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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 15.03.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190303150
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030315
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030315
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Fehlende Seiten in der Vorlage
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-03
- Tag 1903-03-15
-
Monat
1903-03
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 15.03.1903
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Beilage zum Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger Tageblatt 30. Jahrgang Sonntag, den 15. März 1903 Nr. 61 Hause geplant. Italien im Deutschland im Verhält»!« am höchsten, nämlich 6 Feldgeschütze aus 1000 Mann der Friedensstärke, 4, in Italien nur wogegen sie i» Oesterreich nur 3 aus je 1000 Mann beträgt. aus de« der schiefer bauende Gewerkschaft wird mit Rücksicht die seit einiger Zeit eingetrelene Steigerung Kupserpreise« Ansang April eine Erhöhung Arbeiterlöhne vornehmen. Rom, 13. März. In hiesigen politischen Kreisen rust die Vertagung de« Zarenbesuche« in Rom lebhafte Enttäuschung und Mißbehagen hervor. Man findet e« auffallend, daß die Absage erst im letzten Augenblicke erfolgte und die im Punkte der politischen Etikette so feinfühligen Italiener sehen darum dem Besuche de« deutschen Kaiser« mit desto größerer Freude entgegen. England. London, 13. März. Chamberlain trifft morgen früh in Southampton ein, wo ihm ein feierlicher offizieller Empfang bereitet wird. Die Blätter melden, daß er in London von dem gesamten Ka- binett und zahlreichen Parlamentrmitgliedern und Freunden empfangen werden wird. Für Montag ist eine große Ovation für Chamberlain im Unter« ihrem Schicksal änderte, schließlich in Helle Ver zweiflung. Eine Eingabe, die sie an das Tribunal richteten, gelangte nicht an ihre Adresse, und erst, nachdem sie eine Unterredung mit ihrem Vertei diger durchgesetzt hatten, kam die Tatsache ans Licht, daß man sie vergessen hatte! Sie haben auf diese Weise fünf lange Monate schuldlos im Gefängnis geschmachtet. Tagesgeschichte. Deutsche» Reich. Berlin, 14. März. Heute abend wird Kleine Chronik. * Berlin, 13. März. Der frühere Hauptmann O'Tanne, einstmals militärischer Erzieher des Kaisers, der kürzlich aus einer Irrenanstalt bei Hamburg entwichen war und polizeilich gesucht wurde, ist in Berlin wieder festgenommen worden. * Hannover, 13. März. Der Ulan Jmmrich von der ersten Schwadron des Königs-Ulanen- Regiments, erschoß sich mit seinem Karabiner, den er mit Wasser geladen hatte. Ferner erschoß sich der Füsilier Kühne von der 2. Kompagnie des Infanterie-Regiments Nr. 74. * Falkenberg, 11. März. Ein in der Fremde befindlicher, aus Züllichau gebürtiger Musikant legte auf billige Weise eine lange Eisenbahnfahrt zurück. Der Genannte hatte sich in Posen in einen Güterwagen eingeschlichen und wurve so von dort nach hier gratis befördert. Hier ereilte ihn jedoch sein Schicksal; er wurde entdeckt und festgenommen. * Eislebe», 13. März. Die Mantfclder Kupfer Königlichen Schlöffe um 8 Uhr da« sogenannte Botschasltdiner statlfinden, zu dem alle beim hiesigen Hose beglaubigten Vertreter fremder Mächte mit ihren Damen Einladungen erhalten. — Seine Majestät der Kaiser wird von Weimar au«, wohin er sich zu der am 30. April stallfinden den Hochzeil de« jungen Großherzog« begibt, nach Rom reisen und vom 2.