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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 26.02.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190302268
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030226
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030226
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-02
- Tag 1903-02-26
-
Monat
1903-02
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 26.02.1903
- Autor
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falsche Zweimarkstücke au«zugeben versuche. Der Betreffende sei von Säften festgehalten worden. Die Polizei stellte nun eine Untersuchung an, die tm überraschendes Resultat ergab. LS wurden noch vier andere Personen verhaftet. In der Wohnung der Festgenommenen sind Gipsformen, Echmelztiegel, Metall und zahlreiche halbseitige Münzen gefunden und beschlagnahmt worden. * Plan«» i. V, 24. Februar. Fortgeseht laufen hier Nachrichten von Erdbeben au- dem ge samten oberen Bogtlande ein. Die heftigsten Er schütterungen erfolgen meisten» nacht» und m den frühesten Morgenstunden. Namentlich au» Unter- fachsenberg kommen sehr ungünstige Nachrichten. Dort ertönte der unterirdische Donner in vergangener Nacht gewitterähnlich einige zwanzig Mal. Am stärksten waren die Erdstöße früh /.2, 3 und 4 Uhr 3b Min. sowie kurz noch 6 Uhr. Die Häuser erzitterten in ihren Grundmauern. Außer den schon genannten Orten werden noch au» Saalig, Reuth, Brunndöbra usw. starke Erdstöße gemeldet. * Markneukirchen, 24. Februar. In unserem sonst so ruhigen Städtchen herrscht infolge der statt- gehabten Erdbeben große Aufregung. Am Sonnabend abend 10 Uhr 2 Min. wurde ein besonders heftiger Stoß wahrgenommen. Am Sonntag-Morgen 2 Uhr 30 Min. wiederholte sich derselbe. Die letzte Nacht brachte un» den unheimlichen Gast gegen 4 Uhr wieder, diesmal aber in so verstärktem Maße, daß zahlreiche Einwohner erschreckt auS den Belten fuhren und man viele Fenster erleuchtet sah. Gegen 6 Uhr wurde ein schwächerer Stoß beobachtet. Die Berichte aus Klingenthal, GraSlitz und Brambach, die heftige Erdbewegungen melden, tragen dazu bei, die Befürcht ungen der Bevölkerung zu erhöhen. * Pockau b. Lengefeld, 24. Febr. Hier sand eine von Bürgermeister Dr. Schanz aus Olbern hau einberufene Vertrauensmänner-Versammlung statt, welche aus allen Teilen des Wahlkreises sehr zahlreich besucht war. In derselben wurde Geheimer Finanzrat a. D. Jencke in Dresden als Kandidat für die nächste Reichstagswahl einstimmig angenommen. * Pirna. Eine Kesselexplosion ist am Sonn abend nachmittag 4 Uhr in der sogen. Scheiben mühle im Potenziale bei Heeselicht erfolgt. Der Kessel war noch nicht in Betrieb gewesen und erst malig in Gebrauch genommen. Die Hälfte des Kessels ist durch die Wand und das Fenster auf den Hof geschleudert worden; auch das Gebäude selbst, sowie die angrenzenden Baulichkeiten weisen erhebliche Beschädigungen aus. Der anwesende Ingenieur Paul Hartig vom Emaillewerk Radebeul bei Dresden erlitt bei dem Unglück schwere Brand wunden. Man zweifelt an dem Wiederaufkommen des Bedauernswerten. Eine Schuld an dem Un glück kann niemandem beigemessen werden. * Pirna. Vom Klapperstorch überrascht wurde am Sonnabend abend in einem Wagen 4. Klasse des um 6 Uhr vom Dresdner Hauptbahnhof nach hier abgcgangenen Zuges eine Frau aus Dohna. Als der Zug in Mügeln einfuhr, war der neue Weltbürger da. Mutter und Kind wurden in Mügeln mit Unterstützung von feiten der Beamten abgesetzt und dann nach Dohna weitertransportiert. Die Ausstellung einer später einmal benötigten Geburtsurkunde dürfte mit manchen Schwierigkeiten verknüpft sein. * Zittau. Verschwunden sind seit Sonntag mittag die noch nicht 1«! Jahre alte Tochter Hed wig