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Lag« und di« Bergarbeiter". Rrdnrr gab zunächst rin«n Ueberblick über das Anwachsen des Kapitalis mus in Preußen und verschiedenen anderen Staaten und verbreitete sich hierbei speziell über die Ent stehung des Kruppschen Vermögens. Während sich auf Seite deS Unternehmertums Kapital auf Kapital häufe, sei von einer Besserung der Lebens lage der Arbeiter nur wenig oder garnicht» zu be merken. Wenn sich die Verhältnisse der letzteren ja etwas gebessert, so sei dies nur auf dem Wege deS Streiks zu erreichen gewesen. Wie sehr man dem Wirken der Arbeiterschaft entgegentrete, be weise die 12 000 Mark-AffSre des Grafen Posa- dowSky, jene Zeit, in welcher man die Bestrebungen der Arbeiterschaft mit der Zuchthausvorlage be- antwortet habe. Da, wo eine Ausbesserung der Löhne stattgefunden, sei man nie dem eigenen Triebe gefolgt, sondern habe stets vor der Notwendigkeit gestanden. Die Löhne seien wohl besser geworden, doch die Lebenshaltung habe damit nicht Schritt gehalten, resp. die Steigerung der Produkte habe das Mehr wieder verschlungen. Man möge nur die amtlichen Darlegungen, die doch nicht ange zweifelt werden könnten, prüfen, und werde seine Ausführungen bestätigt finden. Referent kommt hierauf auf unsere Kohlenreviere zu sprechen. Die dort bestehenden Verhältnisse seien nicht dazu an getan, die Löhne zu drücken. Die enorme Steiger ung der Kohlenpreise ließe eine Lohnsteigerung recht gut zu. Die in den letzten Jahren gemachien Ueberschichten lieferten ferner den Beweis, daß auch von einer Krise keine Rede gewesen, daß man im Gegenteil noch Ueberschuß gemacht. Die Ge sundheitsverhältnisse unter der Arbeiterschaft würden seitens der Gewerbe-Inspektoren als vorzügliche bezeichnet, seien aber in Wirklichkeit derartige, daß einem das Blut in den Adern erstarren möchte. Aus der Statistik der Krankenkassen gehe hervor, daß bei einzelnen Belegschaften 80 90°/„ erkrankt gewesen und daß der Gesundheitszustand unter den Arbeitern einer allgemeinen Degeneration glcich- komme. Referent streift hierauf die im Ruhrgebiet herrschende Wurmkrankheit und richtet den Wunsch an die Presse, doch eine Anregung dazu zu geben, daß die Arbeiterschaft unserer Kohlenreviere darauf hin untersucht werde, ob die Wurmkrankheit nicht auch schon unter ihnen herrsche. Durch Italiener sei die Wurmkrankheit in das Ruhrgebiet einge schleppt worden, und der Umstand, daß auch auf unseren Revieren viel Italiener beschäftigt würden, ermahne zu größter Vorsicht. Redner schildert nun die immermehr überhand nehmende Entfrem dung zwischen Unternehmertum und Arbeiterschaft, hält auch ein Interesse der Aktionäre an dem Wohle der Arbeiter sür nicht vorhanden usw. usw. Es bestehe eben ein Ueberangebot von Arbeitskräften und dies verstehe man zu benutzen. Man brauche deshalb den Russen nur zu kratzen und der Tartar komme zum Vorschein Die schlimmste Zeit sür den Arbeiter sei aber keineswegs schon gekommen, diese stehe noch bevor. Den neuen Zolltarif, so wie den kürzlichen Geschästsordnungsbruch im Reichstag unterzieht Redner einer scharfen Polemik und fordert zum Schlüsse die Anwesenden zur Organisation auf. Wenn erst 6 Millionen organi sierte Arbeiter dem Zentralverband der Industriellen gegenüberständen, sei es mit der Herrlichkeit der letzteren vorbei. — 8lach einer Pause von 10 Minuten sprach der Vorsitzende noch einige Worte über Organisation und erteilte dann dem Referenten das Schlußwort. Letzteres bezog sich aus die jetzigen Pensionskassen - Wahlen und die königstreuen Knappen. (Lichtenst.