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Kirchenregiment gegenüber damit einverstanden erklären, daß der erste Bußtag und der Hohneujahrstag als be sondere Feiertage in Zukunft wegfallen. — Die Hoffnungen, die die Landwirthe im Vogt land auf die Errichtung und die geschäftlichen Erfolge der Molkereigenossenschaft Plauen (e. G. m. b. H.) ge setzt hatten, wollen sich nicht erfüllen. Die Genossen schaft, der eine größere Anzahl Rittergutsbesitzer und Gutsbesitzer angehören, arbeitet mit Unterbilanz. Die Jahresrechnung auf das verflossene Geschäftsjahr weist einen Verlust von 16 000 Mk. auf. In Folge dieser ungünstigen geschäftlichen Erfolge hat der Aufsichtsrath die Auflösung und Liquidation der Genoffenschaft be antragt. Dresden, 30. April. Der Landessynode: ist heute folgender weittragender Antrag zugegangen: Die hohe Synode wollen erklären: Gegenüber dem soge nannten Toleranzantrag des Centrums und den wachsen den Ansprüchen römisch-katholischer Kreise in Sachsen, spricht die Landessynode die vertrauensvolle und zu versichtliche Erwartung aus, daß die Königliche Staats regierung allen Versuchen, die aus der Reformation erwachsene Kirchenhoheit der Einzelstaaten durch die Reichsgesetzgebung zu schmälern, oder zu beseitigen, mit allem Nachdruck entgegenlreten nnd im einmüthigen Zusammenwirken mit den Ständen des Landes die be stehende, gerechte und durch nunmehr 25 Jahre be währte Ordnung des Verhältnisses von Staat und Confessionen in Sachsen nach ihrem wollen Umfange aufrecht erhalten werde. Zwickau. ZweiHandwerksburschen haben zwischen hier und Werdau einen jungen Wanderer überfallen, um ihm das Portomonnaie zu rauben. Spaziergänger vereitelten den Plan. Einer der Thäter ist bereits fest genommen worden. Schedewitz. Der König!. Sächs. Militärverein hier mußte seiner Zeit aus Sachsens Militärvereins bund austreten, weil er sich weigerte, Vereinsmitglieder, die dem sozialdemokratisch geleiteten Konsumverein an gehörten, auszuschließen. Die Vereinsfahne wurde von der Zwickauer Amtshauptmanschaft in Gewahrsam ge nommen. Nachdem der Verein jene Bedingvugen er füllt hat, ist er wieder in den Bund ausgenommen und in den Besitz seiner Fahne gesetzt worden. — Die städtische Sparkasse in Crimmitschau hat im vergangenen Jahre einen Reingewinn von 50,179.88 Mk. erbracht, davon sollen 45,000 Mk. der Stadtkasse zur Mitverwendung zu Schulzwecken über wiesen werden und der Restbetrag von 5 179,88 Mk. wird dem neubegründeten Specialreservefond für Cours verluste zugeführt. Einsiedel, 1. Mai. Gestern Abend kurz nach 10 Uhr entstand in dem Seitengebäude des Kempe'schen Gutes (Fabrikstraße) auf noch unbekannte Weise Feuer, welches mit so großer Geschwindigkeit um sich griff, daß den Bewohnern nichts als das nackte Leben blieb und vier Personen sogar den Flammen zum Opfer fielen. Es sind die Verunglückten 2 in den fünfziger Jahren stehende Brüder Barthel, die schon seit langer Zeit als Straßenarbeiter im Dienste hiesiger Gemeinde stehen, 1 fünfjähriges Kind der Carl Bochmann'schen und 1 einjähriges Kind der Haase'schen Familie, welches zur Zeit noch mit der Mutter bei den Großeltern, den er wähnten Bochmann's war, um in den nächsten Tagen zum Vater nach Niederwiesa zu ziehen. Die Leichen derselben konnten nur stark verkohlt aus den Trümmern hervorgezogen werden. Frau Bochmann hat noch bei ihren Versuchen, die Kinder zu reiten, schwere Brand wunden an Kopf und Händen davongetragen. Nur der angestrengten Thätigkeit der hiesigen und Nachbar-Feuer wehren ist es zu danken, daß die übrigen 3 Gebäude, welche noch zu dem Bauernhöfe