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^ 253, 30. Oktober 1930. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. ü. Dtschn Buchhandel. sitzen werden. Weiter wird diese Kasse finanziell autonom sein, das heißt, sic wird dazu berechtigt fein, auch von andrer Seite aus Snb- ventiouen, Stiftungen usw. in Empfang zu nehmen. Dies aber ist die Hauptsache. Denn in Frankreich hat es an wohlhabenden oder reichen Mäzenen der Literatur nie gefehlt, aber sie wußten selten, wem und auf welche Art sic helfen sollten. In welcher Weise die eingehenden Gelder verwendet werden sollen, steht noch dahin; na türlich wird meist mit Bargeld ausgeholfen werden. Manchmal aber auch, soweit wenigstens verlautet, dadurch, daß man die Ver öffentlichung von guten Werken, an die der Verlag infolge der ge ringen Gewinnaussichten nicht Herangehen kann, ermöglicht. Diese Neuschöpfung ist also auch eine Sache der Buchindustrie. » Das Werben für den »französischen Gedanken«, und insbesondere für das französische Buch in der ganzen Welt, und hier wiederum speziell für das wissenschaftliche französische Buch wird immer intensiver und ist mehr und mehr dadurch gekennzeichnet, daß es unter Anlehnung an wirtschaftliche Faktoren geschieht und sich zu gleich auf große, schon länger bestehende Organisationen stützt. Ein Musterfall dieser sehr guten Propaganda ereignete sich erst unlängst. Zur Feier der Gründung einer sranko-colombischen Handelskammer wurde ein großes Bankett veranstaltet, zu dem als mit Recht her vorragender Gast auch vr. G. Bailliere eingeladen wurde, und zwar als Vertreter der Gewerbekammer der französischen Verleger, als Vorsitzender des »Oerels cle la Ickbrairie« und dann in seiner Eigenschaft als Verwaltungsratsmitglied der sogenannten »IMRI^«, von welcher äußerst interessanten Propagandaorganisation weiter unten noch die Rede sein wird. vr. Bailliere, der selbst Verleger ist, und über dessen Tätigkeit als Organisator des kommenden »8a1on clu Ickvre kran^ais« hier schon berichtet wurde, hielt auch eine Ansprache, um dieser sranko-colombischen Handelskammer die Sympathien des französischen Verlages und der gesamten franzö sischen Buchindustrie zu übermitteln. Er sagte u. a.: »Schon seit langem unterhalten die französischen Verlage mit Colombia die besten Beziehungen. Die Erleichterung des industriellen und kom merziellen Austausches ist der Zweck und das Ideal Ihrer Kammer. Aber erleichtern wir auch den Austausch der Ideen. Man gestatte mir den Hinweis, daß es zur Entwicklung freundschaftlicher und wirtschaftlicher Beziehungen zwischen zwei Ländern besonders des Buches und der Zeitschrift bedarf, da beide die Voraussetzungen für diese Entwicklung sind. Die Erzeugnisse der Industrie und des Handels dringen dort leicht ein, wo ihnen das Buch und die Zeit schrift vorausgegangen sind. Man kann heute sagen: die Ware folgt dem Bu ch«. Die oben erwähnte deren früherer Titel »Union inoäi- eale kraneo-idero-italo-ameiieaine« lautete und die heute einfacher »Union nieckieale latine« heißt, verdient größte Beachtung. Sie ist wahrscheinlich eine der machtvollsten Propagandaorganisationen Frankreichs und steht als solche unter dem Protektorat des franzö sischen Auswärtigen Amtes. Die umfaßt die medizinischen Kreise aller Länder spanischer, französischer, italienischer, portugie sischer und rumänischer Zunge, es sind insgesamt mehr als fünf undzwanzig verschiedene Staaten. Zweck dieser Organisation ist die Verteidigung gegen das vordringende Angelsachsentum vor allem ame rikanischer Natur vermittelst Propaganda für die »lateinische« Idee. Die hat ein Ehrenkomitce, in dem Hunderte von Ärzten dieser 25 Staaten sitzen. Weiter hat dieser Verband sein eigenes und sehr stattliches Organ, das ein vielseitiges bibliographisches »Bulle tin« der französischen Neuerscheinungen umfaßt, er veranstaltet Pro pagandareisen usw., kurz, er wirbt für den französischen Gedanken und damit auch für das französische und speziell für das medizi nische Buch Frankreichs. (Im übrigen ist die natürlich nicht das einzige Propagandamittel auf diesem Gebiet; es gibt z. B. noch die einflußreiche »Loeieto äe In ?re88s mecliealo latine«, die »Revue 8uä-aiN6riea1u6 cle Näcleeine et cle OüirurAio«, usw.) Es ist wiederum beachtenswert, daß man sich bei dieser Propa ganda in keiner Weise durch Hemmungen beeinflussen läßt, sondern ganz offen für alles Französische Reklame macht, so etwa auch für die französische Frcmdenind u st r i e. Da die Fremdcnindustrie bekanntlich nicht nur eine Sache der Hoteliers, sondern so gut wie aller Industrien und Gewerbe eines Landes ist, und nicht zuletzt die Sache der Buchindustrie, seien auch hier einige Worte über jene Propaganda für die französische Fremdenindustrie gestattet, die ganz speziell dem wissenschaftlichen französischen Buch zugute kommen muß. Wie bekannt, hat