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ohne die günstigen Verhältnisse des Terrains auszunutzen, stürmten die Engländer vor, als wollten sie uns mit ihrer gewaltigen Uebermacht erdrücken. Trotz des klopfenden Herzens wurde jeder Schuß sorgfältig abge geben, keine Patrone unnütz verknallt, schnell ladend, langsam schießend, so lagen wir hinter unseren Steinen. — Plötzlich taucht eine feindliche Abtheilung aus dem Hohlpasse links auf, der Teufel mag wissen, wie sie unbehelligt uns so nahe auf den Leib rücken konnte. Da sehen wir, wie Brüsewitz aufspringt, sich mitten auf einen Felsblock stellt, die Flinte an die Backe reißt uud Schuß auf Schuß auf die Anstürmenden abgiebt. Das Feuer der entfernter liegenden feindlichen Abtheilungen hatte sich verdoppelt. Wir ruien ihm zu, wir brüllen: „Hinlegen, Brüsewitz, hinlegen I" Brüsewitz achlet nicht darauf, und als wir ihn abermals ernergisch ersuchten, sich zu decken, da ruft er, indem er wieder in Anschlag geht: „Ach was, ich will Euch zeigen, wie... ." Er konnte sieinen Gedanken nicht zu Ende sprechen, eine der vielen auf ihn gerichteten Kugeln hatte seine Stirn durchbohrt. Was er da hat sagen wollen, das weiß ich jetzt, nachdem ich seine traurige Geschichte gehört habe und ergänze mir dazu, „wie ich meines Namens Ehre wieder herstelle!" — Nach Meldungen au« St. Helena herrschte in den beiden Lagern der burischen Kriegsgefangenen in Deadwood und Broadbottom kürzlich große Aufregung. Einige ernste Zusammenstöße zwischen den Gefangenen ereigneten sich, weil eine Anzahl derselben den Treueid geleistet hatte. Viele dieser Leute wurden von ihren Landsleuten in die Latrinengruben getaucht, weil sie deren Ansichten nach die Rolle von Renegaten gespielt. Infolge dessen wurde eine Anzahl derer, welche da« Untertauchen vorgeschlagen hatten, unter starker Bewachung auf Fort High Knoll untergebracht. Alle die, welche den Treueid abgelegt haben, sind in den Lagern von den anderen getrennt und nach besonderen, mit Stacheldraht versehenen Einzäunungen gebracht worden. Augenblick- lich wird e» nicht gestattet, daß Gefangene auf Ehren- wort umhergehen können, da es sicherlich zu blutigen Zusammenstößen kommen würde, wenn die zwei Parteien zusammentreffen sollten. Es ist nicht bekannt, sagt der Correspondent des „Reuter'schen Bureaus", wie lange die Kriegsgefangenen auf der Insel bleiben werden, wenn man auch annimmt, daß sie noch mindestens ein Jahr dort bleiben müßten. OertlicheS und SächfifcheS. Hohenstein-Ernstthal, den 30. Juli. — Dem Turnverein Hohenstein-Ernstthal Neustadt wurden aus der Stiftung zur Errichtung deutscher Turn stätten 300 Mark als Geschenk bewillgt. — Rechtsgeschäfte mit Wittwen. Nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches übt nach dem Tode de« Vaters die Mutter die elterliche Gewalt über die minderjährigen Kinder au». Die Mutter hat im Allgemeinen die Rechte, die während bestehender Ehe der Vater hat; sie hat vor Allem das Recht, die Kinder Dritten gegenüber zu vertreten und Rechtsgeschäfte für die Kinder mit Dritten abzuschließen. Da« Gesetz hat aber mit der Möglichkeit gerechnet, daß die Mutter den ihr hiernach obliegenden Pflichten nicht gewachsen ist und hat deshalb bestimmt, daß der Mutter bei Ausübung ihrer Rechte ein Beistand bestellt werden kann. Die Be- stellung eines Beistandes hat zu erfolgen, wenn der Vater sie in einer letztwilligen Verfügung angeordnet hat oder wenn die Mutter die Bestellung eines Beistandes ver langt. Auch das Gericht kann von Amtswegen die Be- stellung eines Beistandes anordnen, wenn er nach Lage der Sache, insbesondere wegen des Umfanges oder der Schwierigkeit der Vermögensverwaltung, die Bestellung im Interesse der Kinder für nöthig erachtet. Daß die Wittwe einen Beistand hat, wird hiernach nicht eben selten sein. Der Beistand kann für alle Angelegenheiten oder