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Hchnstm-ErllsMer Anzeiger WM str Hchenßck-knlMÄ, NttlmM, Gersdorf, LugM, Wüstenbrand, Urspnmg, Mittelbach, Hermsdorf, Bernsdorf, Langenberg, Falken u. s. w. Nr. 298. Sonntag, den 22. Dezember 1901. Beilage. Knecht Ruprecht als Erzieher. Eine Wcihnachtsbctrachtung von Th. Sch. (Nachdruck verboten.) Man betrachtet Weihnachten in erster Linie als Fest der Liebe und gegenseitigen Beglückung. Aber als innigstes und schönstes Familienfest hat eS auch für Groß und Klein eine erziehliche Seite und die wud nur allzuwenig beachtet. In den ersten Kinderjahren wiid der Keim gelegt für die Grundsätze, nach denen der Mensch in s-inem ganzen späteren Leben zu handeln pflegt. Die Eindrücke, die der junge Erdenbürger in den Lebensjahren empfängt, hasten am fistcstcn und am tiefsten; er kann sich nie von ihnen freimachen und wird ihrer stets gedenk-» als eine» unvergänglichen Schutzes; denn alle Eindrücke sind für ihn übergoldet mit der ganzen Poesie der Kindheit. Darin wird nun freilich noch immer viel gesündigt: viel aus unangebrachter Zärtlichkeit, mehr noch aus Nachlässigkeit und Unkenntnis,. Wenn die Eltern doch stets bedenken wollten, daß die Formen, die da« Elternhaus dem weichen Kindergemüth grebt, später zu bleibenden sich gestalten; wenn sic be denken, daß die wenigen Jahre, die daS Kind im elter lichen Hause verbleibt, von den schwerwiegendsten Folgen sind, dann werden sie nicht allein ihre Kinder vom Bösen abhalten, sie werden ihnen nicht nur die Gesetze äußeren Auslandes einzuprägen suchen, sondern sie werden keine Gelegenheit vorübergehen lassen, wo sie in das Seelenleben ihrer Kinder einen tieferen Einblick gewinnen können und wo sie die in denselben auf- sprosscnden Blüthen zu einer herrlichen Entfaltung bringen können. Die beste Gelegenheit bietet nun hierzu das Weih nachtSfest, das für unsere Kinder ja das eigentliche Hauptfest, das Fest der Feste bedeutet, wird Knecht Riprecht schon nach dem naiven VolkSempfinden als Erzieher betrachtet: „Knecht Ruprecht pocht ans Thor Nun Kinder, kommt hervor! Knecht Ruprecht hat einen großen Sack Mit schönen Sachen Huckepack. Knecht Ruprecht hat unter feinem Rock Auch eine Ruthe und einen Stock. Goldnc Aepfel und Nüsse für die Guten, Für die Bösen Stock und Ruthen." Dieses und ähnliche Sprüchlein sind noch vielfach im Schwünge in Gegenden, wo auch Knecht Ruprecht mit seinem Sack und seiner Ruthe uoch persönlich er scheint und die Kinder erschreckt. Auch sonst wird den Kindern von der Mutter oder von der Erzieherin oft mals täglich vor dem Feste gesagt: „Wenn ihr nicht artig seid, dann kommt das Christkind nicht." Dieses zeigt, daß daS instinktive Volksbewußtsein bereits die erziehliche Macht, welche im Weihnachtsfeste liegt, her ausgefühlt hat. Aber es ist mit solchen alltäglichen Er- Mahnungen keineswegs gcthan; ganz abgesehen davon, daß es von pädagogischem Standpunkt^keineswegs un bedenklich ist, die Weihnachtsgeschenke als Belohnung für Fleiß und Folgsamkeit hinzustellen. Die Kinder werden sonst leicht zu dem Glauben verleitet, daß sie zur Folgsamkeit nicht verpflichtet sind, sondern daß die- ein Verdienst sei, welches besonders belohnt werden müsse. UebrigenS werden Kinder niemals durch bloße Lehren, durch Verhaltungsmaßregeln usw. erzogen, sondern da durch, daß man bestrebt ist, die Regungen ihres Ge mütHS zu verstehen und dieselben, ohne daß da« Kind es merkt, in die gewünschte Bahn zu lenke«. Knecht Ruprecht soll nicht nur ein Erzieher für die Kinder selbst sein, sondern auch für die Eltern. Der Vaier, der durch Berufsgeschäfle den Tag über größten- theils ferngehalien wird von seinen Lieben, der deshalb auch minder vertraut mit dem seelischen Leben seiner kleinen Lieblinge werden konnte, wird doch wenigstens jetzt in dem Gedanken, was er denselben zu Weihnachten schenken soll, eine Anregung finden, sich näher mit seinen Kindern zu beschäftigen. Und da wird er denn manch mal gewiß überraschende Entdeckungen machen: Der Bube, der daS vorige Jahr noch über einen Zappel mann oder über ein Pfefferkuchenherz oder einen von selbst dahinrollenden zinnernen Radfahrer sich unbändig freute, dessen ganzes Sinnen auf eine Blechtrompete gerichtet war, mit welcher er einen mörderischen Spektakel wochenlang nach dem Feste ausführte, zeigt jetzt mit einemmale Sehnsucht nach einem Baukasten, mit dem er die kühnsten Phantasieschlösser aufzubauen gedenkt oder auch nach einer Schachtet Zinnsoldaten, die er in richtigen Kriegsstellnngen zu formiren wünscht. Das Mädchen, das voriges Jahr überhaupt nur eine Puppe haben wollte, ohne bestimmte Wünsche über das Aus sehen derselben zu sagen, verlangt schon letzt eine solche, die flachsblonde