-6. Mai der Gast der italienischen Majestäten sein. Gleichfall« Rom be suchen wird der Kronprinz auf der Rückkehr von seiner Orienlreise, er wird aber vor dec Anwesen heit de« Kaiser« in Rom sich den italienischen Maje stäten vorstellen. Ob Prinz Eiteb Fritz seinen alleren Bruder begleiten wird, hängt — der Prinz ist be- kannt'.ich an den Masern erkrankt — vom Aus- gange der Krankheit ab. Die Prinzen besuchen vor dem Eintreffen in Rom Konstantinopel und Athen, ferner Neapel; von Rom au« unternehmen sie eine Studienreise durch Italien, deren Dauer und Route allerdings noch nicht sestgcstellt ist. — Generalseldmarschall v. Hahnke. Der Kaiser hat dem Generalobersten v. Hahnke von neuem in ganz besonderer Weise ausgezeichnet, indem er ihm zum Bewei« fortdauernder Anerkennung reicher Ver dienste und besonderen Wohlwollen« den Rang eine« Generalseldmarschall« verlieh, v. Hahnke steht im 70. Lebensjahre und war bekanntlich lange Jahre hindurch Ches de« kaiserlichen Militärkabinel«, von welchem Posten er vor wenigen Jahren infolge seine« leidenden Gesundheiltzustander entbunden wurde unter Ernennung zum Generalobersten und zum Oberbefehlshaber in den Marken und Gouverneur von Berlin. Nichtfürstliche Generalfeldmarschälle besitz! das deutsche Heer nunmehr zwei: Gras Wal ders« und v. Hahnke. — Einen Vergleich de« HeereShau«hall« der Dreibundmächte finden wir in der „Tgl. Rdsch." Deutschland unterhält 562 187 Mann unter den Waffen, Oesterreich 350657, Italien 221388. Jeder Soldat kostet in Deutschland 832, in Oesterreich 804, in Italien 796 Mark. Die Gesamtautgaben für Heereszwecke betragen in Deutschland 660 Mill. Mk., in Oesterreich 346, in Italien 204. Deutschland unterhält die wenigsten Offiziere, 43 aus 1000 Mann, während Oesterreich und Italien je 62 aus 1000 Mann haben. Die Stärke der Feldartillerie ist in — Der Termin für die nächsten Reichslag»- wahlen ist noch immer nicht festgesetzt. Selbst in Regierungskreisen scheinen sich verschiedene Meinungen zu erhalten. Während einzelne Stellen sür die Er ledigung de« ganzen Wahlgeschäst« vor Pfingsten sind, wünschen andere den Wahltermin in die Mitte Juni verlegt zu sehen. Die Entscheidung wird wohl mit von dem Material abhängen, da« noch in der laufenden Tagung vom Reichstag bewältigt werden soll. Jedenfalls dürfte sie nun bald sollen. — Zu der Meldung Berliner Blätter über eine Hinau«schiebung der Beschlußfassung im Bundesrat über die Aushebung de« 8 2 de« Jesuitengesetze« erfährt da« „Chemn. Tgbl." au« bester Quelle, daß es sich um keine Hinau«schiebung in der Weise handelt, daß etwa der Bunde«rat beschlossen hätte, die Sache vorläufig aus sich beruhen zu lassen. Die Dinge liegen so, daß die Angelegenheit nicht al» dringlich betrachtet wird und deshalb hinter der Erledigung dringenderer Geschäfte vorläufig zurück steht. Emen Beschluß soffen wird der Bundesrat über die Anregung der großen Mehrheit de» Reichs tage«, Z 2 de« Jesuitengesetze« zu beseitigen, aber sicher. Einstweilen wolle man im Auge behalten, daß der Reichrkanzler im Reichstage nur erklärt hat, er wolle die 17 Stimmen Preußen« im Bun detrat sür die Aushebung de« 8 2 einsetzen, keine«- weg« aber die Aufhebung angekttndigt hat. Da« scheint man da und dort in der Presse ganz ver gessen zu haben. — Vor dem Naturheilversahren hatte der preu ßische Eisenbahnminister in einem Erlaß seine Be- amten gewarnt. Jetzt ist nach Berliner Blättern dieser Er^aß ausgehoben worden, weil er zu Miß