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— Ein weiteres Vermächtnis in Höhe von 3000 Mk. wurde von de» Stadtverordneten in Chemnitz außer dem bereits erwähnten v. Zimmermann'schen abgelehnt, weil daraus der Stadt nur Kosten, aber keine Vortheile erwachsen wären. Freiberg, 9 September. In einem Dresdner Hotel wurde gestern der angebliche Or. xliU. und Professor Eduard v. Bamberg, der schon mehrfach unter der An klage der Heirathsschwindelei stand, und zuletzt in Hutten heim wegen betrügerischen Bankerotts zu 4 Monaten Gefängniß verurtheilt wurde, verhaftet. Auch jetzt wieder wird ihm zur Last gelegt, eine Dame unter dem Vorgeben, sie heiralhen zu wollen, arg geschädigt zu habe». Neudorf, 9. September. Sonnabend Nachmittag 3 Uhr fiel der 58jährige Zimmermann Eli Seidel vom Dache eines dem Gasthofsbesitzer Reißig gehörigen Guts gebäudes herab, wobei ihm der Hinterkopf zertrümmert wurde. Der Verunglückte, welcher sofort in seine Wohnung gebracht wurde, verstarb nach zwei Stunden, ohne wieder zur Besinnung gekommen zu sein. — Ein recht sehr bedauerlicher Unglücksfall ereignete sich auf einem Gute in Oclzschau bei Borna. Als man »ach dem beim Mittagessen nicht erschienenen Bau unternehmer Theodor Hoffmann suchte, fand man den selben auf dem dort vorgenommenen Neubau, wo er vermuthlich vom oberen Stockwerk herabgestürzt war, im Keller im Blute liegend besinnungslos vor. H., welcher schwere innere Verletzungen und Schädelbruch erlitte», wurde sofort in das dortige Krankenhaus ge bracht, wo er trotz der sorgfältigsten Behandlung und Pflege schon nach drei Stunden seinen Geist aufgab. Er hinterläßt sieben, zum größten Theile noch unerzogene Kinder und eine kranke Frau. — Zu dem Morde in Heyda an der 16jährigen Hedwig Apitz theilt das „Wurzener Tageblatt" noch mit: Vom Montag früh an ist das ganze Heyda, Börl» und Fraumwalde gelegene Terrain von der Gendarmerie, uuler Beihilfe von Militär, Steinbruchsarbcitern und den in der dortigen Gegend wohnenden Förstern, letztere mit ihren Hunden, nach der Leiche der ermordeten Apitz durchsucht worden. In dem Küchenteiche, der vollständig vom Wasser entleert und vom Schilfe befreit wurde, hoffte man die Leiche bestimmt zu finden, doch die Hoff nnng erfüllte sich nicht. Auch die umliegenden Teiche, der Mühldammteich und der bei Ochsensaal gelegene Teich, sowie alle Steinbruchslöcher und Sandgruben sind abgesucht worden. Es besteht der dringende Verdacht, daß Nitzschke sein Opfer verscharrt hat. Johanngeorgenstadt, 8. September. Hier wurde heute das Denkmal für den erzqebirgischen Dialectdichter und Pfleger des Gesanges, Schuldirectvr Röder, ent hüllt. Das Denkmal ist ein Meisterwerk des Bildhauers Kircheisen-Braunschweig. Der Erzgebirgsverein, der Sängerbund, der Landeslehrerverein, Vertreter der Stadt rc. legten an dem Denkmal Lorbeerkränze nieder. Mil der Enthüllungsfeier war ein Obererzgebirgischer Sänger lag verbunden. — Tödtlich verunglückte in Schönbrunn bei Wolken stein der Gutsbesitzer Christoph Müller dadurch, daß er beim Einlegen von Garben in die Dreschmaschine gerieth, wodurch dem Unglücklichen neben andern schweren Ver letzungen, die er erlitt, der Brustkasten eingedrückt wurde. Bermis ei r c * Ein Opfer von Monte Carlo. In einer Villa bei Cannes wurde die Leiche einer Frau, der 68 Jahre allen Wiltwe eines französischen Majors, gefunden. Die Frau, die früher ein großes Vermögen besaß, ge- hörle seit einigen Jahren zu den Stammgästen der Spielhölle von Manie Carlo und