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mehr al« treue Pflichterfüllung, mit welcher sie ihn um gab. Ein paar Stunden waren vergangen. Da ertönte der Ruf: „Die Russen kommen!" und schon waren sie da, die Erretter, und stürmten die Häuser, Quartier und Nahrung heischend. Schnell lief Frau Erbe zurück, galt e« doch, die bi« dahin glücklich geborgenen Kleinodien und da» Silberzeug vor den beutelustigen Russen, ebenso auch den armen Blessirten vor ihrer Rache zu schützen. In aller Eile hatte man den Schrank vor den Zugang zum Kämmerchen geschoben; aber was war sicher vor den Soldaten? Durchstöberten sie den Schrank, fanden sie auch die Thüre. Zu spät. Schon hatten sie das Versteck entdeckt und packten alles, was sie fanden, in ihre Tornister, indessen zwei andere ihre Tochter gegen die Wand drückten. Das war zu viel für die resolute Frau. Sie fühlte ihre Kräfte wachsen, wie in früheren Zeiten, und ehe sich die Russen besannen, hatte sie mit starken Armen die beiden zur Seite geschleudert und wollte sich nun an die übrigen machen, al« einige sich zur Thür hinausstehlen wollten. Da kamen sie aber an die Rechte. Mit gespreizten Armen stellte sie sich vor den Ausgang und fluchte und wetterte, wie in früheren Zeiten. „Werdet Ihr wohl die Sachen wieder heraur- geben, Himmeldonnerwetter, oder ich geh' zum Komman danten." Erschrocken stammelten die Soldaten, welche nur das Wort Kommandant verstanden: „Nix, 'naus, Mutter, nix Kommandant", und wollten abermals an ihr vorbei. Beinahe wäre die muthige Frau unterlegen. Da legte sich eine Hand auf ihre Schulter und eine längst verklungene Stimme fragte: „Kannst Du denn immer noch so fluchen, Mutter?" Hinter ihr stand der Herzog von Braunschweig-Oels, der als Offizier in den Reihen der Russen kämpfte und dereinst in friedlicheren Zeiten zu ihren Gästen gezählt hatte. „Ach, Hoheit, Ihre Leute mausen wie die Raben!" „Sollst alles wieder haben, dafür steh' ich." Und so geschähe. Jedes Stückchen mußten die kleinlaut gewordenen Leute heraus, geben. Aber auch der Franzose war gerettet, und als wieder etwas Ordnung eingezogen in die aufathmende Stadt, konnte der Genesene in die Heimath zurückkehren. Am anderen Tage war auch seine Pflegerin verschwunden. War sie ihm gefolgt? Gehört hat man nichts wieder von ihr. Dresden, 21. Oktober. Großes Aufsehen erregte hier der ganz unerwartet gekommene Concurs über das allgemein als Goldgrube gehaltene Etablissement „Stadt Pilsen", welches durch die Affaire Boden auch nach anderer Richtung hin s. Zt. sehr bekannt geworden ist. Die alte „Saazer Hopfenblülhe", die unter Petras und Boden in höchster Blüthe stand, war zu einem ungeheueren Preise verpachtet, so daß nunmehr der Krach hereinge brochen ist. Demselben Schicksal verfiel das inmitten der Stadt gelegene „Frankenbräu" aus denselben Ursachen. Andere Etablissements-Inhaber sahen sich genöthigt, zur Hebung des Verkehrs Musikcapellen zu engagiren. Die unverhältnißmäßig hohen Pachtforderungen stehen in keinem Verhältniß zu der gegenwärtigen schlimmen Geschäftslage. Leipzig, 19. Oktober. Ein Student der Theologie war wegen einer Verurtheilung zu 6 Wochen Haft von den preußischen Universitäten (auf einer solchen hatte er studirt), sowie von der Leipziger Hochschule ausge schlossen worden. Er studirte dann im Auslande und zuletzt in Heidelberg Medizin. Später wurde er auch, unter Außerachtlassung der betreffenden Verordnung, in Leipzig immatrikulirt und bestand im Juli 1897 die ärztliche Vorprüfung. Nun erst merkte man den Jrr- thum. Der Kandidat wurde auf Verfügung des Kultus ministers aus der Matrikel gestrichen und dies auf dem Zeugniß über die Vorprüfung bemerkt. Auch das Ab- gangszeugniß, welches besagte, der Inhaber habe sich während seines Aufenthaltes in Leipzig etwas Nach- theiliges nicht zu Schulden kommen lassen, enthielt diesen Vermerk. Hiergegen erhob der Kandidat Klage mit dem Anträge, festzustellen, daß