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wirthschaftltche Depression gebe den Produktivständen ernstliche Nachtheils zu überwinden, wobei auch alle Die jenigen mitbetroffen werden, deren Arbeitsgelegenheit und Verdienst von der Produktion abhüngt. Die konser vative Fraktion stelle deshalb an die Spitze, daß dort, wo sich in dem nothwendiger Weise zur Anwendung kommenden Schematismus Härten zeigen werden, wenn möglich auf gesetzgeberischem Wege auch da» Mittel der Abhilfe durch individuelle Ermäßigungen mehr al« seither gewährt werde. Trotz dem Ernste der Lage und der Zett sei die konservative Fraktion in Uebereinstimmung mit der Regierung der Ansicht, daß das Gleichgewicht des Staatshaushalt« dauernd nur im Wege der Steuer, reform herzustellen sei, und er und seine politischen Freunde seien der Meinung, daß die« in erster Linie vorwiegend durch eine Abänderung der Einkommensteuer erreicht werden müsse. Heiner seien sie geneigt, in eine ernste Berathung über die Vermögenssteuer in fördern dem Sinne einzutreten. Die konservative Fraktion er kenne gern an, daß die Regierung bezüglich der Ab minderung der Einkommensteuer den von der Kammer früher gestellten Anträgen gefolgt sei. Dagegen könne sie nicht gutheißen, daß in dem Dekret eine Freilassung von der schärferen Heranziehung nur für die vier untersten Steuerklaffen vorbehalten sei, denn damit werde da«, was die konservative Fraktion von jeher angestrebt habe, nicht getroffen. Bezüglich der Aufbringung der Mittel vor Inkrafttreten der Steuerreform erklärt Redner das - Einverständniß der Fraktion, diese durch Zuschläge zur Einkommensteuer im Rahmen der jetzigen Skala auf bringen zu lasten, doch sei auf eine möglichste Ver minderung diese« Zuschlags hinzustreben. Der Zuschlag könne nur al« Nothbehelf gelten, der höchstens ein Mal zur Anwendung gelangen möchte. In diesen Punkten sei fast völlige Uebereinstimmung in der Fraktion vor» Händen. Schließlich beantragt Redner zur weiteren Be» rathung der Vorlage die Einsetzung einer außerordent lichen Deputation von 15 Mitgliedern. Dieser Antrag wird gegen die Stimme des Abg. Dr. Schill-Le pzig an genommen. St. Egidien, 20. November. Gestern wurde die 52jährige Frau des Webers Christian Edm. Künzel hier verhaftet, dessen Wohnhaus bekanntlich am 3. Sept, d. I. völlig niederbrannte. Auf die Frau Künzel ist jetzt der Verdacht der vorsätzlichen Brandstiftung ge fallen. Mülsen Et. Jacob. Seit 20 Jahren besteht hier eine Vereinigung, welche sich die Vertretung der Eisen bahninteressen der Mülsengrundorte zur Aufgabe ge macht hat. Jetzt hat diese Vereinigung wieder Schritte gethan zur Fortsetzung der Mülsengrundbahn von Ort mannsdorf bisZschocken und Anschluß an die Bahnlinie Zwickau-Schwarzenberg bei Station Wiesenburg. — Hinter bedeutende Diebstähle, die zum Nachtheile der Inhaber der Firma Mahla u. Gräser in Remse verübt worden sind, ist man dieser Tage durch eine Haussuchung gekommen. Als Dieb kommt ein bei der Firma beschäftigter und in Remse wohnender Arbeiter in Frage, der schon seit längerer Zeit aus den Geschäfts räumen Kupfer, Bronze und Blei im Werthe von etlichen hundert Mark entwendet hat. DaS gestohlene Gut brachte er bei einem Glauchauer Althändler unter, der sich nunmehr wegen Hehlerei zu verantworten haben dürfte. Dresden. Ein bedeutender Einbruchsdiebstahl ist in der Sonntagsnacht bei dem hiesigen Fabrikanten Jnderau auf der Blasewitzer Straße verübt worden. Den Dieben, von denen bis jetzt jede Spur fehlt, fielen 14 000 Mk. in baar und 3 000 Mk. in Papieren in die Hände. — Der Fabrikbesitzer Friedrich Paul Hänel, In haber der Firma Franz Hermann Löbel auf der Hertel- straße in Dresden, welcher während der letzten Jahre in seiner Fabrik bei Herstellung von sogenanntem Him- beersyrup giftfreien Theefarbestoff und Stärkesyrup ver wendete, um