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zu Zeiten arktischer Sommerstürme vorzuherrschen pflegt, überziehen sich sämmtliche Segel, Raaen und Trossen der Fangschiffe innerhalb weniger Minuten mit einer Eiskruste, auch wenn sonst keine eigentlichen Nieder schläge stattfinden. Der Vereisungsprozeß kann jedoch gefahrdrohende Dimensionen annehmen, wenn die feuchte Polarluft während der Sturmperioden noch durch zeit weilige Schneeböen in ihrem Zerstörungswerk unter stütztwird. Einederartigeathmosphärische „Komplikation" trat bemerkenswerther Weise gerade in der nächst folgenden Woche rach dem Aufstieg des „Oernen" von der Däneninsel ein. Das Schiffsjournal des Kapitäns meldet nämlich, daß vom 11. bis 19. Juli unter dem 81. Grad n. B. frische östliche Brisen wehten, vom 16. Juli ab mit heftigen Schneefällen verbunden. Soweit sich nun aus den vorhandenen Anhalts punkten entnehmen läßt, muß mit der Wahrscheinlich keit gerechnet werden, daß die Vereisung des Luftballons schon am 12. Juli in geringerem Umfange begonnen hat und daß Andree während des am 16. Juli ein setzenden Nordweststurmes versucht hat, sein vereistes nnd mit Schneemassen belastetes Fahrzeug durch Preis gabe aller irgendwie entbehrlichen Proviant- nnd Aus rüstungsgegenstände zu erleichtern; vermuthlich werden bei dieser Gelegenheit auch die in geöffnetem Zustande auf Lopstadum, Grindavik und König Karls-Land ge borgenen Polbojen III, VIII und X von Andree ins Meer gesenkt worden sei. Die verzweifelten Bemüh ungen der Polarfahrer, den stetig sinkenden „Oernen" wieder in steigende Bewegung zu bringen, mußten zweifellos an den fünf Tagen hindurch ununterbrochen wüthenden Schneeböen scheitern. Hinzu kommt, daß die Tragfähigkeit des Luftballons an sich, zufolge un dichter Beschaffenheit der Ballonhülle, schon vor dem Aufstiege in Andrees Umgebung zu Befürchtungen her ausforderte. Andree glaubte, daß sein Fahrzeug sich mindestens 56—60 Tage schwebend erhalten könne, mußte aber schließlich aus dem täglich gemessenen Gas verlust erkennen, daß die Tragdauer günstigstenfalls nur auf die Hälfte jener Tageanzahl veranschlagt werden dürfe. Die äußerst ungünstigen Einwirkungen der atmosphärischen Niederschläge haben dies Maximum natürlich noch um einen weiteren beträchtlichen Bruch- theil vermindert. Aus Grund der positiven Wahrnehm ungen der norwegischen Eismeerfahrer, die in den beiden Wochen des Monats Juli nordwärts von Spitzbergen kreuzten, wird also füglich anzunehmen sein, daß die Landung des „Oernen" in den Tagen vom 16. bis 19. Juli, spätestens am 20. Juli, stattgefunden hat, und daß der Abstieg sich unter äußeren Umständen vollzog, welche die Havarie der ganzen Expedition zur Folge hatte. Die Strandung wird, da der „Oernen" nach der aufgefangenen Brieftaube noch am 13. Juli über dem 82 Grad n. Br. und 15 Grad ö. L schwebte und von dem am 16. Juli beginnenden Nordweststnrm in der Richtung Südost abgetrieben wurde, in der Höhe zwischen Franz Joseph-Land und Nowoja Semlja er folgt sein. Für die Annahme, daß die Katastrophe weder auf einer der arktischen Inseln, noch in erreich barer Umgebung derselben stattgefunden hat, spricht der Umstand, daß weder auf dem Spitzberge, noch dem König Karls- oder Franz Josephs-Land-Archipel trotz mehrjähriger eifriger Nachforschungen die geringste Spur von Ueberresten der Andreeschen Expedition hat festge stellt werden können. Wohl aber wurde schon im August des Jahres 1897 von norwegischen Nowoja Semlja- Fahrern die Mittheilung gemacht, daß man eine größere Anzahl rippenarlig verbundener Schnüre mit daran- hängenden Zeugstück-n in den Gemäss rn von Franz Josephs-Land treibend beobachtet habe. Jene Wahr nehmung, der man damals kein sonderliches Gewicht beilegen zu müssen glaubte, gewinnt jetzt bei einem ruhig abwägenden Vergleich mit den sonst in Betracht kommenden Anhaltspunkten erhöhte Bedeutung Aller Wahrscheinlichkeit nach