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einer organischen Steuerreform zu verzichten und zu dem verhängnißvollen mechanischen Auskunftsmittel, der wirthschaftlich höchst ungerechten und darum allgemein unbeliebten Steuerzuschläge zu greifen. Das Dresdner Blatt fordert alle einsichtigen Patriotenkreise auf, recht zeitig vor einer solchen verfehlten Finanzpolitik zu warnen. Hierzu bemerkt die „Sächs. Nationallib. Corr.": „Wenn die „Dresdner Nachrichten" befürchten, daß Herr von Matzdorff auf die Durchführung einer organischen Steuerreform zu verzichten gewillt sei, so liegen für eine solche Annahme keinerlei Anhaltspunkte vor. Ganz im Gegentheil ist bekannt geworden, daß das Finanzministerium Steuervorlagen ausgearbeitet und maßgebenden conservativen und nationalliberalen Abgeordneten bekannt gegeben hat. Sollte sich hier ein Wandel vollzogen haben und sollte man, was wir nicht glauben, entschlossen sein, allgemeine Steuerzu schläge in Permanenz zu erklären, so wärf? das unge fähr das Schlimmste, was sich ereignen könnte." Der Verkehr auf den Sächsischen Staatseisen bahnen hat im Jahre 1900 wieder eine Zunahme zu verzeichnen. Ueber die Einzelergebnisse, denen die ent sprechenden Zahlen vom Jahre 1899 in Klammern bei- aesetzt sind,ist Folgendesmitzutheilen: Beiden Staats eisenbahnen sind 67 222 491 (62 065 762) Personen, 37 550 570 (34 987 630) Kilogramm Reisegepäck und 25 299 264 (13 949 003) Tonnen Güter befördert worden. Die Einnahmen betrugen aus dem Personen- und Güterverkehr 40 550 080 Mk. (39 386 785 Mk.), aus dem Güterverkehr 79 900 473 Mk. (76 890 556 Mk.). Die Gesammteinnahme bezifferte sich darnach auf 120 450 553 Mk. (116 277 314 Mk.) und ergab eine Zunahme des Bruttoerträgnisses um 4173 212 Mk. Berücksichtigt man aber, daß die Ausgaben im Jahre 1899 drei Viertheile der Einnahmen beanspruchten, so wird bei Annahme eines gleichen Verhältnisses ein Mehrüberschuß von nur etwas über 1 Mill. Mk. zu erwarten stehen. Nicht uninterassant ist der Vergleich mit den Ergebnissen aus dem Jahre 1890. Damals betrug die Gesammteinnahme 82 693174 Mk.; sie ist demnach in dem zehnjährigen Zeitraum um rund 37^ Mill. Mk. oder 45,6 Prozent gestiegen. Das Bahnnetz hat sich von 2594,65 Kilometer auf 3043,89 Kilometer, d. i. um 449,24 Kilometer oder 17,3 Prozent erweitert. —' Bei den Angestellten der königlich sächsischen Staatseisenbahuen sind Untersuchungen des Seh- und Gerhörvermögens angestellt worden, die das Resultat ergeben haben, daß eine große Anzahl der im Betriebs dienste stehenden Beamten nnd Hilsbeamten an ver mindertem Seh- und Gehörvermögen leiden. Diese Beamten sollen nach und nach in den Bureaus unter gebracht werden, da sie aus Gründen der Betriebssicherheit von ihren jetzigen Aemtern entfernt werden mußten. Man bringt diese Thatsache auch mit der Nichtannahme junger Leute für den Bureaudienst bei den Staatselsen bahnen in Zusammenhang, da in den Bureaus auf lange Zeil hinaus sämmtliche Stellen besetzt sind. Die Aerzte führen das verminderte Sehvermögen der jungen Leute auf das vielfache Tragen von sogenannten Klemmern oder Pincenez zurück. Ein Dresdner Arzt hat bei seinen Untersuchungen festgestellt, daß neun Zehntel der von ihm untersuchten Schüler höherer Lehranstalten, die jedoch einen Kneifer trugen, vollständig gesunde Augen besaßen, daß diese Augen aber sämmtlich an Sehschärfe eingebüßr hatten, weil durch Unverstand und Unwissenheit schwer an ihnen gesündigt worden war. Vielfach ist auch festgestellt worden, daß die Gläser überhaupt zu den in Frage kommenden Augen nichtpaßten; ebenso hatten die jungen Leute sich sehr oft in einem Bazar für fünfzig Pfennige einen Kneifer gekauft, unbekümmert darum, ob derselbe zum Auge paßte oder nicht. — Die über die Naturalleistungen für die bewaffnete Macht im Frieden nach dem Durchschnitte der höchsten Tagespreise des Hanptmarktortes Glauchau im Monat