des Hans- und Gartenbesitzers Karl Gottlieb Flierich in Kleinschönau und die neunjährige Tochter des Gutsbesitzers Thiele in. Hartau. Alle Anzeichen lassen mit ziemlicher Sicherheit darauf schließe«, daß die beiden Mädchen das Opfer eines Ver brechens geworden sind und in der Reiße ihren Tod gesunden habe». Hedwig Rierich, die im Mai d. I. ihr 16. Lebensjahr vollenden würde, stand bei dem Gutsbesitzer Thiele in Hartau in Diensten. In Begleitung der neunjährigen Tochter desselben ist sie am Sonntag nachmittag gegen '/,2 Uhr von Hartau fortgegangen, um ihre Eltern, die übrigens mit Thiele verwandt sind, zu be suchen. Die beiden Mädchen sind aber in Klein schönau nicht angekommen. Man glaubt, daß sie von einem Manne in die jetzt hoch angeschwollene Reiße gestoßen worden sind. Einige Kinder haben angegeben, daß ein Mensch die beiden Mäd chen verfolgt habe. Die Kinder bezeichnen den Freniden als „schwarzen Kerl", vor dem sie sich gefürchtet hätten; ans ihren weiteren Aussagen scheint hervorzugehen, daß der Betreffende etwa 1,65 m groß und bartlos ist. Er trug einen großen sa-warzen Hut und dunklen Jackelt-Anzug und dürfte etwa 20 bis 25 Jahre alt sein. Kleine Chronik. * Berlin, 24. Febr. Einen Mordversuch au« verschmähter Liebe machte heule mittag der au» Danzig gebürtige Architekt Wollstatt in einer Ber liner Gastwirtschaft. Er feuerte zwei Schüsse aus ein dort beschäftigte» Mädchen ab, da« seine Lieber werbungen zurückgewiesen hatte. Eine Kugel streifte laut B. T. die Lunge, die zweite drang in den Oberschenkel. W. wurde von den Gästen arg zu- gerichtet; die Polizei brachte thn ins Untersuchung«- gesängni«. * Berlin, 24. Februar. Nach amtlicher Er- Mittelung ist der Knallblätter enthaltende Brief, welcher gestern im Hauptpostamt explodierte, von dem Handlungsgehilfen Leopold Jacobowicz abge sandt worden. * Berlin, 24. Febr. Mil 4000 Mark durch gebrannt ist heute der Kontorist Karl Werner, der bisher im Hotel „Leipziger Hof" angestellt war. Werner ist 19 Jahre alt. * Frankfurt a. M, 24. Febr. Der Buch halter Wendland, der im September 1901 nach Unterschlagung von 50 000 Mark bei der Bau- sirma Beck und Grünwald flüchtig wurde, hat sich gestern freiwillig der Polizei gestellt. Von dem unterschlagenen Gelde besitzt er nichts mehr. * Mainz, 24. Februar. Die Polizei verhaftete gestern bei einem Einbruch zwei elegant gekleidete Männer und brachte sie zur Wache, wo man sie in verschiedenen Zellen einstweilen unterbrachte. Während man nun den einen verhörte, schnitt sich der andere den Hals durch. Die hierdurch ent standene Verwirrung benutzte der andere, um zu entfliehen. * Vorbeck, 24. Februar. Auf der Zeche „He lene Amalie" stieß ein Förderkorb auf. Dabei kam ein Bergarbeiter ums Leben, 11 Bergleute wurden mehr oder minder schwer verletzt. * Effe« a. Ruhr, 24. Febr. Aus Zeche Oster, selb wurden durch schlagende Wetter drei Bergleute getötet. * Pose», lieber die bei dem kürzlichen Brande in Jersitz vorgekommenen Ausschreitungen wird noch gemeldet: Nach zweistündiger Arbeit war' das Feuer vollständig gelöscht. Ein sehr zahlreiches Publikum hatte sich eingefunden, darunter viele angetrunkene Burschen, welche den Anweisungen der Polizeibeamten nicht Folge leisteten. Als der die Absperrung leitende Revierkommissarius befahl, gegen einzelne der Ruhestörer vorzugehen, wurden die Schutzleute tätlich angegriffen und mit Steinen beworfen. Der Kommiffarius und mehrere Schutz leute wurden dabei verletzt. Nunmehr machten die Beamten von ihrer Waffe Gebrauch, wobei ein Arbeiter aus Sedan bei Posen, der mit einem Stock wiederholt nach den Beamten schlug, einen Säbelhieb erhielt, durch den er am Kopf schwer verletzt wurde; er mußte nach dem Diakonissen- hause gebracht