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A-orker Wochenblatt. M i t th n q en , , > über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Vierzehnter Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: 1 Thaler, bei Bestellung des Blattes durch Botengelegcnhcit: So Neugroschcn. ——— 23. Mittwoch, 6. Juni 18^0. Politische Umschau. Ueber Wien erhält man nähere Nachrichten über die Einnahme Ofens. Es mag ein furchtbarer Sturm gewesen sein. Sonst hat sich in dem Stand der Dinge zwischen Oesterreich und Ungarn wesentlich nichts verändert. Die Ungarn stehen noch überall im Vonheil, während es mit der österreichische Ar mee elendiglich bestellt sein mag, denn wPMid der Obergeneral Weiden fort und fort AngriffeEf allen Punkten verkündet, Hörl man nie, daß man anzugrei fen gewagt hat. Eben dieser rc Weiden hat kAz- licb wieder eine Proklamation an Ungarns Völker er lassen, worin er sie cinladet unter das milde Scepter Sr. k. k. alierchristlichsten Majestät zurückzukebren, da sie ja doch von Bösewichtern und Ucbelthätern wie Kossulh und sein Anhang nur verführt und irregelei tet waren. Fürwahr, man weiß nicht, was man zu solcher Dummheit sagen soll. Dieser elende gemeine Tyrannenkncchl wagt cs dem Genius eines Kos sulh gcgcnüberzutrcten, der an der Spitze von 400,000 für ihn begeisterter, bewehrter Männer nicht nur sein eigenes Vaterland von den nichlswürdigsten Banden des Despotismus befreit Hal, sondern der Hcilbringer wahrer Volksfreiheit für halb Europa zu werden ver spricht. — Im eigentlichen Ungarn haben sich die Russen bis jetzt nnr wenig mausig gemacht. Un garns Helden werden diese Sclavenhorden zur rechten Stunde schon zu treffen wissen. Daß es mit der rus sischen Macht übrigens gar nicht so gefährlich ist, daß sie in der Einbildung viel größer erscheint, wird all gemein versichert. Die Regimenter sind nur auf dem Papier vollzählig, in der Wirklichkeit haben sie kaum den halben Bestand. Folgendes schreibt man aus der Stadt Biala (Galizien): ,,Wir rücken unserm Schicksal immer uäher! Heute sollen LOO Kosaken hier cintreffen; die Quartiermacher sind bereits eingetroffen. Sie bringen uns natürlich außer ihrem Schutze: Theuerung, Typhus und russische Justiz. General Saß, welcher im Lager bei Jordonow steht, läßt nach russischer Manier alle ihm widerwärtigen Leute erschießen; natürlich ohne Prozeß und — «mm plnasv! Außerdem hat er durch eine Proklamation bekannt gemacht, daß jeder Soldat die Pflicht habe, eiuen Jeden nicderzustoßen, der ein ungünstiges Wort gMen den Kaiser Nikolaus und dessen erhabenen Bundesgenossen, den Kaiser Franz Joseph, ver lauten laßt; 40 Silberrubel aber sind demjenigen ver sprochen, der gegen RaisonneurS denunzirt. Die B e- kleidung der russischen Truppen, welche wir hierzu sehen bekamen, ist im höchsten Grade elend; sic ge ben meistens baarfufi und in Unterhosen; ein abgeschabter Mantel bedeckt ihre Blöße." — „Alles, theilt ein anderer Augenzeuge mit, verräth an den Russen die Sclaven. Namentlich taugt ihre Artillerie nichts, die Kanonen sind klein, die Laffetirung schwer und plumb, uur die Pferde sind gut." Aus Italien erfährt man, daß sich Venedig noch hält, daß die Oesterreicher in Toskana die Her ren und die Henker spielen, daß sie allein in der Stadt Livorno über 200 Menschen standrechtlich Hinmor» den ließen. Mil der römischen Republik steht es noch ganz gut. Ihr Heerführer Garibaldi schlug die feindlichen Neapolitaner zum zweitenmal. Die Franzosen kampiren noch immer vor den ewigen Thoren, da der Wind von Paris her jetzt ganz anders als im Anfang weht. „Kehrt als Bürder bei uns ein, dann sollt ihr willkommen sein," sagtn die Rö mer, „es ist ja baarer Unsinn, daß eine Republik die andere bekämpft, beide müssen vereint kämpfen wider die Willkür der Fürstenmacht."' Haben sie nicht recht diese Römer?