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Szenen nach dem Brande tm Jrrenhause ab. Die geängstigten Angehörigen der Irrsinnigen belagerten sämtliche Zugänge, «einten und verlangten «u«. tunst, welche ihnen jedoch in vielen Fällen von den Beamten nicht gegeben werden konnte. Die Wärter hatten die größte Schwierigkeit, den erschreckten In sassen <u Helsen. Viele waren so vom Schreck über wältigt, daß sie tatsächlich nach einem sicher ge legenen Ort getrieben werden mußten. Gleichwohl gelang et den Angestellten, die manchmal in dem dichten Rauch säst erstickten, den größten Teil der Irrsinnigen in da» Hauptgebäude zu bringen. Von dem Anbau sieht man nur noch einige rauchende Trümmerhaufen. Nach den letzten Feststellungen sind 52 Personen bei dem Brande umgekommen, von denen einige in ihren Betten verbrannt sind, andere wurden, in die Ecken zusammengedrängt, tot aufgesunden. Vermischtes. s Ler Kaiser und das Paradekiud. Folgende Geschichte, die den Vorzug hat, in ollen Teilen wahr zu sein, wird der „Tägl. Rundsch." übermittelt: Als der Kaiser vor einigen Tagen in Hannover anwesend war, sand auf dem Waterloo- Platze eine Parade der Garnison statt. Nach Be endigung der Parade teilte der Kommandeur deS 74. Infanterie-Regiment» dem Kaiser mit, der Hauptmann Max von Feldmann habe soeben Mit teilung erhalten, daß seine Frau einem kräftigen Mädchen da» Leben geschenkt habe. Der Kaiser ließ den Hauptmann sogleich zu sich kommen, be glückwünschte ihn und sagte voll Laune: „Eigentlich bin ich sonst nur Pate bei Jungen; in diesem Falle will ich e» mir aber, au» Anlaß und zur Erinner ung an den so schön verlaufenen Paradctag, nicht nehmen lassen, bei Ihrem jüngsten Sprößling als Pate zu fungieren. f Neber Berliner Kinder liest man in einem Bericht de» „Berl. Tgbl." folgende bezeichnende Mitteilung: Viele Ladenkassen- und Warenhaus- Diebstähle machten seit geraumer Zeit der Kriminal polizei viel zu schaffen. Die Beamten suchten lange vergeblich nach erwachsenen Spitzbuben, bis sie durch eine Festnahme dahinter kamen, daß sie es mit einer wohlorganisiertcn jugendlichen Bande zu tun hatten. Ein Knirps von kaum 8 Jahren, der auf frischer Tat ergriffen wurde, hatte auf der rechten Hand zwischen Daumen und Zeigefinger eine Flagge tätowiert, und man bekam aus ihm heraus, daß diese Flagge daS Erkennungszeichen für die Mit glieder der Diebesbande war. Diese ward endlich festgenommen. Sie zählte 23 Köpfe. Der Häupt ling ist ein schon mehrfach bestrafter Bursche von 17 Jahren. Die Uebeltäter sind durchweg Kinder achtbarer Eltern. Zum Ausbaldowern wurde häufig der „Sohn" vorgeschickt, ein kleines Kerlchen, das sich leicht überall einschleichen konnte. Alle hatten ihren Spitznamen; auch einen „Bismarck" gab e» da. Sollte eine Ladenkusse geplündert werden, so versammelte sich ein Teil der Bande zum Spielen vor dem Geschäft. Durch einen Höllenlärm erregte mau die Aufmerksamkeit deS Besitzers oder Ver käufers, lockte ihm auch wohl auf die Straße heraus und gab so den dazu Bestimmten Gelegenheit, sich in den Laden hineinzuschleichen und die Kasse zu erhaschen. — Fürwahr eine Raffiniertheit, die selbst alten Dieben zur „Ehre" gereichen würde. 