Volltext Seite (XML)
Vermischtes. * Ueber die Verschwendungssucht des verhafteten Bankdirektors Kommerzienrath Schulz von der Pomm. Hypothekenbank wird dem „B. T." aus Göttingen ge schrieben: Vor 2 Jahren heirathete Schulz hier seine jetzige zweite Frau, die Tochter eines hiesigen Kaufmanns. Durch seine fabelhaften Ausgaben für Geschenke, Trink gelder rc. wurde Schulz hier allgemein der Held des Tages. Das Glas Bier bezahlte er gewöhnlich mit 10 und 20 Mk., die Braut und deren Familie überschüttete er mit kostbaren Geschenken. Bei der Hochzeit hat es förmlich „Geschenke geregnet"; mit goldenen Uhren, Armbändern, Broschen und Busennadeln wurden alle Gäste bedacht, 500 Mk. Trinkgeld erhielt das Dienst personal, Cigarren unter 3 Mk. für das Stück wurden nicht geraucht. Eine Schauspieler-Truppe aus Berlin mußte besonders hierher kommen, um am Polterabend Aufführungen zu veranstalten. Um der Braut einen Blumenkorb zu bringen, reiste ein Gärtner von Hort hier her zweiter Klasse. Kurz und gut, Jedermann sah und hörte, daß das Geld bei Schulz keine Rolle spielte. * Im Breslauer Lobetheater, wo Wolzogens „Ueber- brettl" gastirt, kam es kürzlich bei dem Vortrage des Schattenspiels „Der Marschallstab", welches bekanntlich eine Satire auf die Expedition des Weltmarschalls Grafen von Waldersee bildet, zu ganz ungewöhnlichen Demonstrationen. Schon bei Verkündigung des Titels verließen, wie die „Bresl. Morgenzeitung" berichtet, einige Offiziere und Herren vom Civil aus den Logen, dem Parkett und dem 1. Rang in ostentativer Weise das Theater. Unter fortwährenden Protestausbrüchen begann der Vortrag des Stückes, der von andauerndem energischen Zischen begleitet wurde. Als der Schlußvers verklungen war, erreichte der Lärm einen im Breslauer Theaterleben unerhörten Grad. Alles erhob sich von den Plätzen. Neben dem Zischen erscholl grelles Pfeifen; dazwischen erklang brausendes Händeklatschen. Dieser Kampf, in welchem die Beifallsspender schließlich Sieger blieben, hielt etwa zehn Minuten an. * In Dünnwald (Kreis Mülheim am Rhein) griff dieser Tage ein Bursche aus Düsseldorf ein junge Frau, die ihrem Manne das Essen nach der Arbeitsstätte ge bracht hatte, in verbrecherischer Absicht an. Als er ihr den Mund zuhalten wollte, biß ihn die Angegriffene derart in den Finger, daß er von ihr ablassen mußte. Auf das Hilferufen der Frau waren zwei Bauersfrauen herbeigeeilt, und so gelang es den drei Verbündeten, den Missethäter festzuhalten, bis mehrere Waldarbeiter hinzu gekommen waren. Diese banden den Menschen an einen Baum und überließen den Frauen die Lynchjustiz, die mit kräftigen Hieben mehrere Stöcke auf dem Burschen entzwei schlugen. Ein Gendarm verhaftete ihn schließlich. * Ueber ein neues angebliches Mittel gegen die Tuberculose wird aus Italien gemeldet: Die Turiner „Gazzetta del Papolo" erhält aus Buenos Aires interessante Mitlheilungen über glänzende Ergebnisse, die der Militärarzt Villar mit seinem Heilserum gegen Tuberkulose erzielt haben will. Nicht allein im ersten, sondern auch im zweiten und dritten Stadium tödtet das Serum den Baeillus vollständig; auch bei bedenk licheren Formen, wie Kehlkopftuberkulose, werde wenigstens eine bedeutende Besserung erzielt und das Leben ver längert. Das Serum diene auch als Schutzmittel. — Das klingt ja sehr verheißungsvoll. Aber diese Ver heißungen haben sich schon so oft als trügerisch erwiesen, daß solche Ankündigungen zunächst einem vollständigen Unglauben begegnen müssen. Handels-Nachrrchten (Wechsel-Cours). Nvrttn, 28. Mai. 3 »7» G G 81,25 80,50 G G G G G G G bz G G Mark 169,20 168,20 81,15 80,50 77,— 4 5 85,— 84,25 5°/,. 