-Callnb. Anz.) Kirchliches. Bibel und Babel. Es scheint nun doch, daß die Berichterstattung über den zweiten von Prof. Delitzsch vor dem Kaiser gehaltenen Vortrag, der in dem christlichen Volke noch mehr Beunruhigung hervorgerufen als der erste, viel zu weit gegangen ist. Prof. Delitzsch hält es für nötig, folgende Erklärung zu veröffentlichen: „In den Berichten über meinen Vortrag Babel und Bibel, Fortsetzung, findet sich mehrfach ein doppeltes Mißverständnis, welches richtig zu stellen meine Pflicht ist. l. „Die Hand aufs Herz! Wir haben außer der Gotles- osfenbarung, die wir ein jeder von uns in unserm Gewissen tragen, eine persönliche, unmittelbare Gottesoffenbarung gar nicht verdient. Denn ge radezu frivol hat die Menschheit Gottes ureigent liche Offenbarung, die zehn Worte aus den Gesetzes tafeln von Sinai, bis aus diesen Tag behandelt." So lauteten meine Worte: verdient, nicht: gebraucht! 2. Nie und nirgend habe ich behauptet, daß der Monotheismus Israels aus Babylonien stamme, vielmehr immer und immer wieder den krassen Polytheismus der Babylonier betont. Jene Namen wie: „Gott (El) sitzt im Regiment", „Wenn Gott nicht mein Gott wäre", „Gott ist Gott", „Jahn ist Gott" eignen den Abkömmlingen nord semitischer Beduinen, von denen sich ein Teil in Babylönien um 2500 vor Christi seßhaft machte, während der andre Teil, aus welchem nach einem Jahrtausend die Kinder Israel hervorgingen, sein Nomadenleben fortsetzte. Die in einem Vortrage der Anthropologischen Gesellschaft neulich beliebte Polemik, gipfelnd in den pathetischen Worten: .lind auS dem bankerotten Babel sollte sich Israel seine monotheistische Gottesidee geholt haben? be ruht hiernach auf einer irrigen Vorstellung und ist durch und durch gegenstandslos." Der erwähnte Vortrag ist der, den Professor Hilprecht auS Philadelphia vor kurzem im Saale des Berliner Völkcrmuseums vor der Anthropolo gischen Gesellschaft gehalten hat. Er bekämpfte nicht eingehend die Behauptungen von Delitzsch, da es der Aufgabe seines Vortrags nicht entsprach. Er legte nur gegen ) den Schluß feine ganz und gar abweichenden Anschauungen in folgende Worte: „Und daraus sollte sich Israel seine reine mono theistische Gottesidee geholt haben? Aus dem bankerotten Babel? Nach 14jähriger Arbeit ge stehe ich es an öffentlicher Stelle, daß ich mich zu raoikal andrer Auffassung bekenne." Kleine Chronik. * Berlin, s. Febr. Im Kurpfuscherprozeß Nardenkötter hat der Angeklagte brieflich angezelgt, daß er die Flucht ergriffen habe. Der Gerichtshof beschloß aus Antrag de« Staatsanwaltes einen un umschränkten Haftbefehl gegen den Angeklagten zu «klaffen, außerdem seine Korrespondenzen und Tele gramme auf der Poft, sowie seine Geschäftsbücher und sein Vermögen in Höhe der voraussichtlichen Strafe und Gerichtskosten