7 Einem eigenartigen Falschmünzcrtrik ist man in Berlin aus die Spur gekommen. Hier ist eine große Anzahl 20-Markstücke beschlagnahmt, denen Gold im Werte von 3 Mark entnommen worden war. Falschmünzer hatten die Goldstücke vom Rande aus angebohrt, sodann vom inneren Kern der Münze eine Quantität Goldes im Werte von 3 Mark herausgenommen, die Oesfnung mit Blei und Zinn gefüllt und den angebohrten Rand vergoldet. Die entwerteten Münzen sind am Klange und Gewicht leicht erkennbar. Auch hier sind die Spuren der Fälscher noch nicht ermittelt. 7 Wie daS Schicksal spielt, darüber berichtet die Münchner „Allg. Ztg.": Ein reicher Mann, dessen Frau vor Jahren auf den Tod erkrankte, be dachte in seinem Testament den Arzt, der die Frau be handelte und rettete, mit einem Legat von 20U00 Mk. Inzwischen hatte der Mann aber schwere Verluste, und der Leipziger Bankkrach verschlang die letzten Trümmer seines stattlichen Vermögens. In bitterer Not wandte er sich an den Arzt, der al» Erbe in seinem nunmehr wertlosen Testament stand, und übergab ihm da» uneröffnete Schriftstück zugleich mit einer Erklärung seiner jetzigen Lage. Der Arzt von der ersichtlichen Dankbarkeit des ManneS erfreut, half dem Unglücklichen aus seiner augenblicklichen schlimmen Lage und verschaffte ihm auch einen guten und dauernden Erwerb. s Reich mit Kinder« gesegnet ist der Fuhr- mann Engel» in Kardors im Landkreis Köln. Er meldete dieser Tage sein dreißigstes Kind aus dem StandeSamte. Engels ist zum zweiten Male ver- heiratet; auS der ersten Ehe stammen 17, auS der zweiten 13 Kinder. Sein HauS ist ihm begreiflicher weise zu klein geworden und der jetzt 60jährige Mann muß sich nach einer größeren Wohnung umsehen. 7 Ein schwäbischer Landwirt, Mitglied des Landwirtschaftlichen Verein», erscheint vor dem Vorstand de» Verein», dem Oberamtmann der Stadt und gratuliert demselben und seiner Frau zur Feier de» silbernen Ehejubiläum». Dunn über reicht er ein Blumcnbukett mit den Worten: „Meine Frau schickt diesen Blumenstrauß und gratuliert dem Herrn und der Frau Oberamtmann zur silbernen Hochzeit." — „Na, wie geht» denn Ihrer Frau?" fragte der Vorgesetzte, und erhielt vom Gesragten, der zugleich auch Schultheiß in seinem Orte war, zur Antwort: „Danke gehorsamst der gütigen Nach- frag' — sie wird halt auch alle Tag dümmer und tappiger!" s „Majestät, ich pfeif'Ihne aufsG'ficht!" Von König Ludwig I. von Bayern erzählt daS „Würzburger Journal" folgende» Geschichtchen. Während seiner RegierungSdauer war der König mit seiner Gemahlin Therese, einer Hildburghaujen- schen Prinzessin, viel in unterfränkischen Bädern. Von Bad Kissinger, au» unternahm da« König«- paar öfter« Au«flüge, besonder« nach Prosselsheim bei Volkach, wo sie bei dem Posthalter und Gast wirt Blaß einkehrten. Eine» Jahre» kam die Königin nicht mit, sie war an den Blattern erkrankt. Al» sie de« andern Jahre« mit ihrem Gemahl wieder- kehrte und von dem Posthalter zur Ueberstehung der Krankheit beglückwünscht wurde, meinte sie, auf ihre Blatternarben im Gesicht deutend: „Gelt, Herr Landrat, ich bin halt recht garstig geworden?" Darauf antwortete der biedere Gastwirt: „O, Majestät, ich pfeif' Ihne auf» G'sicht, wenn mer nur sonst xund iS!" Daß die beiden einen Spaß verstehenden Majestäten sich vor Lachen schüttelten, sei nur der Wahrheit wegen angefügt. 