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Unternehmer Anton Stodola in Hohenstein-Ernstthal, welcher am 19. Januar d.J. wegen fahrlässiger Körper verletzung zu 300 Mark Geldstrafe ev. 60 Tagen Ge- fängniß verurtheilt worden ist, weil er den Unfall, den der Maurer Auerswald in Hohenstein-Ernstthal am 14. Juni v. I. durch Herabstürzen von dem von Stodola geleiteten Nadler'schen Neubau in der Lerchenstraße da selbst erlitten hat, unter Außerachtlassung einer Berufs pflicht fahrlässigeweiser verschuldet haben sollte. Das Reichsgericht hat dieses Urtheil aufgehoben und die heutigen Verhandlungsergebnisse führten dazu, daß das Gericht ein freisprechendes Urtheil fällte. 8 Ein Aufsehen erregender Prozeß ist dieser Tage vor der Strafkammer zu Stendal verhandelt worden. Wegen schwerer Urkundenfälschung waren der Grundbe sitzer Ripke aus Andorf und seine Frau der Beihilfe dazu angeklagt. Beide sollten einen Schuldschein ge fälscht haben, um rechtswidrig in den Besitz von 1200 Mark zu kommen. Am 5. Mai 1897 wurden sie des Verbrechens für schuldig befunden und der Mann zu 1 Jahr, die Frau zu 9 Monaten Gefängniß verurtheilt. Die hiergegen eingelegte Revision wurde vom Reichsge richt zurückgewiesen. ES gelang den Angeklagten, ein Wiederaufnahmeverfahren durchzusetzen, und am 28. Juni 1900 erschienen sie wieder vor der Strafkammer; auch diesmal erfolgte ihre Verurtheil- ung und ebenso wurde auch wie vorher die Revision ver worfen. Im Bewußtsein seiner Unschuld kämpfte das Ehepaar — der Mann mußte seine Strafe inzwischen antreten — weiter und schließlich wurde dem Anträge auf nochmalige Wiederaufnahme des Verfahrens statt gegeben. Die Beweisaufnahme, zu der 70 Zeugen ge laden waren, ergab endlich die Unschuld der Angeklagten, die nunmehr kostenlos freigesprochen worden sind. Der Ehemann hat sieben Monate seiner Strafe schuldlos verbüßt. Der langjährige Kampf um ihr Recht, die enormen Kosten haben das Ehepaar fast an den Rand des Ruins gebracht. Vermischtes. * Interessante Erfahrung eines amerikanischen Welt reisenden. Die von den Hearst'schen Bläitern auf die Reise um die Welt abgesandten drei „Schuljungen" — die, wie sich mittlerweile herausgestellt hat, im Alter von etwa 18 Jahren stehen und bezüglich ihrer Schul bildung auf dem Niveau deutscher Realschulprimaner sind — befanden sich Mitte Juli sämmtlich in Sibirien. Zwei der Reisenden erreichten dieses Ziel vom Stillen Ocean aus, während der dritte, ein gewisser Fitzmorris von Chicago, mittelst der transsibirischen Eisenbahn in die Amurgegend gelangte. Er beklagte sich in seinen Depeschen bitter, daß die russischen Telegraphisten kein Englisch verstehen und ihm in Folge dessen die Bericht erstattung so ungemein erschwert ist. Zum Glück ist er aber des Deutschen etwas mächtig und hat sich dadurch sein Fortkommen ungemein erleichtert. Er äußert sich hierüber wörtlich wie folgt: „Ich habe versucht, mit ihnen Latein zu reden, aber sie schüttelten die Köpfe und zuckten die Achseln. Dann sprach ich deutsch zu ihnen — und sie verstanden mich sofort. Tüchtige Keantniß des Deutschen ist nicht nothwendig; mein Deutsch ist sehr mangelhaft, aber ich kann mich damit verständlich machen. Wer auf dem Zuge deutsch sprechen kann, ist Herr. Ihr amerikanischen Jungen, die Ihr jahrelang Griechisch und Latein studirt habt, werdet finden, daß, wäheuud Ihr Euch mit todten Sprachen abmühet, Ihr Euere Chancen für Erfolg auf Reisen und internationalen Geschäftsverkehr zu nichte gemacht habt, denn hier wie dort müßt Ihr im Stande sein, mit den Leuten, denen Ihr begegnet, intelligent zu ver kehren — und