zu beschlagnahmen, im übrigen weiter zu verhandeln und den Angeklagten Dr. Kronheim zu verhaften. * Berlin, 9. Februar. Wegen mehrerer Sitt lichkeitsverbrechen, begangen an Mädchen von 11 bis 14 Jahren, wurde nach dem Berliner Lok- Anz. der landwirtschaftliche Taxator, Oberleutnant der Landwehr Franz Steldt aus Wilmersdorf ver haftet. Kupplerinnen waren ihm behilflich. Weitere Verhaftungen stehen bevor. * Königsberg, 9. Febr. An der samländischen Küste haben die letzten Stürme den Bernsteinfischern reichen Gewinn gebracht. Viele Zentner Bernstein wurden an den Strand geworfen. * Hamburg, 9. Febr. Ein orkanartiger Eüd- weststurm mit heftigen Rcgenwehen wütet seit gestern auf der Elbe und Nordsee. Eine Anzahl Schiffs- Unfälle wurden bereits gemeldet. Unweit Bruns hausen sank in vergangener Nacht ein unbekanntes Fischerfahrzeug. Die Besatzung fand den Tod in den Wellen. * Rostock, 9. Februar. Beim Brande eines strohgedeckten Kathens auf dem Erbpachthof Vietow kam der 6jährige Sohn eines Tagelöhners in den Flammen um. Die Eltern des Kindes haben schwere Brandwunden davongetragen. Es wird Brandstiftung vermutet. * Jüterbog, 9. Febr. Hier machte sich ein Kanonier mit einem Zünder zu schaffen. Derselbe explodierte und der Kanonier wurde schrecklich ver stümmelt : drei andere Soldaten sind leicht verletzt worden. * Kassel, 9. Febr. Einen Mordanschlag beging hier ein Husarenunterosfizier. Auf einem nächtlichen Spaziergange mit seiner Geliebten am Fuldaufer entlang packte er plötzlich daS Mädchen und stürzte eS von der 50 Fuß hohen RcnthofSmauer in die Fulda hinab. Trotzdem konnte daS Mädchen ge rettet werden) der Täter wurde festgenommeu. * Mainz, 10. Febr. Der Kassierer dir Be- triebSkrankenkasse der Aktiengesellschaft für Handel und Schiffahrt vorm. Disch, Willy Datz, ist nach Unterschlagungen von mehreren tausend Maik flüchtig geworden. * Münster, 9. Febr. Die Kuypersche Weberei in EmSdelten ist gänzlich niedergebrannt. * Gotha, 7. Febr. Zu einem aufregenden Auf tritt kam es gestern im Thüringischen LandeSzuchl- hause in Gräscntonna. Ein zu langjähriger Zucht hausstrafe verurteilter Sträfling veranlaßte einen Oberauffeher, seine Zelle zu betreten, in der irgend eine Reparatur erforderlich sein sollte. Bei dieser Gelegenheit überfiel der Gefangene den Beamten und schlug ihn mit einem Handtuche, in welche» ein mehrere Pfund schwerer Stein gewickelt war, mehrfach auf den Kopf. Der Uebersallene wehrte sich zunächst, fiel aber schließlich bewußtlos zu Boden. Hierauf nahm ihm der Verbrecher die Schlüffe! ab, schloß ihn in die Zelle ein und versuchte, zu entkommen. Glücklicherweise hatte der Lärm die Aufmerksam keit einiger anderer Beamten erregt, welche den Flüchtling verfolgten und noch innerhalb der Zucht- Hauses ergriffen. Der überfallene Oberausseher hat mehrere stark blutende Wunden davongetragen und liegt krank darnieder. * Kempten, 9. Febr. Während des gestrigen Vormiltagsgottesdienstes wurde in den Pfarrhof zu Waltenhofen bei Kempten eingebrochen. Die Diebe stahlen Wertpapiere im Betrage von 23 000 Mark. Die Kunde hiervon verbreitete sich rasch in der Kirche. Ein Teil der Kirchenbesucher nahm die Verfolgung