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ist, das; die Worte der Zärtlichkeit, die er dir gesagt hat, schon hundert mal von ihm gesagt wurden, daß der Mann, den du geliebt und ver ehrt hast, ein erbärmlicher Schurke ist. Gicb dir Mühe, ihn zu ver gessen." — Stundenlang hatte Agathe bei der Freundin geweilt. Sie wollte nicht an den Verrat, an die Untreue des Geliebten glauben. Aber war denn Franziska nicht ihre beste Freundin, war diese nicht älter und erfahrener als sie, bewies sie es ihr nicht deutlich, daß dieser Mann, dem sie ihre erste Liebe geschenkt, ein Lügner war, der jedem Weibe Galanterien sagte, ein Verführer, der jedem Weibe nachstellte? Acht Tage waren seit der Verhaftung Najskis verflossen, welche natürlich in der ganzen Umgegend außerordentliches Aufsehen erregt hatte. Der Auditeur war eines Vormittags auf dem Gute des Herrn v. Smekal erschienen und hatte Franziska in ihrem Zimmer vernommen. Sie blieb bei ihrer Behauptung, daß Rajski den wehrlosen Peisker, der, ohne sich zu verteidigen, vor ihm gestanden, niedcrgeschossen habe. Sie unterschrieb mit fester Hand dieses Protokoll, blieb bei ihrer Aus sage auch den erstaunten Eltern gegenüber, die erst durch die An wesenheit des Auditeurs erfuhren, daß ihre Tochter die erste Mel dung von dem Tode des Leut nants v. Peisker gemacht hatte. Franziska bat den Auditeur, ihre Zeugenschast geheim zu hal ten, und dieser konnte dies ohne weiteres versprechen, da der ge samte Prozeß vor dem Militär gericht, also schriftlich und unter Ausschluß der Oesfentlichkeit, ge führt wurde. Nachmittags ritt Franziska wieder aus. ^ne hatte heute keine Lust, mit Agathe zusammenzu- kommcn, sic haßte dieses Geschöpf mit den verweinten Auge», mit seiner geknickten Haltung heute mehr als je. Unterwegs stellte sich ihr eine Frau in den Weg, welche die bunte Tracht der Bäuerinnen jener Gegend trug und die Hände mit so flehender Gebärde zu der vorüberrcitenden Franziska em porhol', daß diese das Pferd an- hiclt. „Wer seid Ihr?" fragte sie die Frau in polnischer Sprache. „Ich bin die Frau eines Unglücklichen, der Euch zu sprechen wünscht, Fräulein, und zwar in einer wichtigen, Euch betreffenden Angelegenheit." „Was wollt Ihr?" fragte Franziska. „Ihr werdet mich doch nicht verraten? Schwört cs mir bei der Mutter Gottes von Annaberg!" setzte sie dringenden Tones hinzu. „Ich verspreche es Euch!" erklärte Franziska. „Was wollt Ihr also?" „Ich bin die Frau des Forslhüters Wieczorek, den man verfolgt, weil er den Wald «»gezündet haben soll. Mein Mann hat Euch wichtige Mitteilungen zu machen, gnädiges Fräulein ; aber er kann nicht schreiben und kann auch nicht zu Euch kommen, weil man ihn verhaften würde. Aber er will Euch etwas Wichtiges erzählen, er sagte mir, es handle sich um den Forstverwalter Najski, um dessen Leben und um dessen Rettung." Das Pferd Franziskas machte einen Satz, so plötzlich hatte die Reiterin an den; Zügel gerissen. „Wo ist Euer Mann?" fragte sie. „Er hält sich versteckt. Das gnädige Fräulein müßte sich ent schließen, nach jener Gegend zu kommen, wo mein Mann sich auf- hült. Es ist von hier etwas über eine Stunde, in der Nähe des Anna bergs. Ich werde das Fräulein sicher geleiten." Franziska dachte einen Augenblick nach. „Ich will mit Euch," erklärte sie dann, „führet mich, aber hütet Euch, mich zu täuschen oder zu gefährden!" „Es ist keine Gefahr, ich schwöre cs bei der Mutter Gottes von Czenstochau." Die Frau übernahm die Führung und schritt scharf aus. Man gelangte in eine eigenartige Gegend. Steil abfallende Hügel, zwischen diesen Schluchten mit nackten Felsen, wechselten »nt flachen Thälern. Dichtes Buschwerk bedeckte den größten Teil dieses Gebirgsausläufers der Karpathen. Der gebahnte Weg wurde schließlich verlassen; Franziska mußte ihr Pferd am Zügel führen nnd es endlich in