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27. Jahrgang- Nr. 244 Sonnabend, den 20. October 1900 winnen. Es konnte kein Zweifel herrschen, daß er seinen Posten in ausgezeichneter Weise ausgefüllt habe, aber durfte man daraus mit Sicherheit schließen, daß er auch auf das neue Amt die geeignete Persönlichkeit sei? Eine Gewähr war nicht gegeben, denn Freiherr von Bülow hatte ja bis dahin nur diplomatisch ge wirkt, und die Thätigkeit des Diplomaten entzieht sich, da sie in der Hauptsache geheim ist, der Beurtheilung im Einzelnen. Wenn aber bezüglich der Befähigung des Herrn v. Bülow bei seiner Berufung noch Zweifel existiren konnten, so sind diese durch seine Amtsführung längst widerlegt. Daß nicht immer alle mit der von ihm verfolgten Politik einverstanden waren, ist selbstverständ lich, es müßte keine Parteien geben, wenn es anders wäre, aber daß er in der Verfolgung dieser Politik große Gewandtheit nach außen und nach innen be wiesen hat, wird kaum jemand leugnen. Vor allem erwies er sich als ein glänzender Parlamentsredner, der seine Darstelluug gern durch geistreiche Bilder belebte, der aber auch ohne diese Verschönerung der Form durch seine sachlichen Darlegungen zu wirken vermag. Der Kaiser verlieh ihm im vorigen Jahre nach dem Abschluß des Samoaabkommens den Grafentitel, und wie hoch er die Dienste des bisherigen Staatssekretärs schätzt, hat er ja eben durch, seine Ernennung zum Reichskanzler bewiesen. Graf Bülow, der gleichzeitig auch zum Ministerpräsidenten und Minister des Auswärtigen in Preußen ernannt wurde, hat nun die höchste Stellung erreicht, die ein Deutscher überhaupt erreichen kann. Redaction und Expedition: Bahnstraße 3 (nahe dem K. Amtsgericht). Telegramm-Adresse: Anzeiger Hohenstein-Ernstthal. Tageügeschichte. Deutsches Reick Berlin, 18. Okt. An der hiesigen Börse lief heute das Gerücht um, daß für den Fall einer Krisis zum preußischen Finanzminister der Director der Deutschen Bank Reichstagsabgeordneter Dr. v. Siemens für eine eventuelle Nachfolge in Aussicht genommen wäre. — Auch der „Dlsch. Tgsztg." wird berichtet, daß Mmister v. Miguel nicht mehr gesonnen sei, unter einem wesent lich jüngeren Ministerpräsidenten weiter seines Amtes zu walten. Das Blatt glaubt indes kaum, daß Minister v. Miqnel sich durch derartige Erwägungen bestimmen laßen werde, sein ihm liebgewordenes Amt abzugeben. — Der „Reichsanzeiger" macht in einer Sonder ausgabe die Ernennung des Grafen Bülow zum Reichs kanzler folgendermaßen bekannt: Seine Majestät der Kaiser und König haben allergnädigst geruht, dem Reichskanzler und Präsidenten des Staatsministeriums, sowie Minister der Auswärtigen Angelegenheiten, Fürsten Hohenlohe-Schillingsfürst, Prinzen von Ratibor und Corvey, die nachgesuchte Entlassung aus seinen Aemtern unter Verleihung des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler mit Brillanten zu ertheilen und den Staatsminister und Staalssecretär des Auswärtigen Amtes, Grasen von Bülow, zum Reichskanzler, Präsident des Staats ministeriums und Minister der Auswärtigen Angelegen- heiten zu ernennen. — Der Berliner Geldbriefträger Hugo Schwarz, der im September vorigen Jahres nach Unterschlagung von 13 700 Mark flüchtig geworden war, ist in London Gnmdstücksverpachtung. Dre Stadtgemeinde hat aus die Dauer von >0 Jahren zu verpachten: 1-, Dre vormals Franke'schen Grundstücke, zwischen der Bad- und Hütten grundstraße gelegen, 1 Stück an der Lerchenstraße gelegen, 2 ., die Parzellen 6 und 7 vom Schinderholzgrundstück an der Badstrabe