Volltext Seite (XML)
dem durchfahrenden Hauptgleise angelegten Schmalspur, gleise bewegt wird. Die Sache ist nun folgendermaßen gedacht: Der herankommende Zug setzt selbstthätig den Umsteigewagen in Bewegung und bringt ihn rasch auf diejenige Geschwindigkeit, die er selbst besitzt, also auf 30 km. Zug und Umsteigewagen bewegen sich sodann infolge eine« einen Theil der Erfindung ausmachenden finnreichen Antriebe« neben einander in ganz gleicher Geschwindigkeit, worauf die Verbindung zwischen beiden durch niederzulassende Laufstege bewerkstelligt wird. Da« Verlassen und Besteigen des Zuges erfolgt dann so rasch wie möglich, die Laufstege werden wieder hochgenommen und nachdem der Einsteigewagen gebremst und zum Stehen gebracht worden ist, wird er wieder in die Station zurückgebracht, wo die Passagiere ihn verlassen. Die den Zug Besteigenden haben selbstredend vor dem Eintreffen in dem still stehenden Wagen Platz genommen und haben während der Durchfahrt über den Laufsteg hinweg den Zug bestiegen. Die Länge des Weges, die zu diesem Zwecke der Umsteigewagen zurückzulegen hat, wird auf 1500 Meter angenommen. Es bleiben dabei 1^,-2 Minuten für das Aus- und Einsteigen übrig, was auf kleineren Stationen erfahrungsgemäß genügt. Der Zug ist als Durchgangszug gedacht, auf dessen Wagenplattformen etwa 4 Laufstege eingehakt würden. Die Elektrizitätsquelle für die Bewegung de« Umsteige, wagens würde der Hauptzug selbst bilden, so daß es etwaiger Elektrizitätswerke nicht bedürfen würde. Be- kanntlich setzt sich die lebendige Kraft eines gebremsten Zuges in Wärme um, die in den warmwerdenden Brems klötzen und Rädern nutzlos verfliegt. Diese Kraft an- statt in Wärme, in Elektrizität umzuwandeln, ist sehr wohl möglich. Wenn also der mit 60 km Geschwindig keit heranbrausende Zug auf 30 km gebracht wird, so läßt sich daraus die elektrische Betnebskraft für den Um- steigewagen gewinnen und es bedarf nur deren Zuleitung vom Zuge nach dem Wagen. An der technischen Ausführbarkeit der originellen Ein- und Aussteigevorrichtung ist bei dem heutigen Stande der Elektrotechnik schwerlich zu zweifeln. Ander« steht es mit der Frage, ob der Nutzen der Einrichtung zu ihren Kosten im richtigen Verhältniß steht. Der Er finder berechnet die Kosten der Herstellung für eine Station auf rund 75000 Mk. Er hat dabet eben über» sehen, daß die Einrichtung auf jeder Station zweimal, nämlich für jede Fahrtrichtung zu treffen ist. Der Ge winn an Zeit im günstigsten Fall 3 Minuten auf jeder Station — würde darnach wohl zu theuer bezahlt werden muffen. Vermischtes. * Jugendlicher Lebensretter. Donnerstag Nach mittag badeten in Allmannshausen die Dienstmädchen des persönlichen Adjutanten des Herzogs Siegfried von Bayern Rittmeisters Frhrn. v. Redwitz im See. Das eine Mädchen verlor den Grund und zog die ihm zu Hilfe eilenden Köchin mit in die Tiefe. Die Rufe der am Ufer diesen Vorgang beobachtenden Zuschauer machten den 13*/,jährigen Sohn Willy des Frhrn. v. Redwitz aufmerksam, und ohne Besinnen stürzte sich der als guter Schwimmer bekannte Knabe in den See, tauchte unter und brachte nach einigen Sekunden das Mädchen ans Land, um sofort noch einmal unterzutauchen und alsbald auch die Köchin ans Ufer zu bergen. Dem zur Stelle gekommenen Professor Dr. Frommel gelang es, das eine der Mädchen alsbald zum Bewußtsein zu bringen, die Köchin konnte erst gegen Abend außer Gefahr erklärt werden. Die muthige That des jungen Lebensretters wurde rasch bekannt und der ganze Ort wetteiferte, ihm den