für einzelne Angelegenheiten bestellt werden. Aus der dem Beistände vom Gericht zu übergebenden Be- stellung wird sich der Umfang seines Wirkungskreises feststellen lassen. Ist der Umfang nicht bestimmt, so fallen alle Angelegenheiten in seinen Wirkungskreis. Die wichtigste Befugniß des Beistandes besteht nun darin, daß er innerhalb seines Wirkungskreises allen RechtSge. schäften die Genehmigung zu ertheilen hat, zu denen ein Vormund der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts oder de» Gegenvormunde» bedarf. Da nun ein Vor mund zu jeder Verfügung über eine Forderung des Mündel«, sowie zur Verfügung über ein Werthpapier de» Mündel« der Genehmigung de» Gegenvormunde« bedarf, so kann auch eine Wittwe nur mit Genehmigung de« Beistandes in diesen Fällen eine Verfügung treffen. Die Mutter bedarf z. B. der Genehmigung de» Beistandes, wenn sie eine Forderung de« Kindes einztehen oder an Andere übertragen will, wenn sie ein Werthpapier de« Mündel« verkaufen oder verpfänden will. Will der Schuldner eine« unter der elterlichen Gewalt einer Wittwe stehenden Kindes die Schuld mit Rückwirksamkeit an die Wittwe zahlen, so ist die Genehmigung de» Beistände« etforderlich. Will er sicher gehen und z. B. nochmalige Zahlung vermeiden, so muß er vorher feststellen, ob der Wittwe ein ihre Verfügungssähigkeit beschränkender Bei stand bestellt ist. Er wird in der Regel von der Wittwe den Nachweis verlangen, daß ein Beistand nicht vor handen ist. Dasselbe wird Jeder thun, welcher mit einer Wittwe al« gesetzlicher Vertreterin ihrer minderjährigen Kinder in rechtliche Beziehung tritt. In zahlreichen Fällen haben sich deshalb die Wittwen oder auch die Schuldner und sonstige dritte Personen an da« Amts gericht gewandt und um Ausstellung einer Bescheinigung dahin gebeten, daß ein Beistand nicht bestellt sei. In den meisten Fällen hat da« Amtsgericht dem Anträge entsprochen, in sehr vielen Fällen wurde aber der Antrag aus Ausstellung einer solchen Bescheinigung au« den ver schiedensten, hier nicht interesfirenden Gründen abgelehnt. Dies veranlaßte den preußischen Justizminister zu einem sehr bemerk«n«werthen Erlasse. Der Erlaß dadirt schon vom 6. Juli 1900. Nach der Auffassung de« Justiz minister» verlangt e« die Sicherheit de« Verkehrs und somit auch da« öffentliche Interesse, daß einem solchen Anträge stattgegeben wird. Hiernach kann sich der Schuldner eine» minderjährigen Kinde«, welcher jan die Mutter desselben Zahlungen zu leisten hat, ohne Kosten — etwaige Porto-Auslagen kommen ja kaum in Be- tracht — darüber Gewißheit verschaffen, ob er rechts gültig an die Wittwe allein zahlen kann. Er kann selbst verständlich auch von der Wittwe die Beibringung der Bescheinigung verlangen. Unterläßt er diese einfache Vorsichtsmaßregel, so hat er e« sich selbst zuzuschreiben, wenn er durch ungültige Zahlungen Vermögensnachtheile erleidet. — Die deutsche Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung veröffentlicht soeben die 11. Aus gabe ihres „Adreßbuches der deutschen Rednerschaft," d. i. ein Verzeichniß derjenigen Redner, Wanderlehrer, Recitatoren, Deklamatoren rc., welche sich bereit erklärt haben, im Laufe des nächsten Winters in den zur Gesellschaft gehörenden Bildungs-, Gewerbe-, Handwerker und kaufmännischen Vereinen Vorträge zu halten. Ihre Zahl beträgt 181. Neben den bekanntesten Berufsrednern und Wanderlehrern sind besonders Gelehrte, Aerzte, Schriftsteller rc. vertreten. Ein großer Theil der auf genommenen Redner stellt seine Zeit und Kraft ohne besondere Entschädigung in den Dienst der guten Sache. Der sächsische Landesverband (Sitz Leipzig) giebt zu dem noch einebesondere Rednerliste heraus. Während bei der Begründung der Gesellschaft im Jahre 1871 an guten Vortragskräften ein sehr fühlbarer Mangel bestand und namentlich Gelehrte zu Vorträgen in Bildungs- Handwerkervereinen nur