sind die letzten Neste der verunglückten Polar-Expedition vom Golfstrom west wärts nach der grönländischen Ostküste geführt worden. Ob es jemals gelingen wird, die Stelle ausfindig zu machen, an welcher die letzten Uebelreite des „Oernen" angespült morden sind, dürfte kaum vermuthungsweise auszusprechen sein. Möglich immerhin, daß es schon der rn diesem Herbst zurückermarteten Sverdrups^en und Peaiyschcn Expedition vergönnt gewesen ist, nach dieser Richtung bestimmte Aufschlüsse zu gewinnen, vor ausgesetzt, datz nicht auch die beiden letztgenannten Polarfahrer mit dem Einsatz ihres eigenen Lebens der arktischen Sphinx zum Opfer gefallen sind. Lertliche» GLchUches. Hohenstein-Ernstthal, den 26. August. — Gemeindeanlagcn. Nach Ablauf der zur Be zahlung der Gemeindeanlagen auf den 3. Termin d. I. festgesetzten Frist werden diejenigen Steuerpflichtigen, welche sich mit demselben noch im Rückstände befinden, vom Stadtrath letztmalig aufgesordert, die bezeichneten Anlagen nunmehr bis spätestens zum 13. September laufenden Jahres an die Stadtsteuereinnahme abzuführen. — Von einem sächsischen Burenkämpfer, dem aus Frankenberg stammenden Brun? Holland, der sich augenblicklich in englischer Kriegsgefangenschaft in Ahmed- nagar in Ostindien befindet, ist an seine Angehörigen ein Brief eingegangen, aus welchem folgende« auch für weitere Kreise recht Lesenswerthe« mitgetheilt sei: Wir sind hier (in Ahmednagar) gegen 1000 Menschen, Männer und Jungen« alle« zusammen, zu je 50 in einem langen Hau«, welches der großen Wärme wegen zu beiden Seiten offen ist. Die Zeit wird un« fürchterlich lang, denn Arbeit giebt es nicht und unsere Bewegung ist auch sehr beschränkt. Manche traurige Scene geht hier vor sich, über die ich aber nicht berichten kann, und viel Traurige» wird un« noch bevorstehen. Um Zerstreuung zu haben und die Leiden meiner Gefährten etwa« mildern zu helfen, bin ich schon seit einiger Zeit dem Rothen Kreuz beigetreten und dadurch die meiste Zeit über im Hospital thätig Da giebt es viel zu thun, aber die armen Bauern sind dankbar für die kleinste Hilfeleistung. Die englischen Aerzte thun ihr Bestes für uns, aber auf der anderen Seite ist manches zu wünschen. Die außerordentliche Hitze, welche wir hier im Anfänge hatten, 40—45 Grad im Schatten, ist einer ange nehmeren Witterung gewichen. Jetzt ist hier in Ost indien die Regenzeit, in welcher der sogenannte Monsoon- Wind weht. Man erzählt uns, daß es außerhalb unserer Festungsmauern schön grün ist, daß es hohes Gras und blühende Bäume giebt, aber wir wißen es nur vom Hörensagen, denn außer einigen Bäumchen im Festungs- Hof sehen wir weiter nichts als hohe Mauern um uns und den blaue«: Himmel. Diese alte Festung, welche vor Hunderten von Jahren von indischen Fürsten erbaut worden ist, beherbergt Schwärme von großen Raben und silbergrauen Eichhörnchen, welche aber beide eher eine Plage sind. Die Raben sind hier ebenso moralisch ver kommene Vögel, als in Deutschland, sie stehlen eben wie die Raben und haben uns schon manches Stück Fleisch vom Feuer oder gar aus der Hand geholt. Ihre Manie im Stehlen ist sehr einfach, aber ebenso sicher. Wenn man etwas Fleisch oder sonstiges Esten mit Ausnahme von Suppe auf dem Teller vor sich hat, da kommen sie mit einem Schuß von hinten über unsere Achseln geflogen und ehe man zur Besinnung kommt, da steht man vor leerem Teller oder leerer Schüssel. Das Frisch erfassen sie mit nie irrender Sicherheit im Fluge und wir armen Kerle haben dann bei hungrige»! Magen das Nachsehen, denn Ersatz giebt es nicht. Die Eichhörnchen aus der anderen Seite zernagen einem über Nacht selbst Schuhe und Strümpfe. Mit mir sind noch gegen 20 Deutsche gefangen; die größere Anzahl gefangener Deutschen ist aber auf den Inseln St. Helena und Ceylon. Ein holländischer Pastor ist auch mit uns gefangen und hält nun regelrecht Gottesdienst unter freiem Himmel. Wir Gefangenen haben