verständnissen Anlaß gegeben hat. An seine Stelle tritt nunmehr die Bestimmung, daß die Geschäsl«- vnd Arbeilträume der Slaatsbahnvcrwaltung nicht dazu benutzt werden dürsen, um Grundsätze aus dem Gebiet der Heilkunde, sei e« durch Wort oder Schrift, zu erörtern. Selbstverständlich werken dadurch die Bestimmungen über die Ausbildung von Eisenbahn- bediensteten im Samariterdienst nicht berührt. — Infolge der beiden traurigen Duellaffären dc« letzten Wintersemester« Hal laut „Frkf. Zig." der Senat der technischen Hochschule in Karlsruhe beschlossen, künftig jeden Studenten für immer von der Schule zu verweisen, der sich an der Borbe- reitung oder dem AuStrag eine« Pistolenduell« be teiligt. Vermischtes. Im Wissensdrang. Fährt da neulich ein Bäuerlein von Regentburg nach Straubing und jludiert während der Fahrt die Vorschriften über den Gebrauch der Notbremse. Wa« da geschrieben, scheint ihm unglaublich und, um sich zu überzeugen, faßt er den Griff und zieht. Der Zug hält; Zug führer und Schaffner eilen herbei und fragen, wa» geschehen sei. Da« Bäuerlein antwortet gemütlich: „Fahren« nur wieder weiter, da« Ding geht wirk lich au«gezetchnet." Die Strafe von 30 Mk. war aber auch „ausgezeichnet"! -j- Neber einen „Geisterspuk", der nach wohl bekannter Art in einem Bauernhöfe nächst Amstetter in Szene gesetzt worden ist, wird von dort geschrieben : „Seit acht Tagen stellt sich beim WirtschaftSbesitzer Leopold Binder in Hainstette (nächst Amstetten) all abendlich ein seltsamer Spuk ein, der die Bewohnen des Hauses und der Umgebung in Furcht und Schrecken versetzt. Alle Gegenstände deS HofeS kommen mit Eintritt der Dunkelheit in eine seltsame Bewegung, da- Küchengeschirr kreist an der Wand, die Betten schweben in der Luft, während das Vieh in den Ställen brüllt und unruhig ist, bis der Spuk Schlag 10 Uhr abends ein Ende nimmt. Die Behörden, sowie die Gendarmerie sind eifrig be- müh», hinter dieses rätselhafte Treiben, welche» sich auch schon vor zwei Monaten einige Tage zeigte, zu kommen. Der Hof wird bewach», und man hofft, den Geist bald dingfest zu machen. Der ge heimnisvolle Spuk hat in der Umgebung große» Aufsehen hervorgerufen, und ein Schwarm Neu gieriger pilgert täglich zu dem geisterhaften Hause." Harte Zeiten. Wir lesen in der Franks. Zeitung: Im Verlag von Müller-Mann in Leipzig hat Kurt Frhr. v. Biedenseld da« „Amerikanische Tagebuch eine« um die Ecke gegangenen preußischen Kürassierleutnant»" veröffentlicht. Der Verfasser ist in weiteren Kreisen dadurch bekannt geworden, daß er im November 1899 in Chicago einen Detektiv in der Notwehr niederschoß. Der Prozeß, der wider ihn angestrengt wurde, endete mit seiner Freisprechung. Nachdem der Verfasser da« Rheinische Kürassierregiment wegen Schulden verlaffen, sährt er nach der Neuen Welt. Ein Detail von unter weg«: „Ich Helse die Messer und Gabeln sür die erste Kajüte putzen und erhalte dafür während der ganzen Reise da« Essen." Mit 16 Pfennigen in der Tasche landet er in Newyork. Er erzählt: „Den ganzen Tag hatte e« sehr stark geschneit und gegen Abend begann der große Blizzard von 1888. In einem der vielen Pfandhäuser versetzte ich meinen Ueberzieher sür 2 Doll, und nahm in einem sehr schmutzigen Restaurant mein Diner ein, um meinen inzwischen zum Heißhunger au«gearteten Appetit zu befriedigen. Vor dem Zigarrengeschäst von Lindlau sah ich, wie sich eine Frau vergeblich bemühte, die immer wachsenden Schneehaufen vom Trottoir auf die Straße zu