis der Eee. In den spa nischen Hafen Coruma wurde der Dreimaster „Tas man" eingeschleppt. Da« Schiff war ohne Be satzung. Die Ladung war vollständig unversehrt, da« Schiff selbst zeigte keine Spur von Beschädigung und an Bord war alle« in tadellosester Ordnung. Man kann sich nicht anders denken, als daß dte Bemannung wegen Mangels an Trinkwafser den Dreimaster verließ; e» fehlt jede Nachricht über sie. In der Kammer de« Kapitäns sand man eine aus geschlagene Bibel auf dem Tische. Die Uhr ging noch. Briefträgers Hannchen. Bon Georg Paulsen. ö. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Tapferkeit ist eine Zier, wenn sie recht angc» wendet wird. Aber in Hölder» Falle war sie jetzt unüberlegt: Ec schlug nämlich mit seinen Zeitungen nach de» Bären Kopf; aber der Braune war ge wandt, er griff mit seiner Tatze nach dem Bündel, riß eS dem entsetzten StephanS-Jünger au» der Hand, und Lebrecht Hölder machte, daß er fort kam. Der gemessene Mann weinte beinahe vor Grimm, al« er da» schallende Gelächter der immer zahlreicher gewordenen Zuschauer hörte. Zum Glück war der Schaden nicht arg, die Schwarzäugige hatte mit ein paar fremden Worten Sultan veranlaßt, ohne Widerstand die geraubte Lektüre au» seinen Tatzen zu lassen. » Dem Hannchen war'» nachgerade doch etwa» schwül geworden. So hatte der Bater nie au»ge» sehen, und der Spaß war ja auch reichlich au-ge» kostet. So ries da» Mädchen denn begütigend: „Wir gehen ja schon, Vaterle! Jetzt geht» zu Paster», und dann zu Amtmann» . . ." „Daß Du Dich unterstehst, Karnickel"; die Stimme schnappte Hölder dabei über. „Na dann laß ich'»," antwortete Hannchen er geben, „aber 'n bischen Geld mußt Du auch geben für den Bären. Alle haben wa» gegeben!" „Da, Bagage!" Er warf, wa» nie vorher da gewesen, ein Fünfzigpfennigstück hin, froh, daß diese neueste Tollheit Hannchen» nun endlich vorbei war. Und dann zog die „Künstlertruppe" ab, und im Postamt schlug nach wie vor de» Dienste» gleich» gemessene Uhr ihre Stunde. Aber Hölder mußte c« manche» Mal mit schwer unterdrücktem Ingrimm vernehmen, da» Hannchen müsse Tierbändigerin oder Kunstreiterin werden. Dazu habe sie Talent. „Warum nicht gleich Landstreicherin!" schrie der erboste Papa. „Aber Hölder schämen Sie sich! Da» Hannchen ist doch nun mal wa» Außerordentliche»." Dann brummte er. Dem Mädchen ging'» aber wenig ttef in sein lustige» Gemüt. Ja, c» hatte ein Straf gericht geben sollen, aber als e» soweit war, sagte Lebrecht: „Frau, schlag' Du sie!" Und die Frau Elise Hölder meinte: „Eigentlich war'» doch nichts Böse», und der Herr Postmeister hat gesagt, die Herren hätten olle so gelacht, wir sollten mal Gnade vor Recht ergehen lassen!" „Wenn'S nach Dir geht, wird da» Hannchen ein ganzer Taugenichts. Sie soll aber was Feines, Reputierliches mal werden!" schalt der Gatte. „Feiner und reputierlicher al» ihre Eltern braucht sie nicht zu werden. Und wenn sie mal in die Jahre kommt, da ist Metzger» Fritze von gegen über. Die Metzgern meint auch . . ." „Daß ihr beide alte Waschweiber seid! Wa», 'nem Briefträger Hölder sein Hannchen soll Hinterm Ladentisch stehen? Daraus wird nix, ganz gewiß nix, so wahr ich Lebrecht Hölder heiß'. DaS Hann- chen is 'ne Beamtentochtec, wenn auch bloS 'ne kleine» und Geld bekommt sie. Die iS zu gut, um Speckschwarten und Wurstenden zu verkaufen. Basta ! Und nun gar mit ihrer schönen Stimm'!" Damit ging er seinen Dienstgeschäften nach. Die dicke Frau Metzgern, die den Wortwechsel über der Straße fort gehört hatte, sagte aber ein paar Stunden später, olS Frau Hölder einen Hammel braten zu den SonntagSklößen bestellte, pckiert: „Un daS sagen Sie mal Ihrem Mann, Höldern, Speckschwarten und Wurstenden möchten wohl für ihn gut sein, aber wir hätten andere Kunden. Un unser Fritz nähm' später mal 'ne Briesträger»tochter noch lange nicht, un wenn sie auch in Watte ge packt wär!" Diese herbe Abfertigung gab denn einen heftigen Disput zwischen den beiden würdigen Frauen, und die anwesenden GeschlechtSgenossinnen erzählten nach her mit Behagen in ganz Sonnenfeld, die Metzgern und dieHöldern seien sich beinahe milden Fingern in die Haare geraten. „Mit ihrer schönen Stimm'!" Hannchens schöne Stimme war eS, die sie ge wissermaßen zu einer Lokalberühmlheit von Sonnen- selb gemacht halte. Halten die Sonnenselder, wie ein Streitlustiger einmal in öffentlicher Sitzung deS Kollegium» auSgerusen, auch da» Pulver nicht er- funden, was nun freilich eine historische Tatsache war, aber doch den Bewohnern der Nachbarstädlc Gelegenheit zu mancherlei Hänseleien gab, so waren sie doch wie die ganze thüringische Bevölkerung, aus nehmend musikalisch veranlagt. Die Kunst kam im Gesang ja nicht allzu effektvoll zur Geltung, aber Musikverständnis oder -Neigung waren auch bei schlichten Leuten ganz unverkennbar vorhanden. Und darauf waren sie nicht wenig stolz. Und der allemeine Stolz krystallisierte sich in Hannchen HölderS Leistungen. Wie ein Lerchen-Jubel schmetterte der kleine Mund fröhliche Weisen hinaus, und die sorg- same Mühwallung ihrer Lehrer, welche die leichte Fassungskraft und die natürliche Begabung des jungen Dinge» kannten, trug nicht wenig dazu bei, den Melodienschatz, der in der Kehle von Brief träger HölderS Einziger ruhte, zu heben. So hatte sie schon bei mancher festlichen Gelegenheit öffent lich mitgesungen und au- dem Chor hatte sich ihre Stimme glockenklar emporgehoben. Das hatte sie in der ganzen Stadt bekannt gemacht und ihr selbst auf dem Posthose, wo feierliche Stille daS oberste Gesetz war, eine Ausnahme-Position gesichert. Der alte Hölder mußte leider zu seiner schweren Betrübnis feststellen, daß auch im Dienste und in der Pflege der edlen Musika sich bei seinem Töchterlein der Unband nicht verleugnete. Wenn sie „sromme oder vornehme" Lieder, wie Herr Lebrecht eS nannte, gesungen, andachtsvoll und sittsam, dann schlug mit einem Male die Stimmung jäh um. Dann kam allerlei ausgelassener und schnurriges Zeug zum Vorschein, das sic irgendwo