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Dienstag, den 23. Juli 1901 Telegramm-Adresse: Anzeiger Hohenstein-Ernstthal. reich als das unmittelbare Vorspiel eines europäischen Krieges ansieht. Auf der anderen Seite aber darf man nicht vergessen, daß ein russischer Kaiser naturgemäß nie ein begeisterter Verehrer und eifriger Schützer einer republikanischen Staatsform in einem anderen Lande sein wird und daß 2. gerade in einem absolutistisch regierten Lande die Gesinnungen der Umgebung des Monarchen oft ebenso wichtig sind, wie die des Mo narchen selbst. Man denke nur an den Einfluß, den die panslavistische Clique auf den an sich deutschfreund lichen Alexander II. gewinnen konnte. So verfügt die dritte Republik nur über sichere Feinde und unsichere Freunde. Und so mag Waldeck-Rousseau, wenn er Arm in Arm mit Millerand die Kirche in die Schranken fordert, mit Goethes Faust ausrufen: „Es ist der Weg des Todes, den wir wandeln!" Tagesgeschichte. Deutsches Reich. — Eine seltsame Unhöflichkeit gegen den deutschen Kaiser hat sich das in Christiania erscheinende „Dagbladet," zu schulden kommen lassen, indem es folgenden ihm zugegangenen Brief mit der Unterschrift „Brutus" unter dem Titel „Ein unvermeidlicher Mann" abdruckt: „Kaiser Wilhelm herrscht nun seit dreizehn Jahren über „das große Vaterland," und jedes Jahr hat es ihn getrieben, uns zu besuchen. Außer dem widerlichen Empfange im Jahre 1890, da Christiania vor lauter Begeisterung auf dem Kopfe stand und Straßen und Brücken nach ihm taufte, sind diese Besuche von uns immer mit Gleichgültigkeit betrachtet worden. Unsere Behörden sind zuvorkommend gewesen, das Telegraphenwesen war pflichtgetreu und das Kabel zwischen Odde und dem kaiserlichen Schiff hat untadel- haste Dienste gethan. Der Kaiser hat für alle Höflich keiten dadurch quittirt, daß er der Domkirche in Trond- hjem zu ihrer Restaurirung 1000 Kronen schenkte, der Kirche, welche 1888 nach dem Tode des alten Kaisers zum Trauergottesdienst zur Verfügung gestellt wurde. Diese jährlichen 1000 Kronen sind wohl nicht ohne Zusammenhang mit dieser uns Norwegern wenig an- genehmm Verwendung unseres größten nationalen Heiligtbums. Könnten wir jetzt nicht das Konto zwischen uns un) dem R ... . kaiser einigermaßen für aus geglichen ansehen? Ich denke ja, und stelle anheim, daß „Dagbladet" den Anfang macht. Fort mit allen diesen nichtssagenden Telegrammen über das^was der Kaiser von Tag zu Tag vornimmt, und notiren wir einzig die drei Dinge Ankunft, 1000 Kronen an die Domkirche und Abreise. Wenn wir dies zu wissen be kommen haben, sind wir ganz zufrieden und werden uns mit größter Ruhe in das Unumgängliche finden. — Die Verbündeten der Buren wider Wille«. Man schreibt der „Ostdeutsch. Rundsch.": Im englischen Unterhause sind wiederholt ernste Anschuldigungen gegen die englischen Pferdeankäufe in Ungarn erhoben worden. Sollte die englische Regierung, was sie zugesagt hat, diese Anschuldigungen einer strengen Prüfung unterziehen, so werden sie sich als nur zu begründet erweisen. Nach der Darstellung ungarischer Blätter waren die meisten für englische Rechnung angekauften Pferde minderwerthig und wurden weit über den Preis bezahlt. Wie der „Magyar Szo" berichtet, hatte nach der Aussage eines in dieser Angelegenheit verhörten Zeugen, ein gewisser Levison als Hauptunternehmer die Lieferung der Pferde um 400 fl. daS Stück für das englische Kriegsministerium übernommen. Ledision betraute den Breslauer Pferde- Händler Hirschel mit dem