werden. Die nach Tausenden zählende Menschenmenge wurde endlich zurückgedrängt. Sechs der Haupträdelsführer wurden verhaftet und in Droschken nach der Polizeiwache gebracht. Eine Militärpatrouille von 30 Mann, die zu Hilfe ge rufen war, rückte nach Beendigung der Ausschrei tung ab. Dagegen verblieb eine größere Anzahl von Schutzleuten unter Leitung eines Kommissars während des Abends und in die Nacht hinein zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung zurück. * Schwert» i. Mcklbg-, 23. Febr. In der Nacht zum letzte» Sonntag wurde durch den Slurm auf dem großherzoglichen HauShaltsgute Kämmerich daS in Fachwerk gebaute große Viehhaus von dem Fundament abgehoben, einige Meter weit fortge tragen und dann niedergeworfen, sodaß eS zusammen- stürzle. Unter den Trümmern deS Gebäudes wurden 120 Haupt Rindvieh edelster Zucht begraben. 40 Kühe konnten noch aus dem zerstörten Viehhause gerettet werden, weitere 20 wurden zwar noch lebend hervorgezogen, mußten aber, da sie mehr oder weniger schwer verwundet waren, sofort abgeschlachtet werden. Die anderen 60 Stück waren tot. Der Nachtwächter und zwei Meiereischweizer konnten sich nur mit Not aus dem zusammenstürzenden Ge bäude retten. * Ohrdruf, 24. Febr. Durch ein Großfeuer sind gestern Morgen hier fünf Anwesen, und zwar diejenigen des Oekonomen Kirchner, Sattlers Fischer, Geschirrhalters Witzel, Arbeiters Kalbitz und Spediteurs Rasch vollständig eingeäschert worden. * Naumburg, 24. Febr. In Stößen erstach gestern früh der Arbeiter Johann Oels nach kurzem Wortwechsel den Bräutigam der Tochter seiner Wirtin, de» Maurer Richard Rümmler aus Groß- zschocher bei Leipzig. Oels, der von seiner Familie getrennt lebt, hatte mit seiner Logiswirtin, der Wtw. Hüttig, ein Verhältnis, das der zukünftige Schwiegersohn wahrscheinlich nicht dulden wollte. Der Mörder wurde sofort verhaftet. * Metz, 22. Februar. Ein in einem hiesigen Produkten- und Südfrucht-Geschäft angestellter Buchhalter Namen« Cari wurde vor einiger Zeit wegen anarchistischer Umtriebe verhaftet. Aus nähere Erkundigungen in seiner Heimat wurde sestgestellt, daß Cari bi« vor einigen Jahren al« Leutnant in einem italienischen Infanterie-Regiment in Mailand diente. Bei der dortigen Arbeiterrevolte wurde seine Kompagnie zur Säuberung der Straßen komman diert und ihm besohlen, seinen Zug aus die Arbeiter schießen zu lassen. Er verweigerte die« unter der Begründung, daß er nicht auf seine Brüder schießen lassen könne. Da« Krieg«gericht verurteilte ihn wegen Gehorsamtverweigerung zur Ausstoßung au» dem Heere. Cari kam dann nach Metz und fand hier Stellung. Man wurde aufmerksam auf ihn, al« er bei Gelegenheit der Versammlungen italie nischer Arbeiter behus« Sammlungen für die Ver unglückten aus Sizilien aufreizende Reden hielt. * Petersburg, 24. Febr. Professor von der Fliet vom Polytechnischen Institut wurde unweit des Jnstitutsgedäudes von einem großen grauen Wolfe angefallen und zu Boden geworfen. Der Wolf begann sein Opfer zu zerfleischen. Als auf die Hilferufe des Professors mehrere Studenten herbeieilten nnd den Professor, der mehrere heftige Bißwunden davongetragen, befreite, entfloh der Wolf in den nahen Wald. * Wien, 24. Februar- Auf eiuem Neubaue stürzte hier heute mittag ein Kellergewölbe ein, wodurch von 10 in dem Kellerraume beschäftigte» Arbeitern 2 gelötet und einer verletzt wurde. Ncuyork, 25. Februar. Gestern abend stieß bei Berra (Ohio) ein Personenzug mit einem Güter zug zusammen. Dabei geriet ein Teil des Per sonenzuges iu Brand. Vier Bahnbeamte kamen in den Flammen um, eine große Anznbl von Personen erlitten Verletzungen. Vermischtes. j- Von wildester Räuberromantik mitten in Paris schreibt man der, Voss. Ztg.": Diebe stahlen neulich