gelegen, 3 ., die Parzellen 27 und 28 vom Zechenfeld, in der Räbe des BergmannS- grußes gelegen. Reichskanzler Graf von Bülow. Als Graf Bülow, damals noch Freiherr v. Bülow rm ^uhre 1894 an Stelle des Freiherrn von Marschall zum Staatssekretär des Auswärtigen Amtes ernannt in ihm sofort viele den präsumtiven Rachfolger des Kirsten Hohenlohe auf dem Posten des Reichskanzlers. Bei feinem Abschiede von der römischen Hauptstadt soll er seinen Freunden gesagt haben: „Ich möchte in Rom sterben." Inzwischen hat er sich, wie die Thatsachen lehren, damit ausgesöhnt, in Berlin zu leben. Bernhard von Bülow ivurde am 3. Mai 1849 zu Klem-Flottbach in Holstein geboren. Er studirte in Lausanne, Leipzig und Berlin Rechts- und Staats wissenschasten und machte den deutsch-französischen Krieg als Offizier mit. Nach dem Friedensschlüsse wandte er sich wieder dem Studium zu und legte im Jahre 1872 die erste juristische Prüsnng ab, worauf er zunächst beim Landgericht nnd dann beim Bezirks präsidium in Metz beschäftigt wurde. Da er sich nicht auf seine Fachwissenschaft beschränkte, sondern mit Hellem Geiste sich eine umfassende allgemeine Bildung ange eignet hatte und ihn gesellige Talente in hervorragendem Maße auszeichneten, mußten ihm in der diplomatischen Laufbahn die besten Aussichten winken. Nachdem er von 1874 ab im Auswärtigen Amte gearbeitet hatte, trat er 1870 als Attache an der deut chen Botschaft in Rom unter Herrn von Keudell in den eigentlichen diplomatischen Dienst ein. Auf dem Berliner Congreß 1878, auf dem sein Vater, der damalige Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, neben Bismarck und dem Fürsten Hohenlohe als Vertreter des Deutschen Reiches fungirte, war er dem Sekretariat beigegeben. Zwei Jahre darauf kam er als zweiter Botschaftssekretär nach Paris — man sieht, er hat des öfteren mit resp. unter dem Fürsten Hohenlohe gearbeitet — wurde 1883 ebendort erster Botschaftssekretär und im folgenden Jahre in gleicher Eigenschaft nach Petersburg versetzt. Einen selbstständigen Posten versah er zunächst während des russisch-türkischen Krieges als Geschäftsträger in Athen. Petersburg, wo er namentlich bei den Verhand lungen über die bulgarische Frage mehr iu den Vorder grund getreten war, war eine Vorschule für die Thätig keit im Balkan. 1888 wurde er Gesandter in Bukarest, wo er Gelegenheit hatte, für die Annäherung Rumäniens an Deutschland und für den Abschluß des deutsch rumänischen Handelsvertrages zu wirken, die beide während seiner Amtsführung zustande kamen. Im Dezember 1893 wurde der Bukarester Gesandte als Nachfolger des Grafen Solms-Sonnenwalde zum Botschafter ernannt, im Januar trat er den Posten an, auf dem er 3'/, Jahr eine ersprießliche Thätigkeit entwickelte. Als ihn dann der Kaiser nach Berlin zur Leitung des Auswärtigen Amtes berief, konnte man in der ganzen deutschen Presse begeisterte Lobeshymnen über ihn lesen. Die Deutschen in Italien und tue Italiener selbst haben damals, als er zuerst uur provi sorisch die Geschäfte übernahm, ehrlich gewünscht und gehofft, daß er nach Rom zurückkeyren werde. Ein Liebenswürdiger und gastfreier, lebhaft anregender und geistreicher Mann, hatte er es vers ande,,, alle, die öfter mit ihm in Berührung kamen, für sich zu ge- . vor wenigen Tagen wat die verhaftet worden. Erst vor g Fuchtigen v°m Belohnung für dle Ergr isung in tue sich Reichspostawt auf 750 Mk. eryoy jetzt die beiden ^'scheu hatte sich Haftung vornahmen, ^llen we^ beigelegt, in London den Namen Franz I m^Rmittaa in M. Vnh°st»»g « ?