hat dort in verhält- nißmäßig kurzer Zeit alles verloren. Als sie nichts mehr ihr eigen nannte, beförderte sie sich mittelst Kohlen gas ins Jenseits. Als die Leiche gefunden wurde, war sie zum Theil bereits in Verwesung übergegangen; ihr Gesicht war' von Ratten schrecklich zerfressen. * Große Entrüstung ruft in Paris ein „Versehen" der Sittenpolizei hervor, das ganz unentschuldbar er scheint. Sie nahm nämlich am vergangenen Freitag Abend eine anständige Dame, die Gattin eines pensio- nirten Osficiers, fest und behandelte sie in der bekannten brutalen Weise, ohne daß der Kommissar sich dazu ver stehen wollte, ihre Aussage, daß sie eine verheirathete Frau sei und ein Domizil habe, in dem man nach ihr forschen könnte, prüfen zu lassen. Sie wurde erst am folgenden Tage auf die Reklamation ihres Gatten frei- gelassen. Frau W. ist »folge des ausgestandenen Schreckens und der Schunde krank geworden. Der Fall wird besonders dadurch erichwert, daß die Polizei, um ihren Mißgriff zu verdecken, eine Dirne zu der Erklär ung veranlaßte, sie habe mit Frau W. vor einigen Tagen in einem Modegeschäft gesprochen, wo diese sich als Art Kollegin bekannte. Die Dirne hat sich nun aber selbst zu dem Geständnisse bequemt, daß sie diese Aussage erst dann zu Protokoll gegeben habe, als die Polizei in sie drängte und ihr vorhielt, daß sie dann bester wegkommen würde. Hauvelö-Nachrichten. Uvrlln, 7. Sept. (Wechsel-Tours). üantr- Dlaeont Mark Amsterdam ST 168,40 G per 100 fl. K. " 2M 167,69 G Brüssel und Antwerpen 3 »T 80,90 G pr. 100 Francs. 3M 80,40 G Italienische Plätze - 10 T 77,75 G pr. 100 Lire ° 2M — Schweiz. Pl. 100 Frc. 3'/.10T 81,05 G London 8 T 20,41 G pr. l Lstrl. 3 3M 20,28 G Madrid und Barcelona „ 14 T — pr. 100 Pesetas 2M — Paris 3 KT 81,05 G pr 100 Franc 3M 80,50 G Petersburg 5'/, b T — pr. 100 Rubel ° ''3M — Warschau 100 Rubel 5'/, 8 T Wien . 8T 85,25 G per 100 Kr. ö W. 3M 84,30 G Reichsbank 3'/,, Lomb.-Z.-F. 4'/,. Kakckvdurx, 7. Sept. Kornzucker cxcl. 88°/o Rendemenl 9,20 bis 9,35. Nachproducte excl. 75°/o Rendement 6,85 bis 7,15 Stimmung: Ruhig. Krystallzucker l mit Sack 28,95. Brodrafstnade I ohne Faß 29,20. Gem. Raffinade mit Faß 28,95. Gem. Melis 1 mit Faß 28,45. Rohzucker I. Product Trausito f. a. B. Hamburg per Sept. 8,07'/, Gd., 8,12'/, Br-, perOkt. 8,32 Gd., 8,35 Br.,per Okt.-Dez. 8,37'/, hez., 8,35 Gd., per Jan.-März 8,57'/, bez., 8,55 Gd., per Mai 8,75 bez., 8,72'/, Gd. Tendenz: Ruhig. llamdurkr, 7. Sept. Weizen matt, Holsteiner loco 163 bis 166, La Plata 126. — Roggen matt, südruss. cif. Hamburg 99—101, do. loco 103 bis 105, Mecklenburgischer 131 bis 137. Mais fest, amerik. mixed. 126'/,, La Plata 100'/, Hafer stetig, Gerste ruhig. Wetter: Schön. Aromen, 7. Sept. (Baumwolle). Tendenz: Ruhig. Npland middl. loco 45'/, Pfg. lbtvorp-vl, 7. Sept. (Baumwolle.) Muthmaßlicher Um satz: 6000 Ballen. Stimmung: Ruhig. Import: 2000 Ballen, Preise '/«» höher. Umsatz: 5000 Ballen, davon für Specu- lation und Export 500 Ballen verkauft. Amerikaner fest, '/->, höher, Ostindische ruhig, Egypter unverändert. Middling amerik. Lieferungen: Oktober 4"'/«, Käufer, November-Dez. 4",»« Verkäufer, Januar-Februar 4"/,« do., März-April 4'/», Werth. Zahlungsein st eil ungen: Attila-Fahrradwerke, A.-G., vorm. Kretzschmar u. Co., Dresden. Kaufmann Boelcke u. Meiners. Magdeburg. Kürschner und Kaufm. Laver Schmid, Weingarten. Darlehnskassenverein Schwerin, e. G. m. und. H. in Liqu., Schwerin. Kaufmann August Hoffmann, Wattenscheid. Ps- Chemnitzer Marktpreise vom 7 Septbr. 