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29. Jahrgang» Dienstag, den 13. Mai 1902. Nr. 108. Redaction und Expedition: Bahnstraße 3 (nahe dem K. Amtsgericht). Telegramm-Adresse: Anzeiger Hohenstein-Ernstthal. Jnsertionsgebühren: die füMespalt-n-^Pfg.» NV-LL WS-«»» — Dieses Blatt erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich Nachmittags. — Zu beziehen durch die Expedition und deren Austräger, sowie alle Postanstalten. Der Bezugspreis beträgt vierteljährlich 1 Mk. 25 Pfg. incl. der illustrirten Sonntagsbeilage. fir Wcnsimi-knisttPl, MrlnDitz, GersMs, Lugan, Wüstenbrand, Urspmng, Mittelbach, Hermsdorf, Bernsdorf, Langenberg, Falken, Meinsdorf u. st Mittwoch, den 14. Mai, Nachm. 3 Uhr soll im Auctionslocal des hiesigen Königs. Amtsgerichts eine Zither gegen Baar zahlung öffentlich zur Versteigerung gelangen. Der Gerichtsvollzieher des Kgl. Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal. Q. 299/02. L a g e s g e s ch L ch t e. Deutsches Reich. — Kaiser Wilhelm, der gegenwärtig in den Reichs- landen weilt, hat einen Erlaß an den Statthalter ge richtet, worin er im Vertrauen auf die reichstreue und loyale Gesinnung der reichsländischen Bevölkerung den Statthalter ermächtigt, wegen der Aufhebung des Diktaturparagraphen sich mit dem Reichskanzler in Verbindung zu setzen. Als Diktaturparagraphen be zeichnet man den 8 10 des Gesetzes vom 30. April 1871 für Elsaß-Lothringen, durch den der Statthalter ermächtigt ist, „bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit alle Maßregeln ungesäumt zu treffen, welche er zur Abwendung der Gefahr für erforderlich hält". Nach dem Wortlaut bedeutet dies, daß für diese Maßregeln keine gesetzliche Schranke besteht, daß also z. B. Staats angehörige ohne weiteres ausgewiesen, Zeitungsunter nehmen unterdrückt werden können usw. — Nachdem der Bundesrath dem Beschluße des Reichstags über das Schaumweinsteuergesetz seine Zu stimmung gegeben hat, wird schleunigst an die Fertig stellung von Ausführungsbestimmungen zu dem Gesetz geschritten werden. Namentlich wird es sich darum handeln, Anweisungen über die Erhebung der Nachsteuer zu geben, welcher derjenige Schaumwein unterliegt, der sich am 1. Juli d. I. außerhalb einer Schaumweinfabrik oder einer Zollniederlage befindet. Auch der 30 Flaschen übersteigende Bestand von Schaumwein im Besitze von Haushaltungsvorständen unterliegt dieser Nachsteuer. — Zu dem Rhodes - Stipendium für deutsche Studirende in Oxford hat jetzt das Organ der deutschen CorpSstudenten, die Akademischen Monatshefte, sein Urtheil gesprochen: „Wir können uns nicht vorstellen, daß deutsche Hochschüler, aus deren Mitte sich der erste gewaltige Sturm gegen Chamberlains Schmähungen unserer Armee erhob, jemals von dem Danaergeschenk eines Mannes Gebrauch machen, der noch in seinem Testamente seine englischen Gesinnungen und Pläne so unverhohlen gezeigt hat. ES gehört mehr als Naivetät dazu, zu glauben, ein Mann wie Rhodes, der mit brutalster Rücksichtslosigkeit die englische Herrschaft über ganz Südafrika erstrebte, werde dem gefährlichsten Rivalen Altenglands auch nur den geringsten Vortheil zuwenden. RhodeS wußte nur zu gut, wie unzugänglich seine Landsleute für fremde Einflüsse sind, wie sehr dagegen der Deutsche geneigt ist, sich fremden Wesen an zufügen, ja unterzuordnen. Wenn er seine Stipendien nicht für Engländer, die in Deutschland studiren sollen, sondern für deutsche Studenten in England bestimmte, so rechnet er sicher mit den erwähnten Eigenschaften beider Völker. Und wenn selbst solche Folgen nicht eintreten würden, so dürfte schon allein der Gedanke ihn zu