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27. Jahrgang. Freitag, den 26. October 1900. Redaction und Expedition: Bahnstrakte 3 (nahe dein K. Amtsgericht). Telegramm-Adresse: Anzeiger Hohenstein-Ernstthal. Dieses Blatt erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich Nachmittags. — Zu beziehen durch die Expedition unv deren Austräger, sowie alle Postanstaltcn. Der Bezugspreis beträgt vierteljährlich 1 Mk. 25 Pfg. incl. der illustrirten Sonntagsbeilage. sm Hchssim-EuisWl, NttlitWitz, HMtts, Lugau, Wüsteubrand, Ursprung, Mittelbach, Hermsdorf, Bemsdorf, Langenberg, Falken, Meinsdorf u. Jnsertronsgebuhren: dte funfgespaliene Oorpr 12 Pfg-, Raum für den Verbreitungsbezirk 10 Pfg-, . Rabatt. Reclame 25 Pfg. Bei mehrmaliger S fg gzorm. «»nähme der Inserate für die 10 Uhr. Größere Anzeigen Abeicks vorper Nr. 249 General-Feldmarschall Graf v. Moltke. Ein Gedenkblatt zu seinem 100jährigen Geburtstage am 26. Oktober. (Nachdruck verboten.) Die Einer des Reiches sind alle dahingegangen, von wo es keine Wiederkehr giebt. Kaiser Wilhelm I. und sein edler Sohn, Kaiser Friedrich, Fürst Bismarck und der große Schweiger, Feldmarschall Moltke, der einstige Chef des Großen Generalstabes, sie alle sanken ins Grab, aber auf unverwelklichen Ruhmesblättern stehen ihre Namen im Buche der Weltgeschichte ver zeichnet. Sie leben im deutschen Volke fort, als die Schöpfer des Deutschen Reiches, als Giganten einer großen Zeit. Unter denjenigen aber, die wir vorhin als Viergestirn genannt, ist Moltke, der stille, einfache Mann, der Schlachtendenker, wohl derjenige gewesen, der bei allen Parteien beliebt war und seiner Unpar teilichkeit wegen das höchste Ansehen genoß. Er zählte sich bekanntlich selber zur freiconservativen Partei und übte auch bei dieser sein Mandat als Volksvertreter aus, aber er war frei von Parteileidenschaft und Fanatismus, so daß er auch bei denen Anerkennung ffand, die seine Gesinnung nicht theilten und somit von ihm nicht be hauptet werden kann, daß von der Parteien Haß und Gunst getragen sein Charakterbild in der Geschichte schwankt. Im Gegentheil, das Characterbild unseres Helmuth von Moltke ist klar vorgezeichnet, wir können es wieder geben bis in die kleinsten Details, denn es spiegelt sich wieder durch die Worte, welche die Devise seines Wappens sind: Lanüilko ot ouutk. — Aufrichtig und vorsichtig! Aus uralter Zeit stammen diese Worte, denn auf der dänischen Insel Moen, wo vor Zeiten das adelige Ge schlecht von Moltke ansässig war, sieht man zahlreiche Grabsteine in den Kirchen, welche das Moltke'sche Fa milienwappen mit 3 Birkhühnern und 7 Pfauenfedern als Helmschmuck, sowie mit dem vorerwähnten Devisen band tragen. Dänischen Ursprungs ist Moltkes Familie, aber ihr vornehmlichster Träger, unser Feldmarschall, ist ein echter deutscher Mann gewesen, vom Scheitel bis zur Sohle, ein Nordmann, der hart und fest wie ein alter Wickinger, aus dem Mecklenburger Lande, woselbst seine Familie weit verbreitet ist, hervorging. Am 26. Oktober 1800 wurde Moltke zu Parchim geboren. Sein Großvater besaß zwei Söhne, Helmuth und Fritz, von denen der letztere als Hauptmann die einzige Tochter des preußischen Geheimen Finanzraths Paschen heirathete. Sie wurde die Mutter unseres Nationalhelden, der nach seinem Onkel den Vornamen Helmuth erhielt. Sein Vater ließ sich später pensioniren und kaufte sich das Rittergut Gnewitz bei Tessin, wo der nachmalige Feld- marscholl seine früheste Jugend verlebte. Aber schon 1803 kam Helmuth von Moltke mit den Eltern nach Lübeck, wo er bis 1807 verblieb und dort die Schrecken der Franzosenzeit miterlebte. Daß er einst dazn berufen sein würde, den Franzosen ein so gefährlicher Gegner zu werden, konnte damals natürlich noch niemand ahnen. Der Vater Moltkes kaufte sich alsdann das Gut Au- qustenhof bei Kiel, gab es aber bald