Volltext Seite (XML)
Erblindung nichts mehr verdienen kann und von der er auch von seinen beiden in Armuth gerathenen Söhnen keinen Bruchtheil erlangen kann. Kann er nun von seinem reichen Sohne die gesammte Summe von 1500 Mark verlangen bezw. im Weigerungsfälle einklagen oder haftet der reiche Sohn nur für ein Drittel, also 500 Mark? Das sociale Empfinden und die Pietät bejahen natürlich die erstere Frage, aber der von der Haftung nach dem Verhältnisse der Erbtheile redende Paragraph 1606 scheint die letztere Frage zu bejahen. Der größte Theil der Commentatoren steht denn auch auf dem letzteren Standpunkte, dessen Consequenz, wie Winter richtig hervorhebt, also wäre, daß ein Bedürftiger um so schlechter gestellt ist, je mehr — an sich alimentationspflichtige — Abkömmlinge er hat. Das kann der Gesetzgeber unmöglich gewollt haben und Winter hat sicherlich auch Recht, wenn er im Gegen satz zu den meisten anderen Commentatoren meint, daß in dem angeführten Falle gar keine Mehrheit von alimentationspflichigen Kindern vorhanden ist. Jede Pflicht setzt die entsprechende Fähigkeit voraus, wer aber verarmt ist, ist nicht alimentationsfähig. Deßhalb ist der vermögende Sohn als subsidiär haftbar für die Alimentationsportionen seiner nichtleistungsfähigen Ge schwister. — Am Sonntag tagte in Werdau der diesjährige Delegirtentag des Gauverbandes erzgebirgischer Gewerbe vereine, der von ca. 35 Herren besucht war. Als Vertreter der Handels- und Gewerbekammern Plauen Und Chemnitz waren Herren Dr. Engelmann-Plauen, Sladtrath Jäger und Dr. Herrl-Chemnitz anwesend. Nach Neuaufnahme des Gewerbevereins Ernstthal in den Verband wurde u. a. beschlossen, die aufgestellten Verbandssatzungen zu genehmigen und den Gautag in Hohenstein kurz vor dem Landesverbandstag, der Anfang September in Glauchau stattfindet, abzuhalten. Das Hauptinteresse der Verhandlungen konzentirte sich aber auf den Antrag des Gewerbevereins Reichenbach, Handwerker-Versicherung betr., der nach einem Ver mittelungsvorschlag des Herrn Dr. Engelmann in folgender Form einstimmig'zum Beschluß erhoben wrude: „Alle Handwerker, Inhaber offener Geschäfte, Inhaber von Betriebsanlagen oder sonstige selbstständige Gewerbe treibende, ganz gleich, ob oder wie viel Lehrlinge oder Gehilfen sie beschäftigen, unterliegen der Alters- und Jnvaliditätsversicherungspflicht, wobei die Erwägung zu ziehen sein würde, ob nicht eine Grenze anzunehmen oder die Versicherungspflicht allgemein auszudehnen ist. Dafern aber die Versicherungspflicht in der gedachten Weise nicht ausführbar sein sollte, so beantragen wir, den Bundesrath zu ersuchen, gemäß ß 2 des Gesetzes auch die dort genannten Gewerbetreibenden und Be triebsunternehmer in die Versicherungspflicht einzu beziehen." Dresden. Das am Sonnabend von der Straßen bahn überfahrene und schwerverletzte Mädchen ist die Tochter eines englischen Majors; sie war 16 Jahre alt und in einem Pensionat auf der Struvestraße unter gebracht. Das Mädchen war mit ihren Mitschülerinnen auf einem Spaziergange begriffen und ging, in's Ge spräch vertieft, Arm in Arm mit einem anderen Mädchen. Beim Nahen eines Straßenbahnwagens, dessen Führer rechtzeitig geklingelt hatte, traten beide Mädchen unent schlossen, die eine vorwärts, die andere rückwärts, und wurden so beide vom Wagen erfaßt. Während die rückwärts Ausweichende zur Seile geschleudert und nur- leicht verletzt wurde, kam das andere Mädchen unter den Wagen zu liegen und zog sich schwere Verletzungen zu, denen sie kurz darauf erlag. Dresden. Der 25 Jahre bestehende Militär- LebensversicherungSverein hielt am Sonntag in den „Drei Raben" seine 9. ordentliche Generalversammlung ab, zu der sich außer dem Direktorium, dem Aufsichts- rath und den Kreisobmännern als Deputaten auch Ver treter der Bruderinstitute, der Feuer- und Hagelver- sichernngsvereine in Zwickau und Radeberg, ferner des Präsidiums von Sachsens