8 T 3M 14 T 2M 8 T 3M 8 T 3M Amsterdam per 100 fl. Ii. Brüssel und Antwerpen pr. 100 Francs. Italienische Plätze pr. 100 Lire Schweiz. Pl. 100 Frc. London pr. 1 Lstrl. Madrid und Barcelona pr. 100 Pesetas Paris pr 100 Franc Petersburg pr. 100 Rubel Warschau 100 Rubel Wien per 100 Kr. ö W. 81,— 20,44 20,25 Reichsbank 4°/», Lomb.-Z.-F. Iwrit», 28. Mai. Spiritus 70er loco ohne Faß 44,10 Mk. Ikiink- viseont 8 T /' 2M g>/ 8 T /'3M 10 T ' 2M 4V.10T 5'/, 8 T , 8 T 3M Umsatz: 8 000 Liter. 50er —,— M. Umsatz Liter. lika^vbarx, 29. Mai. Kornzucker cxcl. 88 o/o Rendement —bis —. Nachvroducte excl. 75°/» Rendement ,— bis ,—. Stimmung: Ruhig. Krystallzucker I mit Sack 28,95. Brodrafstnade I ohne Faß 29,20. Gem. Raffinade mit Faß 28,95. Gem. Melis I mit Faß 28,45. Rohzucker I. Product Transito f. a B Hamburg per Mai 9,45 bez., 9,55 Gd., per Juni 9,50 Gd., 9,52 V, Br., per Juli 9,55 bez., 9,57 V, Gd., per August 9,57'/« Gd., 9,60 Br., per Okt.-Dez 8,85 Gd., 8,92'/, Br. Stimmung: Ruhig. Humburg, 28. Mai. Weizen ruhig, Holsteiner loco 176 bis 180, La Plata 133—136. — Roggen ruhig, südruss. cif. Hamburg 106—110, do. loco 110 bis 112, Mecklenburgischer 142 bis 150. Mais ruhig, loco 116, La Plata 85. Hafer stetig, Gerste ruhig. — Wetter: Bedeckt. Vrvwva, 28. Mai. (Baumwolle). Tendenz: Stetig. Upl. middl. loco 40Pfg. I-lv«rpo»I, 28. Mai. (Baumwolle.) Muthmaßlicher Umsatz: 8000 Ballen. Stimmung: Ruhig. Import: 13 000 Ballen. Preise '/«« höher. Umsatz: 6000 Ballen, davon für Specu- lation und Export 500 Ballen verkauft. Amerikaner fester, Ostindische stetig, Egypter träger. Middling amerik. Liefer ungen. Mai-Juni 4'»/»« Verkäufer, Juli-Aug. 4">/„ Käufer, Sept. 4"/«« do., Oktober 3°°/«, do. Zahlungseinstellungen: Hermann Bach, Bottrov. C. Engel, Braunschweig. Johann Flecken, Köln. Julius A. Neumann, Leitelshain-Crimmitschau. Hugo Eiteljörge, Düsseldorf. Ortrander Polsterstoff- und Wattefabrik Bulang L Schneider, Ortrand-Elsterwerda. Fritz Meißner, Haynau. I. Weidemann u. Co., Königslutter. Oskar Springer, Magdeburg. Wilhelm Husch, Nürnberg. Georg Mylius, Schwerna-Salzungen. Friedr. Äug. Markert und Bruno Hermann Winter, Elterlein-Scheibenberg. Benj. Siehl, Speyer. Franz Josef Fuchs, Speyer. Ein F ü r st e n w o r t. Eine Hof- und Wilddiebsgeschichte von F. Liebermann von Sonnenberg. 12. Fortsetzung. Sollte ich einfach das Verlangen des Unbekannten ablehnen und den Dingen ihren Lauf lassen? Daß man mich dann bei erster Gelegenheit aus dem Wege geschafft hätte, wäre das wenigste gewesen, denn daß ein Jagdaufseher, speziell hier in der Nähe der Grenze, stets mit einem Fuße im Grabe steht, wußte ich ja bei Uebernahme meiner Stellung hier im voraus. Aber, daß ich durch eigensinniges Festhalten an meiner Pflicht Ihren Herrn Vater geradezu schädigen würde, war mir auch klar, denn daß die Kerls meine Machtlosigkeit zur Genüge kannten, bewies mir ja ihr unverschämtes Auftreten um Tage. Daß mein schöner Wildstand bald ruiniert wäre, wenn die Bande hier noch einige Zeit ihr Unwesen treiben würde, war mir auch zweifellos, ebenso, daß nicht ein einziger von den Halunken sich ein Gewissen daraus gemacht hätte auf den Befehl des Anführers, der seine Genossen in höl lisch strammer Zucht zu haben schien, mir das Schloß über dem Kopse in Brand zu stecken. Ich verbrachte die furchtbarste Nacht meines Lebens. Noch niemals war ich auch nur um eines Fingers Breite von meiner Pflicht abgewichen; mein Gewissen forderte gebieterisch starres Festhalten an derselben, meine Vernunft mahnte immer eindringlicher zum Nach geben. Im Zwiespalt mit mir selbst, ob ich der Klug heit oder der Pflicht folgen solle, entschied ich mich end lich nach langem, schwerem Kampf für erstere, überzeugt durch weises Nachgeben, das Interesse meiner Herrschaft besser wahren zu können, als durch