wieder auf und brachte nun seine beiden Söhne Fritz und Hellmuth zu dem Pastor Knickbcin in Hohenfelde bei Itzehoe in Pension. Hier blieben dieselben bis 1811, um alsdann, nachdem der Vater in dänische Kriegsdienste getreten war, nach Kopenhagen zu dem alten General a. D. Lorenz zur Erziehung zu kommen. Nach etwa Jahres frist traten dann beide Brüder in die königliche Kadetten- Akademie ein und hier bestand dann Hellmuth im Jahre 1818 das OsficierSexamen, diente darauf am dänischen Hofe als Page und wurde erst am 22. Januar 1819 in daS damals in Rendsburg garnisonirende Olden burgische Infanterie-Regiment al- Officier eingereiht. Als Bundesgenosse Napoleons I. hatte damals Däne mark im europäischen Mächteconcert eine traurige Rolle gespielt und als nun die Macht des Corsen gebrochen war, stand es klein und isolirt, zudem auch pekuniär ruiniert da, so daß in seiner Armee für Officiere nur wenig Chancen waren. Helmuth von Moltke sah dies ein, erinnerte sich auch daran, daß er deutscher Geburt war und quittirte am 5. Januar 1822 den dänischen Dienst, in welchem sein Vater und Bruder noch immer verblieben. In Berlin mußte er aufs neue eine Offi- ciersprüfung ablegen, die er glänzend bestand und daun am 12. März 1822 als jüngster Leutnant in das in Frankfurt a. O. stehende 8. (Lelb-)Jnfanterie-Regiment eintrat. Von diesem Augenblick ab blieb Moltke ein Deutscher und erklomm nach und nach die Staffeln seines Heldenthums. Von 1823 bis 1826 war er nach Berlin zur Kriegs akademie, die damals noch allgemein Kriegsschule hieß, abcommandirt und studirte dort mit Eifer die Strategie, die ihm später zu seinen größten Erfolgen verhalf. Man erkannte in ihm bald in dieser Beziehung sein bedeuten des Talent und so wurde er denn 1827 als Lehrer der Kriegswissenschaften an die Divisionsschule zu Frank- furt a. O. berufen, um 1828 bis 1831 in der topo graphischen Abtheilung des Großen Generalstabes ver- wendet zu werden. Bei den Vermessungen Schlesiens und Polens war er hervorragend betheiligt, wurde in- folge seiner hervorragenden Leistung 1832 nach Berlin berufen und am 30. October 1833 zum Premierleutnant befördert. Der ruhelose Geist Helmuths von Moltkes wollte aber weiter und so kam denn für Moltke eine neue Lebensperiode herbei, die Reisejahre zum Zwecke neuer Studien.- Zunächst machte er nach Oberitalien, dann aber zog's ihn, der inzwischen zum Hauptmann befördert war, nach der Türkei. Die Wirren auf der Balkanhalbinsel standen 1835 gerade auf der Höhe und Moltke geriech in dieselbe unwillkürlich hinein, indem er unter Sultan Mahmud II. an den Kämpfen theilnahm, die derselbe in Aegypten und im Balkan führte. Vier Jahre dauerten die Kämpfe, an denen Moltke hervor ragend mit betheiligt war. Wir verdanken ihm darüber ein hochbedentsames Buch, das 1841 im Druck er schienen ist und Molkte, ebenso wie seine andern Werke, in der Litteratur einen bleibenden Platz erobert hat. Im September 1839 kehrte derselbe, an vielen Erfahr ungen in der Kriegswissenschaft reicher, nach Berlin zurück. Er sollte später Gelegenheit finden, seine im Kriege praktisch erworbenen Kenntnisse noch oftmals zu bethätigen. Nach seiner Rückkehr erhielt Moltke den Orden pour Io märito und wurde 1840 zum Generalstab des 4. Armeecorps nach Magdburg versetzt, lebte dann 1841 im Sommer zur Erholung auf Helgoland und heirathete als Major am 20. April 1842 seine Nichte, die 1825 in Kiel geborene Marie von Burt, mit der er bis zum Weihnachtsabend 1868, wo sie ihm durch den Tod entrissen wurde, in glücklicher, wenn auch kinderloser Ehe lebte. Als Adjutant des Prinzen Heinrich von Preußen siedelte Moltke dann im Jahre 1845 nach Rom über, wo er beim Regierungsantritt des neuen Papstes, Pius IX. zugegen war. Nach dem am 12. Juli 1846 erfolgten Tod des Prinzen Heinrich reiste Moltke nach Spanien und Paris, erhielt