schwer zu bewegen waren, ist heute erfreulicher Weise bei den Vertretern der Wissenschaft die größte Bereitwilligkeit vorhanden, an der Belehrung und Bildung weiterer Kreise mitzu arbeiten und zur Popularisirung der Wissenschaften beizutragen. Hauptsächlich begehrt sind noch immer Demonstrationsvorträge, die besonders der Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse und der Pflege des Kunstsinnes des Volkes zu gute kommen. — In Bezug auf eine Förderungseinstellung auf dem Werk des Steinkohlenbauvereins Oberhohndorf, schreibt das „Zw. Tagebl ", muß die Notiz, hinter der man nicht mit Unrecht ein sehr gewagtes Börsenmanövcr erblicken darf, als vollständig aus der Lust ergriffen bezeichnet werden. Mit derselben — Keckheit sind die Betriebseinstellungen zweier Brückenbergschächte combinirt. Die vier Brückenbergschächte sowie erstgenanntes Werk gehören, was ihre Lebensdauer und Leistungsfähigkeit anbelangt, zu den ersten Bergwerksbetrieben des ganzen Zwickauer Reviers. Mülsen St. Micheln, 28. Juli. Heute Nachmittag fand das zweite Schülerwettturnen des Niedererzgeb. Turngaues statt. Im Laufe des Vormittags trafen die Ortsgruppen, die sich an der Turnfahrt betheiligten, hier ein. Nach dem Festzuge entwickelte sich ein jugendfrohes Treiben. Dem wohlgelungenen Auf marschschloffen sich Freiübungen an, die von 408 Turn schülern exakt ausgeführt wurden. Beim Grrätheturnen betheiligten sich 50 Riegen. Neben Uebungen im Weit springen wurden auch Turnspiele geboten. Den Glanz- punkt bildete ein Damenreigen, den 36 Turnerinnen ausführten. Nach Beendigung der Vorführungen er folgte die Bekanntgabe der errungenen Punktzahl. Von den 44 zu diesem Gau gehörigen Vereinen waren 25 vertreten. Die Massenübungen leitete Gauturnwart Selbmann. Dresden, 29. Juli. Am Sonnabend Abend haben von 330 Glasmachern in Döhlen 300 die Arbeit nieder gelegt. Der Schichtlohn wurde am Sonnabend nicht ausgezahlt. Auch hat man füb die Stunde der Arbeits niederlegung die Fabrikwohnungen aufgekündigt. Etwa 20 Glasarbeiter, Ausländer, die die Firma durch ihre Agenten aus Rußland, Holland, Oesterreich und Däne mark Herkommen ließ, erhielten einen Ausweisungsbefehl. Sie haben binnen 3 Tagen Sachsen zu verlassen. Die Ledigen sollen binnen 24 Stunden Sachsen verlassen haben. Leipzig, 29. Juli. In einem hiesigen Bankgeschäft erschien ein junger Mann und verlangte auf Grund einer gefälschten Quittung, sowie eine« gefälschten Be- gleitscheine« für eine Firma, die mit dem Bankhause in Verbindung steht, 8050 Mk. Dem Bankbeamten mochte die Sache nicht recht sicher erscheine», weshalb er, bevor er da« Geld auszahlte, telephonisch noch einmal hei der Firma anfragte. Dabei stellte sich nun der Schwindel heraus. Der Betrüger mochte inzwischen Lunte gerochen haben, denn er hatte sich schleunigst au« dem Bankhause entfernt. Heute früh ist derselbe nun ermittelt und ver haftet worden. Er ist ein wegen schweren Urkunden- fälschung und Betrug bereit« vorbestrafter achtzehn Jahre alter Handlungslehrling von hier. Limbach, 29. Juli. Der vor einigen Wochen ver storbene Privatmann Herr Moritz Theodor Stein hat testamentarisch bestimmt, daß die Stadtgemeinde au« dem einstigen Nachlasse seiner Frau zehntausend Mark er hallen soll. Die Zinsen dieser Summe sollen zur Unter stützung bedürftiger unbescholtener Limbacher Stadtkinder verwendet werden, und zwar sollen die Zinsen von je 1000 Mk. je einet Person zukommen. Frau Stein hat diese 10000 Mk. bereit« jetzt der Stadt credirt mit Vor behalt de« Zinrgenuffe« bei Lebzeiten. Die städtischen Collegien haben diese hochherzige Stiftung mit Dank an genommen und alle Mitbürger werden sich gewiß gern diesem Danke anschließen. Boitersreuth. Ein neues Schmugglergeschichtchen, wie eS hier jüngst passirte, sei im folgenden erzählt: Sonntag Nachmittag. Der Personenzug in der Richtung von Sachsen