befördern. Ich wurde mit ihr einig, sür 50 Cent die Arbeit zu übernehmen, und in etwa 1 Stunde hatte ich da« erste Geld in meinem Leben verdient. Ich erhielt den Auftrag, am nächsten Morgen noch einmal da« Trottoir zu fegen. So verdiente ich in den nächsten 5 Tagen an diesem Platz allein 4 Doll, und benutzte die Schneeschaufel und den Besen, um vor anderen Geschäften und Privalhäusern einen gleichen Dienst zu verrichten und war am Ende de« Blizzard« im Besitz von 35 Doll. Mit dem Blizzard hörte natürlich diese sehr lohnende Beschäftigung aus, und ich mußte mich nach anderer Arbeit umsehen. . . Nach zweimonat lichem Suchen gelang e« mir, eine Stellung al« Hau«knecht bei Stollwerck zu erhalten mit einem wöchentlichen Gehalt von 6 Doll. Meine Tätigkeit begann morgen« 6 Uhr. Zuerst mußt« ich die Asche aus den Oesen aus die Straße tragen, dann die Oesen anmachen. Nachher trug ich 40 Eimer Wasser in ein Reservoir aus dem Boden. Wenn der alte griesgrämige Stollwerck aufgestanden war, hatte ich Semmeln und Kuchen zu holen. Dann war ich im Geschäft tätig. Datselbc bestand im Verleihen von Kostümen sür Ma«kenbälle. Meine Unau«sprechlichen waren in Fetzen, au« meinen Stiefeln sahen die Zehen heran«. . . Wieder be fand ich mich ohne einen Pfennig auf der Straße. Durch einen früheren Offizier der 2. Husaren, Herrn v. Z., der eine Kneipe hatte, wurde mir be- kann!, daß im Metropolilan-Opcrn-Hause noch ein zweiter Hellebardier gewünscht wurde. Der andere Hellebardier war ein Graf S. Wir erhielten 10 Doll, pro Mann. Einen Monat später arbeiteten Graf S. und ich auf einem kleinen Dampfer. Die Arbeit war sehr schwer. Eine» abend» standen wir auf Deck, al« S. mir warm die Hand drückte und dann ruhig über Bord sprang. . . Ich bin von festerem Material und nicht so leicht durch äußere schlechte Verhältnisse besiegbar; ich habe wcitergekämpft, weitergelitten, aber zum Schluß gesiegt. —" * Hagendinge», 13. März. In der hiesigen Fabrik der Siegen-Lothringer Werte wurde letzte Nacht das Mitglied des Aufsichtsrates der Werke, deren früherer Eigentümer, Fölzer, von Dieben, die er in seinem Bureau überraschte, ermordet. Die Täter sind entkommen. * Eger. Dieser Tage kaufte ein hiesiger Pferdeschlächter bei einem Spediteur ein Pferd, welches dämpfig und deshalb unbrauchbar geworden war, um den Preis von 60 Gulden. Da er es erst am nächsten Tage abholeu lassen wollte, so spannte es einer der Knechte nachmittags nochmals ein und fuhr fort. Unterdessen kam aber der Ge hilfe des Pferdeschlächters, um das gekaufte Pferd abzuholeu. Ein zweiter Knecht des Spediteurs, der nicht wußte, daß das kranke Pferd eingespannl war, bedeutete dem Schlächtergehilfen, das gesuchte Tier stehe im Stalle, er solle es sich nur heraus holen, ohne sich um die Sache weiter zu kümmeru. Der letztere ging dann auch in den Stall, band ein dort stehendes gesundes Pferd, das die gleiche Farbe hatte, wie das kranke, ab, und zog damit von dannen. Später kam der erste Knecht mit deni kranken Pferd wieder nach Hause, und fragte, wo denn das andere Pferd sei. „Nun, das hat doch der Pferdeschlächter gekauft und geholt" hieß es. Der Irrtum klärte sich alsbald auf, sofort wurde das Telephon iu Bewegung gesetzt; allein es war zu spät. Das gesunde, auf 500 Gulden gewertete Pferd war bereits geschlachtet! Der Chef des Hauses, der sich inzwischen auf eine Ge schäftsreise begeben hat, wird von diesem Tausche wohl nicht erbaut sein. * Brüssel, 13. März. Ein rötlicher Unfall