Volltext Seite (XML)
Hojenstm-ErMaler Anzeiger WM K Hchechtin-knWlll, MlmM, ' «aSdorf, Luga», Wüstenbrand, Ursprung, Mittelbach, Hermsdorf, Bernsdorf, Langenberg, Falkm u. s. w. Nr. 156. Sonntag, den 7. Juli 1901. Beilage. Eine wirkliche Reform. Der schnelle Entschluß, mit dein sich die Sächsische Staatsbahnverwaltung die verkehrspolitische Maßnahnie Preußens zu eigen gemacht und für den Umfang des Königreichs Sachsen ebensaüs die 45tägige Giltigkeits dauer der Rückfahrkarten sowohl für den inneren, wie für den äußeren Verkehr angeordnel hat, darf allgemeiner Zustimmung sicher sein. Jede Zögerung in dieser Be ziehung hätte d<m Sachsen umklammernden übermächtigen Preußen gegenüber nur abträglich für die eigenen Interessen wirken müssen; sie würde den Verkehr von Preußen nach den landschaftlich schönen und gern und viel besuchten Theilen Sachsens sofort beeinflußt und diesen Verkehr abgelenkt haben. Dem ist durch die rasche Entschließung der sächsischen Verwaltung vorge- beugt worden. Welche Wirkung die Maßnahme nach der finanziellen Seite hin ausüben wird, muß abge wartet werden. Im Uebrigen wird man gut thun, sich nach dieser „Ueberraschung" auf weitere gefaßt zu machen; es gewinnt den Anschein, daß man in Preußen verkehrspolitisch planmäßig und energisch vorwärts geht. Auch die süddeutschen Bahnverbindungen haben sich wohl oder übel der von Preußen ansgehenden Tarif reform sofort anschließen müssen. Ob freilich die Stellung eines Blattes zutreffend ist, daß von den preußischen Eisenbahndirektionen jetzt Verhandlungen mit den übrigen betheiligten Eisenbahn-Verwaltungen eingeleitct worden feien, um die gleiche Maßnahme auch auf den direkten Personenverkehr weiter auszudehnen, möge dahingestellt bleiben. Die Einleitung del Mittheilung des „Neichs- anzeigers" vom Sonnabend spricht nicht gerade dafür, daß die preußische Eisenbahnverwaltung sich bereits auf solche Verhandlungen eingelassen hat, denn es ist dort ausdrücklich festgestellt, daß unter den deutschen Regier ungen ein Einverständniß über die einheitliche Regelung der Personen- und Gepäcktarife nicht erzielt worden ist. Der Stand der Dinge könnte also höchstens der schon oben gekennzeichnete sein, daß von anderen Verwaltungen der preußischen der Beschluß gefaßt ist, die von dieser angebahnten Reform auch in dem außerpreußischen Eisenbahngebiete zur Durchführung zu bringen. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, daß, wenn erst einmal die Reformthätigkeit angesetzt hat, die Entwickelung darauf drängt, daß noch weiter in der Vereinfachung und Er mäßigung der Tarife gegangen wird. Minister v. Thielen würde unzweifelhaft seine großen Verdienste um die preußischen Eisenbahnen vermehren, wenn er den anderen Eisenbahnverwaltungen ein möglichst großes Entgegenkommen bewiese, um die Verständigung zu er leichtern und die Tarifgemeinschaft aller deutschen Eisen bahnen herzustellen. Die Einigung des deutschen Vaterlandes durch die Verträge zu Versailles ist in wenigen Wochen gelungen. Dagegen haben die deutschen Eisenbahngewaltigen es in neun Jahren nicht fertig gebracht, sich über die Frage zu einigen, zu welchem Preise man im deutschen Vater lande die Eisenbahn benutzen soll. Neun Jahre hat der Herr Minister Thielen diesem kläglichen