Volltext Seite (XML)
vom Tender abflogen und der Tender selbst die Schienen aufriß. Die Katastrophe ereignete sich jedoch erst an der Weiche. Dort riß sich die Lokomotive nebst dem Tender und dem Packwagen von den übrigen Wagen de» Zuge« lo« und fuhr noch etwa 500 Meter weiter. Der erste Personenwagen kippte nun recht« von den Schienen um, der zweite fuhr eine Strecke weiter und kippte nach link« um, der dritte blieb auf. den Schienen stehen, und zwar stand er neben dem zweiten. Die beiden ersten Personenwagen sind vollständig zertrümmert, der dritte ist stark beschädigt. Der vierte war der Schlaf wagen, dieser, wie die noch folgenden Wagen sind auf den Schienen stehen geblieben. Der Hintere Theil de« Tender« hatte sich ca. einen Meter tief in die Erde ein- gebohrt, der vordere stand hoch empor. Die Weiche und ein Theil der Schienen waren gänzlich zerstört. Der Packwagen, der am Tender geblieben ist, ist weniger be schädigt. Der durch den Unfall getödtete Retchstagsab» geordnete Friedel saß mit noch drei Personen in einem Wagen. Friedel soll herausgesprungen und dabei unter die Räder gekommen sein. Die Musiklehrerin Lilly Mann soll mit in demselben Wagen gesessen haben; die weiteren zwei Insassen desselben kamen mit leichten Ver letzungen davon. Die Wunden der sogenannten Leicht» verletzten machten übrigen« zum Theil noch einen recht schlimmen Eindruck. Co sah ich einen älteren Herrn an der Unglück«stelle, mit einer alten Bahnarbeitermütze be deckt, auf und ab gehen, dem die Haut des Hinterkopses theilweise abgerissen war. Einem Postbeamten sind zwei Finger buchstäblich abgequetscht worden. Da» Dienst zimmer de« Stationsvorstehers bot mit den verbundenen Verunglückten und anwesenden Aerzten den Anblick eines provisorischen Lazareths. Au« der ganzen Umgegend strömten die Bewohner herbei und auf fast Aller Mienen sah man Besorgniß und Theilnahme für die in Folge der Katastrophe schwer Heimgesuchten. Alsbald war auch Herr Oberstabsarzt Di . Düm» in Leipzig von dem Unfälle benachrichtigt worden und traf bald darauf nebst Herrn vr. Hahn und Mannschaften der Leipziger frei willigen Sanitätscolonne, die zwei Tragbahren mit brachten, an der Unfallstelle ein. Das Institut de« Samaritervereins hat sich auch bei dieser Gelegenheit durchaus bewährt. Die erste Hilfe leistete der Bahnarzt au» Delitzsch, Herr vr. Busold. Um 8 Uhr waren fämmtliche Verletzte geborgen. Chemnitz, 5. Mai. Am Sonnabend Nachmittag, kurz vor der Abfahrt deS K Uhr 45 Minuten nach Riesa verkehrenden PersonenzugcS stürzte auf dem hiesigen Hauptbahnhofe der Dienstknecht Ernst Oswald Baldauf aus Kriebethal bei Waldheim von der Plattform eines Personenwagens 4. Classe nach der Gleisseite zu ab und zog sich durch Ausschlagen auf eine Schiene einen Schädelbruch zu, der nach wenigen Minuten den Tod des Verunglückten herbeisührte. Zwickau. Der Bau einer Kirche für die vor etwa 10 Jahren hier errichtete Lutherkirchengemeinde (Luther kirche) ist nunmehr definitiv beschlossen und wird noch in diesem Frühjahre begonnen werden. Der schon im Jahre 1897 angenommene Entwurf der Architekten Schilling und Grübner in Dresden wird zur Ausführ ung gelangen. Mit dem Bau der Kirche wird der Bau der Amtswohnungen beider Geistlichen dieser Gemeinde verbunden. Die Baukosten werden etwas über 600 000 M. betragen. DaS Kirchen-Aerar Zwickau gewährt auf eine Reihe von Jahren einen namhaften Zuschuß zu diesem Kirchenbau. — Die beiden Krankenträgerkolonnen der hiesigen K. S. Militärvereine hatten gestern ihre Hauptübung. Am Himmelfahrtstag nimmt Generalleutnant z. D. von Zeschau aus Dresden im Beisein deS Vorstandes deS Landesvereins zum Rothen Kreuz, Graf von Vitzthum- DreSden, usw. die Prüfung der Kolonne ab. — Der hiesige Rath hat im Interesse größerer Feuersicherheit bestimmt, daß in jedem Wohnhaus auf Stadtkosten eine Tafel angebracht wird, auf der der nächstgelegene Feuer melder (deren 13 hier vorhanden sind) sich befindet. — Nachdem der „Ziegelring" in Zwickau sich auf gelöst hat, sind die Ziegelpreise bedeutend gesunken. Während „der Ring" im vorigen Jahre noch 30 bis 32 Mk. für daS Tausend Ziegel forderte und auch bekam, kostet jetzt das Tausend nur noch 18 Mk. und weniger. Der „Ring" konnte seine Preise nicht mehr aufrecht erhalten, da sich sehr große Stapel von brachliegenden Ziegeln aufthürmten, die keine Nehmer fanden. In manchen Ziegeleien mangelte es an Platz, um diese Massen unterzubringen. Ganze Stapel, die unter freiem Himmel lagern mußten, gingen durch die Witterungreinflüsse zu Grunde. Crimmitschau. Die Vorbereitungen zu dem hier in diesem Jahre vom 6. bis 10. Juli unter dem Ehren vorsitze des Herrn Bürgermeister Beckmann stattfinden den 16. Sächs. Gastwirthsverbandstag, verbunden mit einer Ausstellung für das Gastwirthsgewerbe, heimische Industrie und Kochkunst, nehmen ihren rüstigen Fort gang und sind die Anmeldungen zur Ausstellung auch schon ziemlich reichlich eingegangen, sodaß es sür jeden Geschäftsmann, der noch auszustellen gesonnen ist, ge- rathen erscheint, seine Anmeldung baldigst an Herrn Gastwirth Robert Hornig hier gelangen zu lasten. Für auswärtige Aussteller dürste die an den Ausstellungr- aurschuß ergangene Mittheilung der Generaldirektion der Kgl. Sächs. Staatseisenbahnen von Interesse sein, wo nach für die Gegenstände, welche auf der vom 6. bt« 10. Juli 1902 in Crimmitschau stattfindenden Ausstell ung für da« Gastwirthsgewerbe ausgestellt werden und unverkauft oder unverlost bleiben, die frachtfreie Rückbe förderung auf den Linien der Sächs. Staatseisenbahnen gewährt wird. Für die Ausstellung ist auch eine Prä- mtirung und Verloosung vorgesehen. Ehrenpreise sind schon zahlreich bewilligt worden und so auch ein nennen«- werther von der Stadt Crimmitschau selbst. Die für die Verloosung anzukaufenden Gegenstände werden aus schließlich von ausgestellten Sachen ausgewählt. — In Werdau ist eine 34 Jahre alte Ehesrau mit einem 16jährigen Fortbildungsschüler durchgebrannt. Wohin sich da« in den Lebensaltern so ungleiche Paar gewendet hat, ist bt« jetzt nicht bekannt. — Eine ziemliche Aufregung verursachte an einem der letzten Abende in einem Eisenbahnwagen daS leicht fertige Ziehen der Nothbremse. Mit dem 10 Uhr 29 Min. Abends von Werdau abgehenden Personenzuge fuhr eine „lustige" Gesellschaft junger Leute, die ihrem Ueber- muthe keine Schranken setzten. Plötzlich zog einer der Singenden in dem Glauben, daS Fenster zu öffnen, die oberhalb deS Fensters angebrachte Nothbremse, so daß der Zug augenblicklich stillstand. Weder der Uebelthäter selbst noch die Mitreisenden ahnten, was daS Halten deS ZugeS auf freier Strecke — der Vorgang ereignete sich bei Block 67 zwischen Lichtentanne und Werdau — zu bedeuten hatte. Erst als der Zugführer und zwei Schaffner in daS Coupö kamen, ging den mitlcrweile unruhig gewordenen Passagieren ein Licht auf. Dem Betreffendcli, einem Porzellanmaler aus Zwickau, wurde das Billet weggenommen und er selbst auf dem Bahnhof Zwickau vom Stationsvorsteher zwecks Namensfeststell ung adgeführt. Der „Spaß" wird dem leichtsinnigen Menschen theuer zu stehen kommen. Borna, 4. Mai. Ueber den „Lenz" in China macht in einem dieser Tage eingegangenen Briefe ein Chinakrieger aus unserer Gegend folgende Mittheilung: Am 17. März hatten wir hier (in Langfana) 38 Grad Celsius in der Sonne, heute (am 22. März) haben wir 4 Zoll Schnee, und dabei sieht eS aus, als ob es den ganzen Tag nicht aufhören wollte, zu schneien. Wie unser Landsmann noch bemerkt, haben die deutschen Soldaten gegenwärtig weniger Dienst als in früherer Zeit und können sich nun auch an einer Bibliothek erfreuen und damit die Langweile vertreiben. — Von der Elsterthalbrücke abzustürzen suchte sich am Sonnabend abend nach 7 Uhr ein 22 Jahre altes Mädchen, wurde aber von zwei Männern an den Kleidern erfaßt und zurückgezogen. Die Lebensmüde gab an, ihr Geliebter habe ihr zugeredet, sie solle sich von der Elsterthalbrücke