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107 Dann lauschen sie den fernen Tönen, Der Frühlingswind trägt sie herbei» Es ist der Knechtschaft Todesstöbnen: Esten Kossuth im Tchlachtgeschrei! Sie flüchten in der Donau Wellen, Die sollen's dauernd weiter gellen Von Waizen bis nach Debreczin! Eljen Magyar, nach Wien, nach Wien! O Gott, wenn erst vom Stephansthurm« Die rothc Ungarfahne wallt, Wie da — gleich einem Donnersturme: Allons eufauts die Weit durchschallt! Ein feurig Glühn, ein mächtig Streben Wird alle Völker wild durchbeben, In einem Schlag, in einer Nacht Wird neu die alte Welt gemacht! Der Abend graut, die Nebel fallen, —- Die Feinde flieh», Glück auf, Magyar» Laß deine Siegeslieder schallen, Im Staube liegt der Doppelaac! Fern tönt ein Klang im Wind verloren: „Noch, noch ist Deutschland nicht verloren", Die Donau braust, die Winde ziehn: Eljen Magyar, nach Wien, nach Wien! Vermischtes. AuS Sachsen. In Folge der Dresdner Ereig. nisse kommen immer noch Nachzügler von Steck briefen und Verhaftungen. Steckbrieflich ver folgt werden unter Andern der Rechtskandidat Küh ler aus Pirna, der Literat Peters aus Jöhstadt, ferner die sieben Abgeordneten Hitzschold aus Dres den, Feldner aus Hainichen, Oppe auS Lößnitz, Dörstling aus Chemnitz, Berthold aus Döbeln, Helbig aus Borna und Schaffrath aus Neustadt. Verhaftet wurden die Lehrer Götz, Stützner und Heerklotz in Annaberg, Advokat Haustein eben daselbst.— Das Ministerium braucht Geld, viel Geld. Dem nächsten Landtage sollen vorzüglich Finanz vorlagen gemacht werden. Wir zweifeln sehr, daß derselbe die ungeheuren Summen für das Militär so gleich bewilligen wird.— Der König ist noch immer auf dem Königstein. Leipzig konnte es noch nicht so weit bringen, daß er ihn verläßt. — Crimmitzschau und Werdau sind in Belagerungszustand erklärt worden.—In Leipzig hat vergangene Woche cinzwei- tes Conzerl für die Wittwen und Waisen der in Dres den verunglückten Kämpfer stattgcsundcn. — Die Gc- schwornengcrichte sollen Ende Juli zusammenirelcn. In Leipzig wird der große Schützcnhaussaal dazu eingerichtet. Nahe an ein Tausend (?) Prozesse mö gen wohl anhängig sein. In Koblenz hat sich ganz kürzlich folgender schauderhafter Vorfall zugetragen; die Tbat- fachen mögen für sich sprechen. Paul Cyeromont, ein junger als entschiedener Demokrat bekannter Mann, wurde diese Nacht bei dem Militärkasino von einigen Offizieren umringt und mit den heftigsten In sulten ungehalten. Er ruft, wenn sie Ehre im Leibe hatten, so sollten sie ihm Zeit lassen, sich zu bewaff nen, und sich ihm stellen; dann wolle er ihnen den Demokraten zeigen. Das geschieht; er holt einen Sä bel. Ein Offizier stellt sich ihm auf dem Paradeplatz zum improvisirtcn Duell. Als er aber nach dem zwei ten Hieb, der ihm Helm und Kopf spaltet, ruft, „ich bin verwundet", da fallen 10 bis 15 Offiziere mit ge zückten Sabeln über den Bürger Chcromont her. Dieser kämpft wie ein Löwe. Dem Herrn v. Münch hausen haut er 4 Finger ab, dem Herrn v. Schramm gab er einen Hieb in den Kopf, einem Dritten einen in den Bauch. Darauf fiel er. Der rechte Arm war unverletzt. Auf dem linken Arm hatte er 7 den Kno chen verletzende Hiebwunden; 21 Stiche hatte er im Unterleib, im Ganzen 45 Wunden. An der Leiche zeigten sich später noch deutliche Spuren von schweren Fußtritten auf dem Bauche, die er erhalten haben muß, als er schon auf der Erde lag. Ein herzueilender Bürger wurde mit den Worten: „schweig Bürger kanaille" mit dem Tode bedroht und entging mit Noth den Kanibaien. Sie schleppten den Sterbenden auf die Wache. Ein Offizier will die herzueilenden Acrztc und Verwandte mit dem Bajouelt vertreiben lassen. Ein Anderer schreit: „Allen den Kerlen sollte ma» den Bhuch aufschneiden", wofür er indessen von dem herzugekommenen Kommandanten in Arrest ge schickt wird. Auch der wachthabende Offizier benahm^, sich menschlich. Die Bürger wollen dem tapfer» Opier dieses feigen Meuchelmordes bewaffnet folgen, wenn nicht bis dahin Belagerungszustand erklärt ist. Alles ist wüthend und entseßt über diese schauderhafte That, die einem könnte bezweifeln lassen, daß man im 19. Jahrhundert lebt.