Zustande zuge sehen, und es hat erst seiner Jubiläumsfeier bedurft, um ihn zu bestimmen, einen der schreiendsten Uebelstünde, die viel zu kurze Giltigkeitsdauer der Rückfahrkarten, abzuschaffen. Die Einführung der fünfundvierzigtägigen Rückfahr karten kann in ihrer Bedeutung kaum unterschätzt werden; sie ist eines der größten wirthschaftlichen Ereignisse unserer Tage. Ja, man kann sie als ein großes, in seinen Folgen für die Finanzen und die allgemeine Kultur des Landes noch nicht abzusehendes politisches Ereigniß erklären. Mit einem Schlage werden Hunderte, ja Tausende von Schwänzen des wahrhaft ungeheuerlichen deutschen Eisenbahn-Rattenkönigs rattenkahl abgeschnitten. Ein geradezu verfassungswidriger Zustand, die Bevor- zugung bestimmter, von den Eisenbahnverwaltungen auserlesener Badeorten vor anderen Badeorten und vor unzähligen sonstigen Zielpunkten einer Reise wird aus der Welt geschafft. Bis jetzt genossen z. B. Reisende nach Norderney, Saßnitz, Kolberg, Landeck in Schlesien, Harzburg eine bedeutende Ermäßigung, dagegen mußten Reisende nach Wiesbaden, Oehnhausen, Wildungen, Nau heim den vollen Fahrpreis bezahlen. In Zukunft hört dieser Unfug völlig auf; vom 4. Juli ab wird man nach sämmtlichen Badeorten und überhaupt nach sämmtlichen Stationen hoffentlich ganz Deutschland zu demselben, allen Reisenden zu Gute kommenden ermäßigten Rück fahrpreise reisen können, der obendrein noch billiger ist als die jetzt als einzige billige Möglichkeit den Bade reisenden zu Verfügung stehenden Sommer- und Bäder karten. Die Eisenbahnverwaltung macht Millionen von Reisenden ein Geschenk an Geld und Bequemlichkeit, sie schafft sich selbst aber gleichzeitig eine Erleichterung, die an Arbeitswerth auch nach Millionen zu beziffern ist. Das Fahrkartenwesen wird vom 4. Juli ab wunderbar vereinfacht werden. Nicht nur, daß der gräßliche Kuddelmuddel von Sommer- und Bäderkarten, Äuschluß- karten und dergleichen verschwinden wird, nein, fortan kann die Verwaltung auch die Hälfte und mehr aller jetzt aufliegenden Rückfahrkarten ganz abschaffen, was näm lich auf den ersten Blick den Lesern der frohen Botschaft vom 27. Juni wahrscheinlich nicht gleich ganz klar ge worden ist: In Zukunft wird jeder Reisende nach jeder Station in den Genuß der 25procentigen Ermäßigung auch dann gelangen, wenn er am Ausgangspunkt keine direkte Rückfahrkarte erhält! Nehmen wir ein Beispiel, daS in dieser oder anderen Form sich millionenfach wieder holt ! Ein Reisender möchte von Hohenstein-Ernstthal nach der unbedeutenden posenschen Station Elsenau hin- und zurückfahren und natürlich die Ermäßigung für Rückfahrkarten genießen. Gegenwärtig" ist das kaum möglich; denn eine direkte Rückfahrkarte Hohenstein- Ernstthal-Elsenau giebt es nicht. In Zukunft nimmt der Reisende eine Rückfahrtarte Hohenstein-Ernstthal- Dresden, in Dresden eine Rückfahrkarte nach Breslau, in Breslau eine dritte Rückfahrkarte nach Gnesen. In Gnesen die vMte Rückfahrkarte nach Elsenau, und da jede dieser Rückfahrkarten 45 Tage gilt, so kann er für die ganze Reise von Hohensten-Ernstthal nach Elsenau hin und zurück 45 Tage verwenden. Für die Fälle, in denen auf einer der genannten Knotenstationen etwa zu geringer Aufenthalt wäre, um eine neue Rückfahr karte zu