Frankreich seit einiger Zeit ein eigenes »Ministerium« für Fremdenindustric, cs ist dies bei einer Fremden- indnstric, die zehn bis fünfzehn Milliarden Franken im Jahre ein bringt, nicht weiter verwunderlich. Um nun für die französischen Bade- und Kurorte in großzügiger Weise Propaganda zu machen, 1040 lud man ganz einfach etwa hundert nord- und südamerikanische Arzte und Gelehrte zu einem mehrwöchigen und natürlich kosten losen Besuch der französischen Kurorte, wissenschaftlichen Lehran stalten usw. ein. »Sie fuhren als Botschafter des französischen Ge dankens in ihre Heimat zurück«, derart urteilte die französische Presse, und dies dürfte zum großen Teil stimmen. Man wird sich vielleicht noch der Berichte (s. Nr. 65 u. 119) über eine im Werden begriffene Neuschöpfung auf dem Gebiet der französischen Buchindustrie erinnern, nämlich über das sogenannte »Uureau cle Iien86iZu6w6nt8 clo la ?re886 et cke l'Lckition« (Paris ll., 81 rue Reaumur). Zweck dieser Organisation sollte es sein, Rezensionsexemplare in die richtigen Hände zu leiten, Listen »nützlicher« Adressen von Kritikern aufzustellen und auf dem laufenden zu halten, dem Autor die Möglichkeit des Mitwirkens an der Propaganda für sein neues Werk zu verschaffen, den Absatz des französischen Buches im Ausland zu steigern, die Verleger über ihre Pläne gegenseitig zu unterrichten und damit die so ärgerlichen Dou- bletten zu vermeiden, mit neuen Zeitschriften bekannt zu machen usw. Es sei auch noch daran erinnert, daß diese Neuschöpfung in der Form einer Aktiengesellschaft erfolgen sollte. Diese Organisation ist auch geschaffen worden, und zwar mit dem oben genannten Titel. Wie weit alle Ziele erreicht worden sind, kann hier nicht gesagt werden, aus jeden Fall aber sei auf die erste Nummer des »Lulletiu ä'Inkormation« dieser Organisation aufmerksam gemacht, sie ist sehr beachtenswert und aufschlußreich. Dieses Bulletin soll zweimal im Monat herauskommen und ist zu einem relativ hohen Preise allgemein erhältlich, wogegen es den Beziehern der einzelnen Dienste des »vureau cle kei^eixne- inent8« gratis zugestellt wird. Seine Ausstattung ist noch recht dürftig zu nennen; dies will aber nicht viel bedeuten, im vor sichtigen Frankreich fängt man fast immer recht bescheiden an. Diesem »Lureau cle Ren86ign6ment8« ist nunmehr auch ein »Okkiee cle Iracluetion« ungegliedert worden, also ein Dienst für Übersetzungen. Dieser Dienst will für die Verbreitung französischer Werke im Ausland und umgekehrt tätig sein, auch glaubt er, billiger, zuverlässiger und mit einem ganz anderen »Hintergrund« als die üblichen Agenturen arbeiten zu können. Man will ferner einen Muster-Vertrag für Übersetzungen aufstellen. Was ist eine Subskription? (Eine mehr als 100jährige Betrachtung.) In dem berühmten »Morgenblatt für gebildete Stände« findet man unter dem 24. Juli 1817 eine kleine scherzhaft-ernsthafte Be trachtung über die Subskription abgedruckt, deren anonymer Ver fasser es »für die höchste Dringlichkeit ohne die mindeste Zudring lichkeit« hielt, die »Tugend des Subskribierens der gesamten Lese- wclt in dem gclesensten Tagblatt endlich einmal recht ans Herz zu legen«. Ein volles Dutzend Lobestitel erteilt er darin dem Sub skribieren und führt sie alle zwölf — regelrecht numeriert — der Reihe nach ins Feld. Das Subskribieren ist seiner Meinung nach 1. eine U bung in der geselligen Tugend derAnerken nung, 2. eine Übung in der Demut (»man thut nur gerade soviel als zur That nötig ist . . . jeder überflüssige Schriftzug, der dem Namenszug noch beigefügt ist, wird durch den Druck swo solch kleine Eitelkeiten verschwinden) sofort unterdrückt . . .«). 3. ist »das Subskribiren die allcrdelicateste Selbst- a ch t u n g s b e z e i g u n g vor den Augen der Welt, ein feines Aus sprechen oder Ansprechen des ,auoli'io' (,auch ich'), indem der Sub skribent nur so ganz von fern zu verstehen gibt, er verstehe auch etwas von der (im Buche) gegebenen Wissenschaft.« 4. »Ist es, im kürzesten Zeitmoment vollzogen, eine begei sternde That, wie alle Thaten, wo Entschluß und Ausführung Eins ist.« Unter 5 heißt es: »Noch mehr! Es ist eine vorzüglich praktische That, die mehrere andere involviert, und zwar Wohlthaten : Wohlthat für den Autor, Verleger, Setzer, Drucker und deren Helfer, ihre Familie, deren Ab- und Zukömmlinge etc. etc. Sie hat auch ihren negativen Nutzen, als die nachdriickli ch st e Schutzwehr gegen den Nachdruck. Doch — das ist die niedrigste Ansicht«. »In höchster Ansicht«, fährt unser Philosoph fort, »ist 6. die S u b s k r i b e n t e n l i st e, die zugleich wirkliche und symbolische Darstellung einer S t ä n d e v e r s a m m l n n g, ganz zeit gemäß, ganz würdig. Die.Fürsten behaupten ihren Vorsitz mit dem ihnen gebührenden Rang und Raum. Alle übrigen Stände ver tragen sich unter- und nebeneinander, ohne Zerspaltung in Ober-