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wird auch immer wieder in einem Theile der nicht vom Jingoi«mu« beeinflußten Presse auf jene unmöglichen Zahlen hingewiesen, mit denen sich die britische Nation zum Narren halten läßt und die mehr und schlagender al» aller andere Unverstand und Blödsinn jenes Lügen system lächerlich macht, da« auf englischer Seite offiziell um den ganzen südafrikanischen Feldzug gewoben worden ist. Wenn man sich ganz unparteiisch die Mühe ge nommen hätte, seit Anbeginn de« Kriege« eine Ziffern liste aller „offiziell" erschlagenen, verwundeten und ge fangen genommenen Buren sorgfältig aufzustellen, so würde man unzweifelhaft zu einem geradezu stupenden Resultat bi« heute gekommen sein. Im „Morning Leader" konstatirt ein Einsender, der sich als „Eng lishmann" unterzeichnet, daß er sich das kleine Privat vergnügen gemacht habe, während der vergangenen vier Monate die täglich in den Tagesblättern angegebenen Verluste der Buren zu notiren. Da aber in der ge nannten Zeit die burische Verlustliste schon über die Hunderttausend hinausging, während die von den eng lischen Truppen angeblich erbeuteten Pferde, Schafe, Ochsen, Wagen rc. schon den sieben Ziffern sich näherten, so habe er da« Zählen aufgegeben, fürchtend, daß seine Rechenkunst einer solchen Berichterstattung nicht Stand halten könne. — Das radikale Blatt „Reynold's News paper" gab schon vor mehreren Monaten die Verluste der Buren nach den in London veröffentlichten Zahlen auf mehr als 300 000 an, und knüpfte daran die ironische Betrachtung, daß auf diese Weise der ganze Krieg den Buren auf die Dauer über eine Million Menschen kosten würde. — Angebliche Erschießung eines englischen Gefangenen. Man schreibt aus London: Die Nach richten vom Kriegsschauplatz bringen, mit Ausnahme der gemeldeten Niederlage bei Bethel, nur die gewöhnliche Gefangennahme von einigen 100 Buren, wahrscheinlich wieder Burenfrauen und Kinder. Eine etwa« seltsame Meldung kommt vom Kriegsministerium. Darnach ist ein Leutnant Boyle von der Orange-River-Polizei, der seit November 1900 Gefangener der Buren war, am 13. Januar d. I. von General Paul Botha erschaffen worden. Es ist anzunehmen, daß diese Meldung, die dem Kriegsministerium etwas sehr verspätet zuging, nicht die einzige ist, die es über den Fall erhallen hat. Viel mehr sind die Gründe wahrscheinlich bekannt, weshalb man den Leutnant erschoß. Ob die Gründe veröffent- licht werden, ist sehr fraglich. Ohne Grund ist jeden falls Leutnant Boyle nicht erschaffen worden. Denn bisher haben selbst auf die Erschießung und Erhängung von Rebellen hm, die Buren nicht mit Gewaltmaßregeln geantwortet. ES fehlt demnach jeglicher vernünftige Grund, weßhalb die Buren im Januar einen Leutnant erschaffen haben sollen. Oertliches und Gächfifches. Hohenstein-Ernstthal, den 5. November. — Einer Deputation, die vor einigen Tagen bei Herrn Staatsminister v. Metzsch im Auftrage des letzten Bezirkstages des BezirkrvereinS Sachsen im Deutschen Fleischerverbande unter Führung des Bezirksvereinsvor sitzenden Herrn Gustav Nietzschmann aus Leipzig wegen der Abänderung des Gesetzes über die staatliche Schlacht- viehverficherung vorstellig geworden war, ist vom Minister eine wohlwollende Beachtung der Wünsche des Fleischergewerbes zugesagt worden. Wenn auch eine Aenderung des fraglichen Gesetzes mit Rücksicht auf die kurze Zeit des Bestehens nicht in Aussicht gestellt werden könne, so lasse sich doch vielleicht durch Regulative den Wünschen der Fleischer Rechnung tragen. Die in Be tracht kommenden Punkte sind: a) Ausscheidung der Nothschlachtungen und Errichtung einer besonderen Ver- sicherungsabtheilung hierfür; b) Erhöhung der Ent schädigung auf den wirklichen Einkaufspreis; es Mit wirkung des Fleischergewerbes in der Verwaltung. Die zur Begründung dieser Anträge ausgearbeitete Denkschrift