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6) 3 2 L r^ i Llntechaltungsbeisage M zum Hohensiein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger cr^L VÄ»s»<L«- -«V» 10. Fortsetzung Ein leichtes Leben hat Frau Erika nicht, wird es auch » in Zukunft nicht haben, mag es nun werden mit Curt, wie I es will. Aber meistern wird sie das Leben, dessen ist er I gewiß. „Curt ist ein slotter Bursche gewesen, ich ein armer, ; unbeholfener Gesell. Aber nie har er mich fühlen lassen, ! daß ich ihm lästig war, immer war er behilflich, daß ich I auch zurecht kam." Er erzählt noch lange so weiter, es I sind meist kleine Dinge, wie sie der Alltag bringt. Aber ! gerade die Dinge des Alltags sind maßgebend, Curt hat ! sich immer als guter Kamerad erwiesen. Es sind Stunden vergangen, seit Erika in die Boden- > kammer gekommen ist, höchste Zeit, sich um ihren Betrieb » zu kümmern. Als sie sich verabschiedet, freut sie sich bereits ! auf die neue Sitzung. Ein sympathischer Mann, der Ma ler, kein Wunder, daß Georg so an ihm hängt. „Wollen Sie nicht ansehen, was bisher entstanden ; ist?" fragt Heidenreich. „Aber natürlich, gern!" und Erika tritt vor die Staffe- I lei. Steht ganz still und kann nichts sagen. Während sie > glaubte, daß der Maler gleich ihr den Morgen sozusagen i vertrödelte, hat er rastlos gearbeitet, hat etwas geleistet, i Sie kann nicht begreifen, wie dieses so ohne jede sichtbare s Anstrengung geglückt ist — er hat sie doch die ganze Zeit > noch unterhalten! „Sie sind ja ein ganz großer Künstler!" sagt Erika I nach einer langen Weile und reicht dem Maler die Hand. ! „Wenn ich durch meine bloße Gegenwart dazu beitragen kann, daß dieses Bild Ihr Meisterwerk wird, dann soll es » mich von Herzen freuen." Waldemar zieht die Hand an die Lippen: „Wenn ich I immer bei Ihnen sein könnte, Frau Erika, dann würde ! wohl wirklich noch einmal etwas aus mir werden." Erika versteht den tieferen Sinn nicht, und ihre Ant- I wort enttäuscht den Mann ungemein: „Bleiben Sie doch, j solange es Ihnen Spaß macht, Herr Heidenreich. Ich will j es Ihnen so bequem wie möglich machen, und Sie sollen i Ihre Mitmenschen nur zu Gesicht bekommen, wenn Sie es ! wollen. Ich freue mich ja so unendlich für Sie und mit i Ihnen. Ich halte noch nie das Glück, einen wirklichen i Künstler zu beherbergen, und ich habe doch so große Ehr- i furcht vor der Kunst. Was wäre das Leben ohne sie! l Wenn man keine Bücher lesen, keine Musik hören, leiste » Bilder ansehcn könnte." „Wenn Sie so denken, sind Sie ja selbst ein halber I Künstler, ein Verstehender! Die sind so selten, wie die I Künstler auch. Was sollte aber aus uns werden, gäbe es ; nicht Menschen wie Sie!" „Wie ich? Ach, Sie übertreiben, Herr Heidenreich. I Was bin ich schon? Eine einfache Frau, die versucht, ihr l Brot zu verdienen und Jahr um Jahr in der Tretmühle ! geht! Eine Mutter, die versucht, aus ihren Söhnen wirk- k liche Menschen zu machen. Ein Mensch, der manchmal I einem anderen, der bei ihm einkehrt, über ein Leid hin- (Nachdruck verboten.) weghelfen kann nut einem guten Wort oder einem Rat. ; Das ist mein Leben, einfach und schlicht. Einmal, als ich jung war, konnte ich stundenlang da- I heim auf der Wiese liegen und in den blauen Himmel « starren. Meine Kameradinnen sprachen von der Liebe und ! davon, daß sie bald einen Mann finden wollten, um Kinder ' zu haben und einen Haushalt. Damals zog ich verächtlich I die Nase krumm vor solchen Plänen. Ich träumte davon, « etwas Außerordentliches zu werden. Was, das wußte ich ! nicht, und meine Wünsche wechselten immer wieder: k Sängerin werden und die Zuhörer erschüttern! Oder ein- I fach Geigerin, denn dieses Instrument liebe ich sehr, auch > heute noch, und ich bin froh, daß Gert die Neigung zum » Geigenspiel von mir geerbt hat. Und dann wollte ich ! Geschichten schreiben, Märchen am liebsten.... Aber alles l kam anders, als ich träumte." „Kam es wirklich so anders, als Sie träumten, Frau ' Erika? Verstehen Sie es nicht wie wenige Frauen, viel I zu sein und viel zu geben, ist das nicht eine außerordent- I liche Leistung? Ach, könnte ich doch einmal alles, was ich « tue, so ganz tun wie Sie!" I In der Küche und im Speisezimmer reißt Lie Wirk- > lichkeit Erika aus ihren Träumen. Ihr ist viel besser zu- > mute, als vor ein paar Stunden. Wenn wir so viel ; haben, daß wir abgebcn können, dann sind wir nicht arm, » und die junge Frau spürt plötzlich ihren ganzen Reichtum. I Gut, wenn Curt an ihr vorübergeht, ohne ihren Wert zu ! erkennen, mag er es tun. Es gibt noch Aufgaben in der ; Welt, und als eine schöne Aufgabe denkt sie es sich, einen « Mann wie den Maler Heidenreich in seinem Schaffen zu I fördern. Wenn es die große Liebe nicht sein kann, dann kann ; es das große Opfer sein. Einem Künstler die Sorgen des ' Alltags fernzuhalten, Verständnis für ihn haben, auch ein I schönes und lohnendes Lebensziel! Curt nennt Len l Freund einen haltlosen Kerl, der heute das will und mor- ! gen dies. Sie hält sich für stark genug, ihn von seiner ! Haltlosigkeit zu befreien. Sie steigert sich in Entsagung und Opfer hinein. Am liebsten begönne sie sogleich das neue Leben, in dem Curt » ausgeschaltet ist. Curt, der sein Glück im Gelde sucht, denn » anders kann sie sich seine Fahrt mit Regine nicht erklären. I Armer Curt, er wird es furchtbar bereuen. Und obwohl ! es fast Essenszeit ist, und die Gäste jederzeit eintreten j können, laufen die Hellen Tränen über ihre Wangen, wäh- i rend sie den Tisch deckt und zusieht, daß jeder das hat, I was er sich wünscht. * » I Curt verlebt indes durchaus keine schönen Tage, eb- I wohl er in der Sache Regine König offenbar Erfolg hat. s Der Wagen ist zur Stelle geschafft, die Bande hat ihn « kurz vor der Grenze einfach im Walde stehenlassen. Ol> » sie nun über die Grenze gekommen sind oder nicht, das I