gehören, nicht von den Flammen ergriffen worden. Das Vieh, welches sich im unteren Theile des verbrannten Gebäudes befand, konnte rechtzeitig gerettet und in den Nachbargütern untergebracht werden. Unter den Verlusten befindet sich auch die Ausstattung der jungen Frau Haase, die erst am Sonntag vor acht Tagen Hochzeit gefeiert hat. — Der Gewerbeverein zu Reichenbach i. V. wird an den Landesverband sächsischer Gewerbevereine, der im September dieses Jahres in Glauchau tagt, den Antrag stellen, eine Petition an den Reichstag zu richten, dahingehend, „alle Handwerksmeister, Inhaber offener Geschäfte, Inhaber von Betriebsanlagen oder sonstige selbstständige Gewerbetreibende bis zu einem gewerblichen Einkommen von 2 500 Mk. der Versicher ungspflicht zu unterwerfen." — Auf dem Schießplätze Zeithain sind innerhalb sechs Tagen vom Förster Heidenrich vier Fuchsbaue, in welchem sich vier alte und zwanzig junge Füchse be fanden, ausgegraben worden. Auerbach. Laut Benachrichtigung des Oberstaats anwalts Beutler am Königl. Landgericht Plauen ist das Strafverfahren wegen öffentlicher Beleidigung des Bürgermeisters Kretzschmar hier gegen den Stadtrath und Vizebürgermeister Albert Petzold eingestellt worden. Vermischtes. * Ueber eine heitere Scene vom Kaiserkommers in Bonn wird den „M. N. N." geschrieben: Die „M. N. N." brachten vor einiger Zeit die Mittheilung, ein Bonner Student habe einer im Wirthshause aus hängenden Aufforderung, schlecht gefüllte Bierkrüge unter protestirendem Brüllen zurückzuweisen, entsprochen und sei urplötzlich in ein, bierbaßdröhnendes Brüllen ausgebrochen. Jüngst beim Kaiserkommers erkundigte sich der Kaiser während der Unterhaltung mit seinen Tischnachbarn nach jenem Studenten, der in einem Kölner Gasthause das Gebrüll eines Löwen angestimmt haben soll, weil die Bierkrüge nicht voll genug geschänkt worden seien. Er hatte davon in der Zeitung gelesen und sich darüber belustigt. Plötzlich drohte der Kaiser einem in der Nähe sitzenden wohlbeleibten Borussen mit dem Finger und fragte ihn in scherzhaftem Tone, ob er Derjenige vielleicht war, der so bierehrlich ge brüllt habe; er solle es nur eingestehen, denn er, der Kaiser, habe am liebsten auch ganz volle Krüge. Handels-Nachrichten. Kvrlln, 30. April. (Wechsel-Cours). LauL- Vlsvont Mark Amsterdam gi/, b T 169,10 G per 100 fl. b. 167,90 G Brüssel und Antwerpen gi/ 8 T 81,— G pr. 100 Francs. 3 /'gM 80,30 G Italienische Plätze 5 10T 76,95 G pr. 100 Lire " 2M — Schweiz. Pl. 100 Frc. 4'/, 10 T 81,— G London 8 T 20,41 G pr. 1 Lstrl. 4 3M 20,24 G Madrid und Barcelona 5 — pr. 100 Pesetas ° 2M — Paris 3 ST 81,15 G pr 100 Franc 3M 80,60 G Petersburg 5'/, S T — pr. 100 Rubel ''3M — Warschau 100 Rubel 5'/, 8 T — Wien . 8T 84,95 G per 100 Kr. ö W. 3M 84,25 G Reichsbank 4"/», Lomb.-Z.-F. 5°/«. Vertin, 30. April. Spiritus 70er loco ohne Faß 44,40 M. Umsatz: 8 000 Liter. 50er —,— M. Umsatz Liter. HLxäodnrx, 30. April. Kornzucker cxcl. 88 Rendement 9,90 bis 10,15. Nachproducte excl. 75°/» Rendement 7,10 bis 7,80. Stimmung: Ruhig. Kryftallzucker I mit Sack 28,95. Brodraffinade i ohne Faß 29,20. Gem. Raffinade mit Faß 28,95. Gem. Melis 1 mit Faß 28,45. Rohzucker I. Product Transito f. a B. Hamburg per April 9,10 bez., 9,15 Br., per Mai 9,10 Gd., 9,12'/, Br., per Juni 9,10 Gd., 9,15 Br., per Aug. 9,25 bez., 9,27'/, Br., per Okt.