ist dem Minister unterbreitet worden. — Die Amtsräume der Königlichen Amtshaupt mannschaft Glauchau sind Freitag und Sonnabend, den 8. und 9. d. M., für nicht dringliche Angelegenheiten geschlossen. — Wie weit die Frechheit mancher Italiener geht, beweist folgender Fall. Bei einer Familie in Oelsnitz i. E. kam ein Italiener mit einem Bündel Kleidungs stücke unter dem Arm in die Stube und legte sich, ohne etwas zu sagen, auf das Sopha. Auf die wieder holte Aufforderung seitens der betreffenden Eheleute, die Wohnung zu verlassen, wurde dieser Mensch höchst frech, schimpfte und skandalirte in der Stube derart, daß die Familie polizeiliche Hilfe in Anspruch nehmen mußte. Den hinzugerufenen Schutzleuten leistete der Fremde ebenfalls keine Folge, sondern wurde auch gegen dieselben gemein, sodaß er schließlich mit Gewalt aas der Wohnung entfernt und wegen Hausfriedensbruchs zur Haft gebracht wurde. Auf dem Wege zur Polizei wache leistete der Mensch heftigen Widerstand, indem er mit den Fäusten um sich schlug und sich mit den Füßen gegen den Erdboden stemmte und von den Schutz leuten förmlich getragen werden mußte. Derselbe ist dem König!. Amtsgericht Stollberg zugeführt worden. Dresden. Ein eigenartiger Umstand hat vor einigen Tagen einen hier stattgefundenen Brand ohne schwere Folgen für die Bewohner jener Wohnung vorübergehen lassen. Die Hauskatze sprang nachts ihrer Herrin auf die Brust und gebärdete sich äußerst aufgeregt. Nur mit Mühe vermochte sich die schon halb betäubte Frau aus dem Schlafe aufzuraffen und an dem starken Rauch, der den Schlafraum erfüllte, die große Gefahr zu er kennen, die von einem in>der Küche entstandenen Brande herrührte. Dort war der Inhalt des Kohlenkastens verglüht und hatte auch nahestehende Gegenstände ent zündet, wobei so dichter Qualm entstand, daß der Kanarienvogel erstickt in seinem Käfig gefunden wurde. Sicher würden auch die Menschen dem Erstickungstods verfallen sein, hätte nicht die Katze aus Selbsterhalt ungstrieb als Retter gewirkt. — Falsche Fünfzig - Markscheine sind vor Kurzem in Dresden aufgetaucht; es ist ermittelt worden, daß zwei Stück von einem etwa 40 Jahre alten Unbekannten, der den Eindruck eines Kaufmannes machte, ausgegeben worden sind. Die falschen Scheine tragen das Datum 10. Januar 1882, sind etwas stärker als die echten, die Strafanordnung ist aus der Vorderseite undeutlich und die Buchstaben der Werthangabe sind gemalt. Als Nummer ist die Zahl 0392 541 aufgedruckt. Das Papier ist glätter als bei echten Scheinen, die Fasern sind mit Klebstoff befestigt und blau übermalt. Offen bar ist jede Seile für sich auf photographischem Wege anqefertigt und beide Hälften sind dann aufeinander ge klebt worden. Freiberg, 3. November. Heute früh in der 3. Morgenstunde brannte auf dem zu Sand bei Halsbrücke gehörigen „Isaak" das Haus des Cigarrenmachers Grötzsch nieder, wobei der Besitzer seine ganze Habe verlor. Ebenso vielen eine Ziege und das gesammte Federvieh den Flammen zum Opfer. Zwickau, 4. November. Außerordentlich viel falsches Geld cursirt gegenwärtig in unserer Gegend. So wurde gestern in einem hiesigen Geschäft ein falsches Zweimark, stück angehalten und Tags zuvor ein solches bei der Postanstalt. Auch am Schalter des Glauchauer und Meeraner Postamtes mußte ein Falschstück confiscirt werden, ebenso in einem Werdauer Geschäft. Weiter wurde am Sonnabend beim Postamt in Plauen i. V. ein falsches Einmark- und Zweimarkstück dem Verkehr entzogen. Die Falsifikate sind zum größtem Theil aus Zinn gegossen und greifen sich durchweg fettch an. Die Behörden forschen eifrig nach dem Ursprung des Geldes, denn ohne Zweifel handelt es sich um eine große Falschmünzerwerkstätte, die sich in irgend einem Orte unserer Gegend befinden muß. Zwickau. Am Sonnabend gerieth der Schaukel besitzer Rothe beim Aufbau seiner russischen Schaukel derart mit