dem für seine Vermögensverhältnisse nicht einmal großen Opfer bewogen haben, daß seine Landsleute den die Stipendien annehmenden deutschen Studenten mit Recht zurufen könnten: „Seid ihr nicht wie die Hunde? Wenn man euch mit Stockschlägen traktirt, knurrt und bellt ihr, wirft man euch aber einen Brocken hin, kommt ihr heran und nehmt ihn dankbar schweif, wedelnd entgegen". Wir hoffen, daß eS unS erspart bleiben wird, über Commilitonen, die daS non ölet englischen Goldes patriotischen Erwägungen vorzichcn, vor Scham erröthen zu müssen". — Der Lokomotivführer Bauer von Straßburg, der wegen des Ludwigshafener Eisenbahnunglücks zu 3 Monaten Gefängniß verurtheilt war, ist vom Prinz- Regenten von Bayern zu dreiwöchiger Festungshaft be gnadigt worden. Bauer hat bei dem Unglück ein Bein — Das „Berliner Tageblatt" mahnt die Gläubiger des Erfinders Ganswindt, die Eröffnung des Konkurses für das Ganswindt'sche Geschäft und seinen Privatbe sitz herbeizuführen und erzählt: Baron v. Gersdorff, ein Mitglied des Schutzkomitees, hat gegen Ganswindt einen Arrest ausgebracht in Höhe von 170 000 Mark und der Gerichtsvollzieher hat daraufhin auf dem von Ganswindt bewohnten Grundstücke Alles versiegelt, was Werth hat; sogar an die Obstbäume und die gesammte Wohnungseinrichtung heftete er die Siegel und zwar auf besonderes Verlangen der Frau des Erfinders. Auf die Frage, weshalb sie das wünsche, gab diese die Antwort, damit nicht ein Anderer dasselbe thun kann. Versiegelt seien die Sachen nun, aber verkaufen solle sie der Gerichtsvollzieher, nicht nach ausdrücklicher Anordnung des Barons. — Die Schweidnitzer Handelskammer hat im Februar Erhebungen veranstaltet, welche ergaben, daß sich die Handweber am Eulengebirge um 527 Köpfe (von 4793 auf 4266) vermindert habe, also um 11 v. H. Den stärksten Rückgang hatte in Schlesien der Kreis Waldenburg mit 13,9 v. H. aufzuweisen, während die Abnahme im Kreise Schweidnitz 10,7 v. H. und im Kreise Reichebach 9,2 v. H. betrug. In den drei Kreisen, die zum Bezirk der Schweidnitzer Handelskammer ge hören, betrug 1896 die Gesammt-Handweberbevölkerung noch 7300 Personen. Hirschberg i. Schl., 10. Mai. Vor mehreren Wochen hatte, wie seinerzeit mitgetheilt, daS Hochwasser einen zugevähten Sack ans Ufer deS Zackens getrieben, in welchem sich die Leiche des seit November verschwundenen Arbeiters Neugebauer befand. An der Leiche fehlten Kopf und Beine. Jetzt hat nun der zwanzigjährige Schlosser Lorenz, dec dringend verdächtig war, den Mord begangen zu haben, daS Geständniß abgelegt, daß er und Frau Neugebauer gemeinsam den Neugebauer ermordet, zerstückelt und die Leichentheile, in drei Säcken verpackt, in den Zacken geworfen haben. Rußland. — Im russischen Finanzministerium soll ein neuer Zolltarif bereits fertiggestellt sein, durch den die bisherigen Jndustriezölle Rußlands um 50 bis 3000 Prozent erhöht würden. Der Durchschnittssatz des neuen Tarif« sei die Verdoppelung der jetzigen Tarifsätze. Man wird abwarten müssen, ob diese Nachricht sich be stätigt. Bereits jetzt sind die Zölle in Rußland, zumal seit der vor 2 Jahren angeblich zur Deckung der Kosten der ostasiatischen Expedition durchgeführten Erhöhung schor, so hoch, daß eine weitere Hinaufschraubung der Zollsätze eigentlich ganz zwecklos erscheinen muß. In zahlreichen Positionen wirkt der bestehende Tarif bereits völlig prohibittv, jede weitere Erhöhung Dieser Sätze wird also das Ausland gänzlich gleichgültig laßen. Bei solchen Waaren, deren Bezug au« dem Auslands für die russische Volkswtrihschaft unentbehrlich ist, wird aber der Prei« durch die hohen Zölle in einer Weise erhöht, daß der russische Konsument jedensall« mehr unter diesen Zöllen zu leiden hat, al« der ausländische Lieferant. > Rußland hat sich denn auch im a-nöthigt zehnt« im eigenen volkswirthschaftlichen Int ff gesehen, ein Reihe von MMe« autono v und verschiedene vordem zollpflichtige Ar iggo „tzm. Di- d-r "> -in-m vorgenommenen Zollerhöhungen macht uw s,.