einer Schlucht ganz und gar zurücklassen. Wie aus der Erde gewachsen stand dann plötzlich Wieczorek vor ihr, und sein Aeußeres verriet, daß er schon seit längerer Zeit im Freien und höchst wahrscheinlich in einer der Höhlen des Ge birges lebe. Er befahl seiner Frau zurückzutrcten, damit diese von dem Ge spräch nichts höre, und sagte dann mit einem unverschämten Lächeln zu Franziska: „Ich glaube, gnädiges Fräulein, es liegt Euch viel daran, daß der verhaftete Forstverwalter wieder sreigelassen werde. Ich bin keineswegs sein Freund und würde Euch nichr die Mittel in die Hand geben, ihn los zu bekommen; aber ich hoffe, Ihr gebt nur eine gute Belohnung und sorgt vor allem dafür, daß ich mich wieder frei unter Menschen bewegen kann. Der Aufenthalt hier ist mir denn doch zu unbehaglich. Ich will es Euch nur gleich sagen, gnädiges Fräulein, ich bin nicht an der Waldanstcckung schuld; das hat Drzimala mit zwei Arbeitern gemacht. Ich könnte die Kerle sogar überführen und würde auch, wenn man mir freies Geleit giebt, sagen, wo sie sich aufhalten, aber der Verdacht hat sich auf mich gelenkt, ich weif;, daß »mn »sich verhaften null, und deshalb halte ich mich vorläufig hier versteckt. Ich will Euch auch sagen, uni was es sich handelt. Ich habe im Walde Geld ver graben gehabt und wollte es mir eines TageS zur Mittagszeit, als ich vermutete, daß niemand vom Forstpersonal im Walde sei, wie der holen. Ich wurde aber durch einen Schuß, der dicht in meiner Nähe fiel, aufgeschreclt und sticg auf eine hohe Eiche, die dort in der Nähe stand. In ihrem Gipfel verbarg ich mich. Ich habe von dort verschiedenes gesehen: erstens, daß der Leutnant v. Peisker ein Reh schoß, daß der Forstvcrwaltcr mit Kastalski dazukam, daß sie ihn; das Reh fortnahmcn, und daß der Forstvcrwaltcr und dcr Lcutnant nach heftigem Wort wechsel um das Gewehr rangen. Ihr habt cS ja, Fräulein, auch gesehen, denn im letzten Augen blick wart Ihr Zeugin des Kampfes. Ich habe Euch vom Gipfel der Eiche deutlich erkannt. Ich weiß nicht, ob Ihr, gnädiges Fräulein, den Vorgang so genau beobachten tonntet wie ich. Ich kann mit den heiligsten Eiden bekräftigen, daß die Sache sich so abgespielt hat, wie ich er zähle, und das Gewehr infolge des Ringens losging. Meine Aus sage muß den Forstvcrmalter retten, besonders wenn sie mit der Eurigen, gnädiges Fräulein, zusammcnstimmt. Wir sind zwei Zeugen, denen man glauben muß; Euch, weil Ihr eine vornehme Daum seid; mir, weil ich dcr Feind dcs Forstvcrwalters bi» u»d doch zu seine» Guustcn aussage. Ich bi» mit Gerichtssache» vertraut und weiß, daß solche Zeugen sehr viel gelten. Wenn Ihr, gnädiges Fräulein, an den Gerichtshof schreibt, daß ich freies Geleit erhalte, wenn ich die Aus sage mache, und daß man mich nicht ohne weiteres cinsteckt, so wäre uns allen geholfen. Ich käme wieder unter Mensche», u»d de» Forst verwalter müßte» sie aus der Haft entlasse». Das wäre Euch ja auch angenehm, gnädiges Fräulein." Ohne eine Miene zu verziehe», hatte Fra»ziSka die lange Rede des Flüchtlings angehört. Dann sagte sie mit größter Ruhe: „Eure Erzählung klingt ja ganz hübsch. Aber sagt mir, warum habt Ihr gerade nur diese Mitteilung gemacht, und warum kommt Ihr auf den thörichten Gedanken, daß mir gerade so viel an der Haftentlassung dcs Forstverwaltcrs liegt?" Wieczorek schien betroffen. „Ich habe Euch wiederholt im Walde zusammen mit dem Forstvcrwaltcr gesehen," versetzte er, „und habe geglaubt, zwischen Euch, gnädiges Fräulein, und dem Forstvcrwaltcr bestehe eine Liebschaft. Vielleicht ist das bei den vornehmen Herr schaften anders als bei unS; aber wen» bei u»s zwei Leute so häufig allein zusammenkomme», die Köpfe zusnmme»stecken u»d Spaziergänge vnthiillnng dcS Tcnkmats bei Poisdors «Nieder Lcstcrrciä» für die im Kriege UN», dort beerdigten preußischen Loldatcn. (S. U2)