-Dez. 8,85 Gd., 8,90Br. Stimmung: Ruhig. ünmdurx, 30. April. Weizen schwach. Holsteiner loco 165 bis 175, La Plata 136—138. — Roggen ruhig, südruss. cif. Hamburg 109—114, do. loco 110 bis st 14, Mecklenburgischer 143 bis 153. Mais ruhig, loco 117, La Plata 90. Hafer ruhig. Gerste ruhig. — Wetter: Regen. Lrvmvn, 30. April. (Baumwolle). Tendenz: Ruhig. Upl. middl. loco 43 Pfg. Liverpool, 30. April. (Baumwolle.) Muthmaßlicher Umsatz: 8000zBallen. Stimmung: Ruhig. Import: 19 000 Ballen. Preise '/«, niedriger. Umsatz: 8 MO Ballen, davon für Speku lation und Export 500 Ballen verkauft. Amerikaner ruhig, '/i, niedriger, Ostind. träge Egypter ruhig, unregelmäßig. Middling amerikan. Lieferungen. April-Mai 4"°/-- Käufer, Juni-Juli 4'°/,« Verkäufer, Aug.-Sept. 4"/,« Käufer, Oktober 4"/«« do. Zahlungseinstellungen: Lederhlg. Josef Zernik, Beuthen. Manufacturwaarenhdlr. Albert Meyer, Bremen. Kaufm. Max Michalowski, Lyck. Metall- und Lackirwaaren- fabrik von Max Lindner, Meißen. Geschwister Weißbach Mehlhlg., O.-Ingelheim. Materialwhler. Alwin Osw. Körner, Kl.-Zschachwitz-Pirna. Delicatessenhdlr. Joh. kHeinr. Martin Reiche, Gr.-Zschachwitz-Pirna. Kaufmann Paul Hausmann, Schwedt. Verfehlte Ehen. Von Hans Senden. (Nachdr. verb.) 19. Fortsetzung. „Ganz meine Ansicht." Bald war das Dorf Bircadem erreicht und der Wagen hielt vor einem Lehmhause, vor dem die ganze Einwohnerschaft versammelt schien. Honvaaden übergab das Gespann einem Araber und wechselte einige arabische Worte mit den Um stehenden. Dann wandte er sich an Ilse: „Wenn Sie den Frauen folgen wollen gnädige Frau, können Sie die Braut sehen. Uns ist es leider verboten, Herr Fels, wir müssen uns so zu trösten suchen. Die Araber, die dort zu Pferde halten, werden bald beginnen, die Fantasia zu reiten. Das soll uns entschädigen." Ilse schloß sich ihrer Führerin an und trat in das Haus, das aus einem einzigen Zimmer bestand, welches statt der Fenster ein vergittertes, großes Lichtviereck in der Decke hatte. Auf einem Teppich in einer der Ecken saß die Braut, von mehreren Frauen umringt. Sie war in mehrere dichte Schleier gehüllt, darunter auch ein rother und nicht zu bewegen, sich zu zeigen. Da Ilse sich mit den Frauen, die sie halb neugierig, halb apathisch musterten, auch nicht verständigen konnte, kam sie unverrichteter Sache wieder heraus und wurde von den Herren ausgelacht. Mittlerweile hattengdie Reiter angefanqen, hin und her zu jagen, immer ihre Pistolen in vollem Galopp abfeuernd, wobei Honvaadens Racepferde jedesmal nervös zusammenfuhren und wild schnaubten, daß der Araber sie kaum halten konnte. „Wo ist denn der Bräutigam?" fragte Ilse. „Der zeigt sich nicht vor Abend, bis er die Braut zu holen kommt. Er schämt sich," lachte er. „Das ist Landessitte. Uebrigens sieht er seine Frau zum ersten- male, wenn sie sich am Abend entschleiert." „Mit dem Gürtel, mit dem Schleier reißt manch schöner Wahn entzwei, das ist also hier buchstäblich zu nehmen," entgegnete Heinz. Die phantastischen Gestalten auf ihren Pferden flogen noch immer hin und her, ein Bild von Kraft und Grazie bietend. Immer noch fielen die Freuden schüsse. Honvaades Pferde ließen sich kaum mehr halten. Er warf einige Male einen besorgten Blick auf daS Gespann und schlug vor, zurückzufahren. „Wir könnten über Birmandres durch das Thal zurück. Es ist ein herrlicher Weg," meinte er. Seine Gäste waren einverstanden und das Gespann schlug den Weg in das Thal äss towmos sauva^es ein, das seinen Namen den noch sichtbaren, alten Höhlen verdankt, in denen die wilden Frauen in früheren Zeiten gehaust haben sollen. Der Weg führte bald immer bergab, die herrliche Ebene von Mediza mit den Atlasbergen im Hintergrund bot ein bezauberndes Landschaftsbild, vom wolkenlosen, dunkelblauen Himmel überspannt. Die Pferde hatten sich einigermaßen be ruhigt. Honvaaden hielt sie mit starker