verdienten Dank kundzugeben. * Eine Automobilfahrt auf den Großen St. Bernhard. Man schreibt der N. Fr. Pr. aus Bern: Obschon die Regierung des Kantons Wallis den Ver kehr mit Automobilen auf den Alpenstraßen verboten hat, ist es zwei im Hotel Montblanc in Martinach (Wallis) wohnenden Amerikanern, Aaron Achorena und Georg Trias, gelungen, mittels Automobils auf den Großen St. Bernhard zu gelangen. Die Rückfahrt dauerte nur 2'/, Stunden. Als die Amerikaner wieder in Martinach angelangt waren, erschien die Polizei und forderte sie auf, eine hohe Buße zu erlegen. Die beiden Automobil-Amateure zahlten die Summe gern. * 120 000 Mk. Zoll für ein Bild. Aus London wird berichtet: In einem argen Dilemma befindet sich Pierpont Morgan, der glückliche Besitzer des gestohlenen und wiedererlangten Bildes der Herzogin von Devonshire von Gainsborough. Er wollte seinen fast unschätzbaren Schatz nach Amerika zurückbringen; er bekam aber doch einen Schreck, als nicht nur die Newyorker Be amten den höchsten Zoll darauf legten, sondern als man auch noch darauf hinwies, daß Morgan das Doppelte bezahlen sollte, weil das Bild ursprünglich „von dem Dieb, der den Steuerbehörden entging," eingeschmuggelt war. Die gewöhnliche Taxe in New- york auf eingeführte Kunstwerke dieser Art beträgt nicht weniger als 20 Proz. Da die „gestohlene Herzogin" von Messrs Agnew an Pierpont Morgan für 600 000 Mk. verkauft wurde, würdeu die Zollbeamten also nicht weniger als 120 000 Mk. fordern, eine ganz hübsche Summe für das Privilegium ein Gemälde in ein Land zu bringen. HaudelS-Nachrichten. «vrlln, 21. Aug. (Wechsel-Tours). üaak- Visvont Mark Amsterdam 3'/, T 168,65 G per 100 fl. d. o /» 2M 167,80 G Brüssel und Antwerpen g»/, ST 81,90 B pr. 100 Francs. "3M 80,40 G Italienische Plätze 5 WT 77,50 G pr. 100 Lire 2M — Schweiz. Pl. 100 Frc. 4 10T 81,— G London 8 T 20,41 G pr. 1 Lstrl. 3'/, 3M 20,28 G Madrid und Barcelona 5 — pr. 100 Pesetas 2M — Paris 3 bT 80,95 bz pr 100 Franc 3M 80,50 G Petersburg 5'/, ST — pr. 100 Rubel "3M — Warschau 100 Rubel 5'/, 8 T — Wien . 8T 85,20 G wer 100 Kr. ö W. * 3M 84,15 G Reichsbank 3'/,, Lomb.-Z.-F. 4'/,. NsirSvdurx, 21. Aug. Kornzucker cxcl. 88°/o Rendemenl —bis —. Nachproducte excl. 75°/« Rendement 6,8S bis 7,20. Stimmung: ruhig. Kristallzucker I mit Sack 28,95. Brodrafstnade I ohne Faß 29,20. Gem. Raffinade mit Faß 28,95. Gem. Melis I mit Faß 28,45. Rohzucker I. Product Transits f. a.B Hamburg per Aug. 8,27'/, Gd., 8,45'/, Br., per Sept. 8,82 Gd., 8,37'/. Br., per Okt. 8,40 Gd., 8,45 Br,. per Okt.-Dez. 8,40 Gd., 8,45 Br., per Jan.-März 6,55 Gd., 8,60 Br. Tendenz: Stetig. llamdurx, 21. Aug. Weizen flau, Holsteiner loco — bis —, La Plata 128. — Roggen flau, cif. südrusf. Hamburg 102—105, do. loco 104 bis 106, Mecklenburgischer 136 bis 142. Mais fest, amerik. mixed. 124, La Plata 100. Hafer fest, Gerste stetig. Wetter: Schön. Kremen, 21. Aug. (Baumwolle). Tendenz: Steigend. Upl. middl. loco 42. Pfg. Liverpool. 21. Aug. (Baumwolle.) Muthmaßlicher Um satz: 8 000 Ballen. Stimmung: Fester. Import: Ballen, Preise '/«« bis höher. Umsatz: 10000 Ballen, davon für Speculation und Export 1000 Ballen verkauft. Amerikaner fester, >/» höher, Ostindische und Egypter ruhig. Middling amerikanische Lieferungen. August-Septbr. 