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gestern Abend 9 Uhr mittels des Fernsprechers von der Verschlimmerung im Befinden ihres Mannes benach richtigt wurde, verfiel sie in Ohnmacht, aus der sie nur schwer wieder ins Leben zurltckzurufen war. Sie ist noch gegenwärtig schwerkrank. Man hat ihr den Tod ihres Mannes noch nicht mittheilen können. Plauen, 3. September. Des versuchten Betrugs und der Unterschlagung im Amte soll sich der 50 Jahre alte Steuerkontroleur Oskar Naundorff aus Lengenfeld schuldig gemacht haben. Seit dem Jahre 1892 ist er Oberkontroleur in Lengenfeld und 30 Jahre im Dienste der Steuerbehörde. Es wird ihm zur Last gelegt, für eine Wagenfahrt 6 M. verlangt zu haben, die er aber thätsächlich mit der Bahn für 3 M. 30 Pfg. zurückge legt hat, ferner Portoanslagen seiner Untergebenen unter schlagen zu haben. Die Angelegenheit erregt im ganzen Bezirk unter den Steuerbeamten großes Aufsehen. Naun dorff wurde heute vom Königlichen Landgericht Plauen wegen versuchten Betrugs zu 50 Mk. Geldstrafe ver- urlheilt, von der Anklage betreffend Unterschlagung im Amte dagegen freigesprochen. Borna, 3. Sept. Wie der „Leipziger General-Anz." meldet, hatte das 134. Infanterie-Regiment auf seinem Marsche sehr unter der Hitze zu leiden, sodaß unterwegs gegen 70, meist Reservisten, gestürzt sind, ein Mann aber vom 2. Bataillon an den Folgen verstorben ist. Johanngeorgenstadt. Ein Hochstapler ist hier verhaftet worden. Derselbe hat sich als Schriftsteller und wissenschaftlicher Lehrer aus Berlin ausgegeben, in verschiedenen Gasthöfen gewohnt, dort Zechschulden gemacht und theilweise den Wirthen sogar noch baares Geld abgeborgt. Um seinen Zweck zu erreichen, hat er den Leuten weißgemacht, er führe mit dem Ham burger und dem Sächsischen Staate einen Prozeß wegen Zahlung von 700 000 Mk., ebenso habe er eine Ham burger Buchhändlerfirma auf Bezahlung eines großen wissenschaftlichen Werkes verklagt, er habe seinen vier Söhnen große Güter gekauft und dergleichen mehr. Der Schwindler stammt aus Crottendorf bei Scheiben berg, ist ein ehemaliger Postassistent Namens Gündel und 63 bis 64 Jahre alt. Er soll wegen Betrügereien schon mehrere Zuchthausstrafen erlitten haben. Gerichtsverhandlungen. 8 Zwickau, 2. September. Wegen Vergehens gegen das Nahrungsmittelgesetz hat das Schöffengericht Glau chau den Mineralwasserfnbrikanten Curt Brox daselbst (Inhaber der Firma Richard Baumeyer) mit einer Geldstrafe von 50 Mark event. 10 Tagen Gefängniß belegt. Brox hat der von ihm fabricirten und in den Handel gebrachten Himbeerbrauselimonade noch einen Farbstoff zugesetzt. Dieser ist zwar nicht schädlich, doch liegt in seinem Zusatz immerhin ein Nahrungsmittel vergehen, wenn dem Käufer der Limonade verschwiegen wird, daß ihr ein solcher Farbstoff zugesetzt worden ist, denn die Käufer nehmen an, daß sie reine Himbeer limonade erhalten. Da Brox beim Verkaufe der Limo nade den Käufern keine Miltheilung von dem Farb zusatze gemacht hat, die Flaschen vielmehr den unein geschränkten Ausdruck „Himbeerbrauselimonade" getragen haben, so erfolgte, wie erwähnt, seine Vernrtheilung. Dieses Urtheil wurde heute vom Landgerichte unter Verwerfung der Berufung Brox' bestätigt. 