Milltärvereinsbund, Obmänner und Beamte der Anstalt als Gäste eingefunden hatten. Der den Vorsitz führende Kamerad Kaufmann Moldau- Dresden begrüßte die erschienenen Theilnehmer im Auf trag des Direktoriums und Aufsichtsraths mit herzlichen Worten und gab dem Schmerze Ausdruck, den der Verein durch den Tod des am 10. März ds. I. hier verstorbenen ersten Vorsitzenden, Herrn Zollsekretärs a. D. H. Richter erlitten hat. Auch des verstorbenen Aufsichtsrathsmitgliedes Mönnich Plauen i. V. wurde anerkennend gedacht. Der Vortrag der Gcschäftsergebnisse der Jahre 1898—1900 erfolgte durch Kamerad Moldau. Im letzten Berichtsjahre erhöhte sich die gesammte Ein- nähme um 54 210 Mk. Das Vereinsvermögen, das frei von jeder Belastung und bis auf die Prämien- Reserve für Rückversicherungen in allen Theilen realisirbar ist, hat sich im letzten Jahre um 269 515 Mk. vermehrt; eS beträgt nach der Vermögensübersicht 1884 250,39 Mark. Ueber den Befund der Revisionen der Ver mögensstücke erstatteten die Referenten Kameraden Heinz- Annaberg, Janke-Grimma und Birkner-Frankenberg Be richt, worauf die Jahrcsrechnungen auf Antrag der Prüfer einstimmig richtig gesprochen wurden. Der Vor sitzende des AufsichtSratheS, Herr Kaufmann Kaniß- Leipzig, theilt mit, daß er unvorbereitet Revisionen vor genommen, Ausstellungen aber nicht zu machen gehabt habe. Durch den Bankkrach in Leipzig sei das Vereins vermögen in keiner Weise in Mitleidenschaft gezogen. Die aus dem Aufsichtsrath ausscheidenden Kameraden Janke-Grimma und Ruscher-Freiberg werden durch Zu ruf einstimmig wiedergewählt. Als Nachfolger des ver storbenen langjährig bewährten Vorsitzenden wählte der Aufsichtsrath den um das Wohl des Vereins verdienten bisherigen 2. Vorsitzenden Herrn Kaufmann Moldau- Dresden. Eine weitere Aenderung in der Verwaltung tritt insofern ein, als von der Wahl eines stellvertretenden Vorsitzenden Abstand genommen wird; im Falle der Verhinderung des Vereinsleiters tritt an dessen Stelle ein von der Direktion zu bestimmendes anderes Direktionsmitglied; dagegen wird ein Bevollmächtigter gewählt, der ebenso wie der Vorsitzende Bureauvorstand ist. Diese Wahl fiel auf den bisherigen Bureauvorsteher Herrn Böhmer, der von Herrn Kaufmann Moldau mittelst Handschlags in Pflicht genommen wurde. Herr Kaufmann Kaniß-Leivzig dankt der Direktion für die treffliche Führung der Geschäfte, worauf Herr Kreisob mann Roesger-Hohenstein-Ernstthal ersucht, die gleiche Anerkennung auch dem Aufsichtsrath zu zollen. Leipzig. Viel Glück hat die König!. Amtshaupt manschaft Leipzig gehabt, deren Bezirksausschuß auf Anrathen des Herrn Amtshauptmanns Heink beschloß, das effektiveBezirksvermögen inHöhevon bald 250000M. abzuheben, ebenso das baare Geld in Höhe von über 7 000 M. nicht bei der Leipziger Bank zu belassen, sondern in Staatspapiere anzulegen. Dieser Beschluß ist 8 Tage vor dem Zusammenbruch der Bank ausge führt worden. — An Stelle des zum Superintendenten der Ephorie Pirna gewählten Herrn von Seydewitz wurde einstimmig Herr vr. Jeremias, seither Diakonus, zum Pfarrer der Lutherkirche in Leipzig gewählt. Leipzig. Herr GeheimerKirchenrath Superintendent I). Pank hat am Sonntag Vormittag den Zusammen bruch der Leipziger Bank und die Fülle der dadurch über die Bevölkerung Leipzigs hereingebrochenen Sorgen zum Gegenstand einer ergreifenden Predigt gemacht. Er legte ihr zu Grunde die Worte des Apostels Paulus an die Philipper (Phil. 4, 10—13): „Ich bin aber höchlich erfreut in dem Herrn, daß ihr wieder wacker geworden seid, für mich zu sorgen; wiewohl ihr alle Wege gesorget habt, aber die Zeit hat es nicht wollen leiden. Nicht sage ich das des Mangels halben; denn ich habe gelernet, bei welchem ich bin, mir genügen zu lassen. Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; ich bin in allen Dingen und bei Allem geschickt, beides: satt sein und hungern, beides : übrig haben und Mangel leiden. Ich vermag Alles durch den, der mich mächtig macht, Christum." Aus dieser Quelle, so führte er aus, müsse die Kraft gewonnen werden, sowohl die schweren Schläge der vergangenen, als auch die vielleicht noch schwereren Schläge der neuen Woche zu tragen. Bei dieser Gelegenheit theilte der Herr Geheime Kirchenrath auch mit, daß der Leipziger Hauptverein der evangelischen Gustav Adolf-Stiftung in der Leipziger Bank zeitweilig sein ganzes Baarvermögen verloren hat, und daß auch das Leipziger Diakonisfenhaus schwer in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Die „Leipziger Neuesten Nachrichten" melden: In einer vom Verein selbstständiger Leipziger Kaufleute und Fabrikanteu zur Wahrung berechtigter Interessen gestern Abend einberufenen Versammlung von Actionären der Leipziger Bank wurde beschlossen, emen Ausschuß von 7 Herren zu wählen, der den Aussichtsrath der Leipziger Bank um baldige Einberufung einer außer ordentlichen Generalversammlung ersuchen und Material für etwaiges positives Verschulden der Directoren, be sonders der Aussichtsrathsmitglieder zu einem künftigen Proceß, welchen die Gesammtheit der Actionäre zu führen habe, sammeln soll. Falls der Aufsichtsrath dem Wunsche nicht Folge leisten sollte, müsse bei Gericht die Einberufung einer Generalversammlung durch ein Zwanzigstel des von den Actionären vertretenen Ge- sammtcapitals beantragt werden. Chemni tz. Am Sonntag früh in der 7. Stunde ist auf dem Hauptbahnhof ein 24jähriger, verheiratheter Maschinenkesselreiniger aus Ebersdorf schwer verunglückt. Während derselbe im Heizhause beim Reinigen eines Lokomotivenkessels mit einer Schlauchleitung siedenden Wassers in denselben spritzte, zersprang plötzlich der Schlauch und das siedende Wasser ergoß sich auf ihn. Hierdurch wurden dem bedauernswerthen Mann der Unterleib und die beiden Oberschenkel arg verbrüht. Auf Anordnung eines sofort herbeigerufenen Arztes, welcher oie erste Hilfe leistete, wurde er mittels Kranken wagens in das Krankenhaus überführt. Waldenburg, 30. Juni. Ein bedauerlicher Unglücksfall ereignete sich vorgestern gegen Abend im nahen Park Grünfeld, woselbst ein Kinderwagen, in dem sich das '/,Jahr alte Kind einer Dienstmagd aus Altstadtwaldenburg befand, von einem fürstlich Schön- burg'schen Geschirre angefahren und das Kindaus dem Wagen geschleudert wurde. Dasselbe erlitt dabei eine schwere Gehirnerschütterung und einen Beckenbruch und ist an den Folgen dieser Verletzungen gestern Abend verschieden. Heute wurde bereits durch einen Arzt und mehrere Gerichtsbeamte in der Wohnung der Mutter des verunglückten Kindes eine Besichtigung der Leiche vorgenommen und es dürfte sich bald heraus stellen, ob jemanden eine Schuld an dem Unfall trifft oder nicht. — In Zwickau werden seit Freitag Mittag zwei Obersekundaner des Realgymnasiums vermißt. Trotz aller Nachforschungen ist bis zur Stunde keine Spur von ihnen zu entdecken gewesen; indeß vermuthet man, daß die beiden jungen Leute, die angesehenen Familien entstammen, der Thatendrang in die Ferne getrieben hat, wenigstens haben sie sich vor ihrem Verschwinden mit Geldmitteln versehen. — Dieser Tage ist ein Dienstmädchen S. in Stoll berg gefänglich eingezogen worden, weil es dringend verdächtig ist, am 18. Juni das Anwesen ihrer Dienst- Herrschaft, des Bäckermeisters Tischendorf in Stollberg in Brand gesteckt zu haben. Das Mädchen wollte gern aus dem Dienst, da ihm angeblich das Austragen der Bäckerwaaren nicht gefiel. Hohndorf. Zur Warnung möge folgender Vor fall dienen. Am vergangenen Mittwoch füllte ein hiesiger 16jähriger Lehrling eine Flasche mit Kalk, goß Wasser hinein, worauf die Flasche zersprang und dem Lehrling Auge und Hand schwer verletzte, sodaß ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden mußte. Roßwein, 1. Juli. Ueber die große Tuchfabrik F. G. Lehmann, Aktiengesellschaft in Böhrigen, ist heute Konkurs eröffnet worden. Stenn bei