Niemand, mit dem Ihr zusammenkommt, versteht Latein. Wenn ihr mit viel Kenntniß von Latein und Griechisch in das Leben eintretet, gleicht ihr einem Manne, der mit einer Unmenge von Gepäck be hindert ist, und wie er, werdet Ihr es fallen lassen und Euch ohne dasselbe behelfen müssen. Hättet Ihr aber ein Bischen Deutsch oder Französisch in Eurer Hand- tasche, kommt Ihr damit ausgezeichnet fort." * Großer Mangel an Arbeitern herrscht, wie aus New-Uoik gemeldet wird, im Staate Kansas. Zwanzig Farmer bewaffneten sich mit Pistolen und großen Knüppeln und gingen nach der Station Petersen, wo sie einen Auswandererzug der Atchison-Topeka-Eisenbahn aufhielten, zwei Wagen abkoppelten und die Arbeiter, die nach dem Westen gehen wollten, wo sie in der Ernte zeit einen Tageslohn von 2'/, Dollar verdienen, zum Verbleiben zwangen. Des Assessors Schwiegermutter. Humoreske von Detlef Stern. (Nachdruck verboten.) (Schluß.) „Danke bestens; ich ziehe es vor, Reinhold zu Hause zu erwarten," entgegnete Fräulein Henkel kühl und erhob sich dann, um nach der jungen Hausfrau zu sehen. Sie fand sie weinend in der Küche. Dank der mütterlichen ökonomischen Kaffcebereitung war der erst jüngst besorgte Vorrath gänzlich verbraucht und Lisette, die schnell zum Kaufmann geschickt war, kam nicht zurück. Fräulein Henschel bedurfte nicht langen Fragens, um bald den ganzen Kummer der jungen Frau zu kennen. „Es ist ja schrecklich" seufzte dieselbe am Schluffe ihrer Beichte, „daß ich die Mama anklage, aber wie soll es enden! Entweder sie überzeugt Rein hold von meiner gänzlichen Untüchtigkett und der Nim bus, den er um mich gewoben, schwindet, oder sie macht sich ihm ganz und gar unerträglich, was ich auch nicht würsche." „Da wäre denn doch das letztere vorzuziehen," sagte die Tante lächelnd und streichelte die blassen Wangen der jungen Frau. „Wenn'S keinen anderen Ausweg giebt," schluchzte diese. Am Abend nahm Fräulein Henschel den Assessor auf die Seite. „Höre, mein Sohn, die Schwiegermutter muß möglichst schnell spedirt werden." Der junge Ehemann machte eine bedenkliche Miene: „Aber sie ist doch eine vortreffliche Frau; ich möchte sie nicht kränken." „Versteht sich, ganz vortrefflich. Sie gehört einer Ausnahmesorte an. Anstatt den Schwiegersohn zu peinigen, peinigt sie die eigene Tochter. Dir sagt sie, wie ich während des Tages Gelegenheit hatte zu be merken, die größten Fladusen, und wenn man Euch Männern nur schmeichelt, so seid Ihr um den Finger zu wickeln und glaubt alles. Du läßt Dir schließlich noch von dieser entzückenden Schwiegermutter weib machen, daß Deine kleine Frau zu nichts taugt, als Geld auszugeben, während es doch gerade die Schwieger mutter ist, die Deiner Börse unerhörte Anstrengungen zumuthet." Der Affeflor wehrte ab: „O nein, beste Tante, ich sehe wohl ein, woher die Ausgaben kommen, aber es ist ja nur sür kurze Zeit und wird mich nicht ruiniren." „Aber Deine Frau wird ruinirt; hast Du denn keine Augen für ihr blasses jämmerliches Aussehen?" „Anna? Aber Tante, die eigene Mutter kann doch nicht —" „Sie kann. Systematisch peinigt sie die Tochter zu Gunsten des Herrn Schwiegersohns und dieser ist blind genug, in Wochen nicht zu bemerken, was mir in einem Tage klar wurde." Der junge Mann machte ein ganz verblüfftes Gesicht. „Geh schlafen, mein Sohn, ich habe Dir noch immer aus der Patsche geholfen, ich werde es auch diesmal thun," tröstete die Tante. „Siehst Du, ich roch gleich Lunte, als ich nach dem überströmenden Ein ladungsbriese das kurz angebundene Telegramm bekam: „Sie will nicht weichen" — und erst hatte ich sie doch um jeden Preis