8 Das Landgericht in Leipzig verurtheille den Nalurheilkundigen, früheren Kaufmann Alwin Schumann doit wegen fahrlässiger Körperverletzung zu 500 Mark Geldstrafe eventuell 50 Tagen Hast. Schumann, der bei einem Hamburger Arzte einen Kursus in der Be handlung von Beinschäden durchgemacht hatte und für diesen eine Leipziger Filiale gegen Prozentenlschädigung leitete, hatte eine Frau wegen einer kleinen Wunde am Unterschenkel, die dank der von einem approbirten Arzt verschriebenen Mittel in der Heilung begriffen war, j« Behandlung genommen; der Frau ging die Heilung nicht schnell genug, sie wollte durchaus zu einem „Spezialisten". Schumann verordneteZinkleineuverbände. Diese halfen nichts, vielmehr ging die Wnnde in Eiter ung über und nahm immer größeren Umfang an. Jetzt schrieb Schumann Kamillenbäder vor, und als auch diese ihren Zweck verfehlten, ging die Kranke wieder zu ihrem früheren Arzt, der Kreolinbäder verordnete, aber gleichzeitig der Frau bedeutete, daß er nicht eher wieder- kommiN werde, als bis er geholt würde. Kurz daraus starb die Patientin an Blutvergiftung, und Schumann kam unter Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung. Das Gericht kam zu der (Überzeugung, daß, wenn es sich auch nicht beweisen lasse, daß der Tod der Frau durch Blutvergiftung unmittelbar herbeigesührt worden sei, doch feststehe, daß durch die falsche Behandlung Schumnun's die Blutvergiftung verursacht morden sei. — Schumann nahm für jede Konsultation 3 Mk. und vereinnahmte in manchem Monat über 800 Mk.! Benm ? s H 1 e s. * Der letzte Gruß des Reservisten. Im Ma. növergelände dec vierten Division in der Gegend von Jannowitzsch wurden, wie von dort gemeldet wird, in Folge der großen Hitze mehrere Soldaten schlapp. Während sich die übrigen bald wieder erholten, starb kurz vor Jannowitz ein Reservist. Der Bedauerniwerlhe konnte bei der Untersuchung durch den Stabsarzt nur noch die Worte stammeln: „Grüßen Sie meine Frau und meine beiden Kinder!" Handels-Nachrichten. nvrlio, 3. Septbr. (Wechsel-Sours.) SaaL- vlsoout Mark Amsterdam per 100 fl. d. Brüssel und Antwerpen pr. 100 Francs. Italienische Plätze pr. 100 Lire Schweiz. Pl. 100 Frc. London pr. I Lstrl. Madrid und Barcelona pr. IVO Pesetas Paris pr 100 Franc Petersburg pr. IVO Rubel Warschau 100 Rubel Wien per 100 Kr. ö W. 3 3 5 3'/.I0T 3 4',. 3 8 8 T 2M 8 T 3M 10 T 2M 8 T 3M 14 T 2M 8 T 3M 8 T 3M 5'/, 8 T a./ 8 T 3 /»E 168,00 G 167,90 G 81,20 G 80,80 G 80.90 G 81,18 G 20,46 G 20,31 G 81,30 G 80,80 G 8ö,38 G 84,60 G Reichsbank 3«/,. Lomb.-Z.-F. 4°/«. Uaaäodurx, 3. Septbr. Kornzucker cxcl. 88"/° Rendemeiu 7,00—7,18. Nachproducte excl. 75"/« Rendement 5,21—8,45. Stimmung: Schwach. Krystallzucker I mit Sack 27,577». Arud- rafftnade r ohne Fah 27,82'/,. Gem. Raffinade mit Faß 27,57'/,. Gem. Melis 1 20,077». Rohzucker I. Product Trans, f. a. B. Hamburg per September 5,95 Gd-, 6,05 Br., per October 6,27'/» Gd., 6,30 Br., per Novbr.-Dezbr. 6,35 Gd., 6,40 Br., per Jan.-März 6,55 Gd., 6,60 Br., per Mai 6,80 bez., 6,77'/» Gd. Stimmung: Ruhig. Humburj,', 3. September Weizen stetig, Holsteinischer und Mecklenburger :58, Hard Winter 124'/,. Roggen still, süd- russ. 1057,, Holste nischer und Mecklenburger 151. Mars fest, 130, runder 103. Hafer ruhig. Gerste ruhig. — Wetter: Schwül. -tivnurn, 3. September. (Baumwolle). Tendenz: Stetig. Upl. middl. loco 46'/» Pfg. VIverpuol, 3. September. (Baumwolle.) Muthmast'icher Umiatz: 8000 Ballen Stimmung: Fest. Import: 3000 B. Preise "/««—"/«« höher. — Umsatz: 7600 Ballen, davon für Speculation und Export 500 Ballen. Amerikaner fest, '/>« höher, Ostindische unverändert. Lieferungen: Stetig. September 4"/«» bis 4"/«» Käufer, September-Oktober 4"/°. Verkäufer, Nov.