ausgeschnappt. Zwei deutige Sachen oder alberne Gassenhauer waren niemals darunter, „aber daS lose Ding hat zu viel Schelmereien im Kopfe!" sagte Lebrecht Hölder be kümmert. Aber ein Schimmer von Lachen flog doch über sein faltenreiches, ernstes Gesicht, wenn Hannchen irgend ein Schnadahüpferl, daS sie von den Postillonen in der Posthalterei, die auf ihren Fahrten bis ins Bayerland hineinlamen, gehört, mit aller Kraft ihrer Stimme hinausschmetterte und dann mit einem gellenden Juchzer schloß. Mit dem Mädel war eben nichts anzufangen, wie der Vater wiederholt sich selbst eingestand ; aber es wäre richtiger gewesen, wenn er zugegeben hätte: Er selbst, und alle Anderen wollten daS Hannchen eigentlich gar nicht anders haben, als sie war. ES war, als müßte sie so sein, just so, und keine Idee ander-. Da» zweite musikalische „Wunderkind" in Sonnen feld war Pofthaltrr« Jüngster, Hermann Grau, der bei der berühmten Bärengeschichte, wie erzählt, zwar auch eine musikalische, aber ziemlich schwächliche und zum Abschluß auch unrühmliche Rolle gespielt hatte. Denn die Prügeltracht. der Hannchen Hölder mit Glück und Geschick entgangen war, war ihm trotz Fürbitte der zärtlichen Mutter von dem harten Vater zu Teil geworden. (Fortsetzung folgt.) Handels-Nachrichten. mrs.) Mark 168.85 G 167,80 B 81,80 T 80,70 » 81.40 « 81,28 B 20,49 » 20P0 » 81,80 S 80,88 « 88,28 G 84,60 G Reichsbank 37.°/,. Lomb.-Z.-F. 4'/,°/». U»»<I«bur, 17. März. Kornzucker cxcl. 88°/, Ren- demem 9,48-9,70. Rack-crodmte ercl. 78'/« Rendewent 7,40—7,70. Stimmung: Ruhig. Kristallzucker I 30,07 /, «rodrafstnade I 29,827,. Gcu. Raffinade mit Faß 29 82 Gem. MeliS 29,32. Rohzucker 1. Product Trans, f a B. Hambuip per März 16,90 Gd., 17,08 Br., per April 16,98 Bd., 17,08 Br., per Mai 17/ 8 Gd., 17,10 Br., per Aug. 17,38 Gd., 17,48 Br., —bez., per Okt.-Dezbr. 18,38 Gd., 18,40 Br., 00,00 bez. Stimmung: Ruhig. »»mdur,, 17. Mäi, Wcizci, ruhig, Holsteinischer und Mecklenburger lö4, Hard Winter 132. Roggen still, südrufi. 108, Holsteinischer und Mecklenburger 141. M.ns ruhig, 121—123, runder 91. Hafer stetig, Gerst, stetig. Weller: Schön. Urom-u, 17. März. (Baumwolle). Tendenz: Ruhig. Upl. middl. loco 81 8fg. l-irvrpnol, 17. März. (Baumwolle.) Mulhmaßlicher Umsatz: 8 000 B Stimmung: Ruhig Import: 12 000 Ballen. Preise 1—2 Punkte niedr. — Umsatz: 7000 Ballen davon (in Speculation >nd Grvorl 800 ballen Amerikaner und Oftindische unverändert. Lieferungen: träge März 5,14—8,1v, März April 8,14—8,>8, Mai- Juni 8,17—8,18, Juli-Aug. 8,l7-8,18, Septbr.-Oktober 4,85—4,82. Zahlungseinstellungen D. E. Schul,, Horstermark-Buer (Wests.). Karl Tesch, Bunzlau. Emil Neugebauer, Kassel. F L. Schmidt, Eckernförde. Josef Keßler, Großenhain. Jean Klein, Langen. Eustachius Panecke, Meist bürg. Leo Fried länder, Prenzlau. Philipp Schilling, Pirmasens. Adolf Tissier, Spandau. Friedlich TaugS, Dyhernfurth-Wohlau. Paul Krause, Fiewo-Löbau lWstp.). Peter Heimüller, Merzig W. Eh ingkause», Metz Hein ich Neumann, Ortelsburg. Max