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Altenburg. Ein überaus peinlicher Vorfall hat sich, wie die „Altenb. Stadt- und Landztg." schreibt, zwischen der Schutzmannschaft zu Stettin und Herrn Bürgermeister Germann von hier in genannter Stadt ereignet. Herr Germann befindet sich zur Zeit auf einer Urlaubsreife in Gesellschaft seiner Frau und mehrerer befreundeter Famillen nach der Insel Rügen und hat wohl unterwegs in Stettin Station gemacht, denn gestern ging dem obengenannten Blatte aus dem Hotel Viktoria in Stettin folgender Brief von berufener Seite zu: „Stettin, den 12. August 1901. In der Nacht von gestern zu heute ist der Bürgermeister der Haupt- und Residenzstadt Altenburg, Herr Paul Bruno Germann, von der Schutzmannschaft zu Stettin mittelst festgeschraubter Handfessel geschlossen in Polizeigewahr sam genommen und bis 12 Uhr Mittags deS nächsten Tages in Haft behalten und auch dort weiterhin durch Faustschläge mißhandelt worden, weiter mit der Schutz mannschaft der Stadt Stettin in einen Konflikt gerathen war. Der Herr Bürgermeister Germann konnte sich der Schutzmannschaft gegenüber genügend legitimiren. Trotz dem hat dieselbe Herrn Germann bis zu genannter Zeit in Haft behalten. Gegen den betreffenden Schutzmann, der sich dieser unglaublichen JnstlUktionSverletzung schuldig gemacht hat, ist bereits daS Strafverfahren eingeleitet worden. Der Herr Bürgermeister Germann, der seinen Urlaub auf der Insel Rügen zuzubringen gedachte und die Stadt Stettin mit berühren mußte, ist dadurch von der Stettiner Schutzmannschaft auf das schwerste thätlich beleidigt worden." Herrnskretscheu. Dre Hälfte des Augusts ist ver strichen, aber noch merkt man hier im Centrum der Sächs.-Böhm. Schweiz nichts von einer Abnahme des Fremdenverkehrs. Hier sind, wie man sagt, in diesem Jahre ungefähr 8000 Fremde mehr über die Elbe ge setzt worden, als im Vorjahre und hierbei sind noch nicht Diejenigen einbezogen, die mit dem Dampfschiff angekommen oder abgegangen sind. Die Wirthe äußern sich sehr zufrieden über das finanzielle Ergebniß, soweit es sich jetzt übersehen läßt. dem Abgestürzten, der etwa 150 Meter vor mir lag, während unmittelbar hinter mir ein Herr, ebenfalls ein Münchener, der den Sturz von oben bemerkt hatte, zur Hilfe herunterkam. Niemand hätte da noch einen Lebenden geahnt; indeß war die Sache mit einem un glaublichen Glücke abgelaufen. Der Mann lebte, und die erste Untersuchung ergab, daß er zwar eine Menge theils tiefer Wunden an Kopf und Gesicht und mehr fache Quetschungen am übrigen Körper, jedoch, wie es schien, keine wesentlichen inneren Verletzungen erlitten hatte. Kopf, Gesicht und Hände waren blutüberströmt. Wir gaben ihm zunächst Erfrischungen nnd schleppten ihn, nachdem er sich einigermaßen erholt hatte, aus der Sonnenhitze des Kars hinunter auf den Grasboden. Sein Begleiter war inzwischen herabgekommen und zur Hütte vorausgeeilt, um Hilfe zu holen. Da der Ver letzte sich nicht aufrecht erhalten konnte, und auch beim Tragen starke Schmerzen fühlte, zumal sich bereits ein starker Fieberfrost eingestellt hatte, mußten wir weitere Hilfe abwarten. Nach etwa einer halben Stunde kam sodann der Senner von der nächsten Almhütte mit einer Tragkraxe, auf der wir den Verletzten mir Decken und Schnüren festbanden und zur Hütte transportirten. Nach Reinigung der Wunden mit Hilfe der kleinen Hausapotheke, wobei wir eine Menge Steintheile aus den Wunden zogen, legten wir einen provisorischen Ver band an und betteten den Verletzten auf das Matratzen lager, wo er, geschwächt