abstürzen, er seinerseits werde sich erschießen; sie habe aus Verzweiflung gehandelt. Vermischte». * Ein Streit um die Curtaxe ist in Karlsbad entbrannt. Von Seiten der Stadtgemeinde Karlsbad wurde im vorigen Jahre eine Verfügung getroffen, daß diejenigen Badegäste, welche nicht in Karlsbad wohnen, nur zu solchen Zeiten die Cur .gebrauchen dürften, an welchen der Andrang nicht gar zu groß sei. In Folge eines Rekurses der Stadtgemeinde Fischern gab das Ministerium des Innern eine Entscheidung heraus, ge- mäß welcher vorerst zu prüfen ist, ob die Stadtgemeinde Karlsbad oder die staatliche Sanitätsbehörde, berechtigt sei, eine solche Verfügung zu treffen. Nunmehr hat der LandeSsanitätSrath von Böhmen eine Entscheidung ge fällt, daß es keinem Badegaste, also auch solchen nicht, die außerhalb Karlsbad wohnen und weder eine Cur taxe bezahlen noch sonst einen Beitrag zur Erhaltung der Quellen leisten, verwehrt werden könne, zu jeder Zeit daS Wasser der Quellen zu trinken. In juristischen Kreisen wird jedoch die Ansicht ausgesprochen, daß in der betreffenden Frage irrthümliche Anschauungen ob walten, da eS sich überhaupt nicht um Sanitätsfragen, sondern um Verfügungen über einen effektiven Besitz handelt. Von der Stadtgcmeinde Karlsbad werden da her alle gesetzlichen Schritte verfolgt werden, um diese Rechte zu wahren. * Aus dem Leben deS GrosiherzogS Friedrich von Baden giebt in den „Neuen Hessischen Volksblättern" ein alter Darmstädter eine Episode zum Besten, die mit einigen Kürzungen hier wiedergegeben sei. Der Ver fasser erzählt: „Es war in der Nacht vom 12. auf den 13. Mai 1849 in Karlsruhe. Ich besuchte damals das Polytechnikum daselbst unter dem Rektorat des Forst raths Klauprecht. Es mochte gegen 9 Uhr Abends sein. Wir waren auf unserer Kneipe bei „Rebele", dicht an der Infanterie-Kaserne, als sich draußen großer Tumult erhob. Wir eilten hinauf und fanden einen wirren Haufen Soldaten schreiend und tobend nach der Kaserne ziehen. Gerade wollte ein Zug Tambours, den Zapfen streich schlagend, in den Hof marschiren, als verschiedene Soldaten sich auf sie stürzten, mit den Säbeln ihnen die Trommelstöcke auS den Händen schlugen und die Trommelfelle durchstachen, den Posten, der daS Thor schließen wollte, wegtrieben, an den Thorflügeln hin und her rissen, hoben und zerrten, bis sie aus den Angeln gedreht zu Boden stürzten. Nur einmal hatte ich Menschen so rasend gesehen, und zwar daS Jahr vorher in Frank furt bei dem Straßenkampf am 18. September. Aehn- lich in Karlsruhe. Als daS eiserne Thor geknickt und verbogen zu Boden lag, drängte Alles in die Kaserne. Ich stand mit ungefähr zwei oder drei Kommilitonen neben dem Thorbogen deS Gebäudes, als plötzlich ein Fenster ebener Erde von innen aufgerisfen wurde und ein junger Offizier sich auf die Fensterbrüstung schwang. Todtenbleich, mit verwirrtem Haar, aufgerissener Uniform, blickte er erschreckt hinter sich und sprang dann dicht vor uns auf die Erde. „Ei das iS ja Prinz Friedrich!" rief plötzlich ein neben uns stehender Bürger. Aller dings war eS Prinz Friedrich, der heutige ehrwürdige Jubilar. Er hatte den RegimentS-Kommandeur Holz zur Kaserne begleitet, um die rebellirenden sTruppen zur Ordnung zu bringen. Doch jeder Zuspruch war ge scheitert. Wie rasend drangen die betrunkenen Soldaten mit gezogenen Säbeln auf Beide ein und während Oberst Holz, der die Lokalitäten kannte, von seinem Sohne unterstützt, stark blutend, durch eine Hinterthür sich rettete, eilte der mit dem Tode bedrohte Prinz durch den Korridor in ein Zimmer der Frontseite der Kaserne und fand sich plötzlich durch einen Sprung aus dem Fenster mitten unter uns. Wir erkannten sofort die Gefahr, nahmen ihn im Verein mit einigen Bürgern in die Mitte und eilten davon. Noch hatten wir die Ecke der Kaserne nicht erreicht, als eine Rotte berauschter, wüthender Soldaten mit gezückten Säbeln unter furchtbaren Droh ungen auS dem Thor stürzten, um des Prinzen habhaft zu