seine Immatrikulation in Leipzig rechtsgiltig erfolgt sei, daß er die ärztliche Vorprüfung, den Gesetzen entsprechend, bestanden habe, daß die Streichung seines Namens in der Matrikel zu Unrecht erfolgt und er berechtigt sei, auch fernerhin an der Universität zu studiren und im Falle seines Ab ganges einwandfreies Zeugniß zu verlangen. Er be ansprucht die Ausstellung eines solchen über die Prüfung, sowie die Zahlung von 375 Mark nebst 4 Proz. Zinsen seit dem Tage der Klageerhebung. Auf den Ausgang der gegen die Universität Leipzig gerichteten Klage darf man gespannt sein. — Der Deutsche Patriotenbund zur Errichtung eines Völkerschlachtdenkmals hielt vorgestern seine Generalversammlung ab, in der u. a. beschlossen wurde, auch ferner an der Veranstaltung einer Lotterie zu Gunsten des Denkmals festzuhalten. Aus dem Jahres bericht ging hervor, daß die Sammlungen im letzten Jahre trotz der Opferfreudigkeit vieler Freunde, Vereine und Einzelpersonen nur langsam fortgeschritten sind. Als Kuriosum ist aus dem Jahresberichte zu erwähnen, daß die vom Vorstand des Vereins an 2000 Millionäre Deutschlands versandte Bitte um Beiträge für das nationale Werk nicht einmal soviel Erfolg gehabt hat, daß aus dem Ertrage die Kosten für Porto rc., die das Aussenden der Schreiben verursacht hat, gedeckt worden wären. Leipzig. In einer starkbesuchten Versammlung der hiesigen Stukkateurgehilsen kam der Unglücksfall im Palmengarten zur Sprache. Ein seiner Zeit beim Neu bau de« GesellschastShause« mit beschäftigt gewesener Gehilfe referirte und behauptete, daß er den früheren oder späteren Eintritt einer solchen Katastrophe voraus gesehen und vorausgesagt und mehrfach vor dem Be treten des Saale« gewarnt habe. Nicht die Stukkateure treffe die Schuld an dem Unglück, sondern die Thatsache daß die ausführende Firma den Untergrund für den eigentlichen Stuck nicht durch gelernte, sondern durch ungelernte Arbeiter, sog. Rabitzarbeiter, habe Herstellen lassen. In Folge davon sei die Arbeit durchaus mangelhast ausgefallen, und es hätten sich schon beim Auflegen des Stucks verschiedene Risse gezeigt, die man aber trotzdem nur oberflächlich verschmiert habe. In ähnlicher Weise, wie im Palmengarten, würden übrigens jetzt auch im ^entraltheater-Neubau solche Arbeiten aur- geführt. Ein weiterer Redner hob hervor, daß der artige Rabitzarbeilen noch in verschiedenen anderen städtischen und privaten Bauten anzutreffen seien, so namentlich auch im Saale eines sehr besuchten hiesigen größeren Etablissements, in dem schon beim Anbringen des Stuck» mehrere Quadratmeter in Folge fehlerhafter Rabitzarbeit heruntergefallen seien. Jeden Tag könne dort eine ähnliche Katastrophe eintreten. Da die Ver sammlung überzeugt war, daß die Stukkateure unver dient unter dem Eindruck des Palmengarten-Unglücks zu leiden hätten, beschloß sie die Einsetzung einer Kom mission, die um Zuziehung zu den weiteren Untersuch ungen der Ursachen des Falles beim Baupolizeiamt nachsuchen soll, damit die Untersuchung nicht nur auf äußeres Klopfen beschränkt bleibe, sondern der ganze Fehlboden entfernt werde. Ferner wurde beschlossen, in der Tagespresse auf die fehlerhaften ähnlichen Ar beiten in anderen Lokalen aufmerksam zu machem, um weiteren Katastrophen vorzubeugen. Chemnitz, 21. Okt. Am heutigen Tage hatten sich gegen 300 Geistliche aus Sachsen im „Kaufmännischen Vereinshause" zu Chemnitz eingefunden, um Stellung in der Angelegenheit des Pfarrvereins für das König reich Sachsen zu nehmen. Es handelte sich dabei um eine Korrektur bez. Durchberathung der jetzigen Statuten, sowie um die Frage der Vorstandswahl. Zu dem ersteren Punkt wurde beschlossen, von der Gründung eines wirthschaftlichen Verbandes im Interesse des Mittelstandes abzusehen. — Bei der sächsischen Webstuhlfabrik in Chemnitz ist der Gewinn im abgelaufenen Geschäftsjahre im Ver gleiche mit dem Vorjahre ganz erheblich zurückgegangen. Es wurden netto verdient