7 Ei« wunderliches Mittel gegen Influenza und Lungenentzündung hat, dem „Ges." zufolge, der Käthner E. in Kr. angewendet. Er ließ sich au« der Schäferei Schasdung holen; diesen ließ er sich mit süßer Milch auskochen und trank diese» Mittel al» Medizin, wenn auch ohne Erfolg. Diese» Mittel, welche» ein alter polnischer Mann ange raten hatte, stammt noch au» jener alten Zeit, da Pest und andere schwere Krankheiten die Leute massenhaft dahinrafften und e» keine Aerzte im Lande gab. f „Auch eine Mutter!" DieZimmermannS- ehesrau Cäcilie Meyerhofer in DipperSdorf bei Linz wurde dieser Tage nebst ihrem Manne ver haftet, weil sie ihrem lebensfähigen Knaben im Vereine mit ihrem Manne einen Stich in» Herz versetzte, Arme, Füße und den Kops vom Leibe ab- schlug, und diese Körperteile den Schweinen zum Fressen vorwarf. Der übrige Körper wurde von der Gerichtskommission auf dem Düngerhaufen gefunden. 's Influenza vor 300 Jahre«. Im Jahre 1580 zeigte sich zum erstenmal in Deutschland eine epidemische Krankheit, die in ihren Erscheinungen mit der heutigen Influenza übereinstimmte und die man damals, weil sie erst durch spanische Soldaten eingeschleppt worden war, den spanischen Pip nannte, in deutlicher Anlehnung an den Nameu der bekannten Hühnerkrankheit. Der zuverlässige pommersche Chro nist Joachim v. Wedel gibt darüber in seinem Haus buch nähere Nachricht. Derselbe schreibt im Jahre 1580: „Ausm Herbst ist eine wunderbahre geschwinde Krankheit, opiäsmiu luoo, hernach der spanische Pip benannt, nicht allein in diesen und umliegenden Oertern und Landen, sondern über die ganze Welt, soweit man der Kundschaft und Zeitungen haben mögen, schleunig entstanden, einem stetigen Fieber nicht ungleich. Sonderlich hat es dem Haupt und der Brust sehr zugesetzt und viel Husten erregt und hat den mehren Teil Leute, beide-, jung und alt, angestoßen, und keine Stadt, Dorf oder HauS un besucht gelassen. Die meisten aber sind wieder auf kommen, sonderlich die sich vieler Arznei und Ader lassens enthalten." -j- Sklavenjagden in Nordnigeria Es gibt vielleicht auf dem ganzen schwarzen Kontinent kein Land, in welchem die Sklavenjagden heute noch in so systematischer und furchtbarer Weise betrieben werden, wie in dem englischen Protektorate Nord- Nigeria. Sobald das GraS trocken wird, sammeln sich jährlich Armeen, um auf die Sklavenjagd aus zugehen. Dabei sorgen die Sklavenjäger nicht einmal dafür, daß die Bevölkerung ihrer Jagd gründe nicht auSstirbt. Die Leute, die als Sklaven unbrauchbar erscheinen, werden in Massen totge schlagen, die Hütten werden verbrannt und die Ge flohenen überläßt man dem Hungertode im Busch lande. Auf diese Weise sind große Distrikte deS Protektorates fast ganz entvölkert und vollständig verwüstet worden. So sagt der englische Gouver- neur, der jetzt energisch gegen diese