kaufen, giebt es das bekannte Hülfsmittel der eisenbahnamtlichen telegraphischen Vorausbestellung von Karten und Gepäckschein. Mithin wird vom 4. Juli ab jeder Reisende, der innerhalb 45 Tage an den Aus gangspunkt zurückkehren will und kann, die ansehnliche Ermäßigung für Rückfahrkarten genießen, was bis jetzt nur in Ausnahmefällen, nämlich im Bekehr mit den Hauptstationen möglich war. Mit einem Schlage tritt durch diese wirklich schätzens- werthe Reform Deutschland an die Spitze aller europäischen Länder; denn in keinem anderen Lande genießen die Rückfahrkarten durchweg eine so lange Gültigkeit. Da durch wird im Herzen Europas ein gewaltiges Verkehrs- gebiet geschaffen, in dem zwar nicht die allerbilligsten Fahrpreise herrschen, in dem aber immerhin eine Er leichterung des Reisens geschaffen ist, wie sie bisher noch nirgends erlebt worden ist. Vermischtes. * Wenn man Pech haben soll. Ein tragikonrisches Mißgeschick passirte einem Fesselkünstler Namens Cirnoc, der in Essen a d. Ruhr vor einem aus Vertretern der Polizei und der Presse bestehenden Zuschauerkreise eine Sondervorstellung gab, angeblich, um den bekannten Fesselkünstler Houdini zu „entlarven." Er erklärte in der That einige Trics Houdinis auf ihre einfache Weise und zeigte den Polizeibeamten, wie man einfache Polizei fesseln durch bloßes Aufschlagen auf einen harten Gegen stand zum Aufspringen bringen kann. Auch zeigte er, wie die Fesselkünstler mit sorgfältig verborgen gehaltenen „Meisterschlüssen" schwierigere Schlösser unter Anwend ung der verschiedensten Trics öffnen. Die Polizeibe amten waren sehr erstaunt; noch erstaunter aber war Cirnoc selbst, als ihn einer der Beamten für verhaftet erklärte. Der betreffende Criminalpolizist hatte nämlich in dem angeblichen Cirnoc einen gewissen Kronreich erkannt, der von der Staatsanwaltschaft in Potsdam wegen Betrugs steckbrieflich verfolgt wurde. * Aus Berlin wird geschrieben: Interessante Wohn- ungs-Kündigungsklagen stehen in Aussicht. Nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches haben viele Hausbesitzer die Miethskontrakte nachträglich auch von den Ehefrauen unterschreiben lassen, um „für alle Fälle" sicher zu sein, denn auf diese Weise gilt die Wohnung als von den Eheleuten gemiethet, mithin ist der Mann und die Frau haftbar. Die neueren Miethskontrakte sind gleich auf Mann und Frau ausgestellt und müssen von Beiden unterschrieben werden. Bei dem SteigerungS- resp. Kündigungstermin am 1. Juli haben nun manche Hausbesitzer den entsprechenden Brief einfach an den Mann gesandt, obgleich Mann und Frau Miether sind, also Beiden gekündigt werden mußte. Diese« Versehen haben sich Viele zu Nutze gemacht und die Kündigung nicht anerkannt. * Ueber die Taufe der italienischen Prinzessin Jolanda wird dem „B. B. C." aus Rom geschrieben: Da auf der Capelle des Quirinalpalastes das päpstliche Jnter- dict lastet, so mußte die Taufe der Prinzessin Jolanda im Ballsaale vorgenommen werden, den man zu diesem Behufs in eine Capelle umgewandelt hat. Die Taufe wurde Sonnabend, d. 22. Juli, Vorm. 11 Uhr vollzogen. Die Fenster des Ballsaales waren geschlossen, und man hatte die mit zarten Seidenstoff umhüllten elektrischen Lampen angezündet, was dem Saale eine feierliche Stimmung gab. Der Taufe wohnte