- Dezember Käufer, Januar-Februar 4'7«« do., März- April 4'°,«, do. Zahlungseinstellungen. Hugo Max Rnmnann, Buchbinder und Spielwaarenhändler, Altona. Actiengesellschaft für militärische Patentverwerthung in Ligu., Berlin. Firma Bruno Fehrmann, Braud. Josef Pothen jun., Kaufmann, Kempen (Rh.) I. I. Geisler, Kauf mann, Klimsawiese-Königshütte. Eugen Gruhlke, Kaufmann, Stolp. David Altmann, Kaufmann, Worms. Notirnngen der Produkten - Börse zu Chemnitz, am 3. September 1902, Mittags "/Z Uhr. Witterung: Prachtvoll. Tendenz: Ruhig. Getreide. Alles pr. 1000 Kilo netto. Weizen, fremder 170—180 Mk. do. sächsischer 158—163 Roggen, hiesiger, neuer 138—143 ,, do. niederländisch-sächs. u. preuß. 143-151 do. fremder — Gerste, Brauwaare, frenide — do. Brauwaare, sächsische — do. Mahl- und Fullerwaare 142—148 Hafer, inländ. 176—180 do. verregnet. 145—153 do. ausländ., alt — do. „ neu — Mais, grobkörnig 130—134 do. mittel 130—134 do. Cinquantin 136—140 Erbsen, Kochwaare 200—230 do. Mahl- und Fullerwaare 170—180 Rotzgenlleie 102—103 Weizenkleie, grob 100—101 Raps 200-210 Leinsaat, feinste besatzfreie 325 do. feine, russische 320 do. mittlere — do. Laplala 290 do. Bombay 315 Obige Preise verstehen sich für Quantitäten von 10000 Kilo an. Mehl. Kaiser-Auszng Mk. 30,50 Weizenmehl 00 „ 26,25 bis 27,25 do. 0 „ 24,75 „ 25,75 Roggenmehl 0 „ 24,— „ 24,25 do. I „ 22,— „ 22,25 pro 100 kß. netto. (5 hemnitzer Marktpreise vom 3. Sept. 1902. pro 50 Kilo Wcizcu, säibs. neuer 7 M. 90 Pf. bis 8 M. 15 Pf. Roggen. - neuer 6 - 90 - - 7 - 15 - Hafer 8 - SO - - 9 - — - Stroh 3 - — - - 3 >. 50 - Hcv, alles 4 - 50 - - 5 - s Äariosscln 2 - 25 - - 2 - 75 - Futtcrgcrslc 7 - 10 - - 7 - 40 - Butter. I Kilo 2 - — - - 2 - 75 - Anderl. Roman von A. G. v. Suttner. 19. (Nachdruck verboten). „Gut, dann nehmen wir an, daß es etwas Anderes war. Doch, um wieder auf unsere Angelegenheit zurück- zukommen: Es ist dies ein ganz anderes xerno, mit dem Sie sich für uns zu befassen hätten, — und ich weiß nicht, ob Sie der Sache gewachsen sind. Dieselbe erfordert Talent und Routine". „Mithin zweifeln Sie, daß ich mich nützlich machen könne", versetzte Andreas sich erhebend. „Warten Sie doch, junger Mann; setzen Sie sich. Mein Name ist Peter Sandviper. Haben Sie schon etwas darüber gehört? — Nein? — Dann ist Ihnen vielleicht einer meiner nows äe Kuerio bekannter : .Gla diator', — oder: ,Vischnu', — oder: ,Torero', — oder: ,Vitalienbruder' ?" Andreas schüttelte den Kopf. „Erlauben Sie mir, Ihnen zu bemerken, junger Mann, daß Sie verteufelt wenig in der Litteratur zu Hause zu sein scheinen". „Ich muß gestehen, daß" — „Bemühen Sie sich nicht, ich weiß, was Sie sagen wollen : Sie beabsichtigen, das Versäumte nachzuholen; — das ist lobenswerth von Ihnen. Hier meine Bro schüre: „Ueber das Widersprechen der Widersprüche in den Widersprüchen". Herr Peter Sandviper krabbelte eine zeitlang in der Tischlade, dann schob er sie mit einem heftigen Ruck zu: „Ja so, ich vergaß ganz, daß sie konfiscirt worden ist. Doch das hat nichts zur Sache. Also, junger Mann, ich wollte Ihnen sagen, Sie sollten sich setzen, um zu erfahren, daß Peter Sand viper nicht der Mann ist, der junge, angehende Talente von seiner Schwelle weist, — und aus diesen» Grunde will ich Sie in die Geheimnisse unserer Redaktion theil weise einweihen. — Hier eine Nummer des.Freibeuter' — und hier die Belege, auf welche sich unsere Artikel sozusagen fnßen: .diene