Wertpapiere im Betrage von 75 000 Fr. Der Polizei gelang es, die Papiere in einem Bank geschäft auszufinden; sie verfolgte die Spur uud fand, daß eine Madame de Gordone, die die Papiere verkauft hatte, ein Lusthaus eines lebensfrohen Edelmannes aus dem 18. Jahrhundert bewohnte. Eines Abends drang die Polizei dort ein und über raschte im Eßzimmer acht Männer und zwei Frauen. Aus einem Nebenzimmer fuhr ein Mann mit an geschlagenem Revolver heraus; er wurde über wältigt. Iu der Stube neben dem Eßzimmer lag ein junges Weib mit kunstgerechtem Verband am Gesicht; die Wunde hatte es in einem blutigen Kampf davongetragen. Eine Treppe hoch gab e« eine Flucht prächtig eingerichteter Stuben, an deren Ende man in eine Art Operationssaal trat, wo sich ein reicher Vorrat von Arzneien fand. Den zweiten Stock nahmen große Speicher mit geraubten Gegenständen ein. Die Hausfrau gab an, daß sie Maria Gourdo» heiße, 19 Jahre alt sei, ihre Laufbahn als Dienstmädchen begonnen habe und jetzt Führerin einer Räuberbande sei. Sie be zeichnete die Opfer, die beraubt und nötigenfalls ermordet werden sollten, und ihre Leute schritten dann zur Ausführung. Auf einer Konsole stand ein Totenschädel, der als Sparbüchse diente; er war mit Goldstücken gefüllt. Die ganze Gesellschaft (darunter ein Mann, der die Heilkunde studiert haben will) wurde ins Gefängnis geschafft. -j- Ei« Drama auf hoher See. Der italienische Dampfer „Ma ghsrita", der von Triest nach New- Jork bestimmt war, hatte in Messina und Palermo angelegt. In Messina war eS — auf welche Weise, hat man noch nicht feststellen können — einer größeren Anzahl zerlumpter Sizilianer gelungen, heimlich an Bord zu gelangen und sich in den untersten Schiffsräumen zu verstecken. Sie wollten nach Amerika auSwandern und hofften, auf diese Weise umsonst hinüber zu kommen. Als der Dampfer auf hoher See war, stürzten die Unglücklichen, von Hunger und Durst gequält, aus ihrem Versteck her vor, bedrohten die Mannschaft am Deck und gingen mit gezogenen Messern auf die Offiziere los. Da von diesen Verzweifelten alle- zu fürchten war, gab der Kommandant den Matrosen Befehl, sofort zu schießen, und eine fürchterliche Szene spielte sich ab. Glücklicherweise war daS Schiff gerade in Sicht der semaphorischen Station deS Hafens von Algier, der die nötigen Signale gemacht werden konnten, infolge deren Hilfe kam; die ungebetenen Gäste wurden ausgeschifft. In Algier überwies man sie dem italienischen Konsul, dem nun die an genehme Pflicht obliegt, sie in die Heimat znrück- zubefördern. DaS Schiff hat zum Nachteil seiner Warenladung zwei Tage verloren, da eS in Algier anlegen mußte. Der Fremde. Roman von Robert Kohlrausch. 70. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Wie Mr. Sealsfield es getan, so wandte auch er sich nach links, der dunklen Baumwand entgegen, die sich hinter dem unfertigen Bauterrain dort er hob. Indem er den Weg zwischen den Bauzäunen verfolgte, — daS Wetter der vergangenen Tage hatte ihn fast unpassierbar gemacht, — fiel es ihm auf, daß er alle- noch genau so fand, wie an jenem Abend, als er die beiden Jaritz hier überrascht hatte bei ihrer heimlichen Zusammenkunft. Ein Stillstand mußte in den AbbruchSarbeiten einge treten sein, ruinenhast standen die Häuser, erst halb zerstört. Auch der Rest jenes Gebäudes stand noch da, aus dessen Fenster der Lichtschein damals zu ihm herausgedrungen war, ein seltsamer, unfreund- licher Anblick mit seinen halbzcrtcümmerten Wänden und mit den mächtige» Schutthaufen, die im obere» Geschosse ruhten, — doppelt unfreundlich in dem klaren, friedlichen Sonnenlichte. Am Ende deS WegeS machte Boysen Halt; bis hierher nur reichte seine Spur. DaS einzige, wa» er unternehmen konnte, war der Versuch, in