treffen sollen — das gab mir zu denken. Drum machte ich mich reisefertig, trotz des Abwinkens. Ich hoffe, ich bringe alles zurecht. Gute Nacht!" Am folgenden Morgen erschien die Frau Amt mann ungewöhnlich früh zum Kaffee. Sie trug ein dickes Zahnluch und beklagte sich über Reißen im Kopfe. „Das wird vorübergehen," tröstete Tante Henschel, „wenn Sie sich nur erst an frische Luft ge wöhnt haben. Denkt Euch, Kinderchen, die Mama schläft bei dicht geschloffenen Fenstern jetzt im Sommer! Das ist ja gegen die Gesundheitsregel. Ich habe sofort geöffnet, obwohl mein Schlafsofa unmittelbar unter dein Fenster steht. Lieber will ich eine kleine Erkältung davontragen, als so schlechte Luft einathmen." Die Frau Amtmann zog eine Grimasse; Aennchen verbarg ein Lächeln, indem sie sich die Tafle vorhielt, und Assessor biß die Lippen. „Es ist lange," sagte er, „daß ich nicht das Ver gnügen hatte, Sie liebe Mama, am Kaffeetische zu be grüßen ; ich hoffe, daß das geöffnete Fenster nicht Schuld an der Verkürzung Ihres Morgenschlafes trägt?" „O nein," entgegnete die Frau Amtmann scharf, „das würde mich nicht gestört haben, aber das Fräulein Tante erhebt sich ja mit Tagesanbruch und richtet dann ein solches Wogengeräusch in ihrem Waschbecken an, daß ich ein Maulwurf sein müßte, um dabei weiter schlafen zu können." „Das bischen Plätschern hat Sie gestört, meine Liebe, o, wie mir das Leid thut. Aber beruhigen Sie sich, auch daran werden Sie sich schnell gewöhnen," sagte Fräulein Hentschel in bedauerndem Tone. Die Frau Amtmann schauderte zusammen: „Eine kalte Douche des Morgens? Das wäre mein Tod!" „Nun, wie Sie wollen; ich kann Sie nicht zu Ihrem Glücke zwingen," meinte das Fräulein trocken. „Aber Sie zwingen mich, bei offenem Fenster zu liegen," kam es spitz zurück. „O, ich bin nicht unbillig; die gerechteste Person von der Welt, wie Sie diese Nacht erfahren werden. Das Fenster bleibt hermetisch verschlossen. Ich athme Stickluft aus Rücksicht für Sie, verehrte Frau, aber morgen müssen Sie dann wieder aus Rücksicht sür mich frische Luft schöpfen." „Das ist ein ausgezeichnetes Auskunstsmittel, gewiß," rief der Assessor; „was dem einen recht ist, ist dem anderen billig." „Ausgezeichnetes Auskunftsmittel, nennen Sie das, Herr Sohn? Aber ich bitte Sie, es ist das schlimmste, was meiner Neuralgie und meinem Rheumatismus widerfahren kann," grollte die Frau Amtmann empört. „Aber wenn Du Dir den Kopf warm einhülltest, Mama? Ich kann Drr auch noch einen Schirm vor's Bett stellen," wagte Frau Anna zu bemerken. Die Frau Amtmann würdigte ihrer Tochter keine Erwiderung. Sie schluckte geärgert ihren Kaffee hin unter und begab sich dann wieder in ihr Zimmer. Dort wurde sie gegen Mittag ausgefunden, eifrig mit dem Packen ihres Koffer« beschäftigt. „Mama, Du willst doch nicht fort?" fragte die junge Frau und versuchte vergebens traurig überrascht auszusehen. „Ja, ehe ich mir einen unheilbaren Rheumatismus hole, räume ich lieber dieser sibirisch gewöhnten Tante das Feld," antwortete die Frau Amtmann. „Du magst nun sehen, wie Du allein fertig wirst, und Dein Mann mag bereuen, daß er mich durch diese Tante in meinem Organisationswerke gestört hat." Den lebhhaften Ausbrüchen de» Bedauerns von Seiten ihres Schwiegersohnes, sowie den Versicherungen der Tante, daß sie untröstlich sei, die verehrte Stubengenossin so bald zu verlieren, wenn sie auch begreifen könne, daß dieselbe sich nach ihren jüngeren Kindern sehne, setzte die Frau Amtmann eine eisige Unnahbarkeit entgegen. Bereitwilliger hatte die Magd der Frau Amtmann noch keinen Dienst geleistet. Mit BlitzeS-Geschwindig- keit