rothe Färbung und Dickflüssigkeit zu er- zielen, sowie bei Herstellung von Himbeer-Brauselimo- nadensyrup Weinsäure und künstliche Farbstoffe ver wendete, wurde wegen Genußmittelfälschung zu 1000 Mark Geldstrafe verurtheilt. Leipzig. Der unter Mitnahme von 100,000 Mark flüchtig gewordene Bankier Blembel von hier hat einen Vorsprung vor mehreren Tagen, sodaß seine Festnahme äußerst schwierig werden dürfte. Bis jetzt fehlt jede Spur von dem Durchgänger. — Der Färbereiarbeiter Weber aus Harthau, der am Montag in der Schulze'schen Färberei in Chemnitz in eilten mit heißem Wasser gefüllten Bottich gestürzt war, ist in der Nacht zum Mittwoch seinen schweren Betletzutigen erlegen. Chemnitz. In der gestern abgehaltenen General- versämMüttg der Aktien-Lagerbier-Brauerei Schloßchem- nitz wurde die Vertheilungeiner Dividende von 18 Proz. beschlossen. — In Lebensgefahr brachte sich und einen Schaffner am Montag Abend ein polnischer Arbeiter, der mit einer größeren Anzahl von Landsleuten von Bayern kommend, den 5,46 von Zwickau nach Chemnitz ab gehenden Zyg benutzte. Als letzterer die Station Glauchau verlassen chatte, bemerkte der den Zug be gleitende Schaffner den Betreffenden, der betrunken war, auf der Plattform sitzend. Da er auf das Geheiß des Schaffners aufzustehen und in den Wagen zu gehen, sich weigerte, sich auch dagegen stemmte, als ihn dieser n die Höhe ziehen wollte, so hätte leicht ein Unglück geschehen können. Schließlich gelang es den Anstreng ungen des unerschrockenen Beamten, den Leichtsinngen auf die Beine und in den Wagen zurückzubringen. Da der Betrunkene bei diesem Kampfe auf dem kleinen Platz auch noch aus Leibeskräften schrie, wurden einige Passanten des anderen Wagens 4. Klasse Zeugen des aufregenden, bei voller Fahrt vor sich gehenden Vor falles, der leicht zwei Menschen das Leben kosten konnte. Die Nothleine wurde nicht gezogen, weil, als die anderen Passagiere den Vorgang bemerkten, die Gefahr vorüber zu sein schien. Ehrenfriedersdorf, 20. November. Zu der furcht baren Brandkatastrophe, über welche wir bereits berichtet haben, theilt das Wochenblatt noch folgendes mit: Der am schwersten verbrannte 6jährige Knabe Barthel ist im Krankenhause von seinen schrecklichen Leiden durch den Tod erlöst worden. Somit hat das entsetzliche Brandunglück noch ein viertes Opfer gefordert. Der andere durch den Rauch schwer vergiftete 9jährige Knabe liegt noch besinnungslos im Krankenhaus und dürfte wohl auch kaum mit dem Leben davonkommen. Das zweijährige Kind befindet sich wieder wohlauf und soll von Verwandten in Pflege genommen werden. Auch der Vater, Alban Barthel, befindet sich besser. Ueber die Einzelheiten bei dem Brande erfahren wir noch folgendes: Zunächst ist die Ehefrau wach geworden und hat, den kolossalen Rauch wahrnehmend, ihren Mann mit dem Schrei „im Hause brennt es" geweckt. Während sich nun Barthel sofort nach der Hausflur begab, um die Thür zu öffnen, eilte die Frau in ein neben der Kammer gelegenes Zimmer, um hier eine verwahrte Summe von 300 Mk. zu retten. Dies sollte ihr nicht mehr gelingen. Von dem Rauch betäubt stürzte sie vor einem Koffer, dem Aufbewahrungsort des Geldes, besinnungslos nieder und wurde hier später entseelt aufgefunden. Auch Barthel, der jedoch noch lebend gerettet werden konnte, brach in der Hansflur besinnungslos zusammen, nachdem er noch den Seinen nach oben zugerufen hatte, sich durch die Fenster zu retten. Zu spät! Nur die zwei ältesten Kinder ver mochten noch dem Rufe zu folgen. Und von diesen wurde die erste Hilfe herbeigeholt. fVor Frost und Kälte zitternd erschienen die armen Wesen, wie sie das Bette verlassen mußten, vor den nächsten Thüren der mit ihnen isolirt liegenden Bewohner, weckten diese und baten um Hilse. Und sie alle kamen, um niit Einsetzung aller ihrer Kräfte sich an dem Rettungswerke zu be theiligen. Mit wahrer Todesverachtung arbeiteten einige, bis die letzten Personen aus dem brennenden Hause, aus dem diese nur durchs Fenster und auf der Leiter ins Freie gebracht werden konnten, geborgen waren, die Schwerverwundeten in dem Mayschen Gute, die Todten in der Ziegelmeister-Wohnung. Von dem Viehbestand konnte mit Ausnahme der verbrannten drei Schweine und einiger Hühner alles gerettet werden. Das in dem Koffer ausbewahrte Geld ist den Flammen ebenfalls zum Opfer gefallen, nur eine Kleinigkeit ge schmolzenen Silbergeldes wurde von unserer Wehr, außer der noch die Wehren von Riesa und Schönfeld am Brandplatz erschienen waren, im Laufe des Tages ge funden. Weithin bis nach Hermannsdorf ist der Feuer schein wahrnehmbar gewesen, auch der Thürmer der Stadtkirche von Annaberg meldete '/,5 Uhr früh den Brand. Mylau i. V, 2O.Nov. Auf bis jetzt unermittelte Weise war heute zum Bußtage abends 10 Uhr in dem Arbeits- und Lagerraums des in der Netzschkauerstraße gelegenen, Herrn Wetzel gehörigen Tambourirgeschäftes Feuer ausgebrochen. Der schnell herbeigeeilten Feuer wehr gelang es, dasselbe sobald zu löschen, daß sie an diesem Abende schon ^11 Uhr wieder abrücken konnte. Durch das massenhaft in den Brand geworfene Wasser sind die Tambourirmaschinen und die in diesem Raume befindlichen Waaren sehr beschädigt, sodaß hierdurch dem Besitzer ein verhältnißmäßig hoher Schaden er wächst, jedoch soll derselbe versichert haben. Herr Wetzel war an diesem Tag und Abende verreist. Zittau. Die Nothleine zog am Sonntag in dem in voller Fahrt von Zittau nach Reichenberg befindlichen vorletzten Zuge ein Reisender, ein Herr aus Reichen berg, weil er veranlassen wollte, daß das Abtheil besser erleuchtet wurde. De<Zug hielt sofort und erlitt durch den unfreiwilligen Aufenthalt eine Verspätung von 25 Minuten; er traf erst um 9,45 Uhr in Reichenberg ein, was vielen Reisenden um so fataler war, als der Anschlußzug nach Wien bereits 12 Minuten vorher abgefahren war. Der Urheber der Verspätung wird nun durch eine exemplarische Bestrafung „erleuchtet" werden. In Liebesketten. Novelle von Adolf Kahle-Berlin. 9. Fortsetzung. Der Spaziergang mit dem Baron allein würde ihr deshalb sehr erwünscht gewesen sein, da sie ihn für die günstigste Gelegenheit hielt, eine Erklärung herbeizu führen. Der Diener, den Frau von Bronikowski mit schicken wollte, legte ihr nun wieder unerwartet eine Gene auf, die ihr unangenehm war. Denyoch konnte sie die Begleitung desselben nicht zurückwsisen — sie fügte sich daher ins Unvermeidliche — hastig einen Spitzenshawl um die Schultern werfend, nahm sie den dargebotenen Arm des Barons und eilte dem schattigen Waldwege zu, der zur See führte. Der Weg war sehr anmuthig, von grünem Busch werk und hohen Eichen begrenzt, bildete er einen Laub gang, der so schattig und kühl war, daß der Baron hoch aufathmete und sich von einem angenehmen Behagen erfüllt fühlte. „Wie glücklich sind Sie," sagte Alice, zu ihm auf blickend, „daß Sie so nahe der See wohnen, wie oft sehne ich mich nach ihrem erfrischenden Anblick und kann der weiten Entfernung wegen nicht hingelangen." „Sie haben also eine große Vorliebe für die See, gnädiges Fräulein?" fragte der Baron. „Zweifelten Sie!" rief Alice lebhaft, „wer liebte das wunderbare Element nicht; bietet das Meer uns nicht das großartigste, wechselvollste Schauspiel, das die Erde gewähren kann! Selbst die Gebirge mit ihren schneebedeckten Gipfeln reichen nicht an seine einfache Großartigkeit; wenig gleich und doch ewig wechselnd immer dasselbe und doch täglich ein anderes, hat es stets neue Reize für mich. Und welch ein Bild des Lebens giebt es uns! Der Wechsel, den Sonnenschein und Sturm in ihm erzeugte, gleicht er nicht ganz den wechselvollen Schicksalen des Menschen, bald sonnig und heiler, von Licht und Glanz