der Einbrecher auf. In der Nähe von Lenzsried wurden sie eingeholt. Als sie sich verfolgt sahen, warfen sie die Wertpapiere fort, zogen Revolver und feuerten auf die Verfolger. Drei der letzteren wurden verwundet, davon einer schwer. Schließlich wurden die Diebe überwältigt und ins Gefängnis nach Kempten gebracht. Einer der Verletzten ist inzwischen gestorben. * Wien, 9 Februar. In ein hiesiges Kaffee haus stürmte vor einigen Tagen ein junger Mann mit verstörten Zügen, eilte zum Telephon und be rief das Freiwillige Rettungskorps, das alsbald erschien. Die Gäste waren nicht wenig erstaunt, die Funktionäre mit den roten Kappen eintreten zu sehen. Der junge Mann eilte ihnen entgegen, die Hände saltend, ries er: „Ich bitte, transpor tieren Sie mich ins Irrenhaus!" Der Bittende war nämlich ein aus dem Jrrenhause entlassener Mann, der plötzlich einen Anfall von Verfolgungs wahn bekommen hatte. Aus Furcht, in Tobsucht zu verfallen, berief er selbst das Rettungskorps. * Ltmberg, 9. Febr. In Kuty wurden gestern 370 Privathäuser, sowie mehrere öffentliche Ge bäude durch eine Feuersbrunst zerstört. 500 Familien sind hierdurch obdach- und brotlos geworden. * Brüssel, 9. Februar. Gestern stürzte sich in einem Anfälle von Geistesstörung der irische Offizier Furton aus einem Fenster des zweiten Stockwerks des Grand-Hotels auf die Straße; er wurde, tätlich verletzt, ins Krankenhaus gebracht. * Rom, 7. Februar. Ein Arbeiter namens Barabino aus Spezia hat einen sehr einfachen Apparat erfunden, welcher dir Stelle anzeigt, an welcher ein Schiff gesunken ist, sodaß eS geborgen werden kann. * San Francisco, 9. Februar. Der hier ein- getrosfene Dampfer „Mariposa" meldet, aus den Gesellschaftsinseln seien am 13. Januar insolge einer Sturmflut ungefähr 1000 Eingeborene umS Leben gekommen. 80 Inseln seien völlig verwüstet. — Neuere Depeschen melden: Da« Unwetter aus den Gesellschast«-Jnseln wütete noch mehrere Tage nach dem 13. Januar. Die erste Nachricht wurde am 26. Januar von dem Schoner „Jmeo" nach Papeete gebracht. Am nächsten Tage traf der Dampfer „Excelsior" mit 460 Ueberlebenden eben daselbst ein. Der Kapitän schätzt den Verlust aus den Inseln Hao, Htkuero und Marakau allein aus 800 Personen. Auch acht Weiße sind ertrunken. Der Sturm erstreckte sich bi« Rajatea, wo viel Schaden angerichtet wurde, aber keine Menschen umgekommen sind. Man befürchtet, daß noch viele Ueberlebende auf den Gesellschaft«- und Paumotu- Jnseln um kommen werden, ehe Nahrung«mitlel usw., die von den französischen Behörden schon ab geschickt wurden, dort rintreffen können. Tausende von Tonnen Copa und über 200 Tonnen Perl muscheln find verloren gegangen. Der Fremde. Roman von Robert Kohlrausch. 63. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Er sah die plötzliche Bläffe nicht aus dem ge- liebten Antlitz, er bemerkte nicht, wie die welk ge wordene Hand sich zum Herzen hob, al« wolle sie e» zum Schweigen bringen. Er sprach weiter, ohne auszublicken, und seine Worte klangen ruhig, gleich mäßig durch da« stille, kleine Gemach. „Ein Frauenzimmer ist umgebracht worden, draußen am Wall, — ich weiß noch, wie ich hinau»- gelausen bin, die Leiche zu sehen. Kannst Du Dich ihre« Namen« noch erinnern?" Jetzt sah er sie an und schrak zurück vor dem verwandelten Gesicht. Die letzten Spuren von Jugendlichkeit waren darau« entschwunden, es war da« farblose, durchfurchte Antlitz einer alten Fraux da« mit angstvollen Blicken zu ihm herüberstarrte. „Mutter!" schrie er aus. ,,Wa« ist Dir, wa« habe ich getan? Ich hätte schweigen sollen, — mein Golt, wodurch habe ich Dich so erschreckt ?" Sie antwortete nicht gleich. Die eine Hand hielt sie noch immer aus da« Herz gedrückt, mit der anderen hatte sie die Tischplatte krampfhaft um spannt. Sie rang nach Atem, zuerst vergeblich; dann kamen ganz leise die Worte: „Es ist nicht», frag' weiter. Ich will Dir sagen, wa« ich weiß." „Ich Dich noch weiter guälen? Nein, gewiß nicht. Komm', sei nicht böse, daß ich so unvorsichtig war. Wir wollen die alte Geschichte ruhen lasten, war geht sie mich an?" Sie schüttelte langsam den Kops, die Augen fest aus den Sohu gerichtet, und ihre Stimme klang feierlich, al« sie entgegnete: „Sie ruht nicht, und wenn wir e« zehnmal wollen. Ich hätte mit Dir darüber gesprochen, aber ich habe den Mut nicht dazu gehabt." „So lasten wir e« auch heule. Ein ander Mal, Mutter, wenn Du wieder gesund bist. Ich frage nicht mehr, ich will nicht, daß Du Dir schadest." „Ich würde mir schaden, wenn ich heute schwiege, nachdem wir einmal so viel gesprochen haben. Zu nächst will ich Dir antworten aus die Frage, die Du getan hast, — ja, ich kenne den Namen." Er sah, wie sie mit sich kämpfte, ihn au»zu- sprechen, und nur um si« zu schonen, um ihr weitere Qual zu ersparen, kam er ihr jetzt zu Hilse. „Hieß sie Valetta?" „Valeska Mara." Ein tiefe«, angstvolle« Schweigen legte sich aus da» Gemach; da« Feuer schien lauter tm Ösen zu knistern, und die Regentropfen schienen heftiger an die Fenster zu klopfen. Boysen bemühte sich, den Bann zu brechen. Er versuchte, in leichterem Tone zu reden, und streichelte mit sanslen Fingern der Mutter Hand. „Komm', Mutlerchen," sagte er, „nun ist e» genug. Ich weiß, wa» ich misten wollte, wir können jetzt von erfreulicheren Dingen reden." „Nein, Richard. Du hast gefragt, nun bln ich an der Reihe mit Fragen. Und Du wirst mir antworten, wenn Du mich lieb hast, — ja, ja, ge wiß, ich weiß. Ich hätte da» nicht sagen folleu, mein lieber Junge." Er halte leidenschaftlich ihre Hand ergriffen und sie geküßt; sie aber strich ihm jetzt über da» Haar, al» wolle sie ihn um Verzeihung bitten sür den unbedacht ausgesprochenen Zweifel an seiner Liebe. „Daß Du mich lieb hast, daran habe ich nle gezweifelt und werde e« niemals tun. Darum wollen wir auch kein Geheimni» mehr vor einander haben, von heute ab nicht mehr " „So frag' nur, Mutter." „Du hast von Personen gesprochen, die mit jener Frau in Verbindung gestanden haben, wie Du glaubst. Wer sind sie?" „Ein Mädchen zunächst, ein schöne-, junges Ge schöpf von zwanzig Jahren vielleicht. Sie ist Chansonnettensängerin in einem Konzerllokal und muß, wie mir scheint, große Aehnlichkeit mit dieser ValeSka Mara haben. Hatte sic eine Tochter?" „Sie hatte ein Kind, ein Mädchen. Sie selbst war Sängerin, — bei einer Operettengesellschast, die damals hier auftrat." „Hieß ihre