Sklavenjagden einschreiten will- 1' Bon Dieben gefoltert. Aus Newyork wird berichtet: Bewaffnete Polizei ist zur Verfolgung einer Bande von sieben maskierten Räubern ausge schickt worden. Diese haben ein schreckliches Ver brechen an Levi Elcher und seiner Frau, zwei alten Leuten, die in einem einsamen Teil von Laurel Hill Mountain bei Normanville leben, begangen. Diese Diebe wußten, daß Elcher im Besitze einer großen Geldsumme ist. Sic brachen in der Stille der Nacht ein, schlugen den alten Mann mit Sand- säcken, bi» er gefügig wurde, und banden ihn an sein Bett fest. Da dar Suchen nach Geld aber erfolglos blieb, sollte Mrs. Elcher angeben, wo der Schatz lag. Sie weigerte sich aber. Daraus hielten die Verbrecher die Flamme einer Oellqmpe so lange an die Sohlen ihrer nackten Füße, bi« sie den Schmerz nicht mehr ertragen konnte und da» Ver steck angab. Handels-Nachrichten. Norlin, 26. Januar. <Wechsel-LourS.) vleoont Amsterdam per 10V st. >>. Brüssel und Antwerpen pr. IVO Francs. Italienische Plätze pr. 1VV Lire Schweiz. Pl. 100 grc. London pr. 1 Lstrl. Madrid und Barcelona pr. 100 Pesetas Paris pr 100 Franc Petersburg pr. 100 Rubel Warschau 100 Rube' Wien per 100 «r. ö W. 3 3 5 8 I 2M 8 r 3M Ivr 2M 4'/,ior 3 4 5 8 T 3M 14 T 2M 8 T 3M 8 r 3M 5Y, 8 r ai/ b T » /«gM Mark 168,75 G 167,60 G 81,85 G 80,50 » 81.25 G 81,25 G 20,46 G 20,27 G 81,35 G 80,75 G 85,25 iS 84,60 G ReichSbank 4°/«, Lomb.-Z.-F. 5°/«. A»a<todurr, 26. Januar. Nornzucker cxcl. !88°/, Re»- dcmenl 8,80—0,15'/,. Nachproducte e^cl. 75°/° Rendement. 7,05—7,25. Stimmung: Ruhiger. Krqstallzucker 120,82'/«. Brodrasfinade 1 29,57'/,. wem. Raffinade mit Faß 29,57. Bem. MeliS 29,07. Rohzucker I. Product Trans, f. a. B. Hamburg per Januar 15,80 Gd., 16,00 Br., per Februar 15,85 Gd., 15,95 Br., per Mai 16,10 Gd., 16,15 Br., 16,15 bez., per Aug. 16,50 Gd-, 16,55 Br., per Okt.-Dez. 17,55 Gd., 17,60 Br. Stimmung: Matt. Uamdnr», 26. Januar. Weizen ruhig, Holsteinischer und Mecklenburger 155, Hard Winter 135. Roggen fest, südrufi. 108, Holsteinischer und Mecklenburger 143. Mai» fest, 130- 132, runder —. Hafer stetig, Werst« fester. Wetter: Bedeckt. vr«»»», 26. Januar. lBaumwolle). Tendenz: Stetig. Upl. mtddl. loco 46 Pfg. Dtrorpoal, 26. Januar. (Baumwolle.) Muthmaßlicher Umsatz: 5 000 B. Stimmung: Stetig. Import: 18000 Ballen. Preise unverändert bis 1 Punkt niedriger. — Umsatz: 8000 Ballen davon für Speculation und Ep port 1000 Ballen. Amerikaner williger. Ostindische un verändert. Lieferungen: Willig. Januar 4,70—4,71, Januar-Febr. 4,70—4,71, März-April 4,70—4,71, Mai- Juni 4,72-4,73, Juli-August 4,73. Zahlungseinstellungen. Friedrich Otto Schuster, Annaberg. Herm Grote, Düsseldorf. Fritz Lösch, Brandenburg a. H. Earl Link, Bremerhaven. Handelsbank, Dortmund. Ed. Stein, Oberschöna-Freiberg. Otto Herziger, Glauchau. Karl Möbius, Krefeld. Willy Meyer, Mülheim a. d. Ruhr. Heinrich Ripphoff, Nordhausen. Emil Schreyer L Co., Weißenfels. Der Fremde. Roman von Robert Kohlrausch. 53. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Das Mädchen, dessen Anblick Sie so erschreckte bei dem Fest heute abend. Möchten Sie wissen, wer es war?" Ein kurzes, nervöses, angstvolles Kopfschütteln war die ganze Antwort. Als aber Boysen nun hinzufügte: „Ich kann es Ihnen sagen, Mr. Seals field," da sprang dieser empor, faßte ihn an den Schultern und rief: „Was wollen Sie denn von mir? Weshalb fangen Sie auch an, mich zu quälen ? Was habe ich Ihnen getan, daß auch Sie mich martern müssen ? Ruhe will ich haben, Ruhe, nichts weiter! Das ist doch nicht zu viel, daß man mir ein wenig Ruhe läßt!" Seine Stimme war zuletzt heiser vor Erreg ung, und seine Augen glühten dicht vor Boysens Gesicht. Dann gab er ihn frei, ging ein paarmal im Zimmer auf und ab trat wieder nahe vor ihn hin und sagte ohne jenen Schmerz in der Stimme, der vorhin die Leidenschaft begleitet hatte, kalt und zornig: „Und was giebt Ihnen ein Recht zu solchen Fragen?" „Ich will es Ihnen sagen, Mr. Sealsfield: Ich liebe Ihre Tochter. Meinen Sie nicht, daß mir das ein Recht gibt, zu forschen, welch ein Geheim nis Sie selbst umhüllt? Ich Haffe das Duukel, helfen Sie mir, ich bitte Sie, daß Licht wird zwischen uns." „Ein seltsamer Rechtsanspruch in der Tat! Ich aber sage Ihnen, wenn Sie es noch einmal wagen, so zu mir zu sprechen, so sehen wir einander zum letztenmal. Und wenn Sie sich Hoffnung gemacht haben auf meiner Tochter Hand, so hören Sie, daß diese Hoffnung vergeblich war. Daß niemals, nie mals etwas der Art geschehen kann. Verstehen Sie mich, Herr Boysen?" „Ich verstehe Sie, aber ich glaube Ihnen nicht. Es gibt ein altes, heiliges Wort, das heißt: Die Liebe ist stärker, als der Tod! Auf dies Wort vertraue ich, aus ihm schöpfe ich meine Kraft. Sollte die Liebe nicht auch stärker sein, als der Wille eines Vaters, als die Schatten einer dunklen Vergangenheit vielleicht?" Er sah, wie seine letzten Worte den anderen trafen. Zusammenschreckend trat Mr. Sealsfield einen Schritt zurück, schaute ihn lange schweigend an, seine Züge verloren den Ausdruck des Zornes, und eine tiefe Wehmut klang aus seinen Worten, als er nun sprach. „Es kann ja nicht sein, Richard Boysen. Meine Tochter kann niemals die Ihre werden, glauben Sie es mir, niemals, nie mals — niemals!" In Tränen erstickte die Rede, weinend warf er sich aus einen Sessel und verbarg milder Hand seine Augen. Boysen aber wagte einen letzten Versuch. Ganz nahe trat er zu dein Weinenden heran und mit leiser Stimme fragte er: „Ist es Valeska, die zwischen mir und Ihrer Tochter steht?" Derselbe Schreckenslaul, den er an diesem Abend schon einmal vernommen, gab ihm Antwort. Bleich und bebend fuhr Mr. Sealsfield empor, mich vor ihm zurück bis an die Wand des Ge maches und rief mit erstickter Stimme: „Ich will nicht mehr gequält werden, meine Kraft ist am Ende! Weshalb verfolgt ihr mich denn alle, warum martert Ihr mich so bei Tag und Nacht? Ich will sterben, wenn Ihr es verlangt, aber ich kann diese Qual nicht länger ertragen! Ich bin auch nur ein Mensch, — warum Hal denn niemand Mitleid mit mir?" „Sprich nicht so!" Es war Eva, von deren Lippen die tröstenden Worte kamen; sie war ungehört wieder eingetreten und stand ihm gegen über, die Augen fragend und schmerzvoll