Einkauf von 2500 Pferden gegen eine Provision von 10 fl. das Stück. Hirschel seinerseits wandte sich an den Wiener Pferdehändler Hauser, der die Lieferung zum Preise von 272 fl. daS > Stück übernahm. Hauser begann Mit de ^g- > Januar in Maria-Theresiopel m Bbglei a i tischen Majors und eines englischen M geführt ' Anfangs wurde die Untersuchung ^mlich ^wiesen. - und eine erhebliche Anzahl der Pferde zuruagew > Dann zeigte sich die Controle ursprünglich ! schließlich erfolgte auch die Annahme de rs^ > zurückgewiesenen fehlerhaften und schachten Pi wurdev der Gewähismann des „Magyar Szo" 4jährige Pferde überhaupt nicht angekauft, I 3jährige und als 5jährige geliefert, nachdem h Seitenzähne ausgcmeißelt worden waren. H Thiere Augenfehler, so führte man sie an trüben Tagen vor und behandelte sie mit Farben oder Mittelchen so lange, bis sie schließlich angenommen wurden. Das theuerste der zuerst gel'^rten Pferde kostete höchstens 240 fl. (400 Mk.) Angekauft wurden etwa 200 Pferde zu 85 bis 100 fl. (140 blS 165 Mk.), 500 Pferde zu 100 bis 120 fl. (165 bis 200 Mk.), 200 Pferde zu 125 bis 135 fl-AO blS 225 Mk.) und 100 Pferde zu 160 fl (265 Mk.) Der Durchschnittspreis betrug 111 fl- (200 Einschließ lich der Fracht bis Fiume 160 fl. (265 Mk.) Unter den gelieferten Pferden waren viele auf einem Auge blind, viele verendeten schon während der Fahrt, viele litten an Augenknochen und waren struppirt. Die Thier- ärzte wurden von dem Wiener Pferdehändler Hauser be zahlt. Nach der Ansicht des Sachverständigen im „Magyar Szo" haben die Unternehmer mit diesen Manipulationen 3 Millionen Gulden (5 Millionen Mk.) verdient. Norwegen. Christiania, 19. Juli. Die ganze norwegische Presse verurtheilt den gegen den Besuch Sr. Majestät des deutschen Kaisers gerichteten Artikel des „Dagbladet" in den schärfsten Ausdrücken. „Dagbladet" selbst erklärt, daß der Artikel infolge eines bedauerlichen Jrrthums veröffentlicht worden sei. „Aftenposten" sagt, die ver nünftigen Deutschen müßten erkennen, daß es nicht ge recht sein würde, aus dieser glücklicherweise vereinzelt dastehenden Auslastung weitere Schlüffe zu ziehen. Vom „Morgenbladet" wird der Artikel als roh und dumm bezeichnet. Türkei. — Hi«ter den Kulissen des Harems. Vor einiger Zeit brachten wir die Meldung, daß im Mdiz-Palais in einem Raum neben dem Schlafzimmer des Sultans ein Feuer ausgekommen war, dessen Ursache man eifrigst nachspürte. Der Padischah war nervöser denn je. Man sagte, er glaube an ein Attentat. Kurze Zeit später konnten wir mittheilen, daß das On clit, wie häufig, so auch dieses Mal, Recht hatte: Der Brand war in derThal von einer Haremssklavin in verbrecherischer Absicht angelegt worden und es handelte sich nur noch darum, die höher stehende Persönlichkeit festzustellen, welche von der Kulisse aus das geplante Branddrama zu leiten unternommen hatte. Heute ist nun trotz der Verschwiegenheit des kaiserlichen Harems und der Ge- heimnißthuerei der Sultansleute diese leitende Persön lichkeit kein großer Unbekannter mehr. Die Urheberin des Attentats ist die ehemalige Favoritin des Sultans die ebenso durch Einfluß wie durch Schönheit ausge zeichnete Haremsdame, welche den Titel „Haznader Usta" führt. Die Brandstifterin im Yildiz Kiosk, die Haznader Usta, wurde, wie die „Voss. Ztg." aus Konstantinopel meldet, auf einem Sonderdampfer unter starker Bedeck ung in die Verbannung geschickt. Sie wird in dem befestigten Orte Medina als Gefangene einaesverrt Die Haznader Ustra, das ist die Welte Kammerdame des Harems, ist die einstige Favoritin Abdul Hamids die nur deshalb nicht legitime Frau wurde, weil sie keinen Sohn gebar. Die Verbannte, eine außergewöhn- SS ist - hundert bis zur Errichtung g dem Jahr ¬ politisches Regiment in Frankreichs?