April d. I. festgesetzte und um fünf vom Hundert er höhte Vergütung für die von den Gemeinden resp. Quartierwirthen innerhalb der Amtshauptmannschaft Glauchau im Monat Mai d. I. an Militärpferde zur Verabreichung gelangende Marschfourage beträgt für 50 lex Hafer 8 Mk. 61 Pf., Heu 4 Mk. 41 Pf., Stroh 2 Mk. 63 Pf. Mülsen St. Jacob, 19. Mai. Seit dem Un- glückstage, wo am 16- d. M. beim Brande des Weif,'scheu Restaurants zwei junge Mädchen auf der Flucht vom Saale nach der Hausflur erdrückt wurden, ist unser Ort eine Wallfahrtsstätte ungezählter Mengen Fremder ge worden, die theils zu Fuß oder mit Rad, theils mit Geschirr oder zu Noß hierher kamen, um die Brand stätte zu besichtigen. Der heutige Sonntag, an welchem die feierliche Beerdigung der beiden BeklagenSwecthen stattfand, übertraf aber mit seiner günstigen Mai Witterung betreffs des Fremdenverkchrs die Vorlage derart, wir solcher wohl noch nie zu verzeichnen war. Nachmittags 2 Uhr, als eben die Sonne einen wunderbar fe'tenrn Hof um sich zeigte, setzte sich der an 500 Personen zählende Trauerzug in Bewegung. Den zwei Leichen wagen ging eine große Schaar junger Mädchen, Freun dinnen der Verblichenen, voraus. Eine besondere Ehre wurde den Leidtragenden und unserer ganzen Gemeinde dadurch zu theil, daß auch Herr Amtrhauptmann Ebweier- Glauchau der ganzen Trauerfeierlichkeit beiwohnte. — Von den aus ihrer verhängnißvollen Lage geretteten zehn Mädchen, die in verschiedenen Nachbarhäusern ul? besinnungslos niedergelegt und erfolgreiche Wiederbe- lebungsversuche vorgenommen werden mußten, haben sich bis auf Frl. Rupprecht alle ziemlich wieder erholt, und auch bei letzterer ist glücklicher Weise etwas Besserung eingetreten. Wie muthig manche Mädchen handelten, ist daraus zu ersehen, daß sie vom ersten Stockwerk au» sogar den Sprung in den vorüberfließenden Mühlgraben nicht scheuten. — Der Mobiliarschaden ist bedeutend größer al« erst angenommen wurde. — Die Ordnung für die im Jahre 1903 in Dresden stattfindende Städteausstellung ist soeben erschienen. Unternehmerin derselben in rechtlicher und finanzieller Beziehung ist die Stadt Dresden. Sie stellt den aus stellenden Städten den Ausstellungspalast unentgeltlich zur Verfügung. Von den Gemeinden sollen nicht bloß dem Laien äußerlich auffallende Einrichtungen, sondern auch der eigentlich innere Verwaltungsdienst anschaulich dargestellt werden. Auch deutsche Gewerbetreibende werden zur Ausstellung zugelassen. — Der „Dresdner Anz." theilt Folgendes mit: „Unter Bezugnahme auf die Mittheilung, nach welcher die Absicht, nach Chemnitz ein Regiment Artillerie zu verlegen und für das 104. Infanterie-Regiment daselbst eine neue Kaserne zu bauen, bereits greifbare Gestalt angenommen haben soll, erfahren wir, daß von einer solchen Planung an maßgebender Stelle nichts be kannt ist." Leipzig, 20. Mai. Vor dem Reichsgericht be gann heute unter Ausschluß der Oeffentlichkeit die Revisionsverhandlung in dem Prozeß Sternberg. Das Urtheil ist wahrscheinlich erst morgen zu erwarten. Chemnitz, 21. Mai. Ein größeres Eisenbahn unglück, bei dem glücklicher Weise Personen ernstlich nicht verletzt worden sind, ereignete sich gestern Nach mittag ^3 Uhr auf dem hiesigen Hauptbahnhof gegen über der Gasanstalt an der Wilhelmstraße. Als um jene Zeit der von Dresden kommende mit 2 Maschinen bespannte Güterzug Nr. 5076 diese Stelle passirte, ent gleisten in Folge Bruchs eines sogenannten Herzstückes die beiden Maschinen und die nachfolgenden 16 Güter wagen unter furchtbarem Getöse, das weithin ver nehmbar war. Der Zugsführerwagen hatte sich sofort quer über die Schienen gestellt und wurde gegen die zweite Maschine gedrückt. Zum Glück wurde dieser Wagen gerade an einer Slelle arg beschädigt, an der sich der Packmeister nicht befand, sodaß sich derselbe rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte. Eine nach dem Zugsführerwagen folgende