aussichtslosen Wider stand. In der Frühe des nächsten Tages begab ich mich in den Wald, um mich zu überzeugen, was die Spitz buben mir von meinem Wilde, da wo sie gestern ge jagt hatten, übrig gelassen hätten. An der Stelle, wo ich tagszuvor mit der Bande zusammengetroffen war, fand ich, sorgfältig nebeneinander gelegt, den Aufbruch von neun Rehen. Wäre ich bisher noch im Zweifel ge wesen, was ich zu thun hätte, dieser Anblick hätte mich unwiderleglich überzeugt, daß ich nur durch bedingungs loses Eingehen aus die Forderungen des Unbekannten meinen Wildstand vor vollständigem Ruin retten konnte. Auf den Grenzen, wo das Wild ohnedies mehr oder weniger gefährdet ist, beabsichtige ich zuerst ab zuschießen, gelte und schwächliche Stücke, die ja ein kräftiges Gedeihen des Wildstandes ohnehin schädigen, sollten zuerst geopfert werden, meine Hoffnung, der Himmel werde inzwischen von irgend einer Seite Hilfe senden, hat mich nie verlassen, und Gott sei gedankt, mein Vertrauen hat mich nicht getäuscht, jetzt sind Sie da, Herr Graf, und nun wollen wir den Kampf mit den Halunken frisch und fröhlich aufnehmen. Und nun, gnädiger Herr, sagen Sie mir, ob Sie noch immer glauben, der alte Wörner sei solch ein Hundsfott von einem Wilddieb, und benutze die Ab wesenheit seiner Herrschaft, um zu stehlen und zu be trügen ?" Dem braven Mann waren die Thränen in die ehrlichen Augen getreten und gespannt blickte er den jungen Grafen an. Aber schon mar dieser aufgesprungen, hatte des Jägers Rechte ergriffen und diese herzlich drückend, sagte er: „Nein, Wörner, ich halte Sie für das, was Sie sind und wofür wir Sie immer gehalten haben, einen treuen, braven und ehrlichen Diener Ihrer Herr schaft. Verzeihen Sie mir, daß auch nur einen Augen blick lang ein so falscher Verdacht " „Nichts von verzeihen, gnädiger Herr", unterbrach Wörner den Grafen erfreut, „Ihr Verdacht schien nur zu gerechtfertigt, und kein Mensch würde unter den obwaltenden Verhältnissen anders gedacht haben. Und nun lassen Sie sich den weiteren Verlauf der Sache erzählen: Ich fand also, wie ich schon sagte, unweit der Stelle, an welcher ich tagszuvor mit den Wilddieben zusammengetroffen war, den Aufbruch von neun Rehen. Während ich diese Zeugen der frevelhaften Thätigkeit der Halunken wehmüthig betrachtete, hörte ich plötzlich Schritte hinter mir und sah mich dem Unbekannten gegenüber. Wie gestern, so trug er auch heute die Büchse über die Schulter geworfen. Bei dem Anblick des Menschen, der mich auf so schmachvolle Weise zu seinem Mitschuldigen machen wollte, überkam mich eine maßlose Wuth. Ich riß die Büchse herab, um ihn über den Haufen zu schießen. Aber mit einem ironischen Lächeln, welcher ich trotz der Halbmaske sehr wohl be merkte, und mit einer Ruhe, welche mich vollständig verwirrt machte, winkte er mir mit der Rechten ab wehrend zu und über seine Schulter nach rückwärts deutend, sagte er: „Lassen Sie derartige verdächtige Bewegungen gefälligst ein- für allemal bleiben, sie könnten einmal mißverstanden werden, und Sie würden dann den Schaden davon haben. Auch pflege ich solchen blutdürstigen Anwandlungen meiner Freunde gegenüber meine Vorkehrungen zu treffen." Welcher Art dieselben waren, sah ich zu meinem Schrecken, als mein Blick zu fällig der Richtung folgte, nach welcher der Unbekannte hingedeutet hatte. Au» der nahen Dickung waren mehrere Gewehrläufe drohend auf mich gerichtet. Daß bei dieser unfreundlichen Entdeckung mein Zorn schnell verrauchte, können Sie sich denken, gnädiger Herr, eben so, daß ich mich beeilte, meine Büchse wieder an ihre alte Stelle zu bringen. Inzwischen sagte der Unbekannte in einem Tone, als ob wir beide die besten Freunde wären: „Nun, mein lieber Förster, haben