4'»/«. Käufer, good ordin. Lieferungen: Oktober 4'/s» Verkäufer, November-Dez. 4',«« Käufer. Januar-Februar 4Vs» do. Zahlungseinstellungen: Fabrikant Hugo Max Ulrich, Markranstädt. Kaufmann Karl Grupe, Suderode a. H. Möbelfabrik. C. A. Klemm, Wils druff. Kaufmann Rumpu. Wilms, Barmen. Schuhwaaren- händler Joh. Aug. Winkel, Reichenberg-Dresden. Off. Handels gesellschaft Hahne und Werningshaus, Hannover. Kaufmann Rudolf Raschdorff, Lüben. Rentner Louis Popp, Netzschkau- Reichenbach i. V. Notirungen dep Produkten - Börse zu Chemnitz, am 21. August 1901, Mittags "/.1 Uhr. Witterung: Trübe. Tendenz: Ruhig. Getreide. Weizen, fremder 173—181 Mk. do. sächsischer 176-178 „ Roggen, hiesiger 146—150 „ do. niederländisch-sächs. u. preuß. 154—156 „ do. fremder 148—153 „ do. neuer , Gerste, Brauwaare, fremde 165—185 „ do. Brauwaare, sächsische 150—160 „ do. Mahl- und Futterwaare 130—145 „ Hafer, preußischer und sächsischer, neuer 154—160 „ Mais, grobkörnig 126—130 „ do. mittel 131—136 „ do. Cinquantin 134—138 „ Erbsen, Kochwaare 190—220 „ do. Mahl- und Futterwaare 165—175 „ Roggcnkleie 100—101 „ Weizenkleie, grob 99—101 „ Raps 255-265 „ Alles pr. 1000 Kilo netto. Obige Preise verstehen sich für Quantitäten von 10000 Kilo an Mehl. Kaiser-Auszug Mk. 30,— Weizenmehl 00 „ 25,75 bis 26,75 do. 0 „ 24,25 „ 25,25 Roggenmehl 0 „ 23,50 „ 23,75 do. I „ 21,50 „ 21,75 pro joo kA. netto. Chemnitzer Marktpreise vom 21. August 1901. pro 50 Kilo Weizen, säüff. 8 M. 65 Pf. bis 9 M. 05 Pf. Roggen, - 7 - 70 - - 7 - 80 - Hafer 7 - 70 - - 8 - — - Strob 3 - 50 - - 3 - 60 - Heu 3 - 80 - - 4 - — - Kartoffeln 2 - 25 - - 2 - 75 - Futtcrgcrslc 6 - 50 - - 7 - 25 - Butter. 1 Kilo 2 - 50 - - 2 - 70 - Die Thürmer von Allerheiligen. Kriminalgeschichte von Friedrich Thieme. 6. Fortsetzung und Schluß. Doch zu seinem Erstaunen ging der Fabrikant nicht zur Thüre hinaus, sondern um die Tafel herum und auf ihn zu. So dicht, als er es, ohne Aufsehen zu er regen, vermochte trat er an den Beamten heran und sagte mit leiser Stimme: „Auf ein Wort, Herr Staats anwalt." Erstaunt schaute dieser ihn an. Wollte sich Hülle mann, nachdem er seine Geheimnisse verrathen sah, selbst der Gerechtigkeit überantworten?" „Ich stehe zu Diensten," sagte er kurz. „Bitte, folgen Sie mir einen Augenblick in ein Nebenzimmer." Die beiden Männer verließen gemeinschaftlich, wie zufällig den Saal, während die Gesellschaft noch um den interessanten Vogel beschäftigt war und standen wenige Momente später in einem kleinen Nebenraum — dem Lesezimmer — einander gegenüber. „WaS wünschen Sie?" fragte Eilert mit finsterer Miene." „Setzen Sie Ihr Spiel nicht länger fort, Herr Staatsanwalt," entgegnete der Fabrikant fast flehend, indem er sich tief aufseufzend in einen Sessel zurück fallen ließ. „Ich weiß, WaS sie beabsichtigen — ich ahnte eS vom ersten Blicke an, den Sie auf mich warfen, — ich sehe auch aus Ihren Worten, daß Sie Alles wissen, Alles errathen haben! Ja, ich bin jener Hüllemann aus R., ich war am Abend der That in der Wohnung des Thürmers, ich trug heimlicherweise die Liwree, von welcher jener Kopf stammte, den der Vogel am Halse trug, — aber, so wahr mir Gott helfe, Herr Staatsanwalt! den armen Albolt habe ich nicht ermordet!" Der Staatsanwalt konnte ein „Ah" des Triumphes nicht unterdrücken, als der Mann vor ihm in fieber hafter Erregung alle diese Geständnisse ablegte, so sehr er denselben auch bemitleidete. Seine Kombinationen hatten sich als richtig erwiesen, — aber den Mord wollte Hüllemann nicht begangen haben? Wer sollte denn sonst der Mörder sein? „Ihr Leugnen wird Ihnen nichts nützen, Herr Hüllemann," erwiderte er mit erzwungener Ruhe. „Nie mand wird Ihrer Versicherung glauben schenken, es sei denn, daß Sie uns den wirklichen Mörder zur Stelle schaffen." „Das