Zwickau, 1. Juli. Eine wackere That hat ein 10 Jahre alter Knabe hier ausgeführt, indem er ein in eine Jauchengrube gefallenes Kind beherzt erfaßte und, indem er sich selbst an einem Brette an klammerte, 'so lange festhielt, bis auf sein Rufen Erwachsene zu Hilfe kamen. Er war der Lebensretter des kleineren Kindes. Bad Elster. Infolge der Leipziger Bankkrise sind am Dienstag etwa 50 Personen, ohne die Kur beendet zu haben, von hier abgereist. — Obwohl Elster jetzt von über 3 000 Personen besucht war, stehen nach Angabe der beiden „Wohnungsanzeiger" noch etwa 500 Zimmer leer. Neu erbaute Villen in der Nähe des „Albertparkes" an der Roßbacher Straße haben in dieser Saison noch nicht einen einzigen Gast gehabt. Aus dem Vogtlande, 30. Juni. Durch den Krach der Leipziger Bank sind, wie nunmehr bekannt wird, auch eine Anzahl Geschäftsleute von hier betroffen worden. In Auerbach sind mehrere Fabrikbesitzer (Aktionäre) mit Beträgen von 300,000, 500,000 und 1,000,000 Mk. betheiligt, dieselben sind jedoch so ge- stellt, daß sie den Verlust leicht verschmerzen können. Besonders schwer sind Markneukirchener Bürger betroffen worden. Man spricht von Beträgen bis 400,000 Mk. Auch Adorfer Einwohner haben Verluste erlitten. In Pausa hatte der dortige 536 Mitglieder zählende Spar verein seine Spareinlagen bei der Filiale der Leipziger Bank in Plauen eingezahlt. Auerbach. Die den Reichstags- und sächsischen Landtagsmitgliedern demnächst zugehende Broschüre ist wie folgt betitelt: „Der Kampf der städtischen Collegien und der Bürgerschaft von Auerbach gegen die Mißstände im städtischen Verwaltungswesen und dle Amtsführung des Herrn Bürgermeisters Kretzschmar." — Gegen das Urtheil des Vcrwaltungsgerichtshofes zu Zwickau in Sachen der verw. Frau Stark gegen die Stadtgemeinde auf Auszahlung der Wirten Wittwenpensionen haben die städtischen Collegien Berufung eingelegt, welche nächstens vor dem Oberverwaltungsgerichtshof in Dresden zur Verhandlung kommen wird. Für die Stadt handelt es sich nicht um die Gewinnung oder den Verlust des Processes, sondern darum, daß in dieser Sache der Herr Bürgermeister Kretzschmar und der Kassencontrolleur als Zeugen vernommen und unter dem Zeugeneid ihre Aus sagen über das Deficit in den städtischen Kassen vor Gericht abgeben sollen. — Zur Zeit schweben geheime Verhandlungen zwischen 2 Rathsmitgliedern und dem Bürgermeister Kretzschmar wegen einer Abfindung des Letzteren für seinen freiwilligen Abgang. Gerichtsverhandlungen. 8 Chemnitz, 29. Juni. Um sich über das übliche Bettlergeschenk hinaurgehende Geschenke zu verschaffen, suchte der am 13. Juni 1848 in Jöhstadt geborene, bereits wiederholt wegen Rückfallsbetrugs vorbestrafte Handarbeiter Franz Bernhard Rockstroh am 4. Mai d. I. in Adorf, am 11. Mai in Arnrfeld das Mitleid anderer Personen zu erregen, indem er ihnen unter Weinen und Lametiren vorlog, „er sei der in Einsiedel abgebrannte Bachmann", dem die Kinder mit verbrannt seien und der durch den großen Schreck das Gehör verloren habe. In Adorf hatte er in 5 von 6 Fällen, außerdem in Arnsfeld in dem einen Falle Glück, sofern er da Be träge von 3 Pfg., 5 Pfg., dreimal je 10 Pfg. und ein- mal sogar 30 Pfg. erhielt, während er in einem sechsten Falle in Adorf überhaupt leer abziehen mußte. Der geständige Angeklagte wurde heute von der Strafkammer de« hiesigen Landgerichts wegen vollendeten und ver- suchten Nücksallsbetrugs unter Ausschluß mildernder Um stände zu 2 Jahren Zuchthaus und 300 Mk. Geldstrafe, oder weiteren 40 Tagen Zuchthausstrafe, sowie zu 5 Jahren Ehrenrechisverlust verurtheilt. (CH. Tgbl.) 8 Zwickau, 29. Juni. Die zweite Strafkammer beschäftigte sich heute mit zwei Strafsachen, die bereits früher zur Aburtheilung gelangt, auf Revision der An geklagten aber vom Reichsgerichte zur nochmaligen Verhandlung an die erste Instanz zurückverwtesen worden sind. Die erste betraf die Strafsache gegen den Bau-