der Hand in die Zahnräder, daß dieselbe vollständig zerquetscht wurde und sich dadurch die Ueber- führung Rothes in das Königliche Krankenstift nöthig machte. Annaberg, 4. November. Gestern fand hierselbst im Hotel „zur Gans" eine landwirthschaftliche Ver sammlung statt, in welcher Stellung genommen werden sollte zu der im Zolltarif-Entwurf vorgesehenen Erhöh ung des Zolles auf einzuführende Nutzrinder. Den Berathungen wohnte auch Amtshauptmann Graf Vitz thum v. Eckstädt bei. Die meisten der anwesenden Landwirthe fanden in der betreffenden Position des Zolltarifes nichts Bedenkliches, begrüßten vielmehr eine Erhöhung des Zolles für zu importirendes Nutzvieh als ein Förderungsmittel der Verhältnisse der deutschen und angesichts der nahen böhmischen Grenze besonders der obererzgebirgischen Rindviehzucht. Von der be absichtigten Einbringung eines Antrages gegen eine eventuelle Zollerhöhung wurde deshals Abstand ge nommen. Eschdorf, 3 Nov. Sonntag Nachts ^11 Uhr begehrte ein Unbekannter, 35—40 Jahre alt, übermittel groß, schmächtig, mit fein geschnittenem, auffällig blassem Gesicht, dunklem Haar, in der hiesigen Pfarre unter dem Vorgeben Einlaß, er habe an den Pfarrer von dessen Kollegen in Weißig eine Bestellung. Der Unbekannte trat ein, richtete seinen angeblichen Auftrag aus und schoß plötzlich mit einem unterm Rock verborgen gehaltenen Revolver auf den Pfarrer, der an der linken Halsseite gestreift wurde, während das Geschoß in die Wand eiuschlug. Der Unbekannte ergriff die Flucht. Aus der linken äußeren Brusttasche des Attentäters ragte ein Stemmeisen hervor. — Am 27. Oktober wurde in Lengenfeld i. V. der Schriftsetzer Grimm aus Roschütz bei Gera todt auf gefunden. Es wurden nun am Freitag vier junge Leute aus Lengenfeld als der Thäterschaft verdächtig verhaftet. Grimm war an dem genannten Tage gegen 12 Uhr Nachts aus einer Restauration von Lengenfeld in der Richtung nach Reichenbach gegangen, dann nochmal» in einem Schanklokale eingekehrt und von mehreren An- wesenden derartig betrunken gemacht worden, daß er be- sinnungslos vom Stuhl fiel. Er wurde in der Richtung nach der Stadt fortgelragen und dann hilflos an der Straße liegen gelaffen, worauf der Tod in Folge Herz schlags oder Alkoholvergiftung eingetreten ist. Bautzen, 4. November. Heute Vormittag 10 Uhr 40 Minuten wurden auf der Station Bautzen bet dem schnellen Halten de« Personenzuges Nr. 643 zwei Reisende verletzt, sodaß sie dem Arzte zur Untersuchung ihrer blutenden Wunden zugeführt werden mußten. Die Ver letzten sind Frau Gnauck au» Bischofswerda und Frau Lange aus Belmsdorf. Gerichtsverhandlungen. 8 Die Ueberfüllung der Eifenbahnwageu. Ein Prozeß, der sich freilich nur um ein geringfügiges Werth- objekt drehte, der aber allgemein von großer Bedeutung ist, hat jüngst mit der Verurtheilung de« Eisenbahnfi«- ku« geendigt. Es handelte sich hierbei um die oft be klagte, leidige Ueberfüllung der Wagenabthetle. Der Sachverhalt ist folgender: Am Himmelfahrtstage löste in Berlin auf dem Bahnhof Friedrichstraße der Justtz- rath Wagner zwei Fahrkarten nach Potsdam und be stieg mit seiner Gattin ein Wagenabtheil zweiter Klaffe in dem Zuge, der Morgen« 7 Uhr 45 Minuten vom Bahnhof abgeht. In dem Abtheil befanden sich noch zwei andere Personen. In Charlottenburg kamen zwei Herren dazu, so daß der für sechs Personen bestimmte Abtheil vollständig besetzt war. Kurz vor Abgang de« Zuges bestiegen noch fünfzehn (!) Personen denselben Abtheil, obwohl sie nicht Fahrkarten der zweiten Klaffe hatten. In dem Abtheil befanden sich nunmehr dicht gedrängt 21 Personen. Justizrath Wagner machte seinen Widerspruch gegen eine derartige Ueberfüllung sowohl bei dem Bahnhofsvorstand in Charlottenburg, al« auch später in Grunewald geltend. Aber ohne Er folg. Die Beamten machten nicht den geringsten Ver such zur Abhilfe, sie schienen vielmehr die