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die Macht deS GesanqeS aufmerksam. Er begann mit einer Auswahl aus Opern und entzückte damit die Indianer so, daß sie seine Bande lockerten und ihn drängten fortzufahren. Allmählig schläferte seine Stimme einen nach dem anderen ein, sodaß er sich mit seinem Gefährten ruhigfortstehlen konnte. So wird wenigstens erzählt. Der bekannte Tenor Mario kam durch seine wunderbare Stimme einst in eine sehr mißliche Lage. Bei einer Reise durch Spanien fiel er mit seinen Freunden einer plündernden Zigeunerbande in die Hände. Auf die Bitte um Lösegeld antwortete er mit einem so schelmisch gesungenen, improvisirten Liede, daß er von den Zigeunern einstimmig — zum Hauptmann gewühlt wurde. Der Sänger ging diplomatisch darauf ein; es gelang ihm aber, am folgenden Tage mit seinen Freunden zu entfliehen. Ein anderes Mal wurde er in Madrid, als er spät aus dem Theater kam, von der Polizei, die ihn mit einem steckbrieflich verfolgten Politiker verwechselte, verhaftet. Er wurde trotz seiner Betheuerunqen vor den Polizeichef geführt, der ungläubig zu seinen Versicherungen lächelte. Aergerlich bat Mario, man möge seine Freunde davon benachrichtigen, aber der Beamte schüttelte den Kopf und bemerkte, daß, wenn er wirklich der große Tenor wäre, er mit seiner Stimme die Wahrheit seiner Worte beweisen könnte. Er that es und zehn Minuten später wurde er mit vielen Entschuldigungen und unter Verbeugungen hinausbegleitet. Als Mme. Grisi mit einigen anderen Damen nach Paris reiste, betrat unterwegs an einer kleinen Station ein Mann den Wagen, und es wurde aus seinen drohenden Geberden und seinem auffallenden Benehmen bald offenbar, daß man es mit einem gefährlichen Irren zu thun hatte. Allein die Grisi bewahrte ihre Geistes gegenwart und fing mit äußerster Fassung an zu singen. Sogleich war der Verrückte ruhig, denn seine ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf die prächtige Stimme und er blieb bis zur nächsten Station, wo er wieder festgenommen wurde, der verständnißinnigste Zuhörer. Ein lustige Geschichte wird von dem Bassisten Lablache erzählt. Eines Tages spazierte er ruhig über einen französischen Jahrmarkt, als plötzlich ern Schrei ertönte; ein Bär war aus der Menagerie entkommen. Die Menge entfloh nach allen Richtungen, nur der stark beleibte Sänger, der sich nicht schnell vorwärts bewegen konnte, stand bei der allgemeinen Bewegung unbewegt und erwartete die Ankunft des wilden Thieres, das sich ihm näherte. Einige Fuß vorher machte es halt. Da schritt Lablache vor und brüllte aus den Tiefen seiner breiten Brust so donnernd, daß das erschreckte Thier kehrt machte und davontrottete . . . * In der Tonne über die Niagarafälle ist, wie schon erwähnt, eine Frau gefahren und lebend hin durch gekommen! Ueber das Ereigniß, dar für die Amerikaner eine unerhörte Sensation war, läßt sich ein Londoner Blatt telegräphiren: Die Lehrerin Miß Anna Edson Taylor faßte den Entschluß, in einer Tonne über die Niagarafälle zu gelangen, um sich Geld zu ver- schaffen. Sie wollte sich eine Reklame sichern, die ihr in Singspielhallen Geld eintragen und ihr so über ihre finanziellen Schwierigkeiten Helsen sollte. Ihre Absicht war überall angekündigt worden, und als sie an den Fällen erschien, waren 30000 Leute anwesend, die sich alle darnach drängten, einen Blick auf die kühne Reisende zu werfen. Miß Taylor hatte vorher eine Probe ge macht. Sie steckte eine Katze in eine Tonne und schickte diese über die Fälle. Als man das Faß wieder bekam, zeigte es sich, daß das Kätzchen durch die Reise nicht gelitten hatte. Darauf entschloß sie sich, sich auch in die Canadischen Stromschnellen und die „Horseshoe Falls" zu stürzen. Da sie erwartete, daß die Tonne mehr als einmal mit den Felsen in heftige Berührung kommen würde, ließ sie das Innere durch Kiffen so weich als möglich auspolstern. Etwas vor 4 Uhr wurde sie in das Faß hineingesteckr, und nachdem sie mit Riemen an den Seiten befestigt war, gab sie das Zeichen es fahren zu lassen. Die Tonne schoß sogleich mit den strudelnden Wassern über die Stromschnellen, wo das Wasser über 30 englische Meilen in der Stunde rauscht. Es war eine Zeit angstvoller Erwartung für die Zu schauer, von denen viele sicher glaubten, daß die Tonne bei ihrer ersten Berührung mit den Felsen zerschellen würde. Bei Beginn der gefährlichen Reise ertönten laute Beifallsrufe, aber diese nahmen ab, als sich die Tonne den Fällen näherte. Die Tonne fiel in den kochenden Abgrund und wurde schnell durch die schäumen den Stromschnellen getragen, bis ruhigeres Wasser er reicht war. Dann wurde das Faß ausgefangen und hastig öffneten es die Leute, um sich über da« Schicksal der Frau zu vergewissern. Sie war am Leben. Nach dem das Obertheil der Tonne entfernt war, wehte sie mit der Hand. Aber sie befand sich durchaus nicht in einer bequemen Lage. Dar seltsame Fahrzeug war fast ganz mit Wasser gefüllt und al« sie herausgehoben wurde, schien sie mehr todt als lebendig. Aus einer Wunde am Hinterkopf floß Blut, und auch im Rücken hatte sie Verletzungen erlitten. Aber schlimmer al« das war die Erschütterung ihre« Nervensystem«. Nach einigen Minuten der Ruhe konnte sie sprechen. Nach ihrer Aussage muß sie 6 Mal auf den Felsen gestoßen sein. Auf die Frage, ob sie die Reise noch einmal unter nehmen wollte, antwortete sie, nicht« in der Welt würde sie wieder dazu bringen. Ihre Spekulation erfüllt sich aber schnell; Mehrere unternehmende Variölö-Agenten haben an sie telegraphirt und ihr für eine Tournöe durch die Vereinigten Staaten verlockende Anerbieten gemacht. H a «delS-Rachrichten. kvrUn, 4. November. (Wechsel-Cours). Saotc- vlsooot Mark Amsterdam « ST 168,80 G per 100 fl. d. 2M 167,50 G Brüssel und Antwerpen 3 8T 81,05 G pr. 100 Francs. 3M 80,30 G Italienische Plätze . 10 T 78,90 T pr. 100 Lire 2M — Schweiz. Pl. 100 Frc. 3'/,10T 80,90 G London 8 T 20,39 G pr. 1 Lstrl. 3 3M 20,22 G Madrid und Barcelona 5 "T — pr. 100 Pesetas ° 2M — Paris 3 «T 81,20 G pr 100 Franc 3M 80,50 G Petersburg 5'/, — pr. 100 Rubel ° "3M — Warschau 100 Rubel 5'/, 8 T — Wien . ST 85,20 G per 100 Kr. ö W. * 3M 84,30 G Reichsbank 4'/,, Lomb.-Z.-F. 5°/,. UairÄsbiirs, 4. Novbr. Kornzuckec cxcl. 88"/o Rendement 8,00 bis 8,10. Nachproducte excl. 75°/« Rendement 6,00 bis 6,35. Stimmung: Ruhig. Krystallzucker I mit Sack 27,85. Brodraffinade 1 ohne Faß 28,20. Gem. Raffinade mit Faß 27,95. Gem. Melis I mit Faß 27,45. Rohzucker 1. Product Transtto f. a. B. Hamburg per Novbr. 7,15 Gd., 7,20 Br., per Dez. 7,27'/, Gd., 7,32'/, Br., per Jan.-März 7,50 Gd., 7,55 Br., perMai 7,75 Gd., 7,77'/, Br., per Aug. 7,95 bez., 7,97'/, Br. Tendenz: Ruhig. llambnrx, 4. November. Weizen fest, Holsteiner loco 156—164, La Plata 123-130. Roggen ruhig, südruss. cif. Hamburg 100—104, do. loco 101 bis 109, Mecklenburgischer 135 bis 138. Mais fest, amerik. mixed. 132'/,. La Plata 108. Hafer fest, Gerste ruhig. Wetter: Bedeckt. kremen, 4. Nov. (Baumwolle). Tendenz: Fester. Upl. middl. loco 40 Pfg. Liverpool. 4. Novbr. (Baumwolle.) Muthmaßlicher Um satz: 6000 Ballen. Stimmung: Fester. Import: 15000 Ballen. Preise bis "/«, höher. Umsatz: 5 000 Ballen, davon für Speculation und Export 500 Ballen verkauft. Amerikaner fest, höher, Ostindische fest. Lieferungen: Sehr stetig. Novbr. 4"/«. Verkäufer, November-Dezbr. 4"/«, do., Januar- Februar 4°/o« do, März-April 4'/««—4°/,« Käufer Mai-Juni 4'/«. — 4°/,. do. Zahlungseinstellungen: Jos. Mönchs u. Sohn, Aachen. Bögel u. Co., Böblingen. Max Schulz, Forst. Peter Peltzer, Halle i. W. Heinr. Aug. Neuenhofen, Krefeld. Wilh. Schulze, Spremberg. Fein gesponnen oder Das Fastnachtsgehetmnitz. Criminal-Roman von Lawrence F. Lynch. — Deutsch von E. Kramer. 60. Fortsetzung. „Ah!" sagte Mr. Jermyn mit höflicher Theilnahme. „Und vom Fastnachlsabend." „Sehr interessanter Gegenstand." „Mr. Baring hatte während des letzten Carnevals dort zufällig Gelegenheit, einem Verhör beizuwohnen, da« an einen im „Hotel Victor" stattgefundenen Gift mord anknüpfte. Da« Opfer wurde als eine gewisse Bertha Warham identificirt, die mehrere Monate vor her au« ihrer Heimath verschwunden war." „Wirklich? Da« interessirt mich auch." „Später stellte sich aber, gleichviel wie, heraus, daß die Ermordete nicht Bertha Warham war. Sie war ein armes, hingeopfertes Weib, die unseligerweise Bertha Warham ähnlich sah." Ihr forschender Blick bemerkte eine Veränderung in seinem Gesicht — nicht Furcht, nicht Zorn — der Aus druck ließ sich schwer definiren; aber er entging ihr nicht und es durchzuckte sie wie ein Triumphgefühl — end lich, zum ersten Male — halte sie Macht über ihn. „Der Name der ermordeten Frau," fuhr sie, jedes Wort scharf betonend, fort, „war Ellen Jermyngham- Jermyn." „Genau das wirkungsvolle Finale, das ich ver- muthete. Und nun findest Du es besonders seit der Bekanntschaft mit Mr. Jermyngham unangehm, die Frau eines Meuchelmörders zu sein. Willst mir vor reden, Du wärest so blind gewesen, wie Du mich gern glauben machen wolltest? Du, die Kluge, Gewandte," höhnte er. „Gewandt, klug! Ja, das bin ich gewesen! Weißt Du, was ich thun werde, Gistmörder? Ich werde die Thüren öffnen und die Polizei herbeirufen und ihr zu schreien : Dieser Mann ist ein Mörder, verhaftet ihn!" Er lachte laut. „Thu's nur," erwiderte er, „und wenn sie kommen, werde ich sagen; Meine Herren, meine arme Frau ist verrückt; sie hat schon in den vergangenen Monaten mehrere Anfälle von Geistesstörung gehabt. Ich werde Ihnen da« ärztliche Attest darüber zeigen. In letzter Zeit schien sie wieder völlig gesund zu sein, allein ich wußte, daß ich /auf eine schlimme Aenderung gefaßt sein mußte. Da Sie gerade hier sind, meine Herren, so darf ich Sie bitten, mir bei ihrem Transport nach dem Irrenhaus behilflich zu sein. Und dann werde ich ihnen daS Attest vorlegen, das ich mir schon aus New- Orleans mitgebracht habe." „Versuche eS!" rief sie außer sich und war im nächsten Augenblick an der Thür, die sie rasch aufriß. Sofort traten zwei Personen in daS Zimmer — Stein hoff und Carnow. Steinhoff sah blaß und düster auS, aber Carnow postirte sich mit einem Jubellaut dem blonden Mann gegenüber und grüßte spöttisch: „Nummer 46! Heil! Ich wußte, daß wir einander wieder begegnen würden." Mr. Jermyn wurde noch einen Schatten bleicher, seine Lider senkten sich und verbargen für einen Moment die stahlblauen Augen, die aristokratisch geformten Hände schlossen sich krampfhaft, aber im Nu war es vorüber und seine Stimme klang ruhig wie immer, als er sagte: „Jermyngham, haben Sie die Güte, mir diesen Herrn vorzustellen." „Sie können mich Steinhoff nennen," entgegnete der Angeredete kurz, „so heiße ich." „O," bemerkte Jermyn und ließ sein kaltes Auge von einem zum Andern wandern, „das ist complicirter, als ich dachte." Und sein Blick spricht deutlicher als Worte. „Mein Freund hier ist der Detectiv Rufus Carnow — wie ich höre, kennen sie sich von früher. Ich will Sie indessen Mr. Carnow vorstellen, wenn Sie mir sagen, welchem Ihrer Namen Sie den Vorzug geben — Hartwell, Edwards, Perci Jermyn oder Nummer 46. Sie sehen, Ihr Spiel ist aus, der Ermordung Ihrer Frau Ellen Jermyngham-Jermyn. Ihre frühere Laufbahn als Fälscher und Betrüger, Ihr zehnjähriger Aufenthalt im Zuchthause, Ihre erfolg reiche Glücksjagd in Roseville nebst dem gefälschten Briefe eines englischen Edelmannes bieten uns schon eine ganz hübsche Grundlage. Dann wird Madame Dauphine, deren Haus Sie mietheten, der Apotheker, bei dem Sie die Morphiumspritze kauften, ein gewisser Henry Weston, der gesehen hat, daß Sie die Leiche nach dem Zimmer 99 im Hotel Victor trugen, Mr. Carnow hier, der noch nähere Einzelheiten aus Ihrem früheren Leben kennt — alle diese Leute werden gegen Sie auf treten, und sollten unsere Aussagen noch nicht genügen, dann wird Ihr zweites unglückliches Opfer, das sich für Ihre Frau hält, Zeugniß ablegen." „Die Dame ist meine Frau, und sie wird nicht wider mich zeugen — sie wird es um ihrer selbst willen nicht wagen! Sie können keine Anklage gegen mich er heben, die nicht auch sie träfe; sie ist meine Frau und — meine Mitschuldige. Bedenken Sie gefälligst, daß sie es war, die in den Besitz von Ellen Jermynghams Vermögen gelangte, und nicht ich!" „So wahr ich hier und im Jenseits Gnade zu finden hoffe," rief das Weib, das er eben als seine Frau bezeichnet hatte. „Dieser Mann lügt! Ich seine Mitschuldige bei diesem Mord! Eine Memme bin ich wenigstens nicht! Ich würde Zeugniß gegen Dich ab legen, Giftmörder, selbst wenn ich wüßte, daß ich damit mein Todesurtheil spräche, die einzige Gnade, um die ich bitten würde, wäre, daß man uns nicht an dem selben Galgen hinge! Kein anderer Gedanke beseelt mich, wie alles zu erzählen, was ich weiß, und das Geschehene gut zu machen, so weit ich es vermag. Ich habe diesen Herrn die Wahrheit gesagt; nun thu' und sprich, waS Du willst." * * Als Mr. Jermyn sah, daß er seinem Geschick nicht mehr entgehen konnte, zeigte er nur noch für zwei Dinge Interesse: Für seine wissenschaftliche Arbeit und für seine persönliche Bequemlichkeit. Er erhielt die Erlaub- niß, sein Manuscript sowie einige Kleider und einen Toilettenkasten mit den Elsenbeingeräthschaften mitzu nehmen, packte alles mit eigener Hand in einen Koffer und harrt: seiner Ueberführung nach New-Orleans, die morgen unter Steinhoff wachsamen Augen vor sich gehen sollte, mit unzerstörbarem Gleichmuth entgegen. Beltha Warham aber hatte sofort das glänzende Heim, in dem sie eine kurze Zeit lang als Herrin ge- ichaltet, verlassen und sich mit Susan in ein Hotel be geben. (Fortsetzung folgt.) Atrche «- WachrichtLA. Warochie Hl. Hyristophort. Mittwoch, dm 6. November, Abends '/,9 Uhr Bibelstunde im Waisenhaussaale. Won Gersdorf. Donnerstag, den 7. Novbr., früh 9 Uhr Wochencommunion. Wo« Ursprung. Freitag, den 8. Novbr., früh 9 Uhr Wochencommunion. Telegraphische Nachrichte« (Hirsch's Telegr. Bureau.) vom 4. November. Berlin. Der auf der Oldenburger Strecke verkehrende Nachtzug ist in der Nähe von Bremen einer ernsten Gefahr entgangen. Von bisher unbekannten Thätern wurden sieben Sandsteinblöcke und eine Eisenbahnschwelle über die Schienen gelegt, aber von Arbeitern zufällig entdeckt. Der herankommende Zug konnte, bis zur Beseitigung deS Hindernisses, zum Halten gebracht werden. Hamburg. Der anhaltende dichte Nebel hindert seit Sonnabend Abend die Schiffahrt auf der Elbe aufs schwerste. Zahlreiche Dampfer liefen bei Ebbe fest, kamen jedoch bei Eintreten der Fluth wieder los. Ein