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Geschäftszeit am Dinstag bis abends 7 Uhr aus, sie zahlte alle Clienten aus, auch diejenigen offenen Depots, die sonst einer Kündigung unterliegen. Jin Laufe des Nachmittags wurden über 3 Millionen baar ausgezahlt. — An dem neuen Berliner Bismarck-Denkmal hat eine Stammtisch-Gesellschaft ausZw i cka u einen Kranz niederlegen lassen, dessen Schleife folgende Inschrift trägt: „Dem großen Kanzler des großen Kaisers." Die Widmung der Schleife des kaiserlichen Kranzes lautete bekanntlich: „Des großen Kaisers großer Diener." — Das in Mittweida alljährlich stattfindende Technikum-Anlagenfest wird in diesem Jahre am Sonn abend, den 10., und Sonntag, den 11. August, abge halten. — Die Montag zur Beilegung des Weberstreiks in Cunewalde stattgefundene Verhandlung des Schiedsgerichts hat zu keinem befriedigenden Resultat geführt. Pirna. Nachdem der Sebnitzer Papierfabrik, Aktiengesellschaft, die Genehmigung zur Errichtung einer neuen Druckpapierfabrik in Goßdorf bei Kohlmühle (Bahnlinie Schandau-Sebnitz) feiten der Baupolizeibe hörde ertheilt worden ist, hat man die Arbeiten sofort in Angriff genommen. Von der Größe der geplanten Anlage spricht der Umstand, daß 14 Dampfkessel zur Aufstellung gelangen werden. Rochlitz, 27. Juni. Was die Aussichten der Getreide- und Obsternte betrifft, so kann mit Befriedig ung constatirt werden, daß in hiesiger Gegend dieselben wohl befriedigende zu nennen sind. Das Korn z. B. steht in schönster Blüthe und zeigt kräftige Aehren an langen Halmen auf. Auch die übrigen Getreidearten lassen auf eine gute Ernte hoffen. Die Heuernte ist so ziemlich beendet und ist zur Zufriedenheit der Grund stücksbesitzer ausgefallen. Die heißen Tage der letzten Woche sind derselben vortrefflich zu Stalten gekommen. Hinsichtlich des Klees hört man Seitens der Landbe völkerung öfters Klagen laut werden, da an manchen Orten derselbe sehr dürftig ausgefallen ist. Die Ursache ist offenbar in dem langen und harten Winter mit seinem ungemein tief gegangenen Froste zu suchen; andererseits aber auch in der etwas zu trockenen Witterung. — In Meuselwitz hat sich eine neue Braun kohlen-Abbau-Aktiengesellschaft unter der Firma „Herzog Heinrich, Gewerkschaft für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation" gebildet. Die neue Gesellschaft hat die Felder gegenüber der Grundstücke der Gesellschaft „Heureka" bei Meuselwitz erworben. Vermischtes. * Ein „vorsichtiger" Ehrenmann. Dieser Tage erschien laut „Kreuzztg." in Wien ein Armeelieferant bei einem General des Kriegsministeriums und bat ihn um seine Fürsprache bei der Ueberprüfung der Lieferungen. Als er sich entfernt hatte, fand der General auf seinem Tische einen Brief, worin sich zehn Tausender befanden. Der General erstattete sofort die Anzeige wegen versuchter Bestechung. Der Polizeibeamte nahm das Protokoll auf, bemerkte aber gleichzeitig, es werde sich schwerlich etwas machen lassen, weil der betreffende Lieferant eben die Anzeige erstattet habe, daß er — 10 000 fl. verloren habe! * Aus dem Zuge gefallen ist am Sonntag zwischen Groß-Wudicke und Schönhausen ein dreijähriges Kind. Als der in voller Fahrt befindliche Schnellzug Berlin- Bremen hinter Groß-Wudicke vorbei war, öffnete sich plötzlich die Thür eines Wagens und ein Kind fiel heraus, zunächst auf das Trittbrett des Wagens, dann die Böschung hinunter. Der Zug hielt, da die Nothleine gezogen wurde, und man fand das Kindchen ohne Be sinnung mit schweren Verletzungen an Kopf und Beinen im Grase liegen. Die Eltern nahmen das Kind wieder mit ins Coupö, fuhren bis Stendal und von hier mit dem V-Zuge nach Hannover, wo das unglückliche Wesen in ärztliche Behandlung gegeben wurde. Das Unglück ist darauf zurückzuführen, daß die Thür des Wagens nicht geschlossen war und sich das Kind dagegenlehnte. * Gaunerstreich. Die „Elb. Ztg." schreibt: Kommt da vor einigen Tagen zu einem in der Umgegend von Elbing wohnenden Gastwirth ein viel gereister Wander bursche, stellt auf den Schanktisch eine umfangreiche Flasche und verlangt keck Liter „echten Korn." Ahnungslos füllt der Wirth die Flasche und reicht sie dem durstigen Fremdling hin, der sie auch gleich in die tiefsten Tiefen seiner Rockschöße verschwinden läßt. „Als es nun ging zum Zahlen, ward ihm das Herze schwer." Kein Heller ist zu finden. Mit vielen Ent schuldigungen zieht der „Käufer die Flasche wieder aus der Tasche, der nichts Böses ahnende Gastwirth gießt den Inhalt aus, reicht den in großer Betrübnis; da stehenden Bruder Straubinger die Flasche zurück und dieser verschwindet. Nach einiger Zeit kommt die Sache dem Gastwirth etwas verdächtig vor, er untersucht den zurückgegossenen „Dänen", und siehe, es war — reines klares Wasser. Der Gauner führte zwei Flaschen mit sich, von denen eine mit Wasser gefüllt war. * Brand des Landgerichtsgebäudes in Erfurt. Am Montag, am Tage der dritten diesjährigen Schwurge richtsperiode des Landgerichts Erfurt, stand eine Sache an gegen die noch jugendlichen KaufleutePfaude undHoras aus Großbreitenbach wegen Meineids Da 30Zeugen ge laden waren, dauerte die Verhandlung bis zum Abend. Als während der Vernehmung der Landgerichts-Kastellan Berndt gegen Uhr abends die Gaskronleuchter an zündete, kam er mit der an einer langen Stange ange brachten Spirituslampe den aus Ripsstoff bestehenden Gardinen, sogenannten „Schallfängern", zu nahe, welche alsbald Feuer fingen. Dieses theilte sich dem getäfelten Holzdache des Saales mit. Binnen fünf Minuten brannte dieses lichterloh. Ein allgemeine Panik ent stand schon deswegen nicht, weil die Verhandlung mit Ausschluß der Oeffentlichkeit — es handelte sich um Alnnenten-Prozeß — geführt wurde. Der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Rieß, sowie Staatsanwaltschafts- rath Schubert und die beiden Rechtsanwälte Moßdorf und Köhler nahmen ihre Akten unter den Arm und verließen den Saal. Die 13 Geschworenen waren et was unruhiger. Die beiden verhafteten Angeklagten, sowie ein aus dem Zuchthause zu Gräfentonna vorge führter Zeuge mit Namen Hoffmann aus Großbreiten bach wurden schleunigst nach dem abseits gelegenen Gefängniß abgeführt. Inzwischen sprang der oben be nannte Kastellan treppauf, um dem Feuer Einhalt zu thun. Nachdem er schwere Brandwunden am rechten Arme erlitten, mußte sich der pflichttreue Beamte zu rückziehen. Binnen kürzester Frist umstellte Militär (71er Infanterie) die Brandstätte. Die bald darauf eintreffende Turner-Feuerwehr hatte deswegen schon einen schweren Stand, weil dem inmitten des Gebäude- komplexes befindlichen Schwurgerichtsgebäude nur sehr schwer beizukommen war. Erst nach Anwendung der „Ulmer Leiter" war dies möglich. Trotz des kolossalen Menschenandranges herrschte eine musterhafte Ordnung, so daß es zum Eingreifeu seitens der unter dem Kommando des Polizeiinspektors Mundt stehenden Polizei keine Veranlassung gab. Gegen 7 Uhr war man Herr des Feuers. Aber wie sieht ein großer Theil des herrlichen Bauwerkes aus! Der Schwurgerichts-Sitz ungssaal bildet ein Chaos von Trümmern und die unter ihm liegenden Zimmer der Gerichtsschreiberei, Abtheilung 6, sowie der Sitzungssaal des Schöffenge richts stehen unter Wasser. Mit genauer Noth konnten die Akten geborgen werden. — Die Schwurgerichts- Sitzungen erleiden bis auf weiteres eine Unterbrechung. Hmldels-RaHrrchten Koriin, 27. Juni. (Wechsel-Cours). 3'/, 80,90 G Reichsbank 4"/», Lomb.-Z.-F. 5°/o. G G G G 80,90 80,50 20,38 20,24 5 4 Üank- viseont g>/ 8 " 2M Amsterdam per 100 fl. Ii. Brüssel und Antwerpen pr. 100 Francs. Italienische Plätze pr. 100 Lire Schwei;. Pl. 100 Frc. London pr. 1 Lstrl. Madrid und Barcelona pr. 100 Pesetas Paris pr 100 Franc Petersburg pr. 100 Rubel Warschau 100 Rubel Wien per 100 Kr. b W. Mark 169,10 G 168,25 G 80,80 G 80,30 G 77,30 G 85,— G 84,— G 8 T 3M 10 T 2M 10 T 8 T 3'/, 3M - 14T ° 2M q 8 T 3M 8 T '' 3M 5'/. 8 T . ST 4 3M Koriin, 27. Juni. Spiritus 70er loco ohne Faß 43,30 Mk. Umsatz: 10000 Liter. 50er —,— M. Umsatz Liter. 27. Juni. Kornzucker cxcl. 88 Rendemcat 10,40 bis 10,70. Nachprodu>te excl. 75°/o Rendement ,— bis ,—. Stimmung: Ruhig. Krystallzucker 1 mit Sack 28,95. Brodrafstnade 1 ohne Faß 29,20. Gem. Raffinade mit Faß 28,95. Gem. Dielis 1 mit Faß 28,45. Rohzucker I. Produ t Traisito f. a B. Hamburg per Juni 9,30 Gd., 9,40 Br., per Juli 9,30 bez., 9,35 Br., per Ang. 9,37'/, bez., 9,40 Vr., per Okt.-Dez. 8,80 Gd., 8,85 Br., per Jan.-März 6,95 Gd., 9,00 Br. Stimmung: Ruhig. Humburg, 27. Juni. Weizen stetig, Holsteiner loco 166 bis 170, La Plata 132. — Roggen flau, südruss. cif- Hamburg 100—104, do. loco 102 bis 105, Mecklenburgischer 136 bis 144. Mais stetig, amerik. mixed. 114'/,, La Plata 86. Hafer stetig, Gerste ruhig. Wetter: Bedeckt.- Krem«», 27. Juni. (Baumwolle). Tendenz: Ruhiger. Upl. middl. loco 44 Pfg. kivvrpool, 27. Juni. (Baumwolle.) Muthmrßlicher Umsatz: 8000 Ballen. Stimmung: Ruhig. Import: 5000 Ballen, Preise Va« bis niedriger. Umsatz: 8000 Ballen, davon für Spekulation und Export 500 Ballen verkauft. Tendenz: Ruhiger. Amerikaner und Broach '/i« niedriger. Middling amerikanische Lieferungen. Juni-Juli 4"°/°< Verkäufer, Aug.- Sept. 4°"/«. Käufer, good ordin. Lieferung: Oktober 4'^ Verkäufer, Nov.-Dez. 4'°/«» do. Zahlungsein st ell ungen: Käufm. D. H. Hasbach, Allenstein. Continental-Havana-Com- pagnie, G. m. b. H., Berlin. Fahrradhändler Rich. Driessen, Hannover. Kaufm. Levy Stern, Ennigerloh-Oelde. Kaufm. Berthold Bothe, Ohlau. Kaufm. Johannes Barts, Stettin. Ziegeleibesitzer- Karl Schmidt, Zerbst. Des Assessors Schwiegermutter. Humoreske von Detlef Stern. (Nachdruck verboten.) „Und jetzt, nachdem ich Dir von meinem jungen Glück zur Genüge vorgeschwärmt, liebe Tante, bitte ich nur eins, komme bald, um Dich durch den Augen schein dovon zu überzeugen, daß meine Anna wirklich das hübscheste, niedlichste und praktischste Frauchen ist, welches ein Mann nur wünschen kann. Wenn Du Dich beeilst, so wirst Du zugleich die Bekanntschaft meiner Schwiegermutter machen, welche uns soeben einen acht tägigen" Besuch angekündigt hat. Auch in Bezug aus diese bin ich merkwürdig gut gefahren, sie ist die liebens würdigste Schwiegermutter." Mit diesem Brief verließ der Assessor sein Bureau, steckte das Schreiben im Vorübergehen in einen Post- kasten und eilte seiner Wohnung zu. Er eilte sofort in die Küche, wo er sicher war, seine junge Frau an- zutrcffen. Er faßte diese, welche am Herd stand, um die schlanke Taille, drückte ihr einen Kuß auf die frischen Lippen und hielt ihr*einen bereits erbrochenen Brief hin. Frau Alma machte sich mit einem aller liebsten Schmollgesichtchen los, griff nach einem auf dem Herde befindlichen Gefäß und sagte: „Wenig fehlte, so wäre die Suppe übergekocht." „Aber wo ist denn das Mädchen ?" fragte der Assessor. „Ich habe sie nach frischen Frankfurter Würstchen geschickt, die Du so gerne ißt." „Du Engelskind! und unterdeß besorgst Du die Küche! dafür sollst Du aber jetzt auch freudig über rascht werden! Da nimm! Der Brief ist von der Mama." „Von der Mama! und an Dich?" „Warum nicht an mich? Hat sie mich doch in der kurzen Zeit unseres Brautstandes behandelt, als ob ich ihr eigener Sohn wäre; ja, beinahe noch besser." Frau Anna nahm die Koteletts zur Hand, kehrte sie bedächtig um und fragte zögernd .- „Und die Ueber- raschung?" „Ich sollte es Dir eigentlich garnicht sagen. Die Mama möchte Dich überrumpeln." „Was! Die Mama will doch nicht Herkommen? Aber Reinhold, wir sind ja erst vier Wochen verheiralhet und nun schon einen Besuch!" „Na, das ist nelt, als ob die eigene Multer irgend ein lästiger Besuch wäre! Was wirst Du denn sagen, wenn ich Dir mittheile, daß ich auch meine Tante Henschel eingeladen habe, damit sie endlich mein kleines Frauchen und zugleich auch die liebenswürdigste aller Schwiegermütter kennen lerne?" „Die Tante hast Du auch eingeladen? Da haben wir's!" — Assessor Fromm sah völlig verdutzt aus: „Du bist unbegreiflich, Anna. Du thust, als ob ich Dir ein Unglück angekiindigt hätte." „Ist auch nicht viel besser!" seufzte die junge Frau und that Butter in die Pfanne. „Solltest Du schwierig sein, mein kleines Weib?" fragte der junge Mann neckend, „das wäre der erste Fehler, den ich an Dir entdecke." „Schwierig? O, garnicht. Aber wir haben doch nur ein Fremdenzimmer." „Aber ein sehr großes, mein Schatz, in dem zwei Personen recht gut Platz haben." „Es steht nur eine Bettstelle darin." „Wir setzen das Schlassopha aus meinem Arbeits zimmer hinein." „Und wenn sich dis beiden Damen nicht vertragen? Sie können doch ganz verschiedene Gewohnheiten haben." „Na, für Deine Mutter stehe ich ein; die läßt sich ja alles gefallen, selbst mein zuweilen etwas übertriebenes Rauchen, und für Tante Hentschel glaube ich auch auf kommen zu können. Sie hat mir, so lange ich lebe, nur den einen Kummer gemacht, daß sie nicht zu unsrer Hochzeit gekommen ist und sich mein kleines Weib nur als Photographie besehen hat." Frau Anna erwiderte nichts. Sie war angelegentlich mit ihren Koteletts beschäftigt, die sie in der Pfanne wendete. Mit entzückten Blicken verfolgte der junge Ehemann die raschen und sicheren Bewegungen der jungen Frau. Er war gerade im Begriff, ihr einen handgreiflichen Beweis dieses Entzückens in einem Kuß aufzudrücken, als die Glocke an der Etagenthür heftig gezogen wurde. „Das wird Lisette sein," meinte Frau Anna, und der Assessor ging, um zu öffnen. Es war Lisette, aber mit ihr zugleich erschien eine kleine, rundliche Frau, be packt bis unter das Kinn mit Haubenschachteln, Packelen und verschiedenen Taschen, hinter sich einen Droschken kutscher, der einen umfangreichen Koffer laut dröhnend niedersetzte und mit verdrießlichem Tone seine Bezahlung forderte. Die kleine rundliche Frau nickte vergnügt: „Da ist mein Schwiersohn: Grüß Gott, bester Reinhold! Ach, wolltest Du nicht den Kutscher abfinden, ich weiß so garnicht mit den großstädtischen Preisen Bescheid. Du kennst doch genau den Tarif, nicht wahr?" Mit diesen Worten schob sich Frau Amtmann Breese an den verblüfften Assessor vorbei, ließ ihre Schachteln und Packele auf dem Korridor kollern und drang ins Wohnzimmer ein, es dem Schwiegersohn überlassend, den Droschkenkutscher zufrieden zu stellen. Lisette aber stürzte mit ihren warmen Frankfurtern in die Küche und rief: „O Jott, Madameken, Logierbesuch iS injerückt und wir haben blos man sechs Frankfurter, zwei Kotelett» und det Suppenfleisch von mir." „Was für Besuch, Lisette?" „Na, wenn sie schon den Herrn Assessor „Schwieger sohn" titnlirt, denn wird's wohl die Frau Mutter sein." „O Gott, die Mama! Sie sollte doch erst morgen kommen! Und gerade heute, wo wir so knappes Essen haben!" Schnell entschlossen griff sie in den Speise schrank, holte das Suppenfleisch hervor und panierte es wie die Koteletts. „Davon legen Sie einige Stücke mit