werden. Unzweifelhaft hätte ihn die Rotte ermordet, wäre er in ihre Hände gefallen. Aber er war gerettet und anch heute erfüllt es mich mit innigem Danke, daß ich auf solche Weise zur Rettung eines so edlen Fürsten beitragen konnte! Als die Meuterer merkten, daß der Prinz ihnen entronnen und sie einen vergeblichen Ver such gemacht, daS Zeughaus zu nehmen, zogen sie vor die Wohnung ihres Obersten Holz, drangen hinein, zer trümmerten und verwüsteten, was ihnen unter die Hände kam, warfen Spiegel, Gemälde, Uhren und Tische zum Fenster hinaus und den Inhalt der ausgeschnittenen Betten auf die Straße. Erst gegen Morgen kehrten die Meuterer in die Kaserne zurück." * Eine» „Studenten Ulk" haben jüngst die Schwei zer Zöglinge de« Technikums Mittweida fertig gebracht. Es studiren daselbst 42 Schweizer; al« nun der Streit zwischen der Schweiz und Italien schärfere Formen an nahm, da« heißt, als die beiderseitigen Gesandten auf Reisen gingen, entstand der Plan zu dem Spaß in etlichen muthwilligen Köpfen. Eines Abend« wurde den Logtsgebern mitgetheilt, daß die militärischen Aufgebote eingelaufen seien und sie alle sofort abreisen müßten. Am anderen Morgen stand die ganze Sippschaft, mit Effekten beladen, am Bahnhof, begleitet von den schwer betrübten Zurückbleibenden; manche« kräftige Wort, gar mancher Seufzer und nicht wenige aufrichtige Wünsche auf den baldigen Sieg über die bösen Italiener be gleiteten die Abreisenden beim Einsteigen. Abend« kehrte die ganze feucht-fröhlich gewordene Corona wieder nach Mittweida zurück — sie war nur bi« zur nächsten Station gefahren. Man nahm sie in Gnaden wieder auf. * Die Feinde des Telegraphen in Deutschost afrika. Nicht blo« Witterung und Pflanzenwuchs, sondern auch die Thierwelt erschwert in Deutschostafrika die Anlage und das Jnstandhalten der Telegraphen leitungen. Nach den Beobachtungen an der Telegraphen- linte Dar-e«-Salaam—Mpapua treten, wie die „Deutsch- ostasrikanische Ztg." mittheilt, recht häufig weiße Ameisen al« Störer der Leitung auf. Die Thiere wissen den Schutz, den ihnen die hohe Porzellanglocke gegen Witterung und Regen gewährt, wohl zu schätzen, und sie schleppen mit Eifer und Mühe Ecdstückchen an der Stange empor, die sie dann in die Glocke einbauen. Diese« Erdgebäude wächst bald über den unteren Rand der Glocke heraus und bedeckt nach und nach die äußere Fläche der Glocke. Sobald nun diese Erdschicht den Telegraphendraht be rührt, verbindet sie ihn leitend mit dem Eisenstück, da« die Porzellanglocke trägt, und stellt durch die Telegraphen stange sofort die Erdleitung her. Natürlich ist dann der Betrieb der Linie unterbrochen, da der elektrische Strom wirkungslos in die Erde abfließt, statt die nächste Station zu erreichen. Ein anderer Feind der Leitung ist eine fast handgroße Vogelspinnenart, welche riesige Netze au« sehr starken Fäden webt. Ein solche« Netz füllt nicht selten da« ganze Dreieck zwischen Stange und Draht aus, stellt entweder durch die Stange oder auch direkt die Ecdverblndung Hw und unterbricht so die Leitung. Auch durch Nester der Webervögel, die von ferne gesehen, wenn man den Draht noch nicht erkennen kann, einen eigenartigen Anblick bieten, da sie frei in der Lust zu schweben scheinen, wird häufig eine Verbindung von Draht und Stange und somit eine Störung de« Be- triebe- hervorgerusen. Das Großwild erweist sich im allgemeinen al« weniger gefährlich für die Linie. Man ist allerdings in Giraffengegenden gezwungen, die Stangen um so viel erhöhen, daß diese Thiere frei darunter weg schreiten können. Die Giraffen gewöhnen sich sehr bald an den ihnen anfangs fremdartig erscheinenden Tele- graphcn, und es ist häufig beobachtet worden, daß sie ganz ruhig unter dem Drahte durchgehen. Hochgebirge und Ocean. Roman von August Riemann. (Nachdruck verboten). 70. Fortsetzung. Der Xaver hörte dies mit Verwunderung an, dann aber machte er, zu der Toni großem Schrecken, gar ein freudiges Gesicht, sondern sagte mit bitterbösem Tone: