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^tun und kaffen kann. Else ist ein viel zu vernünftiger » Kerl, um von solchen Kleinigkeiten Aufhebens zu machen." „Da bin ich ganz anderer Meinung." „Und wenn schon", antwortete Georg grob. „Hier I kommt's doch wohl auf mich an. Wem das nicht paßt, ; der soll's bleiben lasten." Mürrisch folgte er Friedl, aber » vor dem Atelier blieb er stehen und sah ihn forschend an. I „Wirst du Else was von der Geschichte erzählen?" „Kein Wort", versicherte Friedl. „Aber schön finde ich ' es nicht von dir, Georg." „Ich auch nicht", grinste Georg. „Aber was sein t muß, muß sein." Und dann ging er schnell zu den I Apparaten. Immerhin wurde Friedl jedesmal verlegen, wenn er ? in die Kantine kam und Else allein aus ihrem Platz saß. I Gewöhnlich steckte er die Nase in den Speisezettel, um I darüber hinwegzukommen. Aber eines Tages nahm sie ; ihm das Papier aus der Hand und sah ihn lächelnd an. „Du brauchst gar nicht so komisch zu sein, Friedl", I sagte sie, „sieh mal, er ist doch ein Mann." „Von wem sprichst du eigentlich?" fragte er un- I schuldsvoll. „Du bist ein guter Junge", antwortete sie und drückte ! ihm die Hand. „Da kommt auch schon Stups." Diese war I ein seltener Gast geworden. Aber wenn Isa ins Atelier i fuhr, kam sie regelmäßig mit und erschien in der Kantine, ? um ihren Friedl zu sehen. Eines Tages war ihr auf dem Wege Herr Egon I Schulte begegnet und hatte sie angehalten. „Sie sind ja s völlig unsichtbar geworden", sagte er vorwurfsvoll. „War- ? um kommen Sie nicht einmal ins Kasino?" „Ich esse mit meinem Verlobten in der Kantine", I antwortete sie und sah ihn scharf an. „Auf Wiedersehen!" I Er hatte das Monokel aus dem Auge genommen und » sah sie mit offenem Mund an. „Verzeihung! Davon hatte ich I tatsächlich keine Ahnung!" Er blickte ihr kopfschüttelnd I nach, denn es ging dem überheblichen jungen Herrn nicht ; in den Kops hinein, daß dieses kokett angezogcne, pikante ' junge Mädchen einen Verlobten hatte, der in der Kantine I sein Essen einnahm. Immerhin hatte er die Tatsache zur I Kenntnis genommen, und wenn er Stups traf, begnügte i er sich mit einem kleinen Seufzer und einer überaus » korrekten Verbeugung. Und dann bekam er einen Auf- I trag, einen Reklamesilm zu drehen, und verlor Stups I völlig aus den Augen, bis sie eines Tages lachend in der ; Ateliertür stand. Es war das kleinste und das älteste unter den Ateliers l der Gloria, und die beiden Darsteller, die Egon Wilhelm I Schultes Ensemble bildeten, gehörten auch nicht zu den I großen Stars. Aber immerhin, während seines Films ' war er der Herr seines Ateliers und konnte es sich ge- I statten, Stups mit einer Grandezza zu empfangen, als I wenn er den Weltschlager der Gloria zu inszenieren hätte. I Er übersah ihr ironisches Lächeln vollkommen; denn sie » wußte schließlich, wie ein großer Film aussah, und er I hatte nicht ihre Vergleichsmöglichkeiten. Sie verschwand I auch sehr schnell wieder, nachdem sie ihm versprochen I hatte, gelegentlich einmal ins Kasino zum Essen zu » kommen. Lachend erzählte sie Friedl von ihrer neuen I Bekanntschaft. Es war aus alle Fälle bester, daß es Friedl I von ihr erfuhr, statt daß es ihm von guten Freunden i zugetragen wurde. Friedl lachte herzlich mit und sand es ' ganz in der Ordnung, daß sie mit dem eingebildeten I Lassen ihren Ulk trieb. Eines Abends, als sie in der I kleinen Konditorei saßen, wo sie sich seit dem Anfang i ihrer Bekanntschaft zu treffen pflegten, fragte sie Friedl » schüchtern, ob sie ihn wohl abhören möchte. Erst verstand I ihn Stups nicht, aber als er ihr mit geheimnisvollem I Flüstern offenbarte, daß der Hosrat demnächst mit der I Probe zu den „Räubern" beginnen würde, horchte sie ' interessiert auf. „Es ist natürlich kein richtiges Theater", sagte Friedl I entschuldigend, „ich bin neulich mal draußen am Gesund- I brunnen gewesen. Eigentlich mehr ein Vereinssaal." „Du spielst wirklich mit?" „Ich spiele die Hauptrolle", trumpfte er mit rotem I Kopf auf. „Der Hofrat ist überzeugt, daß ich einen riesigen I Erfolg haben werde, bloß das Auswendiglernen fällt mir ' so schwer", sagte er bekümmert und sah sie bittend an. I ,Hch mutz mich so ost überhören lassen." „Sie streichelte seine Hand und ließ sich das zcr- j lcsene Räuberbuch geben. Sooft sie sich jetzt in der kleinen . Konditorei trafen, klappte sie das Buch auf und verfolgte I Wort für Wort, was Friedl mit unterdrückter Begeiste- I rung heruntermurmelte. Im Anfang machte es ihr viel Vergnügen. Aber all- ; mählich kannte sie die Rolle fast auswendig, und es er- » müdete sie schrecklich, immer wieder dieselben Tiraden zu I hören. Als sie eines Vormittags aus der Garderobe trat, I kam ihr Egon Wilhelm Schulte zufällig entgegen. Er ; hatte eine halbe Stunde im Gang gewartet, um sie ab- - zufangen. „Wie kommen Sie hierher, Herr Schulte?" fragte I sie überrascht, nachdem sie sich begrützt hatten. ! „Ich war in der Requisitenkammer. Scheußliche Hitze ! heul'. Ende September könnte die Sonne doch wirklich I vernünftiger geworden sein, meinen Sie nicht, Gnädigste?" Er lüstete sein Jackett und ließ sein blütenweißes Seiden- » Hemd sehen, das durch eine kleine, rotpunktierte Krawatte » pointiert wurde. Stups hatte ein Gefühl für solche Feinheiten und . antwortete wohlwollend: „Es ist wirklich sehr heiß, Herr ; Schulte." „Im Kasino haben wir uns jetzt einen Dachgarten > eingerichtet", erzählte er und klemmte sein Monokel sester. » „Es ist wirklich unglaublich traurig, daß Sie nicht einmal ! zum Essen kommen." Sie wollte mit einem bedauernden I Lächeln ablehnen, da stand plötzlich die verrauchte Kantine ß vor ihr, und dann sah sie Georg mit seinen großen » Händen und Else mit ihrem Duldergesicht — sie sah sich ! vorsichtig um und sagte halblaut: „Ich komme vielleicht I mal vorbei, Herr Schulte. So ums eins." Sie huschte j schnell davon. Um ein Uhr stand sie vor dem Spiegel und zog die ' Lippen nach, ehe sie sich in das Kasino begab. Schulte kam I ihr mit strahlendem Gesicht entgegen und führte sie auf I den Dachgarten. Stups dachte mit Herzklopfen an Friedl, ! aber Schulte sprudelte von Komplimenten über und bc- ? handelte sie wie eine große Dame. Es war alles ein I bißchen übertrieben und alles ein bißchen romanhaft, was I er tat, aber für so seine Unterschiede hatte Stups kein ; Organ. Sie saß etwas geziert in ihrem Sessel und hörte ihm I holdselig lächelnd, zu. „Was machen Sie eigentlich am > Abend?" fragte Schulte beiläufig. „Ich glaube, ich habe Ihnen bereits mitgeteilt, daß ich ! verlobt bin", antwortete sie spitz. Er hüstelte ein wenig. I „Aber das ist doch kein Grund, Gnädigste, nicht ein- mal mit einem guten Freunde ins Theater zu gehen. » Sehen Sie, ich zum Beispiel — ich bin heute ganz un- ! glücklich. Da hat mir die Direktion der Staatsoper zwei I Karten geschickt — was fange ich nun mit der zweiten > Karte an?" Er wich insofern ein wenig von der Wahr- » heil ab, als er die Karten für schweres Geld an der ! Theaterkasse gekauft hatte. „Sie werden schon wissen, mit wem Sie in die Oper ! gehen", antwortete Stups geziert. „Mir können Sie so ; etwas nicht erzählen." „Ehrenwort!" rief er beteuernd. „Keine Ahnung, I was ich machen soll. Man kann doch nicht mit all und ' jedem in die Oper gehen, wo einen ein jeder kennt." Das I war ein Schutz ins Schwarze, und Stups sah ihn unent- I schlossen an. „Vielleicht könnte ich mich frei machen", sagte sie - zögernd, „natürlich mützte ich erst mit meinem Verlobten ! sprechen. Das ist doch Wohl selbstverständlich, Herr I Schulte." „Bitte sehr, Gnädigste. Das müssen Sie doch am ; besten wissen." „Aber, das sage ich Ihnen gleich, Herr Schulte, I machen Sie sich keine Hoffnungen! Ich betrachte Sie als I einen guten Freund — und damit basta. Haben Sie ver- ; standen?" „Ehrenwort", beeilte er sich zu antworten und streckte I ihr die Hand entgegen. „Selbstverständlich, bin doch I bestens im Bilde!" ! lFortsetzung folgt.)