will ich," rief der Fabrikant aufspringend. „Hören Sie mich, Herr Staatsanwalt, ich will Ihnen eine kurze,Schilderung des ganzen furchtbaren Dramas geben. Ich entstamme einer ehrenwerthen Familie in R. Als Lehrling vergaß ich mich, verführt von anderen, ich unterschlug meinem Prinzipale eine Summe Geldes und wurde bestraft. Im Gefängnisse lernte ich Albolt kennen, wir wanderten nach unserer Freilassung gemein schaftlich nach Amerika ans. Jahrelang arbeiteten wir mit einander, dann verlor ich ihn aus dem Auge. Durch Fleiß und Eifer erwarb ich mir ein hübsches Vermögen, auch war ich glücklich verheirathet, — trotz dem zog es mich zurück nach der alten Heimath. Ich hatte im Auslande den Familiennamen meiner Mutter angenommen, unter diesem kehrte ich zurück, ließ mich in dieser Stadt nieder und genoß elf Jahre des größten Ansehens. Da begegnete mir eines Tages ein Mensch auf der Straße, der mir bekannt schien. Auch er starrte mich verdutzt an, und zu meinem Unglück erinnerte er sich meiner. Es war Albolt. Er war durch den Trunk heruntergekommen. So fort ersah er seinen Vortheil und nutzte ihn aus. Ich wollte ihn mit einem erheblichen Geldopfer aus der Stadt bringen, er wollte jedoch nicht gehen und ich verschaffte ihm den Thürmerposten. Leider verfiel er bald seinem alten Laster und meine Vorstellungen be antwortete er mit Drohungen. Verschiedene Male mußte ich ihm Geld geben. Endlich konnte ich ihn nicht mehr halten. Da schrieb er an mich einen wutherfüllten Brief, drohte, meine Vergangenheit zu verrathen. Mein Ruf wäre damit vernichtet, mein Geschäft ruinirt ge wesen. In meiner Noth schrieb ich ihm einen Brief, worin ich ihn beschwor, die Stadt zu verlassen und ihm für diesen Fall eine namhafte Summe versprach. Kaum hatte ich dies gethan, als ich bitter bereute, etwas Schriftliches in seine Hände gelegt zu haben; ich be schloß darauf, den Brief zurückzufordern. Zu diesem Zwecke suchte ich ihn am Abend des Mordes auf. Um nicht erkannt zu werden, nahm ich die Liwree des Jagd kastellans heimlich aus dem Schrank, legte sie auf der Straße an und schlich nach dem Thurme. Albolt empfing mich mit Schmähungen, wir geriethen hart an einander, ec packte mich endlich gar und riß mir bei diesem Anlaß den Knopf mit dem Stoff ab, den er höhnisch zu Boden warf. Ich bückte mich, ihn aufzuheben, als der Rabe wie ein Blitz darüber herfiel, und den funkelnden Knopf in ein unauffindbares Versteck trug. Lange drang ich in Albolt, endlich gab er nach. Ich zahlte ihm sofort 200 Thaler und verpflichtete mich zu einer jährlichen Pension. Dann verließ ich ihn. Kaum war ich jedoch die ersten beiden Treppen hin- abgestiegen, als ich einen entsetzlichen Schrei hörte. Ich eilte wieder nach oben. Die Thür stand halb offen, da sah ich den Thürmer ausgestreckt auf dem Boden liegen. Ueber ihm kniete ein Mann, der gerade ein langes Messer in seiner Brust begrub. Angesichts der schrecklichen Scene ver ließ mich der Muth. Dem Todten konnte ich nicht mehr helfen, auch durfte mein Geheimniß, das der in der Nähe versteckt gewesene Mörder sicher belauscht hatte, nicht verrathen werden. Ich kehrte daher leise um und floh in wilder Aufregung. Bevor ich nach Hause ging, schlich ich mich unbemerkt ins Vorzimmer des Jagdvereins und hing die Livree rasch wieder in den Schrank, als der Kastellan gerade in den Keller gegangen war, uni frisches Bier zu holen." ' Der Staatsanwalt hatte schweigend, doch nicht ohne Zeichen der Theilnahme zugehört. „Herr Hüllemann," sagte er, als dieser geendigt