nur 17,570 Mark gegen 553,619 Mark im Vorjahre. Dabei sind diesmal zu Abschreibungen nur 150 000 Mark gegen 180 000 Mk. im Vorjahre verwandt worden. Eine Dividende wird nicht vertheilt. Zwickau, 21. Okt. Wie da« „Zwickauer Tageblatt" erfährt, werden demnächst mehrere Bergingenieure aus Paris, die auf einer Studienreise in Deutschland sich befinden, auch dem Zwickauer Steinkohlenrevier einen Besuch abstatlen, um sich die hiesigen Steinkohlenberg werke und größere Förderanlagen aus tieferen Schächten anzusehen. Zwickau. Ein hübschesVersehen,das Hunderttausende kosten kann, ist dem Zwickauer Stadtsteueramt unterge laufen. Die Stadt hatte Widerspruch gegen die Erbauung einer Lutherkirche für 527 000 Mk. erhoben, weil die Steuerlast für die Stadt zu drückend würde. Die Kreishauptmannschast fand diesen Einwand für unbeachtlich. Die Entwürfe zur Lutherkirche gingen daher wieder an den Rath zurück, wobei sich der Roth jedoch nicht beruhigte, da sich herausstellte, daß die Abweisung des Einspruches durch eine irrthümliche Angabe des Stadtsteueramtes verursacht worden war. Dec betreffende Beamte hatte nämlich die Höhe der städtischen Anlage nicht weniger als etwa 50 Prozent zu niedrig angegeben. Der Nath hat nunmehr unter Zustimmung der Stadtverordneten diesen Fehler berichtigt und das Aklenmaterial dem Landeskonsistorium zur nochmaligen Prüfung zurückgegeben, gleichzeitig aber beschlossen, für den Fall, daß eine solche abgelehnt wird, schon jetzt Rekurs zu erheben. Die Steuerbuchhalterei aber erhielt für ih»' Versehen, das unter Umständen der Stadt sehr theuer zu stehen «mimen kann, eine ernste Verwarnung. — Die Freiw. Feuerwehr in Zwickau feiert nächstes Jahr ihr 50jähriges Jubiläum. Die Stadt bewilligte für die festlichen Veranstaltungen 3000 Mark. Waldenburg, 21. Okt. In einem Hause in Alt- stadtwaldenburg erschien gestern Vormittag gegen 11 Uhr eine fremde Frauensperson und legte unter dem Vorgeben, gleich wiederkommen zu wollen, ein kleines Kind im Wickelbettchen nieder. Auf ihr Wiederkommen wartete man jedoch vergeblich; sie soll sich in der Richt ung nach Wolkenburg zu entfernt haben. Burgstädt, 19. Oktober, Der im 68. Lebensjahre stehende Dachdecker Gottlob Schmiedgen stürzte heule Sonnabend früh, kurz nachdem er seine Arbeiten be gonnen hatte, vom Kundeschen Hause in der Friedrich straße ab und erlitt dabei so schwere Verletzungen, daß alsbald der Tod eintrat. Der Absturz des Beoauerns- werthen soll infolge Bruchs einer angelegten Leiter er folgt sein. Erdmannsdorf, 21. Okt. Heute früh '/,2 Uhr brach im Hintergebäude der Brauerei zu Erdmannsdorf (Besitzerin die Rittergutsherrschaft daselbst, Pächter Herr Bönitz) ein Schadenfeuer aus, das sich auch schnell auf das Vordergebäude fortpflanzte, sodaß vom Vordergebäude der rechte Theil in Trümmern liegt, während der linke Theil noch etwas bewohnbar sein wird. Verbrannt sind auch größere Bestände an Hopfen und Malz. — Vor einiger Zeit ist in Miltitz-Roitzschen ein bemerkenSwerther Vergiftungsfall vorgekommen. Der 11jährige Sohu eines Gutsbesitzer« in Roitzschen hatte eine große Menge Pflaumenkerne zerklopft und die inneren kleinen Kerne gegessen. Da diese Kerne bekanntlich Blausäure enthalten, so ist der Knabe nach kurzem Kampfe unter den üblichen Vergiftungserscheinungen gestorben. Blasewitz, 18. Oktober. Am Mittwoch ist Herr Schade van Westrum, auf den am 3. d. M. in dem au« Westfalen nach Kassel bestimmten Schnellzuge ein Mordversuch auSgeü'ot wurde, und der sich im Kasseler Krankenhause zur ärztlichen Behandlung befand, wieder nach Blasewitz zurückgekehrt. Die Kugel, die ihm ober halb der rechten Schläfe in den Kopf eingedrungen war, wurde glücklich entfernt. Den Schuß hatte Herr Schade im Schlafe erhalten, und sich nach dem Erwachen auf den Attentäter gestürzt und diesen festgehalten. Auf dem Kasseler Bahnhofe war man anfangs geneigt, Herrn Schade für den Angreifer zu halten, umsomehr als der