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! Da schlug ihn das Schicksal von neuem. Ein Hoch- I wasser des Inn von einer nie geschauten Wucht rang I sieben Tage um den Besitz des Eilandes. Ter Ellander I mußte mit verschränkten Armen dem Toben der Elemente ! zusehen. Schließlich siegte des Stromes Urgewalt und das Eiland wurde ein Opfer der Fluten. Zwanzig Rosse, zwei- I unddreißig Stück Vieh, die ganzen Baulichkeiten, ein Obst- > garten mit hundertzehn jungen Bäumen gingen zugrunde. ! Aus einer Plätte rettete der Ellander nichts als sein I nacktes Leben und das der Seinen. Was von seinem Besitz > unterwegs war an Schiffen und Rossen, reichte nur aus, ! um seine letzten Verpflichtungen zu lösen. Er selbst war I bettelarm. Der Baedeker : Vor rund einem Jahrhundert begannen die Menschen ! auf einmal am Reisen Vergnügen zu finden. Allerdings I wurden diese merkwürdigen Menschen für Wahnsinnige ; gehalten. Auf jeden Fall entwickelte sich aus der Liebe I zur Ortsveränderung nach und nach ein richtiges Reise- I fieber. Aber die Reisenden zogen ohne jeden Wegweiser f durch die Welt, hatten mitunter mit bösen Schwierigkeiten f zu kämpfen, erlebten ärgerliche Zwischenfälle, denn es gab ' damals noch keine gedruckten Reiseführer. Eines Tages trat nun der in Essen geborene Karl ' Baedeker auf den Plan. Er hatte viele Jahre als Reisen- ; der einer Berliner Firma im Inland und im Auslande l zugebracht. Mit offenen Augen war er durch die Welt I gezogen und hatte genau notiert, was nach seiner Mei- > nung interessant war. Und so kam nach und nach der erste » Reiseführer zustande. Tarin fand man schon die Angabe, I wo Pässe erforderlich seien, wo man mit dem Pferdewagen I einen Anschluß sindc und wo nicht, wo sich die bessere ! Gesellschaft einer Stadt bewege und wo man gut essen ! und schlafen könne. Dabei schöpfte Baedeker nur aus I seinen eigenen Erfahrungen. Mit der Genauigkeit eines I Deutschen gab er auch an, wo die Kellner die Neigung ! hatten, mit höherer Mathematik die Rechnungen in unbe- I schreibliche Höhen hinaufzutreiben. Er sprach zuerst von I zivilen Preisen und gab auch an, wo man wirklich reines ; Bettzeug vorsinden konnte. Sogar die Gasthäuser wurden ' in seinen ersten Auflagen hervorgehoben, die imstande I waren, einen gesegneten Appetit zu erträglichen Preisen zufriedenzustellen. Baedeker machte mit seinem Reiseführer ; wirklich den Anfang. Unzählige weitere Bücher folgten. Die Konkurrenz gab ähnliche Werke heraus, die jedoch j an Genauigkeit niemals an Baedeker heranreichten. Nicht ; umsonst verklagte die Handelskammer von Neapel den » braven Karl Baedeker, weil er geschrieben hatte, die Hitze I sei im September in Neapel drückend, und die Sauberkeit « lasse in ganz Süditalien zu wünschen übrig. Auch die I Londoner wollten gegen Baedeker Sturm laufen, weil er > von zweifelhaften Häusern in London berichtet hatte. Toch I schließlich gab die Londoner Polizei den guten Rat, . Baedeker in Ruhe zu lassen. Denn er hatte sich nichts aus ! den Fingern gesogen, sondern die Wahrheit berichtet. Das Eiland aber, auf dem seit Jahrhunderten der j Hof seiner Väter gestanden, war zum neuen Bett des Inn > geworden. Dem Ellander selbst bot sich die Hilfe der vielen ' an, denen er früher geholfen hatte. Aber er war zu stolz, I um auch nur einen Groschen zu nehmen. Selbst von seinen I Kindern, die zum Teil schon verheiratet auf schönen Höfen ! saßen, nahm er keinen Pfennig an. Er verdingte sich als ! Arbeiter bei anderen Bauern und war noch stolz und auf- I recht dabei, wo andere zusammengebrochen wären. Später war er Kulturarbeiter in staatlichen Diensten ! und half mit, den wilden Inn zu bändigen und in Dämme i zu bannen. Und eines Jahres lag sein Eiland wieder > rei von den Fluten, und er schritt darüber hin als Mann ! nit schlohweißem Haar, und sah