aus ihn gerichtet. „Sag' nicht, daß niemand Mitleid mit Dir hat. Ich kann es nicht hören, denn mein Herz ist so voll Mitleid mit Dir, daß es fast bricht." Da breitete er die Arme aus nach der Tochter und preßte die zu ihm Geeilte an seine Brust. „Ja, Eva, Du bist gut! Du wirst mir beistehen und mich beschützen, nicht wahr? Sie verfolgen mich ja alle und lauern mir auf und wollen nicht, daß ich schlafe. Und dieser Mensch hier, den ich lieb gehabt habe, ist der Schlimmste von allen. Er will Dich mir nehmen, Dich, mein Kind, mein Glück, meinen Frieden! Ich aber lasse Dich nur im Tode. Gehen Sie, ich will allein sein mit meiner Tochter." Boysen gehorchte den befehlenden Worten, dem abwehrend erhobenen Arni. Leise ging er hinaus, von einem letzten Blick Evas begleitet, in dem er eine Bitte um Nachsicht mit dem kranken Vater las. Aber während er durch den Schnee der Straße hinüberschritt zum Nachbarhaus, sah er noch immer vor seinem Au^e die finstere Gestalt des Mannes, der ihn fort wies von seiner Schwelle, die Tochter fest in seinem Armen haltend, als müsse er sie verteidigen, gegen ihn, der sie liebte. Zehntes Kapitel. Der Amerikaner verweigerte ihm des Geheim- nisses Lösung, — nun gut, so mußte er auf andere Mittel flnnrn. Ohne weiteres zu verzichten, in der beklemmenden Finsternis weiter zu leben, dagegen wehrte sich der beste Teil seines Wesens. Und wenn ihm dort versagt worden, um was er bat, so gab eS noch eine Helferin in diesem Wirrsal, eine kluge, gewandte, ihm treu ergebene Helfen«: Sasfi selbst! Mochte sie über ihre Vergangenheit auch bisher nicht» anderes wissen, als was sie ihm schon gesagt, jetzt, da ein bestimmter Fingerzeig ge geben war, konnte sie doch vielleicht neues er forschen, konnte Fäden verknüpfen, deren Anfänge sie in den Händen hielt. Das war das Ergebnis von Boysens eisrigem Ueberdenken der Dinge, die er in der vergangenen Nacht erlebt. Er wollte Sasfi aussuchen, wollte sehen, ob es ihm nicht gelang, sie allein zu sprechen und endlich aus den Schluß der Warnung zu hören, die sie für ihn begonnen. Die Rücksicht auf den Freund hielt ihn nicht mehr zurück; hier kam Wichtigeres in Frage, als die Eifersucht eines Verliebten. (Fortsetzung folgt.) Kirchen-Nachrichten. Hkarochie St. tztzristopyori. Donnerstag, dcu 28. Januar, abends halb 9 Uhr Bibel stunde im Waiscnhaussaalc. Neueste Nachrichten und Depeschen vo« 28. Januar. Dresden. Heute vormittag 11 Uhr begann im Sitzungssaal des Oberlandesgerichts die Ver handlung vor dem besonderen Gericht, welches der König zur Entscheidung über die Ehescheidung des Kronprinzenpaares eingesetzt hat. Die Oeffentlich- keit war ausgeschlossen. Den Vorsitz führt Ober landesgerichtspräsident Loßlitzer. Nach den Be stimmungen des Nachtrages zum Hausgesetz vom 20. VIII. 79 waren diejenigen Vorschriften der Reichszivilprozeßordnung ausgeschlossen, diefürEhe- prozesse besondere Bestimmungen enthalten. Eine Mitwirkung der Staatsanwaltschaft fand nicht statt. Da der Anwalt der Kronprinzessin, vr. Zehme- Leipzig, beim Oberlandesgericht zu Dresden nicht zugelaffen ist, vertrat die Kronprinzessin Rechts