°"" "° A? Dalston, einem Vororte Londons, durch den Sergeanten Wegner. Am Montag wurde Schwarz dem Polizeirichter vorgeführt, gab dort und bekannte die Unterschlagung, bei der hm aber e gewisser Hugo Bender geholfen habe. Hiervon ist oeu Berliner Behörden nichts bekannt. Nach Angabe d s Schwarz hat Bender ihn nach London begleitet u, dort als seinen Antheil an der Beute 4000 M. erhalten. Ein deutscher Barbier, dessen Bekanntschaft er in London gemacht, habe sein Geheimniß erfahren und ihm mit Anzeige gedroht, weshalb er ihm 5000 M. Schweigegeld gegeben habe. Den Rest des Geldes habe er verbraucht. Schwarz wurde nach Beendigung des Verhörs bis zum Eintreffen der Auslieferungspapiere aus Deutschland ins Gefängniß gebracht. — Das lenkbare Luftschiff des Grafen Zeppelin hat bei seinem Aufstieg am Mittwoch guten Erfolg gehabt. Nachdem das Luftschiff gegen Stunde lang in einer Höhe von etwa 600 Metern balancirt und in der Nähe von Seemoos verschiedene Drehungen und Wendungen ansgeführt hatte, ist das Fahrzeug nach mehrfachen anderen gelungenen Manövern etwa um 6 Uhr einen Kilometer von Manzell entfernt glücklich auf dem See gelandet. Die Aufstiegsversuche mit dem Luftschiff des Grafen Zeppelin werden bei günstiger Witterung in den nächstfolgenden Tagen fortgesetzt, da angenommen wird, daß der Gasvorrath für 10 Tage ansreicht. — Die tapferen Buren behaupten sich noch immer, in kleinen Haufen zwar, aber sie behaupten sich, und Dewet scheint Mann genug zu sein, den Wider- stand noch lange fortzusetzen. Ein Holländer, der den Krieg in Südafrika mitgemacht bat, sagte in Aden dem Eorrespondenten einer russischen Zeitung: die Buren seien für den Kleinkrieg ungeeignet, weil sie zu gut- mütbig und zu weich seien. Auf einen fliehenden Feind schießen sie nicht, ihre Gefangenen geben sie frei, das Eigenthum der Engländer schonten sie, ängstlich bemüht, Felde die Gebote christlicher Barmherzigkeit zu erfüllen. Einen rücksichtslosen und schonungslosen Feinde gegenüber ist das schlechte Kriegführung. Sie hat die Lewen der Buren vergrößert, mcht gemindert, und des halb begrüßen wir den Entschluß Dewets, Ernst zu machen mit dem Kriege, als einen weisen und noth- wenvlgen. Jetzt, da England einen Theil seiner Truppen bi! mm" "Ä - Kanadier, und die Wahlen haben die Abberufung erzwungen —, ist es nicht undenkbar daß unter entschlossener Führung noch ganz überraschende und neue Wendungen eintreten. Die Briten wamw in inderThat nicht in die Nordhälfte "L Sie haben offenbar die Absicht aufgeaeben n ü rd?N ' der Eisenbahn Komatipoort Pretoria „"d L Z. 7 Pretona-Rustenburg^ vorzudrüwe,^ Es rst schon gemeldet worden, daß Lvttleton ^ Abberufung der Commandeur der früheren 9N °°n Lyd-Nburg nach Midder/ Raum für den Verbrerrurluss,^... - Reclame 25 Pfg. Bei mehrmaliger — Annahme -er Inserate für die folgende Nummer bis Borm. 1V Uhr. Größere Anzeigen Abends vorher erbeten. Dieses Blatt erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich Nachmittags. — Zu beziehen durch die Expedition nnd deren Austräger, sowie alle Postanstalten. Der Bezugspreis beträgt vierteljährlich 1 Mt. 25 Psg. incl. der illustrirten Sonntagsbeilage. sm Hohensiein-EnlW Nttlungmtz. GerMs Luga», Wüstenbrand, Ursprung, Mittelbach, Hermsdorf, Bernsdorf, Die näheren Pachtbedingungsn sind an Rathsstelle, Zimmer Nr. 1, zu erfahren. Pachtangebote sind baldigst und spätestens bis Montag, e« 22. dss. Mts. ebendaselbst anzubringen. Hohenstein-Ernstthal, den 18. October 1900. Der Stadtrat h. vr. Polster.