^" Republik kein alter hindurch sich zu bekannt ""Ees Menschen- diesem Grunde glaubte man in d^^ hat. Aus auch der drittm RepE?^ Aussicht stellen zu müssen Di- Hlnscheiden in indessen zu schänden qLrden als sind vorigen Jahres die Republik auf ein? September Bestehens zurückblicken konnte Walter ihres der Enw-iriig-n, Mit dem aufrührerischen Geiste -in-s - runZ französischen OMerkorps haben wir zur Genüg/kennen 8^1 Nunmehr aber ist die Regierung in einem noch viel jährlicheren Kampf eingetreten : in den mst der katholischen Kirche. D,e vergifteten Pfeile die vom ^ut'-kan aus geschleudert werden, wirken tö'dtlicher als die Sabel der meuternden Offiziere. Aehnlickes kmt Deutschland Jahrhunderte hindurch erfahren, nun dürfte auch Frankreich diese Erfahrung bevorstehen. Denn daran kann schon M kem Zweifel mehr bestehen, daß ^n Fehdehandschuh, den die Regierung mit der Bekämpfung derOrdenskongregationen derkatholffchen Kirche hinwirft, aufnimmt. An zwei Thalsachen kann man bereits die Aktion der katholischen Kirche merken - einmal daran, daß es ihr geglückt ist, einen Theil der sonst leidlich regierungsfreundlichen republikanischen Presse gegen die Haltung der Regierung in der Frage der geistlichen Orden einzunehmen, und zweitens an der Drohung, daß der Papst Frankreich das Protektorat über die Katholiken im Orient entziehen werde. Be sonders dieser zweite Pfeil kann verheerend wirken, weil er die empfindlichste Stelle des französischen Volkes trifft; die Eitelkeit. Würde doch das französische Volk in der Entziehung des — freilich nur noch sehr beschränkt vorhandenen — Protektorates über die Christenheit im Orient eine bedeutende Minderung des französischen Ansehens erblicken. Zu den dem Offizierkorps und der Kirche drohenden Gefahren kommt nun aber die dritte, kaum minderschwere hinzu: die unsichere Haltung Rußlands gegen die Republik! Es ist bekannt, daß in der letzten Zeit russische Blätter sehr scharf das Vorgehen des republikanischen Kriegsministers gegen die Offiziere verurtheilt haben. Jetzt bespricht das Organ des Fürsten Uchtomski — letzterer der Freund des gegenwärtigen russichen Kaisers — mit bedenklicher Miene den beabsichtigten Angriff des französischen Kabinets gegen den Klerikalismus; er spricht die Ueber- zeugung aus, daß die französische Republik in diesem Kampfe den Kürzeren ziehen würde und daß darüoer vielleicht die dritte französische Republik zum Fallen kommen könnte. Wohl giebt sich das Blatt den An schein, als ob es einen solchen Ausgang lebhaft bedauern würde, aber man malt den Teufel nicht an die Wand, wenn man nicht mindestens so ganz nebenbei den Wunsch hat, daß er erscheinen möchte. Daß em großer Thei der russischen Aristokratie durchaus keine Sympathien für die französische Republik und gar für dieradlkale Färbung des gegenwärtigen Kabinets besitzt, g ebens bekannt wie erklärlich. Es ist nicht minder bekannt daß man in diesen Kreisen m't dem Gedanken einer Thronbegeisterung des russischen Garde Generals Ludwig Napoleon piekt. Wohl darf man annehmen, daß der friedliebende russische Kaffer persönü^ -«d.- LNst'Nmm AK-W-HI. «NN °r -inm S'°°W--ich in Frank. , Hchilsiein.KuiWch NnIllWitz, 8kMis, Reclame 25 Psg. «er meyrm-uw'-'' - his Bor«' HW'LL WS- --b"» - 28. Jahrgang.