^„kbar M.n »ch-n«- d-, Stnsuh, nach Im J-Hr- 1«gg Hali- d„ S-I-mmi-msuhr RaM"°» über die europäische, die Schwarzmeer- un kaftsche Grenze, sowie im Handel mt Finland einen Werth von 594,4 Millionen Rubel, 1900 war di I Werth auf 572,1 Millionen Rubel und 1901 auf 523, Millionen Rubel zurückgegangen, ^pezielldie >y von Jndustrieprodukten hat sich seit 1899 von , auf 153,8 Millionen Rubel und die Umfuhr von Roh produkten von 301,3 auf 284,8 Millionen Rubel ver ringert. Im Jahre 1901 ergab sich gegenüber dem Vorjahre eine Mindereinfuhr bei Gußeisen von 32, Prozent, bei anderen Eisen von 30,4 Prozent, Stahl von 40, bei Maschinen (außer landwirtyschast- lichen) von 43,1 Prozent. England. — Nach einer Mittheilung der Time« aus Kapstadt sind die Burenkommandos in der Kapkolonie schwach an Kopfzahl, aber da sie über ein ungeheueres Gebiet ver breitet sind, finden sie leicht Lebensmittel und können schwer verfolgt werden. Die Elite der Kommando« bilden einige Transvaaler, die mit Smuts in eiligem Marsch durch die mittleren Distrikte, und von dort über die Eisenbahn in den westlichen Theil der Kolonie vordrangen, wo sie sich augenblicklich befinden. Etwa 5 oder 6 Kommandos befinden sich an der Eisenbahn von Port Nolloth nach Ookiep. (Letzteres ist mittler weile von den Engländern entsetzt worden.) Eine andere Truppe ist 300 Icw entfernt und hat ihr Hauptquartier im Thal des großen Fischflußes. Diese Gruppe be wacht und belästigt auch gelegentlich die Blockhauslinie. Die dritte noch erwähnenswerthe Gruppe steht bet Britstown. In den Middlands, zwischen der Haupt linie der Kapeisenbahn und der Linie nach Port Eliza beth, wandert eine kleine Abtheilung Buren in den Candeboobergen, zeigt aber kein Verlangen, die Schlupf winkel, die da« Gebirge bietet, zu verlassen. Unbe deutende Abtheilungen sind noch in dem nordöstlichen Winkel der Kolonie, während sich in den westlichen Distrikten nördlich der Blockhau«linien, neben den vor her erwähnten, noch zahlreiche kleinere Truppen auf- ha'.ten. Frankreich. — Ueber einen 100 Millioneu-Betrng wird au« Paris gemeldet: Frau Humbert, geborene d'Aurignac, Schwiegertochter des ehemaligen Justizminister« und späteren ersten Vorsitzenden de« Obersten Rechnungshofes, Humbert, führte seit genau 19 Jahren einen Rechtsstreit um eine fabelhafte Erbschaft von 100 Millionen, die ein fabelhafter Amerikaner namens Crawford ihr und ihrer unverheiratheten Schwester hinterlassen haben sollte. Zwei Neffen des Erblassers, die nie ein sterblicher Mensch gesehen hat, wie übrigen» auch den Erblasser selbst und seine saghaften Millionen, fochten angeblich da« Testa ment an. Der Prozeß wurde durch alle Instanzen bi« zum obersten Gerichtshof getrieben, fünf- oder sechsmal im Laufe der zwei Jahrzehnte, während welcher dieser Räuberroman spielte, wurden die unsichtbaren An. fechter de» Testament« in oberster Instanz abgewiesen und Frau Humbert für die rechtmäßige Erbin erklärt aber immer wieder erhob sie selbst neue Prozeßordnuna«- schwierigketten und Bedenken gegen ihr eigene« Recht und wußte dadurch den Prozeß" in Gang zu halten Inzwischen borgte sie auf die hundert Millionen nebst aufgelaufenen Zinsen, die sich, in französischer Rente an. gelegt, in einem berühmten Eisensptnd neben ihrem