schaffte sie sämmtliche Schachteln und Packete nach unten, schloß die Hand über ein sehr mager ausfallendes Trinkgeld und sah so vergnügt dabei aus, als habe sie ein 20-Markstück erhalten. Als sich die Thür hinter der Frau Amtmann geschloffen hatte, fiel Annchen der Tante um den Hals und jubelte: „Es ist zwar abscheu lich von mir, aber ich bin zu glücklich daß ich meinen Reinhold nun wieder allein habe." „Ja, ganz allein sollst Du ihn haben", sagte die Tante; „denn ich reise morgen auch ab." „Aber Tantchen, so ist's nicht gemeint", protestirte Frau Anna. „Doch, Kindchen, junge Eheleute soll man hübsch allein lassen. Ich komme nicht eher wieder, als bis ich bei Eurem ersten Jungen Gevatter stehe." Als der Assessor vom Bahnhofe zurückkehrte, wohin er es sich nicht hatte nehmen lassen, die liebenswürdigste aller Schwiegermütter zu begleiten, und nach herzlichem Händeschütteln mit der Tante in das strahlende Gesicht seiner Frau blickte, sagte er kopfschüttelnd: „Man sollte meinen, es wäre Deine Schwiegermutter, welche abge reist ist und nicht die meine." Haudels-Nachrichten. Koriin, 1. Juli. (Wechsel-Cours), vanlc- visoont Amsterdam o», 8 T per 1V0 fl. b. " 2M Brüssel und Antwerpen 8 T pr. 100 Francs. "3M Italienische Plätze - 10 T pr. 100 Lire 2M Schweiz. Pl. 100 Frc. 4 10 T London 8 T pr. 1 Lstrl. 3'/, 3M Mark 169,10 G 168,25 G 80,80 <8 80,30 G 77,30 G 80,90 G 20,38 G 20,24 G Madrid und Barcelona pr. 100 Pesetas Paris pr 100 Franc Petersburg pr. 100 Rubel Warschau 100 Rubel Wien per 100 Kr. ö W. Reichsbank 3'/,, 5 "T ° 2M 3 6T 3M ö'/.b T "3M 80,90 G 80,35 G 5'/, 8 T — . 8 T 84,95 G 3M 84,— G Lomb.-Z.-F.74V«. vorlio, 1. Juli. Spiritus 70er loco ohne Faß 43,30 Mk. Umsatz: 10000 Liter. 50er —M. Umsatz Liter. Uurräodurx, 1. Juli. Kornzucker cxcl. 88 Rendement 10,50 bis 10,80. Nachproducte excl. 75°/» Rendement 7,60 bis 8,10. Stimmung: Stetig. Krystallzucker I mit Sack 28,95. Brodrafsinade 1 ohne Faß 29,20. Gem. Raffinade mit Faß 28,95. Gem. Melis l mit Faß 28,45. Rohzucker l. Product Transito f. a B. Hamburg per Juli 9,32'/, Gd., 9,35 Br., per Aug. 9,42'/« Br., 9,40 Gd., per Sept. 9,25 Gd., 9,35 Br., per Okt.-Dez. 8,82'/« Gd., 8,87'/» Br., per Jan.-März 8,97'/» bez., 9,00 Br. Stimmung: Ruhig. Numdurx, 1. Juli. Weizen ruhig, Holsteiner loco 166 bis 172, La Plata 130. — Roggen flau, südruss. cif. Hamburg 10t—104, do. loco 103 bis 105, Mecklenburgischer 138 bis 145. Mais fester, amerik. mixed. 113'/«, La Plata 85. Hafer stetig, Gerste ruhig. Wetter: Schön. Uromon, 1. Juli. (Baumwolle). Tendenz: Stetig. Upl. middl. loco 44 Pfg. Liverpool, 1. Juli. (Baumwolle.) Muthmaßl.cher Umsatz: 5000 Ballen. Stimmung: Fester. Import: 4000 Ballen, Preise V-« bis V.« höher. Umsatz: 7000 Ballen, davon für Speculation und Export 500 Ballen verkauft. Amerikaner anziehend Ostindische ruhig, Middling amerikanische Liefer ungen. Juli-Aug. 4'"/«« Verkäufer, Sept. 4'°/«« Käufer, good ordin. Lieferung: Oktober-Nov. 4'V«« Käufer, Dez.-Jan. 4"/«. Verläufer. Telegraphische Nachrichten vom 2. Juli. (Hirsch's Telegr. Bureau.) Chemnitz. Einem Telegramm aus Dresden zufolge gelten auf Beschluß des sächsische« Finanzministeriums vom 4. Juli ab die Rückfahrkartenauf den sächsischen Staats bahnen mit Preußen 45 Tage lang. Glauchau. Am Sonnabend Nachmittag ertrank im städtischen Freibade der 10jährige Sohn eines Reisenden. Er hatte mit anderen Knaben auf einer als Fähre be nutzten Holzthüre über die Mulde fahren wollen und ist dabei ertrunken. Erst am Sonntag Mittag gelang es, die Leiche deS Knaben aufzufinden. Leipzig. Die zwischen Wurzen und Eilenburg ge-