einigen weiter abgelegenen Häusern, die noch bewohnt schienen, nach Mr. SealSfield zu forschen. DaS Glück war ihm günstig; im ersten Hause gleich, in dem er fragte, konnte ein Mann ihm Auskunft geben. Er habe am Abend vorher in seiner Tür gestanden und einen Herrn vorüberkommeu sehen, der ihm ausgefallen wäre, weil er sehr rasch ge gangen, fast gelaufen sei und sich mehrfach umge sehen habe, als wenn er verfolgt würde. So weit er ihn in der tiefen Dämmerung erkannt, Paßte seine Beschreibung auf den Amerikaner, und Boysen zweifelte nicht, daß er eS gewesen. Der Mann, der daS alle» mit der Freude an einem außergewöhnlichen Ereignis breit und behaglich erzählte, konnte auch den Weg angeben, den Mr. Sealsfield in den Wald hinein eingeschlagen hatte, und nach raschem Dank folgte Boysen der neuen Spur. Aber keine weitere Auskunft ward ihm zu teil; eS gab sehr wenige Menschen in der winterlichen Einsamkeit, ein paar Spaziergänger, die er befragte, wußten nichts aus- zusagen, auch in einer abgelegenen Gastwirtschaft war der Fliehende nicht gesehen worden, — der Tag ging hin, und eS blieb Boysen nichts übrig, als heimzukehren ohne sichere, tröstliche Kunde für die Geliebte. Rastlos hatte er gesucht und geforscht seit dem flühen Morgen, seine Kniee wollten ihn nicht mehr trage». Die Schwäche, die ih» seit seiner Verwundung quälte,kehrte zurück, ihmschwind.lte, und er mußte zuweilen stehen bleiben und für einen Augenblick ruhen. Gleich aber raffte er sich wieder empor, und während er dahinging durch den Sonnen schein des herbstlichen TageS, zermartete er sein Gehirn, um ein Mittel zu entdecken, den Verlorenen zu finden. Als er zu dem umzäunten Bouterrain zurück kehrte, wunderte er sich, ein Gewirr von Stimmen zu vernehmen, und sobald er den Ausgang des be kannten Weges erreicht hatte, sah er auch, daß eine Schar von Arbeitern sich um die jetzt geöffnete Tür versammelt hatte, aus der in jener Nacht der Diener mit seinem Vater hervorgetreten war. Die Männer redeten lebhaft, aber gedämpft, und der unbestimmte Gedanke, daß hier vielleicht eine Nach richt von dem Gesuchten ihn erwarte, trieb Boysen, rascher vorwärtSzugchen und den nächsten der Ar beiter zu fragen, was vorgefallen sei. „Ja, wissen Sie," sagte der Mann, „das ist nämlich 'ne sonderbare Geschichte. Wie wir hier her gekommen sind, so 'ne Viertelstunde mag es wohl her sein, — wir sind natürlich seit ein paar Wochen nicht hier gewesen, weil der Herr, waS unser Baumeister ist —" „Ich weiß, ich weiß, die Arbeiten hier sind unterbrochen worden. Aber waS ist heute geschehen, war haben Sie gefunden?" „Gesunden? Jawohl, gefunden haben wir na türlich 'wa», — al» wenn Sie'» geraten hätten. Wie wir nämlich vorhin hier auffchließen, — wa» unser Polier ist, der Große da, der hatte den Schlüssel, — und wie wir aus den Hof kommen, da sehen wir, daß die Tür von dem Hause da offen steht. No, verschlossen war sie nicht gewesen, — eS sind welche, die sagen, sie wäre verschlossen gewesen, aber ich weiß e» ander», und e» ist da drin ja auch nicht» mehr zu holen, — also, wir gehen hinein, und e» geht gleich vom Hof in da» Zimmer, und da sehen wir, daß einer da drin aus der Erde liegt." „Ein Mann?" „Na, eigentlich wohl ein Herr. Fein ange zogen war er gewesen, aber natürlich grausam zu gerichtet und schmutzig und die Kleider zerrissen. Er muß nämlich übergeklettert sein, über die Planke hier —" „Ist er tot?" „Wir haben eS zuerst auch gedacht, denn er hat sich nicht mehr gerippelt und gerührt, und daS Gesicht hat auch auSgesehen, wie von 'ner Leiche. Aber eS war doch nicht an dem. Wie wir ihm die Weste aufgemacht haben und haben ihn aufgerichtet, da ist er wieder zu sich gekommen und hat mit ganz merkwürdigen Augen uns