umstrahlt, bald schwarz und finster in furchtbarem Aufruhr, Vernichtung und Tod um sich verbreitend!" „Welch düsterer Gedanke, gnädiges Fräulein!" sagte der Baron und blickte ernst in die glänzenden Augen Alicens. „Ich dächte, Sie müßten so trüben Gedanken kaum Raum in Ihrem Innern gestatten, Ihnen müßte das Leben wie ein Heller, sonniger Früh lingstag erscheinen. Hat Sie Gott doch mit allen Gaben begnadigt, die zum Glück des Lebens gehören." Aice seufzte leicht auf. „Glauben Sie das? Herr Baron," sagte sie. „Was ist Glück? — Wenn man andere zu beglücken vermag." „Das können Sie, das werden Sie!" rief der Baron; er ergriff voll innerer Bewegung die kleine Hand, die auf seinem Arme lag, uud drückte sie an die Lippen. Alice blieb einen Augenblick stehen, ihre Augen leuchteten im vollen Glanz, und ein süßes, verlangendes Lächeln umspielte ihre Lippen. Der er sehnte Moment schien ihr gekommen, gespannt sah sie zu ihrem Begleiter auf. — Aber statt der erwarteten Erklärung wandte sich der Baron plötzlich ab und schritt, in tiefes Sinnen versinkend, schweigend weiter. Alice war blaß geworden, forschend blickte sie sich um, um eine Erklärung ^dieses seltsamen Betragens zu finden. Da sah sie den Diener in kurzer Entfernung, mit Tüchern und Regenschirmen bepackt, hastig ihnen nach'chreiten, augenscheinlich darauf bedacht, sie möglichst rasch ernzuholen, er hatte das Stehenbleiben des Fräuleins für einen Wink betrachtet, seine Schritte zu beeilen und glaubte, sie wünschte etwas von ihm. Alice, die nicht anders vermuthete, als sein Her ankommen hätte den Baron zu der so unerklärlichen Zurückhaltung bestimmt, warf ihm einen bösen, unwilligen Blick zu, als er nach den Wünschen des Fräuleins fragte und schritt ver stimmt und mißmuthig weiter. Sie hatte sich indessen geirrt. Nicht der Diener war zwischen sie und dem Baron getreten, sondern das Bild einer anderen Frau, deren blaue Auger, voll unergründ licher Tiefe ihm plötzlich aus dem Schatten des Waldes entgegen geleuchtet, Augen, die an Schöne und Tiefe des Ausdrucks selbst die glänzenden Augen Alicens überstrahlten. Schweigend schritten beide weiter, eS wollte keine Unterhaltung mehr in Gang kommen. Plötzlich standen sie mit dem Ausrufe der Ueber- raschung und Bewunderung still. Der Wald hatte aufgchört, das Meer lag vor ihnen, schwarz und dunkel, tosend und brausend. Schwere Wolkenmassen lagerten über ihm, aus denen in demselben Augenblicke, als der Baron und Alice aus dem Walde traten, ein greller Blitz zuckte, der die dicken Schaumkörnchen der dunklen, sich bäumenden Wellen mit grellem, gelben Lichte übergoß, um sie dann wieder in desto tiefere Dunkelheit sinken zu lassen. Ein furchtbarer Donner folgte dem Blitze und mischte sich mit dem Tosen der See, die an der hohen Düne hoch aufspritzte und, grollend über die ihr entgegentretenden Schranken, in wilder Wuth sich an denselben brach. Der Erdboden zitterte unter den Füßen des Barons und der jungen Dame, deren Antlitz bleich und entsetzt aussah; unwillkürlich schmiegte sie sich fester an ihren Begleiter, der sie besorgt anblickte. „Kehren wir um," sagte er leise, „Sie zittern, gnädige- Fräulein. Sehen Sie dort, wie der Sjurm überS Meer daherkommt, kehren wir um, ehe er gegen uns anprallt." In der That ein dumpfes Brausen vom Meere aus, daS immer mehr anwachsend Mit rasender Schnelligkeit näher kam; plötzlich hörte man einen pfeifenden Ton, ein Wirbelwind erhob sich und wühlte daS Wasser auf; Himmel und Meer wurden eine dunkle Masse, die .nur für Augenblicke.durch rysch hintereinander folgende Blitze avSeinandergerissen wurde. Das Könnern hörte Htum mehr auf und schon begannen einzelne schwere Regen tropfen .herabzufallen. Ker 'Stürm erfaßte haSlsichte Kleid de« schönen Mädchens ,und kaum verfnochje sie den .kleinen, runden Strohhut auf ihrem Haupte festzu halten.