Sie sich meinen Vorschlag überlegt und wollen Sie auf meine Bedingungen eingehen?" Was blieb mir übrig? Ich entgegnete deshalb, ich sei bereit, mich in das Unver meidliche zu fügen und von zwei Uebeln das kleinere zu wählen; ich bäte ihn aber seine Forderungen nicht zu hoch zu schrauben, denn wenn ich durch dieselben ge zwungen würde, selbst den Wildstand zu ruiniren, dann würde ich lieber meine Stellung hier aufgeben, als dazu meine Hand bieten. „Ich kenne Ihren Wildstand ziemlich genau," er widerte mir der Unbekannte darauf. „Sie können, ohne denselben allzu stark mitzunehmen, ganz gut täglich zwei Rehe und wöchentlich ein Stück Rothwild liefern. Sollten Sie einmal mit der geforderten Zahl im Rück stand bleiben, so werde ich mich schadlos zu halten wissen, und wenn bei der Gelegenheit dann einige Stücke mehr daran glauben, dann werden Sie sich das selbst zuzuschreiben haben. Im übrigen lasse ich Sie von heute an genau beobachten. Erfahre ich, daß Sie gegen irgend jemanden unser Abkommen erwähnen, dann wehe Ihnen. Das Wild werde ich ab und zu des Nachts holen lassen. Wie ich erfahren habe, soll Ihr Keller ja vortrefflich sein und kann deshalb das Wild auch zur Jetztzeit darin mehrere Tage aufbewahrt bleiben. Nun gehen Sie ruhig Ihres Weges weiter und sorgen Sie dafür, daß Unregelmäßigkeiten in der Lieferung vermieden werden." (Fortsetzung folgt.) Telegraphische Nachrichten vom 29. Mai. (Hirsch's Telegr. Bureau.) Berlin. Dem „L. A." wird aus Paris depeschirt: Nach hier aus Tientsin eingegangenen Meldungen hält General Baillond, nachdem in Paotingfu und besonders bei Nanauging gemachten Erfahrungen die ihm zuge- theilten chinesischen Regulären für unfähig, ohne europäische Unterstützung dem Räuberunwesen beizukommen. Bail lond will probeweise an den Plätzen Huaillon und Tsintingsu eine chinesische Civil- und Militärverwaltung einsetzen. Berlin. Das „B. T." berichtet aus Hamburg: Der Dampfer „Kalitmore" ist unweit Kap Gable ge sunken. Von den 14 Mann der Besatzung ertranken 12. — Die Bark „Elise" kollidirte infolge Nebels an derselben Stelle (?) mit dem Dampfer „Ohio" und sank. 1 Matrose rettete sich, die übrigen13 ertranken. Fiume. Der italienische Dampfer „San Giusto", der eine Ladung nach Algerien hatte, ist an der dalma tinischen Küste gescheitert. Nähere Nachrichten fehlen noch. Madrid. Kriegsminister Weyler erklärte, daß er ohne besondere Ausgaben 3 neue Armeekorps organisiren könne, welche jeden Angriff von Seiten eines Feindes gegen die Halbinsel zurückzuschlagen im Stande sein würden. London. In diplomatischen Kreisen tritt mit Be stimmtheit das Gerücht auf, daß Montenegro beim Ein tritt des freudigen Ereignisses im italienischen Königshause zum Königreich proklamirt werden soll, unter Zustimmung Rußlands. London. Das Burean Laffan meldet aus Peking: 2500 deutsche Marinesoldaten haben Befehl, in Ab- lheilungen nach Kiautschou abzugehen. 1400 sollten gestern abgehen; 800 marschiren über Land. Die deutsche Kavallerie-Schwadron zu Kalgan kehrte am Sonnabend nach Peking zurück. 5000 deutsche Truppen werden innerhalb 2 Wochen auf 2 Transportschiffen nach Europa abgehen. London. „Daily Mail" meldet aus Cradock: Kruitzinger hatte bei Maralsberg ein Gefecht mit den Engländern. Die Buren warfen die Engländer zurück und machten 41 Gefangene. Im östlichen Theile von Transvaal sind die Buren dem von den Engländern organistrten Kesseltreiben entschlüpft. London. Aus Tarkastad wird gemeldet: Die Buren legen neuerdings eine große Thätigkeit in den Distrikten an den Tag, überfielen mehrere Pachthöfe und forderten die Besitzer auf, Lösegelder zu zahlen. Englischerseit» find umfassende Maßregeln getroffen, um diesen Zu ständen ein Ende zu machen.