uns selbst Gesetze gegeben, welche unabhängig von unseren Gesangenwärtern sind. Die Ausführung und Bewachung der Gesetze und der allgemeinen Ordnung haben wir durch eigne Wahl einem Kommandanten, einem Richter und 18 Hauskapitänen übertragen. Die Kapitäne sind dem Richter (welcher nebenbei gesagt ein Deutscher ist) als Geschworene beigegeben und haben das Recht, selbst Gefängnißstrafe zu verhängen. Die Gefangenen sind sehr ruhige Leute und geben ihren Wächtern absolut keinen Anstoß. Zwischen uns und unseren Wächtern besteht das freundlichste Verhältniß. Wir sind Leidensgenossin, denn die englischen Soldaten haben auch Grund genug, nicht allzufrieden zu sein. Von schwerer Krankheit mit tödt- lich^m Ausgange sind wir bisher verschont geblieben. Ich habe unter vielen anderen Kranken einen 17jährigen Jungen, der schwer am Typhus darniederliegt, unter Pflege, er ist eine Waise — Vater, Mutter und Ge schwister erschoßen im Kriege. Geld oder Unterstützung haben wir schon seit Jahr und Tag nicht erhalten. Wie lange wir noch gefangen gehalten werden, wißen wir nicht; es kann noch viele Monate sein, ja auch in die Jahre gehen. — Die Ernte ist im Nordosten Deutschlands (ab gesehen von Ostpreußen) und an der ganzen Nord- und Ostseeküste bis tief nach Mitteldeutschland hinein, be- sonders in Winterweizen und Futtergewächsen, aber auch zum Theil in Winterroggen und Sommerung hinter dem DurchschnittSerlrage, vielfach sogar sehr erheblich, zurück- geblieben; dagegen ist die Ernte, so weit sich bis jetzt übersehen läßt, in Süddeutschland fast überall bester als eine normale, in manchen Gegenden, insbesondere in Ober- und Niederbayern, Oberfranken und im Unterelsaß ist sie sogar ungewöhnlich gut. Im ganzen Reiche bleiben nur Winterroggen und Klee hinter einer Durch schnittsernte zurück; alle übrigen Fruchtarten versprechen einen mittleren oder höheren Ertrag. — Im Jahre 1882 waren im Zuchthause zu Waldheim unlergebracht 2292 Gefangene, bei einer Bevölkerung von rund drei Millionen, auf das Zehn- tausend also sieben. Im Jahre 1900 dagegen saßen in Waldheim 1681 Gefangene, bei einer Bevölkerung von 4199 758 (vorläufiges Ergebniß der Volkszählung), aus das Zehntausend also vier. Es ergiebt sich demnach ein Rückgang an ZuchthauSgef.mgenen, und zwar auf die 10000 Einwohner ein Rückgang um drei Gefangene. Das ist gewiß ein überaus günstiges Zeugniß für die Bevölkerung Sachsens, bemerkt die Leipziger Lehrerzettung dazu und erklärt den Rückgang an Zuchthäuslern durch die lange Fciedenszeit, durch die Hebung der Volks- bildung und durch den wirthschaftlichen Aufschwung. Leipzig, 26. Aug. Auf dem Wege von dem Gast- Hose zu Lützschena nach dem Bahnhofe brachte gestern Abend ein 23jähriger Eisendreher seiner Geliebten, einer 24jährigen Näherin, au» Eifersucht mit Glasscherben bedeutende Schnittwunden am Halse und im Gesicht bei, wodurch das Mädchen gefährlich verletzt wurde. Auch die Mutter des Mädchen», welche ihn von ihrer Tochter fortreißen wollte, wurde verletzt. Der Thater wurde verhaftet. Döbel«, 25. Aug. Einen gräßlichen Tod fand am Sonnabend Abend die hier im Dietrichschen Stadtgute bedienstete 30jährige Tagelöhnerin Götzel. Sie hatte sich mit einer Küchenlampe nach ihrer Kammer begeben und strickte daselbst. Dabei wurde sie von Krämpfen, unter denen sie öfters zu leiden hat, befallen und riß im Niedersinken die Lampe herab. Al« der auf ihre Klage rufe herbeieilende Besitzer kam, fand er die Tagelöhnerin über und über in Flammen und am ganzen Körper so schwer verbrannt, daß beim Transport nach dem Kranken hause vom Arme der bei Besinnung gewesenen Frau eine Hand abfiel. Heute früh gegen 4 Uhr wurde die Unglückliche von ihren Leiden durch den Tod erlöst. Flöha, 26. Aug. Heute Montag früh brannten die an der Chemnitzerstraße auf dem Berge gelegenen zwei größeren Bauerngüter, den Herren Förster und Endig gehörig, völlig nieder. Der gesammte Besitz einschließlich dc» Inventars, auch da» de« Gesindes, war in beiden Gütern versichert. Vier Schweine kamen in den Flammen um. An der Bekämpfung des Brandes betheiligten sich 12 Feuerwehren. — Beim Vogelschießen zu Jeffen bei Meißen stellten sich die Festtheilnehmer eben zum Zuge auf, der seinen Weg durch das Dorf nehmen sollte. Als sich der Wirth anschickte, im Saale die beiden Kronleuchter anzuzünden, löste sich einer derselben unmittelbar am Gewinde los und fiel dröhnend zu Boden. Im Nu stand ein Stück Tanzfläche in Hellen Flammen, denn die mit Petroleum gefüllten Ballons waren zerbrochen. Festtheilnehmer verhinderten ein Umsichgreifen des Feuers. Wilsdruff. Seit einigen Tagen sind entlang der Landstraße bei Herzogswalde Arbeiter der Postdirektion mit dem Legen von Telegraphenleitungen beschäftigt. Am Freitag in den Abendstunden kam nun dort ein mit einem Herrn und einer Dame besetztes Tandem vorüber, welches mit einer amerikanischen Fahne ge schmückt war. Da die Arbeitsleute über diesen Umstand lachten, regte sich der Radfahrer derart auf, daß er absprang, einen Stoßdegen von der Maschine abschnallte und damit sofort auf die Arbeiter angriffsweise vorging. Auf den Ruf der Leute, daß man ihnen doch nicht das Lachen verbieten könne, machte der von seiner Begleiterin noch aufgehetzte Radler von seine,» Degen einem der Arbeiter gegenüber Gebrauch und verletzte diesen nicht unerheblich am Kopfe. Nun bemächtigte man sich natürlich des gewaltthätigen Herrn, nahm ihm den Degen, sowie einen ungeladenen Revolver ab und stellte seinen Namen fest, wobei er sich ergab, daß man es mit e'mem auf einer Weltreise befindlichen Amerikaner zu thun hatte. Da sich dieser sogar bei seinen Schimpfereien zu einer Majestätsbeleidigung Hinreißen ließ, setzte man von Herzogswalde aus die Dresdner Polizeibehörde telegraphisch von dem Vorgänge in Kenntniß mit dem Ersuchen, den Radfahrer bei seinem Eintreffen in der Residenz festzunehmen. (Es handelt sich zweifellos um den Amerikaner James Hetzel, über den wir schon be richtet haben.) Netzschkau, 26. Aug. Nachdem die hohen Mauern der abgebrannten Fabrik von Sonntag und Löscher von der freiwilligen Feuerwehr niedergelegt worden sind, haben bereits die Abräumungsarbeiten begonnen. Die Firma b schäfligt dabei sämmtliche männlichen Arbeiter, die sonst, da über 500 Webstühle mit verbrannten, brod- los geworden wären. — Der Adorfcr Turnverein, welcher sich vor einigen Jahren ein Feldgrundstück für 1200 Mk. erwarb und dort einen Somwerturnplatz errichtete, sollte für den Platz, der jetzt ein werthvolleS Bauareal geworden ist, 10000 Mk. erhallen, hat aber den Verkauf für jetzt abgelehnt, da in Folge Vergrößerung der Stadl Adorf der Werth tnr Bauplätze von Jahr zu Jahr steigt. Vermischtes. * Große Wcchsclfälschungcn. Vor einer Zeit starb in Dortmund plötzlich der Inhaber der Firma A. Wilde, Margarinefabrik und Weißbierbrauerei. Die an den Tod geknüpften Gerüchte, Wilde habe selbst Hand an sich gelegt, haben eine bestimmte Bestätigung nicht gefunden, indesfen wurde festgestellt, daß Wilde mit seinem Unternehmen vor dem Bankerott stand und daß er Wechselfälschungen in Höhe von annähernd 100 000 Mark vorgenommen hatte. Die Wild'sche Fabrik, welche bis vor einigen Tagen noch im Betriebe war, ist zur Zeit ganz still gelegt, weil ihr von Seiten der Stadl das Wasser abgeschnitten worden ist. Die Gläubiger haben in einer kürzlich abgehaltenen Besprech ung beschlossen, die erforderlichen Mittel aufzubringen, um den Betrieb wieder aufnehmen zu können. In einer demnächstigen Versammlung soll ein Betrag von 50000 Mk. gezeichnet werden, um die kleineren Gläubiger befriedigen zu können. Es liegt im Plane, das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, von der gute Resultate erwartet werden. Bezüglich der Wechsel- Fälschungen wurde mitgetheilt, daß sich zur Zeit noch etwa für 70 000 Mk. Wechsel im Umlauf befänden,