Lowry mit Sandsteinen wurde umgeworfen; an ihr sanden die weiteren 14 Wagen kräftigen Widerstand, sodaß sie theils durch einander, theils übereinander geschoben wurden und in kurzer Zeit emen unentwirrbaren Trümmerhaufen bildeten, der mehrere Meter hoch in die Lust ragte. Es ist natürlich selbstverständlich, daß die Wagen bis zur Unbrauchbarkeit demolirt wurden. In einer gefährlichen Lage befand sich ein Bremser, der noch in seinem Wagenhäurchen festsaß und nicht herauskonnte. Das Häuschen wurde von der sofort herbeigeeilten Rettungs mannschaft in Angriff genommen und der Bremser, der durch den furchtbaren Stoß eine nicht unbedeutende Kopfwunde erlitten hatte, aus seiner üblen Situation befreit. Wie fest sich die Wagen in einander verfahren hatten, erhellt am besten daraus, daß bei dem Versuche, sie durch zwn Maschinen von einander zu lösen, arm starke Taue wie Bindfaden zerrissen. Bei den Auf- räumungSarbeiten haben sich nuch noch verschiedene kleinere Unfälle ereignet. Stollberg, 20. Mai. Als gestern Nachmittag der Personenzug, welcher von hier 6 Uhr 11 Min. in Scheibenberg eintrifft, sich der Haltestelle Hermannsdorf näherte, bemerkte man, daß von Bubenhänven ein größerer Stein auf die Schienen gewälzt worden war. Glücklicherweise wurde derselbe durch den Schienen räumer der Lokomotive bei Seile geschleudert und da durch größeres Unheil verhütet. Doch nicht genug der schändlichen Thal! Der Zug, welcher Abends 8 Uhr 45 Min. von Scheibenberg nach Zwönitz abgeht, sand denselben Stein genau an derselben Stelle wieder auf den Schienen; er wurde rechtzeitig gesehen, der Zug hielt diesmal an und nahm den Stein mit sich zur nächsten Station. Glauchau. Auf schreckliche Weise verunglückte am Sonnabend Abend gegen 8 Uhr der bei dem hiesigen Fuhrwerksbesiher Dörrin Diensten stehende Geschirrführer Johann Traugott Glaser. Mit seinem durch Hirse- säcke belasteten Wagen kam derselbedie Güterbahnhofstraße hereingefahren und hatte wahrscheinlich vergessen, die Deichselketten an die Brustketten der Pferde einzuhängen, denn der Wagen, der an der .abschüssigen Straße ins Rollen kam, fuhr den Pferden in die Beine und hielt erst an, als er in die Bahnböschung am Ende der Straße gefahren war. Unterwegs ist Glaser zu Falle gekommen und der schwer beladene Wagen ist ihm über beide Beine gegangen. Durch hilfsbereite Hände wurde der Verletzte ins Stadtkrankenhaus transportirt. Er hatte Brüche beider Beine, sowie innerliche Verletzungen erlitten, an deren Folgen er verstorben ist. Der Ver unglückte stand im 47. Lebensjahre und hinterläßt Frau und zwei noch unerzogene Kinder. Auch eins der Pferde ist bei dem Unglück zu Schaden gekommen. Zwickau. Das hiesiegc Bahuhofs-Verwaltungsge- bäude wird umgebaut. Der Bou ist auf etwa 200000 Mark veranschlagt. Vorläufig werden auf dem Bahn hofsvorplatz große interimistische Fahrkartenschalter er richtet. — Nachdem sämmtliche Zehntenbezüge der Stadt gemeinde Zwickau von den betheiligten Kohlenwerken eingegangen, stellt sich die bezügliche Einnahme pro 1900 auf 244,532 Mk., das sind fast 70,000 Mark mehr, als im diesjährigen Haushaltplan veranschlagt worden sind. Burgstädt, 20. Mai Der in der Nähe der Diethensdorfer Mühle gebaute Tunnel der Chemnitzthal- bahn ist zum Theil eingestürzt, doch sind Arbeiter glück licher Weise nicht zu Schaden gekommen. Der Schaden wird auf 10000 Mk. geschätzt. Plauen, 20. Mai. In der heutigen Sitzung der Gewerbekammer wurde, wie die chN. Vogtl. Ztg." meldet, beschlossen, den Sitz der Gewerbekammer in Plauen zu belassen. Außerdem wurde eine Trennung der Gewerbe kammer von der Handelskammer vom 1. Januar 1902 ab in Aussicht genommen. — Eine interessante Wette wurde in den letzten Tagen in Falken st ein zum Austrag gebracht. Zwei Kaufleute wetteten um 100 Mark, daß eine 2 200 m lange Strecke zurückgelegt werden soll, der eine mit den, Rade, der andere zn Pferde. Auf der