Attentäter dies dem Stationsbeamten glaubhaft zu machen versuchte. Mitte November wird sich der Verbrecher vor dem Schwurgericht Kassel zu verantworten haben. Annaberg, 21. Okt. In der Nacht zum Montag brannte in Königswalde die erst kürzlich neu erbauten Wirthschastsgebäude des Gutsbesitzers Albert Meyer voll ständig nieder. Bei dem herrschenden Sturm mußte sich die Feuerwehr darauf beschränken, die umliegenden Güter zu schützen. Fast sämmtliches Mobiliar, sowie die ganzen Erntevorräthe sind dem Feuer zum Opfer gefallen. Falkenstein, 21. Oktober. Die Kunde von einem Mordversuche durchlief in den gestrigen Nachmittagstunden unsere Stadt. Im nahen Ortstheile Hanneloh hatte der 49 Jahre alte Handarbeiter Eduard Hutschenreuther nach einem voraufgegangenen Streite mit seiner um 2 Jahre jüngeren Schwägerin dieselbe mit einem Beile überfallen und derart über den Kopf geschlagen, daß ihr die Schädel decke zertrümmert wurde und sie zu Boden stürzte. Zwei weiter« Schläge mit dem Rücken des Beiles trafen den Rücken der Unglücklichen. Nur einer plötzlichen Wendung beim ersten Schlag ist es zu danken, daß die Frau, welche schwer verletzt wurde, nicht sofort todt war. Der Thäter ist seitdem verschwunden. Ob er flüchtig ist oder sich ein Leid angcthan hat, ist noch nicht bekannt. Vermischtes. * In der Reichshauptstadt ist seit einigen Tagen Sc. Hoheit der Herzog Ernst von Sachsen-Altenburg eingetroffen, um sich in der Medicinischen Lichtheilanstalt „Rothes Kreuz" einer Kur zu unterziehen. Der hohe Herr hat schon im vorigen Jahre daS genannte Institut aufgesucht und ist von dem Erfolge der Kur dermaßen befriedigt gewesen, daß dem Chefarzte der Anstalt eine hohe Ocdensauszeichnung verliehen wurde. Die Medici- nische Lichtheilanstalt „Rothes Kreuz" hat sich bereits einen Weltruf erworben und wird von hohen und den höchsten Herrschaften fortlaufend besucht, ein Zeichen, daß die dort ausgeübte Lichttherapie die besten Erfolge zeitigt. Die Elektrizitäts-Gesellschaft „Sanitas" in Berlin fertigt nach ihren Patenten die diesbezüglichen Apparate an. * Eine muthigc That hat in Stuttgart ein tief trauriges Ende gefunden. Erne junge Dame, Fräulein Anna Bachner, eine gebürtige Tübingerin, kam bei einem Gange über die Königstraße gerade dazu, wie ein kleiner Knabe Gefahr lief, von einem schnell daherfahrenden Wagen überfahren.zu werden. Von allen Umstehenden hatte sie allein den Muth, einzugreifen. Sie sprang schnell entschlossen hinzu und riß den Knaben weg, der mit einigen unbedeutenden Schürfungen davon kam. Dagegen kam sie selbst zu Fall und erlitt schwere Verwundungen. Bald darauf ist die muthige Lebens retterin nun an ihren Verletzungen gestorben. * Der verschenkte Treffer. Ein den besseren Ständen angehörender Stammgast eines Restaurants in Osnabrück schenkte vor einigen Wochen in der Wein laune dem ihn bedienenden Kellner ein Loos einer Wohlthätigkeitslotterie. Der Tag der Ziehung kam, und auf das Loos fiel ein Treffer von 12 000 Mk. Diesmal hatte Fortuna den Richtigen gefunden, denn der so unverhofft in den Besitz eines kleinen Vermögens gelangte Kellner wird als ein sehr braver und ordent licher Mann geschildert, der bisher von seinem Verdienst seine Mutter und Geschwister unterstützte. Der junge Mann wollte anfangs den Gewinn mit dem Schenker lheilen; da dieser aber nichts annahm, wandteereinen erheblichen Theil des Geldes den Armen der Stadt zu. * Der Hund im Geldschranke. Bei der Deutschen Reichsbank erschien, wie aus Berlin mitgetheilt wird, dieser Tage ein Kaufmann aus Landsberg, welcher die zerfetzten Neste von 10000 Mark Neichsbanknoten vor wies und dafür Ersatz wünschte. Dieser konnte ihm ge währt werden, weil die Nummern und sonst erforder lichen Merkmale der Nolen noch vorhanden waren. Ein kleiner Hund des Kaufmannes mar aus Versehen in den eisernen Geldschrank eingesperrl worden, der, weil der Geschäftsinhaber auf acht Tage verreiste, während dieser