nach Oesterreich hat soeben den Grenzbahn- Hof erreicht. Eine Menge Passagiere entsteigt der langer. Wagenreihe und begiebt sich in die Zollrevisionshalle, um ihr Gepäck von den k. k. österr. Zollbeamten auf ihren zollpflichtigen Inhalt prüfen zu lassen. Einzelne Reisende, frei und ledig allen GepäckpallasteS, verbringen die übliche Hattezeit des ZugeS am Buffett, ihren trockenen Kehlen feuchte Opfer bringend. Nur ein einziger schreitet, in der Restauration angelangt, an ein Fenster des WartesaaleS und behält von hier au« sein bisher innegehabteS Abtheil scharf im Auge. Er sieht schein bar ruhig zu, wie der den Zug revidirende österreichische Grenzbeamte Wagen für Wagen einer genauen Controlle unterzieht. Auch sein Abtheil kommt jetzt an die Reihe, sogar jener stille Raum, an welchem geschrieben steht, daß er nur außerhalb deS BahnhofSbereicheS zu benutzen ist wird in Augenschein genommen. Ein kurzer Augen blick und der Beamte erscheint wieder, mehrere größere Packete aus obigem Oertlein herausbringend. Da wendet sich jener stille Beobachter erbleichten Gesichtes vom Fenster weg, und das Hasenpanier ergreifend, will er sich seitwärts in d>e Büsche schlagen. Doch bald holt ihn ein Hüter der Zollgesetze ein und führt ihn vor den Chef des Zollamtes. Dort werden seine Personalien festgestellt, auch der Inhalt der Packete einer eingehenden Prüfung unterzogen. Es werden inSgesammt netto 22 kx baumwollene Zeugwaaren, sogen. Congreßstoff, er mittelt und im zollamtlichen Gewahrsam behalten, da der Reisende wohl in Anbetracht der Strafe und sonstigen Kosten, die sich ungefähr auf 120 Gulden be laufen dürften, das EigenthumSrecht an der Schmuggel- waare hartnäckig ableugnete. Es soll zum Schluß die Thatsache nicht verheimlicht werden, daß die Entdeckung deS Schmuggels nicht ganz ein Spiel des Zufalles ge wesen ist, sondern die betheiligte Behörde vorher „Wind" bekommen hatte. Karlsbad, 29. Juli. Anläßlich des Concertes eines Pilsener czechischen Gesangvereins kam es gestern Abend zu Kundgebungen vor dem Concerthaus. Die Menge sang die Wacht am Rhein und zerriß die Schleifen in czechischen Farben, die sich an den von den Sängern mitgebrachten Kränzen befanden. Die Ruhe wurde nach der Abreise der Sänger wieder hergestellt. Zwei Personen wurden verhaftet. Vermischtes. * Zum Schutze des Edelweiß ist dem niederöster reichischen Landtag ein Gesetzentwurf vorgelegt worden. Danach ist das Ausheben und Ausreißen der Edelweiß pflanzen sammt Wurzeln, sowie das Feilhalten und der Verkauf derartig bewurzelter Pflanzen in Niederösterreich verboten. Die Uebertretung dieses Verbots wird mit einer Geldstrafe von 2—50 Kronen, im Falle der Un einbringlichkeit mit einer entsprechenden Arreststrafe ge ahndet. Eine Ausnahme von diesem Verbot tritt in jenen Fällen ein, in welchen es sich um die Gewinnung der Pflanze für wissenschaftliche Zwecke handelt, wobei jedoch die Bewilligung der politischen Bezirksbehörde eingeholt werden muß. Auf Edelweißpflanzen, die im Wege des Gartenbaues gezogen werden, findet das Ge setz keine Anwendung. Wer in dem Besitz solcher Pflanzen getroffen wird, hat deren Herkunft durch einen Schein der Gemeinde zu erweisen, in der sich der Edel weißbau befindet. * Der „olle ehrliche" Terlinden. Aus Oberhausen schreibt man der „Frkf. Ztg.": In der traurigen An gelegenheit Gerhard Terlinden möchte ich Ihnen doch eine bezeichnende Thatsache mittheilen. Es hing in seinem Privatbureau ein Emailleschild mit der Aufschrift: „Ehrlich im Handel, — Christlich im Wandel!" Es ist dies das Privatbureau, in dem der stellvertretende Stadtverordnetenvorsteher die zahllosen Betrügereien sich ausgedacht hat, mit denen er eine Legion von Banken, Kaufleuten und Industriellen zu täuschen verstand. Das Terlindensche Schild erinnert lebhaft an die Privatcapelle im Garten des Commercienraths Sanden in Potsdam.