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A-orter Wochenblatt. Mittheil rin gen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Vierzehnter Jahrgang. Preis für den Jahrganz bei Bestellung von der Post: t Thaler, bei Bestellung des Blattes durch Botenzelegenheiti 2» Neugroschen. 22. Mittwochs3«^Mai. 18-W. Die sächsischen Ereignisse. Wir werden so viel Licht über die Ereignisse in Sachsen zu bringen bemüht sein, als sich jetzt schon darüber geben laßt, indem wir aus Grund öffentlicher gedruckt vorliegender Mittkeilungen und zugleich mit Benutzung vertraulicher Briefe, die uns vom Schau platz zugcgangen sind, den Hergang der Dresdener Be. gebenhciten übersichtlich mustern. Für die Bevölkerung waren die Tage des Kampfes Lage unerhörter Aeng. ste. Ganze Familien der Altstadt haben sie in Höfen, Kellern und auf den Treppen zugcbracht, weil die Wohnzimmer den Kugeln ausgesetzt waren. Trat ei ne Waffenruhe oder die Nacht ein, so schreckten Feu ersbrünste, die das große Opernhaus, einen Theil des Zwingers und auf der großen Brüdergasse mehrere Häuser ergriffen, deren unglückliche Bewohner aus dem vierten und fünften Stockwerke mit kleinen Kin dern auf Leitern herabgcrettet werden mußten. Kugeln umsausten sic auf dem an sich halsbrcchcnden Wege und die Getroffenen rissen in ihrem Sturze die Unver letzten mit sich herab. Am kl. Mai wurden fünf Personen begraben, die in ihren Stuben von den Ge schossen sielen. Eine viel größere Anzahl liegt noch gefährlich darnieder und Kranke starben vor Angst und vor dem sich immer erneuerndem Entsetzen. DaS fürchterlichste Loos bedrohte die, in deren Häusern sich die Aufständischen fesisetzten. Es ist mancher Büch- sensckütz mit fußfälligcn Thräncn beschworen worden, Len vorlhcilhaftcsten Platz am Fenster oder in der Dach luke aufzugebcn, um nicht durch seinen Angriff die Rache der Soldaten auf wehrlose Unschuldige heran zulocken. „Ich hätte viel zu melden von solchen See- nen," heißt eS in einem vor mir liegenden Briefe, ') Entlehnt aus der „Deutschen Zeitung." „wollte ich auch nur von den Fällen sprechen, die in unserm Kreise sich ereignet." Daß die königliche Weigerung der Anlaß des Aufruhrs war, wird von Niemand geleugnet. Ob aber auch die Ursache, das stellen Diejenigen in Fra- ge, welche den Dresdener Kampf zu einem längst vor» bereiteten Aufstande stempeln der ganz andere Zwecke hatte, als die Rcichsvcrfassung und der einmal be schlossen, durch die Gelegenheit nicht hcrvorgcrufen, nur beschleunigt ward. In den ersten Tagen des Mai herrschte eine ungeheure Aufregung im Lande. Uebcr- all die Vereine in Thätigkeit, überall Versammlun gen, der König von Botschaften über Botschaften der Gemeinden bestürmt, die Reichsverfassung anzucrken- nen. Es mögen sich wohl Manche diesen dringenden Bitten angeschlossen haben, weniger weil sie so sehr nach der Verfassung verlangten, als vielmehr damit um jeden Preis die furchtbare Wenduug vermieden würde. Sie wäre durch die Annahme des Königs vermieden, sie wäre selbst noch Freitag den 4. Mai ohne große Erschütterungen beseitigt worden, wenn der König nicht aus Dresden entfloh. Es heißt mehr auf Antrieb seiner Gemahlin, als aus eigenem Ent schluß. Er begab sich auf den Königstein. Von die ser Felsenfeste sah einer seiner Vorfahren im Jahre 1756 das ganze sächsische Heer von den Preußen unter Friedrich II. auf der Hochebene bei Pirna nach sie- benzehntägiger Aushungerung kläglich gefangen neh men. Von dieser Bergfeste herab sah Friedrich Au gust im Jahre 1849 eine Woche lang der Verwüstung seiner Residenz zu, und diesmal wurden die Preußen als Kampfhclfer dazu gerufen. Es könnte wohl schei nen, daß zu der unthätigcn Zeugcnschaft im Jahre 1849 keine geringere moralische Selbstüberwindung ei nes Köuigs von Sachsen gehörte, als im Jahre 1756 dazu Friedrich dem Großen das Bündniß wider Oester-