am 24. De- zember 1846 ein Commando beim Generalstab deS VIII. Armeecorps, so daß er nach Koblenz übersiedeln mußte, wo er bis Mai 1848 verblieb, dann 2 Monate als AbtheilungSvorsteher im Großen Generalstab zu Berlin thätig war, um am 22. August 1848 nach Magdeburg als Chef deS Generalstabes des IV. Armee- corps versetzt zu werden. In dieser Eigenschaft verblieb Moltke 7 Jahre, wurde am 26. September 1850 Oberst- Tagesgeschichte. Deutsches Reich. — Der der Kaiserin sehr nahestehende Oberhof marschall und Cabinetschef Graf von Mirbach hielt ge legentlich der Einweihung des neuen Gemeindesaales der Friedensgemeinde in Berlin am Vorabend des Ge burtstages der Kaiserin eine Rede, die die politische und religiöse Stimmung in der Umgebung der Kaiserin Victoria Augusta wiederspiegeln dürfte. ' Graf Mirbach äußerte nach dem „Reichsboten": Er müsse den ihm gewordenen Dank als zu überreich ablehnen, nur durch die Macht der Unterstützung Ihrer Majestäten, besonder» der Kaiserin, sei es ihm möglich geworven, das Erreichte zu leisten. Er habe auch viele treue Helfer gefunden und das schönste an der heutigen Feier sei ihm aewesen' daß sich alle Stände, alle Lebensalter vom Höck sten Greisenalter bis zur blühenden Jugend um ein Merk zu Christi Ehre geschaart haben. Es sei drinAnd nöthig, daß man lerne, Gott fürchten, die Brüder lieb haben und den König ehren. Namentlich für die Arbeiterwelt sei die« besonder« nöthig. Die dämnnikck,-» und guten Gewalten im Volksleben spitzes - 1 occi tOb-rst. Am 1» leutnant und am 2 Dezember 1851 grenzen September 1855 wurde er zum Adjuta» Kaisers Friedrich Wilhelm von Preußen, h Friedrich, ernannt und erhielt am 9. August 18.^ Charakter als General-Major. Als - r n er den Prinzen zur Krönung des Zaren ^...dienreise nach Moskau und machte zugleich eine . dm» Rußland. Auch ,m» L°»d°" Prinzen mehrmals begleitet und war 18.a8 o " seiner Vermählung m.t Prinvssiu V.ctor.a v ' Eng land und bei der Beisetzung des Prinzen A ... Sachsen-Coburg-Gotha, des Gemahls der englisch Königin. Bei der Rückreise von dort stattete dem Kaiser Napoleon HI. in Paris einen Bo ' Als Prinz Friedrich Wilhelm im Oktober 185 ( Oom mandeur der 1. Garde-Jnfanterie-Brigadc wurde, scyiev Moltke aus seiner Adjutantenstellung und wurde am 29. Oktober 1857 als Chef des Generalstabes com- mandirt, zu welcher Stellung er am l8. Seplemver 1858 definitiv ernannt wurde. Am 31. Mal 180 erfolgte seine Besörderung zum Generalleutnant. Was Helmuth von Mvlike als Chef des Großen Generalstabes geleistet hat, gehört der Weltgeschichte an. Der schleswig-holsteinische Krieg im Jahre 1864 stellte an ihn bedeutsame Anforderungen, die Kriege von 1866 und am meisten 1870/71 absorbirten die ganze Spann kraft seines Geistes, um als Schlachtendenker und Lenker alles zum guten Gelingen zu bringen. Wir brauchen Moltkes Thaten nicht weiter hier oufzuzählen, sie leben im Gedächtniß aller Deutschen ohnehin fort. Als aber das Deutsche Reich sicher gefügt war, da be- theiligte sich der inzwischen zum General-Feldmarschall ernannte Held lebhaft an der Friedensarbeit im Reichs tage, dem er als 'Vertreter des Wahlkreises Memel- Hydekrug schon seit 1867 angehörte. Er sprach nicht viel, aber sobald er sprach, waren es Reden, die sich durch große Klarheit auszeichneten. Im ganzen hat Moltke nur 28 Mal im Reichstag gesprochen. Am 28. März 1879 beging er still und einfach sein 60- jähriges, 1889 sein 70-jähriges Militärjubiläum. Still und einfach war sein ganzes Leben als Privatmann und sanft ist er dann auch am 24. April 189l zu Berlin hinübergeschlummert in die ewige Nacht. Moltke todt! Dieser Schmerzensruf verbreitete sich alsbald durch ganz Deutschland, war doch mit ihm ein Held dahingegangen, wie selten einer, dessen Leben und Wirken kommenden Geschlechtern zur Nacheiferung dienen wird für alle Zeiten.