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A-orter Wochenblatt. Mittheil nngen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Vierzehnter Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: 1 Thaler, bei Bestellung bei Blatte« durch «otengelegenheit: 2U Neugroschen. 5t). Mittwoch, 1L. Dezember 18^!). Kluth und Ebbe von Gottfried Kinkel. Sprich, hist du gewandert am Meeresstrand, wo so mäch« lig schwoll die wogende Flurh, Vick endlich der ganze Dünenrand still lag vom schim» mernden Spiegel unirulu? ?»un kam die Ebbe: es wich der Schwall. Da lag der Slrand so Nochen und bloß. Da lagen verschmachtend die Wesen all', die das Meer gebierr in dem tiefen Schooß. Ein Thor wobl spräche zur Stund': „der Strand ist trockm und gehört nur mir, Ich will ihn bebauen dm Dünenqrund, ich will ihn be ackern mit Pflug und Stier." D Thor, der von Wind und Wellen nicht weiß, laß ab vom kindisch thörichten Traum, Schau drunten aus'S Meer, wie kocht es so weiß, wie säumt die Wogen schon wieder der Schaum! Halloh die Fluth! schon kehrt sie im Schuß und rächend " schießt sie im Bogen daher, Sein altes Recht mit stürmendem Guß erobert sich wie der das grollende Meer. Und was verzweifeln im Sand, gemußt und meinte zu sterben in Sonnengluth, Saugt neues Leben und neue Lust und fühlt sich erlöst von der heiligen Fluth. Du Uor, der das Meer schon bezwungen geglaubt und der es gehindert und niederaedämmt, Schon bist im Spiele du hingeraubt und wälzend hinab in's Verderben geschwemmt! — So stehst du, Freund, an dem Meeresstrand, und wieder schwoll die wogende Fluth, Bis endlich der ganze Dünenrand still lag vom schim mernden Spiegel umruht. — Dat sei, meiu Freund, ein Bild dir der Zeit, daß nie du an unserm Siege verzagst Und daß du immer im Geisterstreit den Würfel der Frei heit zu werfen wagst. Die Märzfluth kennst du, den Völkerdrang, kein Wall noch Damm bot gegen sie Schutz, — Jetzt ist die Ebbe in vollem Gang, eiu Thor auch bietet den Kathen Trutz, Er baut sein Hau« auf den Dünen empor, er stellt auf den Strand den qoldnen Thron, Und lacht, ein übermülhiger Thor, den still abrinnenden Fluchen Hohn. Wir sind bi, Korallen auf dürrem Sand, wir sind des Meeres verzweifelnd, Brut, Wir schmachten gefangen im fremden Land, wir harren der lhcuren belebenden Fluth, — Doch bleiben wir stark und vertrau'n dem Gebot, das di« Erde lenkt und des Menschen Geist: Je dürrer die Welt, je größer die Noth, j, näher heran schon die Rettung kreist. Schon seh' ich den Volkssturm wieder erwacht, schon stürzt in Trümmer, was Thoren gebaut — Du glaub' an des Geistes heilige Macht, im Gleichniß des Meeres, daS du geschaut! Glaub' mir, wir strhen schon wieder am Strand und wie der schwillt die wogende Fluth, Bis endlich der ganze Dünenrand sttll liegt, vom schim mernden Spiegel umruhl. Das Interim. Das Interim, wie man dir neu, Bundescommis- sion getauft Kat, braucht längere Zeit zur Geburt, als sein Vorgänger, der Bundestag zum Sterben. Die Wehen dauern fort, ob gleich eine ganze Schaar durchs lauchliger Accoucheure sich abmüht, das Kindlein zur