freie Presse', — ,Ueber Land nnd Meer', — .Magazin für die Litteratur des Jn- und Auslandes', — .Leipziger Jllustrirte' usw. — wie Sie sehen, „die Elite umer den Stimmen deutscher Litleratur" — ein, aus der Ecke des Gemachs herüber tönendes tiefes Grunzen unterbrach Herrn Sandviper in seiner Mittheilung. „Was giebts, Hippopotamus? Willst' einen frischen Umschlag?" „Nein, — Pfeife", — war die heisere Antwort. Andreas blickte erstaunt in die Richtung, woher die Laute gekommen. Er hatte sich genügend an die Nebel atmosphäre gewöhnt, um eiu in der Ecke stehendes kurzes Sopha zu enldecken, auf welchem eine zusammen gerollte menschliche Gestalt lag; der Kopf war mit Leinenstreifen zu unförmlicher Dicke umwunden. „Ein Opfer unserer letzten Mahnannonce, der arme Hippopotamus", erklärte Herr Sandviper, eine Thon- pseife nut ellenlangem Rohr von der Wand loshakend. „Hier, zufällig in dieser Nummer, findet sich die be wußte Anzeige. Lesen Sie, während ich dem armen Kerl das Rohr in den Ort zu stecken versuchen werde, den man srüher .Mund' nannte. Der ganze Kops ist gräulich geschwollen!" Der Sprecher erhob sich, und schritt dem Divan zu. Andreas las: „Nachdem Herr Rittmeister Hannibal von Sporn, trotz verpfändeten Ehrenwortes, seinen Wechsel, lautend auf 10 000 Gulden, bis heute nicht einge löst hat, wird er mit Gegenwärtigem benachrichtigt, daß die gerichtlichen Schritte gegen ihn eingeleilet sind". „Nicht wahr, im Grunde genommen, gar nicht so arg?" sagte Herr Sandviper, sich wieder an den Tisch setzend. Leider aber stellte sich heraus, daß der Ritt meister Niemanden Etwas schulöete, und daß das Ganze ein Racheakt war: Die Rache eines Kommis, dem der Kriegsmann die Schöne abwendig gemacht hat. „Nun, der arme Hippopotamus, (es ist dies sein Pseudonym, — er heißt eigentlich Ulrich Staberl) — hat diesmal das Bad ausgießen müssen. Im Grunde genommen ist's begreiflich, daß die Sache dem Ritt- meister zu Kopfe stieg, — und dem armen Teufel dort auch!" mit einem wehmütigen Blick nach dem Opfer — „Er hat ihn schändlich zugerichtet, — die ganze Physiognomie ist verdorben! — Sehen Sie, junger Mann, das ist auch der Grund, aus welchem ich genöthigt war, mich um einen provisorischen Mit arbeiter umzusehen, und die Annonce" — Andreas wurde es bei dieser Eröffnung unheimlich zn Muthe: „Ich glaube, Thnen gestehen zu müssen, daß" — „Ich weiß, was Sie sagen wollen: Sie glauben mir gestehen zu müssen, daß nach Ihrer Ansicht die Helden nnd Märtyrer der Litteratur einen der ersten Plätze in der Ehrenhalle der Weltcivilsation einzunehmen hätten. Sie haben recht, junger Kollege, — aber glauben Sie mir, die Zeil wird schon noch kommen". „Verzeihen Sie, wenn ich Sie wieder unterbreche, — aber ich glaubte Ihnen gestehen zu müssen, daß ich mich sür die Mitarbeiterschaft an Ihrem Blatte leider nicht eigne, denn" — „Sie sind bescheiden, — das gefällt mir an Ihnen". „Denn meine Zeit ist nur karg bemessen", setzte Andreas diesmal unbeirrt fort, — „auch wäre es mir ganz unmöglich, mich hier in der Redaktion niederzu- laffen, denn ich besuche die Vorlesungen ans der Uni- versitäk. Außerdem wollte ich unter keiner Bedingung an den Annoncen des Blattes betheiligt sein", mit einem scheuen Blick nach der Sofaecke. „Beruhigen Sie sich, mein Bester, das läßt sich vielleicht arrangiren. Wie ich Ihnen schon bemerkt, ist's bei mir Prinzip, junge Talente nach besten Kräften zu poussiren; Sie wollen doch poussirt werden?"