Tochter Sasfi?" „Sophie war sie getauft. Für die Oessentlich- keit ward wohl der Name geändert. Mit wem steht sie dort in Verbindung?" „Sic lebt bei einer Familie, — e» sind Mann und Frau und Sohn, — die sich Gloystedt nennt, aber ich glaube, daß auch dieser Name falsch ist Ich habe noch einen anderen gehört — erinnerst Du Dich einer Familie Jaritz, die hier gelebt Hal?" „Sie lebte hier, und jene- Kind war in ihrem Hause." „Dann ist meine Vermutung richtig! Sasfi muß diesen Pseudo-Gloystedt Vater nennen, aber sie behauptet zu wissen, daß er eS nicht ist." „Sie hat recht. Jaritz ist nicht ihr Vater." „Wer aber ist eS denn ?" Sie gab ihm keine Antwort, und schweigend starrte er vor sich hin. Dann aber lebte die alte Vermutung, der alte Verdacht gegen SealSsicld wieder aus in seiner Seele, und da die Mutter noch immer stumm und bleich ihm gegenüber saß, begann er zu erzählen. „Noch einen anderen Mann muß ich, so schmerz lich eS mir ist — ich kann c» Dir heute noch nicht sagen, we-halb — in diese Geschichte verwickelt glauben. Er hatte Sasfi bisher noch nicht ge- kann», neulich aber bei dem Künstlerfest sah er sie plötzlich vor sich, und da — er ist ein kranker, nervöser Mensch — da sank er mit einem Schrei bewußtlos nieder. Ich aber hatte da» Wort ver standen» da» er gcrusen, e» hieß Valetta. Und darum meine ich, daß Sasfi mit ihrcr Mutter große Aehnlichkeit haben muß, und daß er sie gekannt hat.« Durch den Körper der blassen Frau ging ein Zittern, und sie schloß die Augen sür einen Moment, aber sie unterbrach ihn nicht und er suhr sort: „Und sieh, weil ich da» glaube, weil ich seinen Schrecken, sein Entsetzen gesehen habe bei der Er- innerung an die Tote, da meine ich, daß er ihr sehr nahe gestanden hat, ja, in diesem Augenblick, da ich Dir alle» au»einandersetzen muß, denke ich, daß er Sasfi» Vater ist." Sr hatte die Stimme sinken lassen bei den letzten Worten, noch leiser aber, noch gedämpfter, wie au» weiter Ferne hcrübertönend klang jetzt die Frage seiner Mutter: „Wer ist e»?" „Mr. Geal-field." „Derselbe, der — ?" „Der mein Bild gekauft hat." (Fortsetzung folgt.) Neueste Nachrichten und Depeschen vom LV. Februar. Berlin. Die Hauptverhandlung gegen da« Blumen-Medium Anna Rothe ist auf den 23. März d. I. festgesetzt worden. Diese wird voraulsichtltch acht Tage in Anspruch nehmen. Es sind von der Staatsanwaltschaft etwa 90 Zeugen geladen, denen 30 Entlastunglzeugcn gegenüberkehen. Lesum (preuß. Reg.-Bez. Stade). Hier steht die Hälfte der Gebäude der Bremer Wollkämmerei in Flammen. Das Trockengebäude ist ausgebrannt. Man hofft die andere Hälfte der Gebäude zu retten. Warschau. Blättermeldungen zufolge hat der Bischof Herman» in Chelm (Gouvernement Lublin) wegen einer Aergernis erregenden Lieb schaft, bei welcher die Gerichtsbehörde intervenieren mußte, seinen Abschied erhalten und wurde zu strafweisem Aufenthalt in einem Kloster gezwungen. Kiew. Der Erzbischof Antony von Wolhynien richtete an die ihm unterstehenden Geistlichen eine Verordnung, in welcher verfügt wird, daß von nun ab kein Schnaps mehr al« Entgeld für Amtshand lungen angenommen werden darf In Uebertretung»- sällen werden die Geistlichen vor Gericht