Hand und hatte die Bremse scharf angezogen. Er hatte keine Augen für die schöne Gegend, die Thiere nahmen seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Heinz und Ilse genoffen die schöne Natur um so mehr. Ilse war in so weicher, empfänglicher Stimm ung, die laue Luft strich kosend um ihre Schläfen und ihre Augen ruhten gedankenvoll auf der paradiesischen Umgebung. „Wie schön ist es hier, Heinz. Diese Reise ist doch das herrlichste, was ich erlebt habe. Ich bin so glücklich, Heinz, und Dir danke ich es," sagte sie weich. „Das freut mich, wenn Du es genießt, Ilse! Ja, es ist herrlich!" Er athmete tief auf. „Wie schlecht hat es so eine arme Araberin, es muß ein schreckliches Leben sein," meinte Ilse, in Ge danken an die eben gesehene Hochzeit. „Gut, daß ich keine bin." „Du bist ein kleines Närrchen, Ilse." Und gedankenvoll fügte er hinzu: „Die haben auch ihr Glück, wenn auch anderes. Glück ist etwas ganz Persönliches, dem einen dies, dem andern das." „Ich bin glücklich, Heinz," sagte Ilse leise und sah ihn an. Da machte der Weg eine Biegung, ein Araber sprengte im Galopp um die Ecke, die Pferde erschraken und machten einen wilden Satz, dann rasten sie be sinnungslos bergab. Ein Krach! Die Bremse war gebrochen. Der Wagen schleuderte hin und her. Honvaaden hielt die Zügel mit der Kraft der Verzweiflung. Vergebens! An der nächsten Wegbiegung stieß der Wagen gegen ein Hinderniß und flog um. — Weiter ging die tolle Fahrt bergab. XIX. Dr. Cruselius war, nachdem ihn Alma endgültig abgewiesen, zu dem Entschluß gekommen, eine größere Reise zu machen, die ihm körperlich wie seelisch wohl- thun würde. Er hatte in Hamburg das Schiff be stiegen, das ihn über Lissabon nach Genua gebracht, von wo aus er sich nach Algier eingeschifft hatte. Seine erste Ausfahrt führte ihn in das Thal, da» Honvaaden und seinen Gästen so verhängnißvoll ge worden war. Er fand den Wagen in Gebüsch fest gefahren, die keuchenden Pferde zitternd und die un glücklichen Insassen herausgeschleudert. Sie lagen wie leblos da und zu seinem Schrecken erkannte er Heinz und Ilse auf den ersten Blick. Er brachte die Verun glückten in seinen Wagen und der traurige Zug er regte bei seiner Ankunft im Hotel allgemeines Aufsehen. Der Arzt traf gleich die nöthigen Maßregeln. Bei Honvaaden kam alle ärztliche Hilfe zu spät. Er war todt. Heinz war blutüberströmt, aber bei näherer Unter suchung zeigten sich nur ungefährliche Fleischwunden, die aber ein heftiges Wundfieber nach sich zogen. Ilses Zustand schien bedenklicher. Sie blieb be sinnungslos, trotz aller Versuche, sie ins Leben zurück zurufen, und kam selbst während der Untersuchung nicht wieder zu sich. Sie war innerlich schwer verletzt. Als sie aus ihrer tiefen Betäubung endlich erwachte, sah sie er staunt um sich und hatte Mühe, sich zu erinnern. Sie sah in Dr. Cruselius' freundliches Gesicht und hörte seine Frage: „Nun, wie fühlen Sie sich?" Sie nickte verständnißlos, wie halb im Traum. Da kam plötzlich die schreckliche Erinnerug über sie. „Wo ist Heinz?" schrie sie auf und machte den Versuch sich aufzurichten. ' Ein Bluterguß — bleich sank sie in die Kiffen zurück. Dr. Cruselius schloß ihre Augen und blickte lange traurig auf sie hin. Dann schritt er in» Nebenzimmer, wo Heinz in wilden Fiberphantasien lag. „Es ist aus, Schwester Josephine," sagte er leise. Sie nickte nur mit dem Kopf. Der Tod war für sie etwa« Unabänderliches. Ruhig und sicher stützte sie den Verwundeten, während Dr. Cruselius den Ver band erneuerte. „Eis ist die Hauptsache, bis da« Fieber weicht," sagte er dann. „Ich komme gegen Abend wieder."