anwalt vr. Bondi-Dresden. Die Verhandlung nahm mehrere Stunden in Anspruch. Ihr wohnte auch der andere Prozeß-Bevollmächtigte vr. Körner bei. Als Zeuge wurde vernommen Polizei-Inspektor Schwartz, der die Kron prinzessin mehrere Wochen hindurch in Genf beobachtet hatte. Ferner war auf Veranlassung Zehme's eine Dame als Zeugin geladen. Das Sondergerichl hatte keine besonderen Schwierig keiten zu erledigen. Wie verlautet, hat es aus Scheidung erkannt und ausgesprochen, daß die be klagte Partei die Schuld an der Scheidung trägt. Die Kronprinzessin wird also ihren Mädchennamen wieder annehmen. Da sie allein als der schuldige Teil erkannt worden ist, steht ihr kein Recht an den schuldigen Gatten auf Gewährung von Unter halt zu, doch soll ihr eine Rente von 30000 Mk. jährlich zugebilligt werden. Berlin. Die gestrige Illumination za Ehren deS Geburtstages des Kaisers gestaltete sich nament lich im Centrum der Stadt äußerst effektvoll. Bi» in späte Nachtstunden waren die Straßen von einer zahlreichen Menge belebt, doch wurden Unglück»fälle bisher nicht gemeldet. — Den Abschluß der Feier bei Hof bildete eine Gala-Borstellung im Opern haus, der der Kaiser mit seinen Gästen beiwohnte. — Bei der Feier deS Reichstages brachte Vize präsident Graf Stolberg den Kaiser-Toast aus. In seiner Rede gab er u. a. der Hoffnung Aus druck, daß er da» Amt, welche» er jetzt Vertretung»- weise inne habe, bald den bewährten Händen der jenigen werde zurückgeben können, der c» bisher verwaltet habe. Im Herrenhaus sprach Vizepräsi dent Frh. von Manteuffel, im Abgeordnetenhaus Präsident von Kröcher. — Die Festakte der städtischen Körperschaften, deS Militärs und zahlreicher Privat« Vereine verliefen in gewohnter Weise. Altona. Die Polizei verhaftete den Hamburger Barbier Pekulla, in welchem man den Urheber der letzten Meffer-Attentate gegen Frauen und Mädchen vermutet. Trier. Bei der gestrigen Parade scheuten beim Geschützsalut die Pferde der Wagen» de» Diviston»- kommandeur» Frh. von Scheele und gingen durch. Der Kutscher fand dabei den Tod; eine Dame, welche in der Equipage saß, erlitt jedoch nur leichte Verletzungen. Baden-Baden. Gestern abend ist hier der Schriftsteller Wilhelm Jordan infolge eine» Schlag anfall» gestorben. Lodz. In einem Vorort entdeckte die Polizei eine Falschmünzer-Werkstatt. Bei der Verhaftung der drei angetroffenen Falschmünzer trank einer der selben Gift und starb kurze Zeit nachher im Kranken- hau». Wien. Der sächsische Hof mietete die Billa „Imperial" in Ober-Mai» bei Meran für längere Zeit. Madrid. Der „Heraldo" meldet an» Melilla, zwei flüchtige Juden au» Tazza seien dort einge troffen. Wie diese mitteilen, schließen sich die Kabylcnstämme dem Prätendenten wehr und mehr an. Man glaubt, daß eine große Schlacht unmittel bar bevorsteht. — Einer Nachricht au» Sidi-Abe« zufolge wurde am 21. Januar heftige» Geschützfeuer in der Nähe von Tazza vernommen. An der West- lüste von Marokko wird eifriger Handel mit Krieg»- Contrebande getrieben. Fez. Die Vorposten der Regierung-truppen mußten sich zurückziehen. Die Truppen de» Präten denten dringen immer weiter vor.