von dem starken Blutverlust, in einen tiefen Schlaf verfiel. Der Arzt in Jenbach wurde verständigt; wie sich ergab, war der Verunglückte ein Tischlergehilfe aus Jenbach, der mit seinem Meister zum Edelweißsuchen gegangen war. Der Unfall dürfte lediglich dem unverzeihlichen Leichtsinne zuzuschreiben sein, ohne jede alpine Ausrüstung, in ganz gewöhnlichen leichten Stiefeletten, an eine Bergparthie, und noch da zu an eine solche Felskletterei, sich heranzuwagen, und es ist geradezu ein Wunder zu nennen, daß der Mann mit dem Leben davonkam. Vermischtes. * Ein braver Junge. Die Bau- und Möbel tischlerei von H. Spohr im Philosophenweg bei Kassel brannte vor einigen Tagen mit allen Vorräthen ab. DaS Maschinengebäude, die Werkstätte und namentlich das große Holzlager hinter dem Wohnhause standen in kurzer Zeit in Flammen, so daß die im Vorderhause wohnenden Familien nur wenig von ihrem Mobiliar retteten. Die erwachsenen Personen waren zumeist auch nicht zu Hause. So auch die Familie Glaser Denu. Der Vater hatte nun dem 12jährigen Jungen öfter ein geschärft, wenn mal etwas passire, möge er vor allen Dingen einen Kasten retten, in dem sich die Versicher ungspolice und andere Werthsachen befanden, und der an einem bestimmten Ort aufbewahrt wurde. Der Junge war mit den anderen Leuten — die Mutter war nach dem Markt gegangen — in der ersten Angst aus dem brennenden Hause gestürmt, als ihm nachher das Mahn wort des Vaters einfiel. Rasch entschlossen eilte er, Rauch und Qualm nicht achtend, drei Treppen wieder hinauf in das brennende Haus, das alsbald vollständig ausbrannte. Er ergriff in der Stube den Kasten und wandte sich schon zum Gehen, als ihm plötzlich das Geschrei eines kleinen Säuglings an'S Ohr schlug. Er war sein vier Wochen altes Schwesterchen, da« in der Wiege lag. Im nächsten Augenblick packte er den Säug ling unter den einen, den Kasten unter den anderen Arm und rettete so das Kind vom sicheren Feuertode in's Freie. Als die Mutter nachher zur Brandstätte zurück kehrte und ihre Kinder von Rauch und Feuer geschwärzt, aber noch unversehrt wieder vorfand, wo sie den Säug ling schon verbrannt glaubte, wurde sie vor innerer Er regung ohnmächtig. Trotzdem das Feuer am Hellen Tage ausbrach, ist 8 Familien fast Alles verbrannt, so rasch ergriffen die Flammen daS Wohnhaus. * Bei der Aktien-Gesellschaft für Trebertrocknung in Kassel wurde von 110 Bureauangestellten 65 per 1. Oktober gekündigt. * Ueber einen Absturz im Rofangebiete wird der Münchener „Allg. Ztg." von einem Augenzeuge berichtet: Ich ging gegen 11 Uhr Vormittags von der Erfurter Hütte gegen die Dalfazerwände, an diesen entlang, um Edelweiß zu pflücken. Beim Umbiegen um einen Fels vorsprung und Absuchen der Wände nach einem paffenden Aufstieg auf den Kamm bemerkte ich schräg vorwärts über mir zwei Touristen, die gerade aus einer schmalen grünen Rinne nach links in die Wand eingestiegen waren, etwa über dem ersten Drittel der Wandhöhe. Sie stiegen auf einem schmalen Bande langsam nach links herüber, wo sie einen kleinen Felserker zu umgehen hatten. Dem ersten gelang es glücklich. Der Nach folgende hatte eben den linken Fuß herumgesetzt, als er plötzlich ausglitt und senkrecht abwärts siel, einige Meter tiefer blieb er scheinbar mit dem Fuß an einem Felsabsatze hängen, überschlug sich und stürzte kopfüber die senkrechte Wand hinunter^ bis er auf einem Schutt- kar mit dem Kopfe schräg abwärts bewegungslos liegen blieb. Ich rief sofort um Beistand nach der Hütte hinüber. Auch von oben wurden Hilferufe wiederholt und auf der Hütte alsbald verstanden. Gleichzeitig eilte ich über Schutt und Steinplatten, so rasch es ging, zu Handels-Nachrichten. Uvrlln, 14. Aug. (Wechsel-Cours). vanlr- vlseont Mark Amsterdam 3-/. b T 168,80 G per 100 fl. b. a /, 2M 168,10 G Brüssel und Antwerpen 3'/, b T 81,05 G pr. 100 Francs. "3M 80,40 G Italienische Plätze - 10 T 77,50 G pr. 100 Lire 2M — Schweiz. Pl. 100 Frc. 4 10 T 81,10 G London 8 T 20,43 G pr. 1 Lstrl. 