Falkenstein- Plauen'schen Straße zwischen Falkenstein und Siebenhitz kam am Montag die Wette zum Austrag. Trotzdem der Reiter, Herr Kaufmann Felix Böhring, dem Rad fahrer noch 100 Meter vorgab, ging der Reiter den noch als Sieger hervor. Derselbe brauchte kaum zwei Minuten, der Radfahrer ging einige Sekunden später durchs Ziel. Vermischtes. * Berlin, 20. Mai. In grauenvoller Weise er mordet und beraubt aufgefunden wurde heute früh in der Nähe von Bernau ein Mann, dessen Persönlichkeit noch nicht festgestellt werden konnte. Bewohner von Bernau fanden eine Viertelstunde von der Stadt ent fernt an der Zepernick-Ladeburger Landstraße die Leiche eines etwa 40Jahre alten Mannes, dem der Kops von dem nackt daliegenden Rumpfe vollständig abgeschnitten war. Der Kopf, der ebenso wie das Gesicht in grauen erregender Weise zerstochen und bis zur Unkenntlichkeit entstellt war, wurde circa 40 Meter von dem Rumpfe entfernt im nahen Kornfeld gefunden. Die Kleider waren dem Ermordeten geraubt worden. * Achtzig Meter hoch herabgesprungen. Ein etwa fünfundzwanzigjähriger Mann, der sich zuvor mit einem Taschentuche die Augen verbunden hatte, sprang von dem etwa achtzig Meter hohen Wasserthurm der Ham burger Stadtwasferkunst, im Vorort Rothenburgsort be legen, in die Tiefe hinab, wo er zerschmettert liegen blieb. Die Persönlichkeit des Selbstmörders konnte noch nicht festgestellt werden. * Ein seltsamer Spielen mit dem Tode, eine Art Manie, in „demonstrativer" Weise Selbstmordversuche anzustellen, bat einem älteren, sonst ganz verständigen Manne in Groß-Lichterfelde bei Berlin gegen seine Ab sicht das Leben gekostet. Der 42 Jahre alte Handels mann August Zillmann, Vater von 7 Kindern, fleißig und tüchtig in seinen Geschäften, pflegte seiner Fran, die etwas kühlerer Gemüthsart als er selbst ist, öfter den Vorwurf zu machen, daß sie nicht zärtlich genug zu ihm sei, und drohte dann, sich zu erhängen. Der Drohung ließ er dann zum Scheine chie That folgen, wohl wiff-nd, daß seine Frau, mit der er im Uebrigen in durchaus glücklicher Ehe lebte, ihn schon zur rechten Zeit aus dec Schlinge ziehen würde. Das geschah auch in vier derartigen Fällen; die Frau eilte ihm nach, schnitt den Strick durch, und mit einem Kusse wurde jeweilig das Einvernehmen wieder hergestellt. Dieser Tage hatte Z. nach einer Scene aus gleicher Ursache wieder einmal ausgerufen, daß er sich nun „ganz ge wiß" aufhängen werde. Frau Z. aber nahm die Sache nicht mehr ernst und ließ ihren erzürnten Ehemann außer Acht. Wenigs Minuten später fand der fünf jährige Sohn den Vater aus dem Boden erhängt vor. Der Körper war noch warm, doch blieben alle Wieder belebungsversuche erfolglos. Es unterliegt keinem Zweifel, daß Z. auch diesmal lediglich eine „Demon stration" mit dem Strick zur Einschüchterung seiner Frau hat vornehmen wollen. * Der gesundheitliche Werth des Lachens findet ge wöhnlich keine genügende Beachtung, obgleich die Be hauptung, daß Kummer das Leben abkürze und Zu friedenheit es verlängere, fast wie ein Gemeinplatz an- muthet. Eine Statistik über die Beziehung zwischen der Lebensdauer und dem Frohsinn giebt es allerdings nicht, aus ganz begreiflichen Gründen, weil man doch schließ lich nicht Alles statistisch ermitteln kann, wenn man auch schon die wunderlichsten Dinge auf diesem Wege zu er klären versucht hat. Wenn man aber die ganze Litteratur des ganzen Menschengeschlechts daraufhin durchsehen könnte, so würde man überall finden, daß der Lebens freude und geradezu der geräuschvollen Heiterkeit ein ge sundheitlicher Werth zuerkannt wird. Wer meistens miß- muthig in's Leben sieht, hat an dessen Verlängerung nicht viel Interesse, während der Frohsinnige so lebt, als ob eS überhaupt kein Ende nehmen könnte. Eigent lich kann man garnicht umhin, an die stärkende Kraft des Lachens zu glauben, aber man hört eS oft sagen, daß ein Mensch, der nicht von Natur heiter veranlagt