1901. pro 50 Kilo Weizen, sächs. 8 M. 60 Pf. bi? 8 M. 95 Roggen, - 7 - 55 - - 7 - 6) Hafer 7 70 - - 8 s Stroh 3 50 - - 3 . 60 Heu 3 - 80 - - 4 s Kartoffeln 2 - — 5 - 2 . 40 Futtergerstc 6 - 50 - - 7 s Butter, l Kilo 2 - 50 - - 2 - 8" Fein gesponnen oder Das Fastnachtsgeheimnitz. Criminal-Roman von Lawrence F. Lynch. — Deutsch von E. Kramer. 12. Fortsetzung Das Gespräch mit dem Polizeidirector hatte Rufus Carnow nachdenklich gemacht, äußerlich aber bewahrte er die gleichgiltige Miene eines Mannes, der nichts Besonderes zu thun hat. In einem Cityrestaurant trank er ein Glas Wein und las die soeben ausgegebene Abendzeitung. Seine Leciüre schien ihn erst zu interessiren, als er in der Rubrik „Gesucht" auf folgende Anzeige stieß: „Auskunft jeder Art gesucht über Bertha Warham. Sie selbst kann Wichtiges erfahren unter Chiffre B. 3 in der Expedition der „Eule." „Oho," murmelte Carnow, indem er die Stirn runzelte. „Das ist ja souderbar." Er verließ das Restaurant und begab sich noch der Expedition der „Eule", wo er bald dem Vorsteher der Jnseratenabtheilung, Mr. Martin, gegenüberstand, d r nach der Art, wie sich beide begrüßten, ein aller Be kannter von ihm sein nmßte. Carnow kam auf den Zweck seines Besuches zu sprechen, und da Mr. Martin gerade sehr beschäftigt war, verabredeten die beiden Herren gemeinsam zu Abend zu essen und dann in die Oper zu gehen. Die Erfahrung hatte Carnow die Nütz lichkeit engerer Beziehungen zu Männern der Presse ge lehrt. Martin hatte ihn, schon manchen Dienst geleistet und war stolz darauf. Als sie beim Abendbrot saßen, zog Carnow eine Zeitung aus der Tasche r.nd deutete auf eine Annonce. „Lesen Sie das, Martin," sagte er. „Ich möchte eine Beschreibung der Person haben, die das Inserat einrücken ließ. War es eine Frau?" Martin laß und sann nach, dann blickte er auf und antwortete: „Jetzt fällt es mir ein. Es war ein Mann." „Würden Sie den Menschen wiedererkennen?" „Ja, ich würde ihn wiedererkennen. Ich sehe ihn deutlich vor mir, genau wie ich ihn heute Morgen sah." „Das genügt mir! Nun wollen wir erst zulangen." Carnow und Marlin iraseu ziemlich spät im Theater ein. Es wurde eine neue komische Oper gegeben; aber Carnow war nicht bei der Sache; seine Gedanken kehrten immer wieder zu der vermißten Bertha Warham zurück. Martins Aufmerksamkeit richtete sich zunächst auf die Bühne. Doch als dort ein Chor — noch dazu ein Männerchor — auftrat, der ihn nicht besonders fesselte, drehte er sich, nachdem er einige Male nach seinem gleichgiltige» Begleiter geblickt hatte, zur Seite und musterte den Zuschauerraum: Zuerst die Logen, dann das Parquet, den ersten und zweiten Rang und schließ lich die Galerie. Sein Blick war kühn und kritisch. Plötzlich reckte er sich höher, und sein Auge heftete sich gespannt auf die Galerie. Während er noch hinauf, blickte, fiel der Vorhang; das Publikum stand auf und zerstreute sich. Martin packte seinen Begleiter am Arm. „Wir müssen ein Opernglas haben," raunte er ihm zu. „Ich glaube, da oben ist er." „Wo?" fragte Carnow scharf, ohne den Kopf zu be wegen. „Auf der Galerie, zweite Reihe, gerade —" „Ich werde ein Glas besorgen," unterbrach ihn Carnow, noch immer unbeweglich. „Behalten Sie ihn im Auge, aber vorsichtig; sehen Sie nicht zu oft hin." Er winkle einen Jungen und ließ sich zwei Operngläser geben, von denen er das eine Martin reichte. Dieser ergriff es und richtete es einen Augenblick auf den Gegenstand seines Interesses; dann wandte er sich an Carnow, der