gestellt und ihrer Funktionen enthoben werden. Zara. Im nördlichen Dalmatien ist eine Hungersnot ausgebrochen. Da man Hungertyphus befürchtet, so hat sich ein Hilfskomitee gebildet. Madrid. Der Gouverneur von Barcelona telegraphiert, der General-Ausstand sei durch ener gische Maßnahmen abgewendet worden. Alle strate gischen Punkte seien durch Gendarmerie besetzt, die auch die Straßen bewacht. Infolgedessen können die Fabriken arbeiten. Doch ist die Gährung noch immer hochgradig. Gestern wurde bei einem Zu sammenstoß zwischen Gendarmerie und Arbeitern ein Arbeiter gelötet. Madrid. Die Beisetzung de» Herzog» von Tetuan erfolgt morgen. Tine Brigade, befehligt von einem General, wird die militärischen Ehren erweisen. Die königliche Familie wird im Leichen zug vertreten sein. Im Auftrag der Regierung begleitet der Ministerpräsident Silvela den Zug. Washington. Wie mitgeteilt wird, fft daS englische Friedensprotokoll von Venezuela im Prinzip angenommen worden. Dagegen weigere sich angeblich Bowen, das deutsche Protokoll zu unterzeichnen. Es müsse eine Abänderung vorge nommen werden, die weitere Verhandlungen mit Berlin nötig macht. Washington. Der Gesetzentwurf des Depu tierten Little-Feld betr. Bekämpfung der Trusts ist gestern vom Senat enlgegengenommen und einem Ausschuß überwiesen worden. Dieser Ausschuß hält bereits heute eine besondere Sitzung ab, um die Frage zu beraten. Sämtliche bisher einge gangenen Gesetzentwürfe belr. der Trusts sollen bei dieser Beratung in Erwägung gezogen werden. Newyork. Meldungen von der Insel Haiti berichten von einem surchlbaren Wirbelsturm, welcher über sechs Inseln der Paumotu-Gruppe hinwegge» gangen ist. 496 Europäer und Eingeborene seien dem Sturm zum Opfer gefallen. Aus der Insel Macalea kamen alle Personen bi» aus eine Frau um. Im ganzen sollen auf den Inseln gegen 1000 Personen vom Sturm vernichtet worden sein. (Siehe kleine Chronik!) Rewyork. Der Gouverneur der Philippinen telegraphierte an den Präsidenten Rooscveelt, eS seien sofortige Maßnahmen zur Festigung der Währung unumgänglich notwendig, da das Schatz amt der Philippinen im letzten Jahr l 500000 Dollars verloren habe, und auch Private gewaltige Verluste gehabt hätten Manila. Eine Truppenabteilung von 100 Amerikanern brachte gestern in der Nähe von Maria-Tigre 200 Philippinern, die sich noch nicht ergeben hatten, eine Niederlage bei. Die Amerikaner hatten sich in drei Trupps geteilt. Einerderselben war von den Philippinern überrascht worden und hatte dabei seinen Führer eingebüßt, trotzdem konnte sich diese Abteilung bis zur Ankunft der Haupt abteilung halten. Tic Rebellen wurden in die Flucht geschlagen und sollen 115 Tote zurückge lassen haben, während die Amerikaner nur 2 Tote und 2 Schwerverwundete hatten. Das Rebellen- Lagcr wurde verbrannt. Rio de Janeiro. Der Konflikt wegen de« Acre-Gebietes soll, wie in letzter Stunde beschlossen wurde, dem Haager Schiedsgerichtshof unterbreitet werden. Caracas. General Ferrera ist vorgestern mit 1500 Mann abgeaangen und hat die revolutionären Streitkräfte, welche Juarena besetzt hielten, an gegriffen Nach zweistündigem Kampf gelang es den Truppen, in die Stadt einzudringen.