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Adorter Wochenblatt. Mittheilungen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. !, Vierzehnter Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: I Thaler, bei Bestellung des Blatte« durch Botengclegcnheit« sa Neugroschen. 3^. Mittwoch, ir. September ^8^!^. Die badiscben Blutgerichte. DaS Erschienen in Baden hat noch kein Ende. Jetzt nehmen wir diesen angefochtenen Satz selber auf nnd stellen ihn im vollsten Glauben und in der besten Uederzeugung als den unsugcn hin. Ein deutscher Mann nach dem anderen fallt, und jede neue Zeitung, die man mit blutendem Herzen wieder weglegt, ist durch und durch mit Blut bespritzt. Wie lange wird das noch so fortgchen? Wie viele werden noch unter liegen muffen?— ES gibt gewisse Leute, welche gegen alles Unrecht, so von Oben kommt, sehr nachsichtig und dagegen unerbikterlich strenge sind gegen dieSündeo^eS Bolles. Und solche Leute nun, um ihrem Urteile Eingang zu verschaffen, was thun sie? Sie sagen, man muffe sich auf den höchsten Standpunkt stellen und vom Ehristenlhume aus die Sache betrachten. Denn diese Blulgerichte alle seien ganz christlich, so mit rechtlich, und also auch nicht allein erlaubt, son dern sogar nolhwcndig. Und zum Beweis werden dann Sprüche angesuhrl, wie die: „Tkue nichts Bö ses, so widerfahrt dir nichts Böses." Oder: „Die Obrigkeit tragt das Schwert nicht umsonst." Und mit diesen zwei Sprüchen in der Hand räumen dann solche Leute einem Fürsten das Recht ein, eine ganze Nation, wenn cr's für nölhig erachte, mit des Schwertes Schärfe zu vertilgen. Sehen wir der Sache auf den Grund, so enthält allerdings der erste Spruch: Thue nichts Böses rc. die ernst« Wahrheit, daß die Sünde einen Fluch in sich selber trage und also auch nie und nim mer ungestraft bleibe. Coll aber damit das Standrecht bewiesen werden nach Unten, gilt dann der Spruch in seiner vollen Wahrheit nicht auch nach Oben? Oder gibt er etwa den Herren für ihre Sünden einen Frei brief? Gewiß nicht, sondern gleichwie der Spruch ganz allgemein lautet, so müßte auch die Strafe, die er enthalt, Alle, die Boses thun, ohne Ausnahme tref fen, sei es Fürst oder Volk. Verwirkt also Einer aus dem Volke, weil er für die Freiheit eine Lanze bricht, alsobald das Leben, was Hal dann Der verdient, der einen eingeschloffenen Kaspar Hauser um seine Kind- heit, Freiheit und menschliche Bildung betrügt k Over wenn Einer, der vielleicht die Ehre eines hohen Herrn antastet, nach dem genannten Spruche sogleich erschos sen werde« soll, welche Strafe trifft dann Den, aus dessen Hause z. B. sich eine Jungfrau zum Fenster hinausstürzt und sich lieber freiwillig das Leben selber nimmt, ehe sie sich seinen wilden Gelüsten Preis gibt? Für das Standrecht, soviel ist klar, kann dieser Spruch unmöglich etwas beweisen, und wenn man ihn dennoch eigensinnlgerweise daraus deutet, so muß man wenig stens der Wahrheit die Ehre geben und ihn in diesem Sinne aus Hoch und Niedrig nehmen, denn alle sind Sünder und thun Böses. Wie ganz anders, als un sere jetzigen Frommen und Vaterländer, Hal darum auch Luther in solchen Sachen gedacht und gesprochen! Luther, der daS Ebristcnthum nicht blos in dem oder jenem einzelnen Spmchc suchte, sondern in seinem in nersten Geiste und Wesen erfaßte. Und daher kam eS z. B., daß er, so gram er dem Bauernkriege war, doch der Sache der Bauern auch wieder Gerechtigkeit widerfahren ließ. So sagte er unter anderem: „Sol chen Unrath und Aufruhr mögen wir Niemand aus Erden danken; denn euch Fürsten und Herren, die ibc nickt mehr thut, denn daß ihr schindel und schabet, Euren Pracht und Hochmuth zu fuhren, bis der arme, gemeine Mann nicht kann, noch mag langer tragen. Das Schwert ist euch auf dem Halse, und noch mei net ihr, ihr sitzet so feste im Sattel, man weide Euch nicht mögen auSheben. Schlagen euch die Bauern nicht, so müssens Andere thun. Und ob ihr sie alle schlüget, so sind sie noch ungeschlagen; Gott wird Andere erwecken." — Gleiche Bewandniß, wie mit dem ersten, hat es auch mit dem zweiten Spruche: Die Obrigkeit trägt das Schwert nicht umsonst. Im Allgemeinen enthalten diese Worte weiter nichts, als ein Sinnbild für die Strafgewalt, welche die Obrig keit habe, womit aber weder die Rechtmäßigkeit der Todesstrafe, noch viel weniger die des Standrechtes gelehrt werden soll. Im Gcgenthcil heißl's ausdrück lich von der Obrigkeit, sie sei ejne Dienerin Gottes „uns zu gut", wodurch der Obrigkeit das Recht über Leben und Tod viel eher ab-, als zugesprochen wird. Denn, wer mir mein Leben nimmt, ach! Gott, waS nimmt mir der? Wohl zunächst^nur den Leib, genalr betrachtet aber auch die Seele. Denn er nimmt mir, ja alle Mittel und Wege, mich zu bessern, Gutes zu