durch sein Glas eine Gruppe Damen be trachtete. „Nun?" fragte Carnow in seiner Stelle verharrend. „Es ist wirklich der Bursch, der das Inserat auf gab. Er sitzt in der zweiten Reihe, rechts von der Frau, die mit dem großen roihen Hut. Ich glaube, er ist allein. Er hat sich seit heute früh herausgcputzt, aber ich würde diesen eigenthümlichen Kopf sofort wiederer kannt haben, selbst wenn Sie mich vorhin nicht wieder an den Menschen erinnert hätten." „Martin," sagte Carnow, „sehen Sie nicht mehr hin. Der Vorgang geht auf; ich werde mich auf die Galerie begeben und mir den Mann ansehen. Morgen komm ich zu Ihnen in die Expedition." Mit Hilse eines guten Trinkgeldes und unter An- w.ndung einiger Rücksichtslosigkeit gelang es Carnow, einen Platz zu finden, von dem aus er den Mann auf der Galerie gerade ins Gesicht sehen konnte. Der zweite Akt war munter und pikant, die Bühne war mit einer großen Zahl hübscher Mädchen in glänzenden Costümen gefüllt. Der junge Mann ver wandte den Blick nicht von de: Scene, sodaß Carnow ihn in voller Muße studiren konnte. „Ein dickköpfiger Bursch," dachte der Detectiv, „hals starrig, möcht ich wetten; niedrige, schmale Stirn, buschige Augenbrauen, dicke, etwas gekrümmte Nase, breiter Mund, schmale Lippen, vorstehende Zähne — eia Kinn, tausend ja! Da steckt Energie drin — Ver- b ff aheit ist das richtige Wort; große, gebräunte, knochige, Hände, fertig gekaufte, schlecht sitzende Kleider, eine plumpe Uhrkelte, blaue Cravatte. Vom Lande, das steht ihm in, Gesicht geschrieben! Der forscht sicher Bertha Wai- ham nicht nach, um ihr etwas angenehmes zu sagen. Wenn das Bild getroffen ist, so ist sie viel zu hübsch und sauber, um zu diesem widerwärtigen Teufel Bezieh ungen zu haben." „Fünf Minuten nach 10 Uhr trat er in das Bureau des Polizeidircciors und sagte: „Ich will den Fall übernehmen." Der Direclor blickte auf, legte ein Schriftstück zur Seite uud versetzte ebenso kurz; „Gut. Dann will ich nichts mehr damit zu thun haben." Carnow setzte sich und fragte: „Haben Sie die Abendzeitung gelesen?" „Nein, ich habe den ganzen Abend mit Berichten zu thun gehabt." Dann wissen Sie also nicht, daß ein Inserat er schienen ist, in dem Bertha Warham gesucht wird?" „Was! Hat diese Frau wirklich gerade das gethan, was ich ihr rieth, nicht zu thun?" „Meinen Sie die stattliche Dame? Nein, das Inserat hat ein Mann in der Expedition der „Eule" geschrieben und Martin übergeben." „Was für ein Mann?" „Ein großer, bäurisch aussehender Kerl — ein Teufel von Kerl. Aber warten Sie, ich will von vorn anfangen." Und Carnow erzählte kurz, was er von der Entdeck ung der Annonce an bis zum Verlassen des Thealers erlebt hatte. „Nun," sagte der Director und lächelte noch über die Schilderung, die Carnow gegeben halte, „schön haben Sie ihn gerade nicht gezeichnet!" Carnows Gesicht wurde plötzlich ernst. „Als ich ein Knabe war," sagte er langsam, „er zählte mir meine Großmutter, wenn es einem Menschen plötzlich von Kopf bis zu Fuß kalt überriesele, so nehme die Seele eines Feindes Maß zum Sarge. Wenn dieser Bursche mich heute Abend angeblickt hätte, ich glaube, ich hätte geschworen, er nehme Maß zu dem meinigen." „Sie haben es übernommen, diese Bertha Warham aufzufinden," sagte der Director. „Was wollen Sie nun zuerst thun?" „Die alte Dame aufsucben —" „Woher wissen Sie, daß sie alt ist?" „Sie ist entweder alt oder häßlich; eine hübsche Frau würde sich nicht so mysteriös verschleiern. Alt oder häßlich! Was ist sie, Capitän?" „Beides!"