3'/, 3M 20,29 G Madrid und Barcelona 5 — pr. 100 Pesetas o 2M — Paris 3 ST 81,05 G pr 100 Franc 3M 80,70 G Petersburg 5-/.S T — pr. 100 Rubel "3M — Warschau 100 Rubel 5'/, 8 T — Wien . 8T 85,15 G per 100 Kr. ö W. 3M 84,— G Reichsbank 3'/,, Lomb.-Z.- F. 4'/,. Nasüsdarx, 14. Aug. Kornzucker cxcl. 83"/» Rendcment —,— bis —,—. Nachproducte ercl. 75°/» Rendement 7,00 bis 7,35. Stimmung: ruhig. Krystallzucker I mit Sack 28,95. Brodraffinade I ohne Faß 29,20. Gem. Raffinade mit Faß 28,95. Gem. Melis I mit Faß 28,45. Rohzucker 1. Product Transito f. a. B. Hamburg per Aug. 8,55 Gd., 8,60'/, Br., per Sept. 8,55 Gd., 8,62 Br., per Okt. 8,45'/, Gd., 8,47'j, Br,. per Okt.-Dez. 8,45 Gd., 8,47 Br., per Jan.-März 8,62'/, Gd., 8,67 Br. Tendenz: Behauptet. llamdur,, 14. Aug. Weizen höher, Holsteiner loco 165 bis 170, La Plata 130. — Roggen ruhig, cif. südruss. Hamburg 104—108, do. loco 105 bis 108, Mecklenburgischer 136 bis 142. Mais höher, amerik. mixed. 124, La Plata 102. Hafer fest, Gerste fest. Wetter: Schön. Vrvmen, 14. Aug. (Baumwolle). Tendenz: Ruhig. Upl. middl. loco 42'/«. Pfg. Illvvrpool, 14. Aug. (Baumwolle.) Muthmaßlicher Um satz: 8 000 Ballen. Stimmung: Ruhig. Import: 2 000 Ballen, Preise unverändert. Umsatz: 8 000 Ballen, davon für Spe- culation und Export 500 Ballen verkauft. Amerikaner ruhig, Ostindische unverändert, Egypter unregelmäßig. Middling amerikanische Lieferungen. August-Septbr. 4"/,« Käufer, Oktober 4'/«« Käufer, good ordin. Lieferungen: November- Dezember 3«',«« do., Januar-Februar 3°'/»« do. Notirungen der Produkten - Börse zu Chemnitz, am 14. August 1901, Mittag« ^1 Uhr. Witterung: Trübe. Tendenz: Fester. Getreide Mk. Mahl- und Futterwaare i, neuer Alles pr. 1000 Kilo netto. Obige Preise verstehen sich für Quantitäten von 10000 Kilo an 175—183 176—178 148—150 154-157 148—153 150—165 130—145 154—160 126—130 131—13« 134—138 190—220 165—175 102—103 99—101 240-250 do. do. do. Gerste, do. do. do. Cinquantin Erbsen, Kochwaare do. Mahl- und Futterwaare Roggenkleie Werzenkleie, grob Raps fremder neuer Brauwaare, fremde Brauwaare, sächsische Weizen, frenider do. sächsischer Roggen, hiesiger niederländisch-sächs. u. preuß. Hafer, preußischer und sächsischer, Mais, grobkörnig do. mittel Mehl. Kaiser-Auszug Mk. 30,— Weizenmehl 00 „ 25,75 bis 26,75 do. 0 „ 24,25 „ 25,25 Roggenmehl 0 „ 23,50 „ 23,75 do. 1 „ 21,55 „ 21,75 pro 100 Icg. netto. Chemnitzer Marktpreise vom 14. Äugust 1901. pro 50 Kilo Weizen, sächs. 8 Roggen, - 7 Hafer - 7 Stroh 3 Heu 8 Kartoffeln neue, 2 Futtergerstc 6 Butter. 1 Kilo 2 M. 80 Pf. bl« 8 M. 90 Pf. - 70 s s 7 - 85 - - 70 s s 8 s — s - 50 s s 3 - 60 - - 80 s s 4 s — s - 75 r s 3 , s - 50 s s 7 - 25 - - 50 s s 2 - 70 - Die Thürmer von Allerheiligen. Kriminalgeschichte von Friedrich Thieme. (Nachdruck verboten.) Die Glocken der Stadt L. verkündeten eben die achte Morgenstunde, als aus der engen Pforte deS ThurmeS der Allerheiligenkirche eine alte, schäbig gekleidete Frau athemloS und todtenbleich herausstürzte. Einen Augen blick lehnte sie sich an die graue Mauer des Gebäudes, um ein wenig zu verschnaufen, dann lief sie, einen Blick unsagbaren