ereignete sich in einem Restaurant, in welchem Polizisten ihre Mahlzeiten einzunehmen pflegen. Als einer derselben seine Waffe ablegte, fiel sein Revolver so unglücklich zur Erde, daß ein Schuß losging und die Kugel der Tochter des Wirtes das Herz durchbohrte. Dieselbe war auf der Stelle tot. * Mailand, 13. März. In Treviso wurde gestern die alle sehr reiche, aber ebenso geizige Gräfin Linda Donigo Jaquenard während eine« Spazier- gange» in ihrem Garten von einem in ihren Diensten stehenden Feldarbeiter ermordet. Der Arbeiter, der täglich eine Lira verdiente, hatte anläßlich der Ge burt eine« zweiten Kindes vergebens eine kleine Unterstützung von der Gräfin erbeten; der Zorn über die Ablehnung veranlaßte ihn zu dem Morde. * Bukarest. Mittels königlichen Dekretes wurden dieser Tage drei hiesige Justizbeamte ihres Dienstes enthoben und definitiv entlassen, welche in geradezu unglaublich erscheinender Weise zwei des Pferdediebstahls angeklagte Personen im Ge fängnisse — vergessen hatten. Die Untersuchung gegen die Angeklagten hatte ein negatives Resultat gehabt, weshalb ihre Freilassung ungeordnet wurde. Durch die Nachlässigkeit der bezeichneten Beamten wurde jedoch die Freilassungsordre unausgesührt zu den Akten gelegt, und die Sache geriet damit in Vergessenheit. Die Angeklagten, welche stündlich ihre Befreiung erwarteten, gerieten, als Wochen und Monate vergingen, ohne daß sich etwas in Das deutsche Handwert. der Keit vor Ostern, wenn Tausende von iunaen L Uten vor die Wahl eines Lebensberufes gestellt werden, erblühen dem deutschen Handwerk di meisten Ratschläge. Sie sprießen, wie die Marz veilchen; sie hören sich anmutig an, sind nicht nur wohlgemeint, sondern treffen auch in wichtigen Dinqeu den Nagel aus den Kopf, aber sie über sehen doch viele Tatsachen d s praktischen Lebens. Es wird u. a. behauptet, wie bereitwillig zugegeben sein mag, für manche Gegend mit vielem Recht, daß die Handwerksmeister dem eigene» Beruf ihre Söhne fernhielten und damit dessen Wert selbst herabsetzten, daß es den Lehrlingen an umfassender theoretischer Ausbildung, den Meistern an kauf männischem Sinn und richtiger Kalkulation fehle, und was dergleichen Dinge mehr sind. Sie treffen nicht selten 'zu, aber sie treffen nicht immer zu, und jedenfalls kann man diese Ausführungen nicht als grundlegende Ursachen für den heutigen tieferen Stand des Handwerks ansehen. Selbst wenn ein Handwerker falsche Kalkulationen aufstellte, hätte er immer noch alles voraus vor einen, Treber- Schmidt, Exner, Sanden und Genossen, und wenn er seine Söhne einem anderen Beruf lieber zuweist, so geschieht das doch in den wenigsten Fällen aus Hochmut, sonder» in berechtigter Sorge, in er klärlichem Mißmut über die Tatsache, daß das Handwerk dort die Wertschätzung nicht findet, wo es den meisten Anspruch darauf hätte, bei Gesetz gebung, beim Staat und bei der bürgerlichen Ge sellschaft. Alles das, was oben als Ursache für einen Niedergang des Handwerks hingestellt ist, ist nicht Ursache aus sich selbst heraus, sondern die Folge weit schwererer, feststehender für das Hand- wert unh ilvoller Tatsachen. Das Handwerk hat gegen eine starke, zum Teil übermäßige kapitalistische Konkurrenz zu kämpfen: das ist eine Zeiterscheinung, die nicht aus der Welt zu schaffen ist und nicht aus der Welt gebracht werden kann. Da helfen keinerlei gesetzgeberische Paragraphen etwas und kein Mundspitzen, es muß eben gepfiffen sein. Aber man darf sich nicht mit