Locken besitzt und Augen, die sich schließen; womöglich auch eine Puppe, die Mama und Papa schreit. Aus diesen Anzeichen wird der verständige Vater leicht einen Schluß ziehen können auf die Ent wickelung, die das kindliche Gemüth in dem Zeitraum des letzten Jahres gewonnen hat. Die Mutter, die ohnedies in innigerem Zusammenhänge mit der Seele ihrer Kinder lebt, wird dessen in der Regel nicht erst bedürfen. Sie weiß instinktiv, was ihre Lieblinge sich wünschen. Aber eben deshalb soll Knecht Ruprecht in erzieherischer Hinsicht seine Beachtung finden: Die Eltern sollen sich klar machen, warum die Kinder diesen oder jenen Wunsch äußern, sie sollten aus diesen Aeußer- ungen einen Fingerzeig bekommen für die Art und Weise ihrer künftigen Erziehung. Wenn die Sehnsucht ihrer Kinder mehr auf Aeußerlichkeiten, auf hohlen Flitterkram gerichtet ist, wenn etwa gar schon die Kinder sich über den Werth der Geschenke allerlei kritische Vorstellungen machen, wenn der Wunschzettel zeigt, daß ihnen die eigentliche Kindlichkeit, die naive Freude am kleinen abgeht, werden die Eltern sich sagen, daß sie hier besser eingreifen müssen. Sie werden auch ersehen, welche Fehler sie bisher in ihrer Erziehungsweise gemacht haben. Die Kinderseele ist ja meistens nur ein Spiegel, der die Anschauungen der Eltern zurück wirft An den Eltern ist es deshalb, den Gedanken ihrer Kinder eine andere Richtung zu geben, ihre kind liche Anschauungswelt mit anderen, würdigeren Dingen zu beleben. Dazu gehört allerdings, daß die Eltern sich mehr, als es leider Gottes jetzt üblich ist, mit ihren Kindern beschäftigen und nicht etwa mit dem leicht sinnigen Gedanken beruhigen: „Die Kinder gehen ja in den Kindergarten oder in die Schule! Wir brauchen uns deshalb um ihre Erziehung keine Sorge mehr zu machen!" Taher kommls, daß man bei so vielen Kindern zwar Intelligenz und äußere Artigkeit, aber nur wenig Gemüth findet. Das wirkt dann durch's ganze Leben nach und giebt dem Denken und Empfinden eine nüchterne kalte Färbung. Das beachte man wohl! Dann wird Knecht Ruprecht als Erzieher segensreicher wirken, wie als Geschenkbringer. B e r M i s H L e ü. * Eine 22tiig»zc Schrcckensfahrt in einem Beet «uf dem Oce«n heben 14 iialwmfche Seeleute durchwach?» müssen. Mit dem Dampfir „Citta di Ge nova" langte au« La« P«lmeL in Genua die Besatzung de« untergeganzenen italienischen Segelschiffe« „Nemesis" an. Da« Schiff wurde aus der Fahrt von C«dix nach Südamerika in der Höhe von Kop Verde von eine« furchtbaren Wirbelsturm überrascht, ter da« Fahrzeug zum . Wrack »achte, sodaß die Mannschaft und der Kapitän sich in ein Boot flüchteten, um wenigsten« da» nackte Leben zu retten. In diesem kleinen Boote, da« mit Segelresten und Raaenstücken kuttermäßig getakelt wurde, da« aber zur Unterbringung von Mundvorrath und Wasserfäßchen fast gar keinen Naum bot, brachten die l4 Personen unter den fürchterlichsten Entbehrungen 22 Tage zu, bi« sie 1550 Meilen von der Unglück«stätte durch den englischen Dampfer „Anglo-Chilian" aufge- nomram wurden, dessen Kapitän sich der BeoauernS» wertd-n annahs und sie nach Natal brachte, von wo au« sie durch den italienischen Konsul nach Genua be fördert wurden. * Die höchste Atzvokatcnrcchnung, die bis jetzt vorliegt. Das Civillandesgericht in Wien hat jüngst zwei Wiener Advokaten an Expensen den Betrag von 800 000 Kronen zugesprochen. Es ist dies seit Jahr zehnten die höchste Expensennote, die vom Gerichte ge nehmigt wurde; sie galt aber auch einer mehrjährigen komplizirten Arbeit, bei welcher es sich um viele Millionen handelte und die schwierigsten Rechts- und Administrationsfragen in Betracht kamen. Es ist näm lich die von den Advokaten Dr. G. Bloch und Dr. Lauterstein durchgeführte Abhandlung des Baron Hirsch'schen Nachlasses, sowie die Äuftheilung der Hirsch'schen Stiftungen zum Abschluß gelangt. Erwähnt sei, daß in den 70er Jahren Regierungsrath Dr. Pann als Abhandlungspfleger für den Nachlaß des Millionärs Ott ebenfalls ein Honorar von 400 000 Gulden zuge sprochen erhielt. In Anbetracht der außerordentlich hohen Viehpreise, sowie der durch das Vieh-Versicherungs-Gesetz und die Fleischbeschau dem Fleischerhandwerk erwachsenen bedeutenden Abgaben hat die unterzeichnete Innung im Verein mit den zu ihrem Bezirk gehörigen, außerhalb der Innung stehenden selbstständigen Fleischern beschlossen, Weihnachtsgeschenke ml die Kundschaft nicht zu verabreichen noch verabreichen zu lassen. Jeder der JnnungWekannt werdende Uebertretungsfall wird mit 30 Mark Conventionalstrafe geahndet. Die Fleischer-Innung zu Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Hermsdorf, Langenberg u. Wüstenbrand. 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