angeguckt. Und dann hat er auch angefangen zu sprechen und hat um ein GlaS Wasser gebeten, und da hat einer seine Schnapsflasche voll Wasser geholt, und dann —" „Ich danke Ihnen; bitte, lassen Sie mich ein- mal hinein." (Fortsetzung folgt.) Neueste Nachrichten und Depeschen vom 2«. Februar. Wilhelmshaven. KorvettenkapitänKayser wurde vom Kriegsgericht wegen Ungehorsams gegen einen Dienstbefehl zu 3 Monaten Festungshaft verurteilt. Wien. Die gesamte hiesige Presse bespricht die nunmehr im Wortlaut vorliegenden makedonischen Reformvorschläge in zustimmendem Sinne. DaS „Fremdenblatt" spricht die Erwartung aus, daß es durch ein Zusammengehen aller beteiligten Faktoren gelingen werde, die makedonische Frage auf fried lichem Wege zu lösen, da eine gewaltsame Lösung unberechenbare Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Petersburg. Das Ministerium des Innern hat an alle russischen Blätter ein geheimes Zirkular erlassen, in welchem ihnen befohlen wird, in an- betracht dessen, daß die Regierung die Absicht hege, eine Besserung der Zustände in Makedonien aus friedlichem Wege zu erreichen, sich aller überflüssigen Angriffe auf die türkische Regierung und insbe sondere auf die Person des Sultans streng zu enthalten. Petersburg. Das in Port Arthur erscheinende Blatt „Nowi Krai" bestätigt wiederum, daß in Chardin das Gerücht umgeht, im Frühjahr würden neue chinesische Unruhen, viel stärker als im Jahre 1900, ausbrcchen. Es heißt, Japan nehme tätigen Anteil an den Vorbereitungen zu diesem Aufstand. Japan könne sich nicht mit dem Uebergewicht Ruß lands in der Mandschurei einverstanden erklären und wolle nunmehr die Frage in entscheidender Form selbst lösen. Da man auf der Gegenseite auf freundliche Vorstellungen nicht höre, bleibe nur die Anwendung von Waffengewalt übrig. Amsterdam. Der liberale Abgeordnete Mee« hat für die heutige Kammerfitzung eine Interpella tion über den Eisenbahner-Streik angekündigt. Man vermutet, daß er mit dem Aulschuß der Eisenbahn- Arbeiter verabredet hat, daß nur im Fall einer un günstigen Beantwortung seiner Interpellation feiten« der Regierung die 90 000 Eisenbahner den Aut- stand beginnen. Der Streik würde aber auch ein- trelen, fall» die Regierung eine Antistreikvorlage einbringen sollte. Der sozialistische Abgeordnete Troelstra kündigte eine Interpellation an wegen der Einberufung von Milizen. Tanger. Der Prätendent sandle Boten an den Sultan und bot ihm Frieden an mit der Be- dirgung, daß die Europäer vom Hof und seiner Umgebung entfernt würden; doch könne der Handel mit Europa unangetastet bleiben. Der Sultan lehnte, wie e« heißt, diese Vorschläge ab, worüber unter den zum Sultan haltenden Marokkanern große Unzufriedenheit entstanden sein soll. Durban. Die Pest ist in der Abnahme be griffen. 16 Personen, darunter 2 Europäer, be finden sich augenblicklich noch in Behandlung. Im ganzen waren 7 Europäer, 33 Eingeborene und 40 Kinder an der Pest erkrankt. Washington. Bowen beabsichtigt, den Mächten vorzuschlagen, den Zaren um Ernennung eines Schiedsgerichtes zu ersuchen, um die Frage der Differenz-Zölle zu schlichten. Puerto Cabello. Am Montag vormittag i i Uhr begaben sich der deutsche Commodore Scheder und der venezolanische Kapitän Chalband mit einem Dolmetscher an Bord de» „Restaurador". 11'/, Uhr wurde die deutsche Flagge niedergeholt und der „Restaurador" hißte die venezolanische Flagge. Sofort nach Uebergabe de« „Restaurador" dampfte dis „Vineta" ab. Unsere Zeitungsträger nehmen Bestellungen auf den Hohenstein- Ernstthaler Anzeiger jederzeit entgegen. Neu eintretende Abonnenten erhalten den Anzeiger vom Tage der Bestellung ab bis Monatsschluß kostenfrei zugestellt.
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