der elnfacheii Tatsache abfinden, man muß die nötigen Folgen daraus ziehen. Die Hauptfrage lautet hier: Kann es einem Staatswesen gleichgiltig sein, ebenso in bürgerlicher, als wirtschaftlicher Be ziehung, wie hinsichtlich der Ausbildung der Ar beiter, daß ein praktischer, tüchtiger Zweig des Bürgerstandes, der sich keiner harten Arbeit scheut, dahinsiecht 7 Wir wollen z. B. blos einmal sehen, was im Militärleben werden sollte, wenn die Hand werker zu mangeln begännen. Auch das riesen hafteste Warenhaus, so wenig ja sonst gegen diese Unternehmungen, sofern sie als solid anerkannte Prinzipien verfolgen, zu sagen ist, würde nicht aushelsen können. Es ist überhaupt unmöglich, einen Staat auf kaufmännischen und industriellen Großbetrieb zu basieren, der Mittelstand in Stadl und Land bildet die verbindenden Glieder. Und darum heißt es, ihn zu erhalten, ihn zu kräftigen. Zur Entfaltung einer stärkeren Konkurrenz fähigkeit des Handwerks gehören vor Allem: Ach tung und Geld! Man kann es oft konstatieren, daß Die, welche sür das Handwerk die allerbesten Lehren in Hülle und Fülle zur Hand haben, noch lange nicht das tun, was wichtiger als alle Worte ist, durch die Tat zu fürder», indem sie zu ver dienen geben. Das ist ein Krebsschaden, daß wer weiß wieviel, was man im Laden des Handwerkers ebenso gut und billig haben könnte, anderswo ge kaust, oder sogar aus fremden Städten bezogen wird, nur um damit renommieren zu können. So ist ek, e» hat keinen Zweck, wie eine Katze um den heißen Brei herumzugehen, man muß die Dinge beim Namen nennen. Niemand soll eS verwehrt sein, andertwo zu kaufen, wenn er vom Handwelker nicht zu seiner Zufriedenheit bedient wild, aber man soll daS nicht als Ausrede gebrauchen, wie es so ost geschieht. Wa» dem Handwelker gegönnt wird, sind die Reparaturen, die auj'S allerbilligste gemacht werden müssen und sür welche der Gewerblreibende dann noch wer weiß wie lange auf Bezahlung warten kann. Auch die staatlichen Behörden haben eS mit der prompten Begleichung der Handwerker- Rechnungen keineswegs eilig, natürlich nicht au« bösem Willen, sondern weil alles nach dem Schema gehen muß. Sie könnten auch die Handwelker in der Vergebung von Arbeiten mehr unterstützen. Hier sind wohl Schwierigkeiten, aber sie sind nicht un überwindbar. Daß dem Handwelk mancherlei Lasten durch die Gesetzgebung auserlegt sind, welche in dieser Form nicht auferlegt werden dursten, weil sic sür die Geschäfts-Unkosten de» Handwerksbetriebes ander« in» Gewicht fallen, als für die deS Großbetriebes, ist hinzuzusügen. Mit dem Worte: „Da- ging nicht ander»!" ist eS nicht abgemacht, denn, da» muß betont werden, um wie unendlich viel größer ist nicht die Zahl der Handwerker, welche dem Vaterlande mit der Waffe dienen, al» die der Angehörigen eines kapitalistischen Großbetriebe»? Wenn dem Handwerker die Freude an seiner selbständigen Bürger-Existenz gemehrt, wenn bei den jüngeren Elementen die Lust und Liebe zur Gache wachsen soll, dann isteS nicht allein milder Theorie getan, dann muß dec Handwerker durch die Gewährung der überall sonst vorhandenen Barzahlung in den Besitz der erforderlichen Mittel gebracht, und dem ganzen Handwerk, Meister und Gesell, muß durch Schätzung ihrer Arbeit gelehrt und bewiesen werden, daß e» so rangiert, wie e» verdient. Alle« andere kommt erst in zweiter Linie, hier liegen die Wurzeln für eine Neu-Kräftigung unsere- Mittel- stände».
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