Schreckens zu dem Thurme empor werfend, mit wild vagirenden Händen und indem sie dann und wann laute, unverständliche Ruse auSstieß, dem mit einer zahlreichen Menschenmenge belebten Theile des großen Kirchplatzes zu, auf welchem gerade der Wochen markt abgehalten wurde. Erschöpft warf sie sich neben einem der für die Händler bestimmten Stände auf eine Bank und brach in ein so fürchterliches Klagen und Stöhnen aus, daß sich rasch ein neugieriges Publikum um sie sammelte. „Was ist mit der Frau? Ist Sie krank? Hat sie Krämpfe? Wer ist Sie?" erklang es in buntem Durch einander und ein paar alte Damen traten theilnahmS- voll heran und versuchten die vermeintlich Leidende auf zurichten. „Q Gott, o grundgütiger Gott!" schluchzte die ganz in Entsetzen aufgelöste Alte, „waS daS für ein Schreck ist: Lassen Sie mich, meine Damen, ich bin garnicht krank — ich bin die Aufwärterin des AllerheiligenthürmerS — denken Sie, als ich eben die zwölf Treppen müh sam hinaufgeklettert bin, um dem alten Manne wie ge wöhnlich sein Frühstück zu bringen, da liegt er, — ach lieber Herr JesuS — da liegt er da oben in seinem Blute — todt — erschlagen! Der Schreck hat mir ordentlich die Glieder gelähmt! Ach, schicken Sie nach der Polizei!" Eine lebhafte Bewegung entstand unter den Um stehenden. „Der Thürmer von Allerheiligen ist ermordet!" riefen viele Stimmen zugleich und wie ein Lauffeuer verbreitete sich die furchtbare Mähr durch die Stadt. Wenige Minuten später sah man schon den Thurm von zahlreichen Neugierigen umlagert, von denen jedoch nur wenige wagten, vor der Ankunft der Polizei die Stätte des Mordes zu betreten. Nach etwa einer Viertel stunde nahte auch die sehnlichst erwartete Hermandad in Gestalt eines Kommissars und zweier Polizeisergeanten, und gleich darauf erschien auch der Staatsanwalt selbst, ein noch junger elegant gekleideter Herr mit scharf aus geprägten Gesichtslinien, die auf Energie und uner bittliches Pflichtgefühl hindeuteten. Ohne sich umzu sehen, schritt Staatsanwalt Eilert in fester, würdiger Haltung auf die Thür des Gebäudes zu und stieg ruhig, ohne zu hasten, mit einer von der Feierlichkeit deS Moments unwillkürlich bedingten Würde die schadhaften Stufen hinan. Die Wohnung deS Thürmers befand sich hoch oben dicht unter den Räumen, welche daS Glockenwerk ent hielten. Dieselbe bestand nur aus zwei ärmlichen, höchst dürftig möblirten Gelassen mit schadhaften, ver blichenen Tapeten. Die Leiche befand sich in der Wohn stube selbst. Der unglückliche Thürmer lag auf dem Rücken, der Kopf zurückgesunken, die rechte Hand etwas erhoben und krampfhaft geballt, die linke auf der Brust ruhend. Das mit grauen Bartstoppeln bedeckte Gesicht, sowie ein Theil des Oberkörpers war mit Blut über strömt, auch aus dem Boden zeigte sich eine große Blut lache. Was aber den grausigen Eindruck der Szene noch verstärkte war Folgendes: Auf der Brust der Leiche stand in steifer, fast würdig zu nennender Haltung ein großer grauschwarzer Vogel, der mit klugen Augen um sich schaute und ordentlich um den Todten, seinen Herrn, zu trauern schien. Als Eilert sich dem Körper näherte, flatterte der Vogel auf nnd fuhr mit lautem Krächzen durch das offene Fenster aus der Stube. „Gehörte daS Thier dem Thürmer?" fragte der Staatsanwalt, der eine seltsame Erfindung des Grausens nicht zu unterdrücken vermochte. „Ja", erwiderte der Polizeisergeant, „eS ist seine zahme Dohle." Der Staatsanwalt warf noch einen raschen Blick auf die Leiche und ließ dann die Augen forschend im Zimmer Herumschweifen; er bemerkte keine Spuren von.