die Trümmer seines ! Hofes, die Grundmauern, aus der Wildnis ragen. Er be- I kam die Genehmigung, die Steintrümmer seines Hofes ; zu bergen. Er barg sie unter vielen Tropfen Schweiß und ; brachte sie auf ein Fleckchen Erde, das er sich neu erworben > hatte. Hier erstand in der Arbeit von sieben Jahren ein » neuer Hof, kleiner zwar und ärmlicher als der alte, aber » est doch und frei. Und als endlich den Ellander der Herr I ser Welten heimholte, da konnte sein jüngster Sohn den I Hof übernehmen in einer Größe, die es ihm erlaubte, » wieder Bauer und nicht mehr Tagelöhner zu sein. Der Ellandshof aber steht heute noch, und dasselbe ! Geschlecht haust auf ihm wie einst, ein Denkmal deutscher - Bauernkraft. Kaspar Ellander Von Ferdinand Josef Holzer. (Nachdruck verboten.) Kaspar Ellander, der Bauer vom Ellandshof, war ! reich; neben seiner Landwirtschaft betrieb er auch das Ge- ! schäft eines Jnnschleppers, der auf seinen breiten Kähnen wertvolle Ladung von Innsbruck nach Passau verschiffte, und die leeren Plätten mit seinen schweren Rossen wieder > stromaufwärts zog, um sie dann erneut mit voller Ladung > zu versehen. In seinem Stall standen stets der Rosse zwanzig und ebenso viele waren unterwegs. Kaspar Ellander war zu seiner Zeit der einzige Frei- ' bauer weit und breit und zinste keinem Grundherrn. Sein Hof lag wie eine feste Burg zwischen zwei Armen des Inn I auf einem Eilande, das auch seinem Hofe den Ramen gab. ! Seine Kinder wuchsen wie wilde Blumen heran und was i sie lernten, lernten sie nur vom Vater und Mutter, es war l genug, sie für den Kampf des Lebens stark zu machen. > Wie reich der Ellander war, beweist der Umstand, daß er ! einem seiner Söhne, der in das benachbarte Fischbach hei- I ratete, siebentausend blanke Taler als Hochzeitsgut mit- > geben konnte, eine Summe, die alle kühnsten Erwartungen I der damaligen Zeit überstieg. Trotz seines Reichtums war der Ellander nicht ver- I wöhnt, sondern er trug sein schlichtes Lcderwams und aß i mit seinen Roßknechien am gleichen Tisch. Nichts war i ihm fremd, denn er hatte viel gesehen und war in jungen l Jahren schon hinunter bis ins Ungarland gekommen und I Siebenbürgen und hatte Deutsche unter fremden Völkern ; geschaut, Inseln des Deutschtums, um welche die Fremde ' brandete, wie um seine Heimat der brausende Strom. Der Ellander vergeudete seinen Reichtum nicht nutz- ; los. Er vergrößerte wohl sein Unternehmen und ver- f schönerte seinen Hof, und gönnte sich und den Seinen auch I des Lebens Freude; aber er mehrte auch die blanken Taler j in der eisernen Truhe; denn es war sein Stolz, armen » Teufeln zu helfen und ihnen unter die Arme zu greifen, » wenn sie ihn um seine Hilfe baten. So stand der Ellander I wie ein Fels in der Heimat, und die Kleinen, die Hörigen, ! die Zinsenden, schauten auf ihn wie auf einen Herrgott, ! der leibhaftig durch das Erdental schritt. Der Ellander war aber auch ein Fels, den nichts zer- ! brechen konnte, selbst das Unglück nicht. Eines Tages, als » er von einer Schifferrcise hcimkam, fand er seinen herr- ! lichen Hof in Trümmern; ein Blitzstrahl hatte die Brand- I fackel geschleudert, und nichts hatte ausgereicht, den Brand ! zu löschen. Weib und Kinder, Knechte und Mägde hausten I zusammen in einer notdürftig geretteten Bretterhütte, in ! der sonst altes Gerümpel lag. Unversehrt aber grub der Ellander mit seinenKnechten , die eiserne Truhe aus dem Aschenhausen, und mit ihrem ! Inhalt schuf er seinen Hof neu. Er schuf ihn schöner und I prächtiger denn vorher, und der Hof sah aus, als sei er > für Zeit und Ewigkeit gebaut. Die Jnnkähne fuhren wei- I ter die Güter des Südens, und seine Rosse zogen die ! leeren Plätten wieder den Strom herauf. Und nur weniger ! Jahre hätte es bedurft, dann wäre der Ellander wieder f gestanden wie einst. L SSL LZ « «'S ME L.LSS