Sinasohn, Rathenow. Aug. Leisau, Wandsbek. Hugo Wiesner, Ziegenhals. Graf Hans v. Schlieben-Georgenberg, Wehlau. Leon Nagajew.ki, Wronke. ovrUa, 17. März. 3 3 8 47. v»ak- vlooom 8 T 2M 8 r 3M io r 2M io r 8 r 3M 14 T 2M 8 T 3M 8 T 3M 4 8 8 4 87,8 r 3 /.gM Amsterdam per 100 fl. b. Brüssel und Antwerpen pr. 100 Francs. Italienische Plätze pr. 100 Lire Schweiz. Pl. 100 Frc. London pr. 1 Lstrl. Madrid und Barcelona pr. 100 Pesetas Paris pr 100 Franc Petersburg pr. 100 Rubel Warschau 100 Rubel Wien per 100 Kr. ö W. Kirchen-Nachrichten. l^arochtc Ht. gtzrlllopvor'. Donnerstag, den 19. März, abends '/,9 Uhr Passion«» andacht im Waiscnhaussaale und in der Hültcngiundschulc. Neueste Nachrichten und Depeschen vom 17. März. Meerane. In einem Abieil oes Personenzuges Glauchau-Gößnitz-Gera, der nachmittags 3 Uhr in Glauchau einlrifft, wurde gestern der Leichnam eines neugeborenen Kindes männlichen Geschlechis, in einen Frauenkrogen eingepackt, ausgefunden. Ob es sich um eine Mordtat handelt, konnte noch nicht festgestellt werden. Zeulenroda, Großes Aufsehen erregt hier die Verhaftung des Architekten Bodewig aus Köln. Er ist der Unterschlagung, des Betrugs und der Urkundenfälschung verdächtig. Dem Verhafteten war der Bau der 26klassigen Volksschule in Zeulen roda übertragen worden. Köln. Die „Kölnische Zeitung" meldet, daß das Zentrum gegen die Aufnahme einer Anleihe für den Fehlbetrag im Reichshaushalt für 1903 stimmen und dafür eintreten werde, daß der Be trag durch Matrikular-Umlagen gedeckt werde. Da durch glaubt das Zentrum einen Druck auf die Regierung auszuüben, um diese sür die Aufhebung des 2 des JeMengesetzes zu bestimmen. In Zentrumskreisen macht man kein Hehl daraus, daß das Vorgehen des Bischofs Korum auf den genann- ten Paragraphen zurückzuführen sei. Rotterdam. Der Direktor der hiesigen Docks hatte gestern eine Unterredung mit den ausländischen Hafenarbeitern beim Friedensrichter in Gegenwart des Bürgermeisters und des Unterpräfektcn. Die Streikenden hielten später eine Versammlung ab und beschlossen, den Streik fortzusetzen. London. Das Unterhaus nahm die Forderung von 63128 000 Pfund Sterling für den Sold der Flottenbesatzung mit 222 gegen 27 Stimmen an. London. Der „Morning-Post" wird aus Prätoria gemeldet, daß sich eine nationale Afrikander- Partei gebildet habe, welche eine Verzweigung über ganz Südafrika organisieren will. Brest. Hier herrscht seit gestern furchtbarer Sturm. Zahlreiche Schiffe sind in den Hafen ein gelaufen. Man fürchtet, daß Nachrichten von Schiffskatastrophen eintreffen werden. Madrid. Die Universität in Coimbra ist noch immer geschloffen. Der Belagerungszustand besteht noch und die Zensur läßt keine Telegramme über die Lage passieren. New Mork Nach Meldungen aus Caracas hat die Bevölkerung bei der Deutschen Gesandt schaft eine tadellose Haltung bewahrt. Washington. Der Senat ratifizierte den Panamakanal-Vertrag mit 73 gegen 5 Stimmen.
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