die königliche Familie, das Fürstenpaar von Montenegro und die höchsten italienischen Staatswürdenträger bei. Die Damen waren alle in weiße Seide gekleidet. Fürst Nikolaus von Montenegro und sein Sohn Prinz Mirko trugen das montenegrinische National-Costüm. Die heilige Handlung wurde von Monsignor Lanza voll zogen, dem die 12 Capläne der Pfalzkirchen zur Seite standen. Die Prinzessin Jolanda wurde von der Hof dame Gräfin della Trinita getragen. Neben dem Täufling stand die Amme in ihrem bunten Costüm und mit einem prachtvollen Korallenschmuck geputzt, den ihr die Königin-Wittwe Margherita eigens zum Tauftage geschenkt hat. Pathin war die Tante des Königs, die Königin-Wittwe Maria Pia von Portugal. Während des Taufactes verhielt sich die kleine Prinzessin durch aus still und ruhig. Sie wurde dann sogleich zu ihrer Mutter, der Königin Elena, gebracht, die noch immer das Bett hütet und der Tauss nicht beiwohnte. Die Bevölkerung Roms beabsichtigte, zu Ehren der Prinzessin Jolanda unmittelbar nach der Taufe eine große Kund gebung zu veranstalten, .aber das schlechte Wetter ver hinderte die Ausführung des Planes. Nur die Schul kinder, 3 000 an der Zahl, zogen vor dem Schlosse vorüber und streuten Blumen. Da aber die armen Kinder drei Stunden lang dem strömenden Regen aus gesetzt gewesen waren, so erweckte ihr Aufzug eher Bedauern als freudige Gefühle. Der König beklagte denn auch lebhaft, daß angesichts des schlechten Wetters die Kinder nicht zu Hause gelassen worden seien. Zu allem Unglück wurden die Schulkinder gerade vor dem Quirinal von einer unerklärlichen Panik befallen und liefen schreiend und weinend auseinander. Manche fielen hin und beschmutzten sich. In Folge dieser pein lichen Vorgänge hat der Bürgermeister von Rom sein Amt als Präsident des Festausschusses niedergelegt. Gegen Abend klärte sich das Wetter auf, und die vor gesehenen Volksbelustigungen konnten stattfinden. Handels-Nachrichten. Uvrlin, 5. Juli. (Wechsel-Cours). vanlr- Disoont Mark Amsterdam 3»/ b T /'2M 169,15 G per 100 fl. b. 168,25 G Brüssel und Antwerpen 3'/« b /'3M 80,80 G pr. 100 Francs. 80,30 G Italienische Plätze - 10 T 77,30 G pr. 100 Lire Schweiz. Pl. 100 Frc. o 2M 4 10 T 80,95 G London 8 T 20,38 G pr. I Lstrl. 3'/, 3M 20,26 G Madrid und Barcelona pr. 100 Pesetas Paris 5 2M 3 ST 80,90 G 80,40 G pr 100 Franc 3M Petersburg pr. 100 Rubel Warschau 100 Rubel Wien 5'/. S T 3M 5'/, 8 T 8T 85,— G per 100 Kr. ö W. 3M 84,— G Reichsbank 6'/,, Lomb.-Z.-F. 4'/«- Vertin, 5. Juli. Spiritus 70er loco ohne Faß 43,30 Mk. Umsatz: 10000 Liter. 50er —M. Umsatz Liter. Zlarsävbarrr, 5. Juli. Kornzucker cxcl. 88 Rendement t0,40 bis 10,57'/,. Nachproducte excl. 75°/« Rendement 7,60 bis 7,95. Stimmung: Ruhig. Kristallzucker I mit Sack 28,95. Brodraffinade l ohne Faß 29,20. Gem. Raffinade mit Faß 28,95. Gem. Melis I mit Faß 28,45. Rohzucker l. Product Transits f. a. B.^Hamburg per Juli 9,32'/, Gd., 9,35 Br., per Aug. 9,35 bez., 9,37'/, Gd., per Sept. 9,25 Gd., 9,30 Br., per Okt.-Dez. 8,80 Gd., 8,82'/, Br., per Jan.-März 8,95 Gd., 9,97 Br. Stimmung: Ruhig. — Wochenumsatz 57 000 Ctn. Hamburg, 5. Juli. Weizen matt, Holsteiner loco 166 bis 170, La Plata 130. — Roggen flau, südruss. »elf. Hamburg 100—103, do. loco 103 bis 105, Mecklenburgischer