Einpferchung der Reisenden als etwas Selbstverständliches anzusehen. Erst in Wannsee verließen die meisten Personen den Wagen. Justizrath Wagner erhob in der Meinung, daß ein Reisender, der den vollen Fahrpreis zahlt, auch eine entsprechende Leistung der Eisenbahn verlangen kann, Klage gegen den Eisenbahnfiskus und verlangte die Rückzahlung des Preises zweier Fahrkarten für die Strecke von Charlottenburg bis Wannsee mit 80 Pfg., oder doch, da er ja thatsächlich bis Potsdam gefahren war, den Unterschied des Preises für die Fahrkarten der zweiten Wagenklasse und der billigsten Personentrans portpreise, der Militärfahrkarte, mit 60 Pfg. Diesem zweiten Anträge hat das Berliner Amtsgericht 1 statt gegeben und in seinem Urtheil vom 5. Oktober, d. I. den Fiskus zur Zahlung von 60 Pfg. verurtheilt. Vermischtes. * Berlin. Der „Naturmensch" Gustav Nagel hat es nun doch durchgesetzt, daß er von Professor Jolly im Kolleg den Hörern des psychiatrischen Kursus vor gestellt wurde. Nachdem Nagel sich aus dem Hörsaal entfernt hatte, äußert sich Geheimrath Jolly über die Krankheit: Nagel leidet an Paranoia. Seine fixen Ideen suchte er durchzusetzen. Eine Schwester von ihm ist irrsinnig. Die Patienten, die an Nagels Leiden kranken — so zum Beispiel auch der bekannte Maler Dieffenbach —, haben, wie Professor Jolly auf Photo graphien erläutert, alle das Bestreben, ihr Bild christus- ähnlich zu gestalten, sich entsprechend das Haar zu kämmen und zu kleiden. Solche Krankheiten tragen oft eine große Eitelkeit zur Schau. So läßt sich auch Nagel beispielsweise sehr gern photographiren. Die Krankheit selbst ist ansteckend. Wärter, die solche Patienten zu beaufsichtigen hatten, dann aber auch nervenschwache Personen, sind davon befallen worden. Nagel will häufig Rufe seiner verstorbenen Mutter und seiner Freunde hören, er glaubt, daß „das Himmelreich sich auf Erden befinde." * Ein interessantes juristisches Nachspiel dürfte ein von der „Ebersw. Ztg." mitgetheilter Vorfall haben. Ein Geschäftsmann in Templin erhielt von einer Berliner Verlags Buchhandlung, die sich mit der Herausgabe eines Geschäfts-Adreßbuches für Deutschland befaßt, die Aufforderung, seine Firma im Anhänge des Buches durch ein „kurzes Inserat" zu empfehlen. Herr X. in der Annahme, daß es sich bei der Annonce nur um eine kleine Summe handelte, ertheilte der Verlagsbuch handlung den Auftrag und erhielt nach Ausführung de» letzteren zu seinem nicht geringen Erstaunen darüber eine Rechnung in Höhe von 900 Mk. Bemerkt sei, daß das Inserat nur wenige Zeilen umfaße. Herr X. lehnte die Begleichung der Rechnung in dieser Höhe ab, und die Firma beschritt darauf den Klageweg. Herr X. wandte sich nun an die Potsdamer Handelskammer und bat in der streitigen Angelegenheit um Abgabe eines Gutachtens. Diese erklärte die Handlungseise der Verlagsbuchhandlung einstimmig für Sachwucher und Betrug und beschloß, die Angelegenheit der Staatsan waltschaft zur weiteren Verfolgung zu übergeben. * Die Macht des Gesanges. Der Säuger Charles Santley wurde einmal, so erzählt ein englisches Journal, als er vor vielen Jahren mit einigen Freunden durch Mexiko reiste, von Räubern gefangen, und da er das geforderte große Lösegeld nicht bezahlen konnte, in die Berge abgeführt. Beim Abendbrot sang der durchaus nicht niedergeschlagene Sänger ein Lied, das den Räuberhauptmann so entzückte, daß er »meine Wieder holung bat. Santley erklärte sich dazu bereit, falls er und seine Gefährten die Freiheit bekämen, er sang dann länger als zwei Stunden und bezauberte die Räuber dermaßen, daß sie ihm und seinen Freunden zu gehen erlaubten. Aehnl'ch erging es dem verstorbenen Joseph Maas, der vor Jahren bei der Büffeljagd von Indianern gefangen und in ihr Lager gebracht wurde. Al« er nicht mehr wußte, wie er sich aus dem Dilemma retten sollte, machte sein mit ihm gefangener Freund ihn auf