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dem heutigen Stande der Dinge das Schicksalsdeuten aus der Hand nicht mehr erlaubt sei, aber er würde eben so gern erbötig sein, ihr „eine Unterrichtsstund für eine Guinea (etwa 21 Mark) zu geben". Doc! die Dame verstand ihn anfänglich nicht. Sie war nich zum Lernen gekommen und war im Begriffe, wieder von dannen zu gehen, als sich der Herr „Professor" beeilte, ihr die Angelegenheit etwas näher zu erläutern. Sie verstand endlich, zahlte lächelnd das Geforderte und erhielt den Gegenstand in Gestalt der Verkündigung ihres Schicksals. Auch in England also scheinen die Gesetze nur zu dem Zwecke zu existiren, damit — man sie umgeht. Bemerkenswerth hierzu ist ein Artikel der „Free Lance". Der Verfasser desselben giebt vor, eine Unterredung mit einem Westend-Professor gehabt zu haben, der ein recht einträgliches Gewerbe aus der Chiromantie machte. Der Herr hat sich kürzlich von „dem Geschäfte zurückgezogen", nicht aber, ohne daß er lange Zeit hindnrch „pro Saison", wie er sich aus drückte, 5 000 Pfd. Sterl. (100 000 Mark) einstrich und sich einen hübschen Betrag in jedem Jahre bei Seite legte. Der „Künstler", der mit seiner Meinung über sein „Geschäft" nicht zurückhielt, sagte u. A.: „Meine Laufbahn begann mit der untersten Stufe. Ich habe sowohl dem Milchmädchen von Devonshire, als auch der Herzogin von Ä. dieZukunft verkündet. Wer, glauben Sie wohl, ist die Leichtgläubigste von Beiden? Nun, die Herzogin. Das Landmädchen oder das aufgeweckte Londoner Stadtkind betrachtet Alles nur als Spaß und lacht darüber. Anders dagegen die nervöse, fashionable Lady ! Angenommen, Sie lassen sich eine lange Künstler mähne wachsen und Sie versuchen mit echt theatralischer Geberde auf sie einzusprechen, unter tausend Damen, wettete ich, glauben Ihnen neunhundertneunundneunzig Alles, rein Alles, was Sie Ihnen sagen. Und wenn Sie ein Diplomat in gewissem Sinne sind und sich die Kundschaft zu halten verstehen, so kommen diese Damen in regelmäßigen Zeitabschnitten immer wieder zu Ihnen. Meine Kundschaft bestand aus weiblichen und männ lichen Mitgliedern der höchsten englischen Gesellschaft. Was die letzteren anbetrifft, so kann ich nur mit Ab scheu von ihnen sprechen. Ich nahm das Gold dieser Männer, aber ihnen in das verlebte Gesicht zu schauen und die schlaffen Hände zu ergreifen, vermied ich, so gut es ging. In Fällen, wo ich es nicht unterlassen konnte, machte es mich regelmäßig krank und ein un widerstehliches Gefühl von Ekel und Widerwillen gegen diese Leute beschlich mich." * Ueber die Zunahme der Feldpostkarten aus China schreibt die „Deutsche Verkehrs-Zeitung": In letzter Zeit haben die Kartenschlüsie unserer deutschen Feldpostan. stalten nach dec Heimath einen außerordentlichen Um fang angenommen; man muß sich wundern, daß im Kriege so viel geschrieben wird. In einem Briefe, den ein deutscher Feldpostbeamter Anfang März hierher ge richtet hat, finden sich Angaben, die das Anwachsen der Feldposten erklären. Der Herr schreibt nämlich: Wir arbeiten zur Zeit unter etwas eigenartigen Verhältnissen. Kriegerische Ereignisse, selbst Expeditionen finden so gut wie gar nicht statt; das militärische Leben ist ruhiger als daheim in der Garnison. Infolge dessen hat der Soldat — von Ausnahmen abgesehen — seh: viel Zeit, die er, weil Vergnügungen und Zerstreuungen schwer zu haben sind, zu einer Correspondenz benutzt, an die er zu Hause nie gedacht hat, die ja auch kein Porto kostet. Einzelne Briefe oder Postkarten liefert selbst der gemeine Mann nicht aus — es geht immer gleich in ganzen Stößen. Mir sind verheirathele Osficiere bekannt, die nach eigener Angabe täglich fünf Briefe oder Karten an ihre Frauen schreiben, alle schön nummerirt; ein seit November hier befindlicher Zahlmeister hat vor einigen Tagen den 381. Bries an seine Gattin abgeschickl. Sein Oberst meinte allerdings, der Her: sei „stark ver- heiratbet". Da sind denn die Ansprüche an die Post nicht gering und man erwartet, aus der Heimath ebenso bedient zu werden und womöglich jeden Morgen seine deutsche Zeitung auf dem Frühstückstisch vorzufinden. HaudelS-Nachrichten. NsrUn, 29. April. (Wechsel-Cours). Nuolt- lNsvant Mark Amsterdam g. s T 169,10 G per 100 fi. b. " " 2M 167,90 G Brüssel und Antwerpen 3'/, 81,— G ' pr. 100 Francs. " 3M 80,30 G Italienische Plätze - 10 T 76,9 > G pr.lOO Lire o 2M Schweiz. Pl. >00 Frc. 4'/,10T 81,— G London 8 T 20,41 G > pr. 1 Lstrl. 4 3M 20,24 G Madrid und Barcelona 5 "T — Pr., 100 Pesetas 2M — Paris .. 8.T. 81,10 V pr 100 Franc 3M 80,60 G Petersburg ä'.b T — pr, Rubel "3M — Marschau 100 Rubel 5'/, 8 T — Wien , I I , bT 84,95 G per 100 Kr. v W. 3M 84,25 G Reichsbank 4°/«, Lomb.-Z.-F. 5°/». Svrtlo. 29. April. Spiritus 70er loco ohne Faß 44,40M. Umsatz: 15O0O Liter. 50er —,— M. Umsatz Litern Htkxavbur^. 29. April. Kornzucker cxcl. 88 */» Rendement y,90 bis kV, 12. Nachprodue te excl. 75°/» Rendement 7,10 bis 7,80. Stimmung: Ruhig. Krystallzucker I mit Sack 28-95. Brodraffinade 1 ohne Faß 29,20. Gem. Raffinade mit Faß 28,9b. Gem. Melis 1 mit Faß 28,45. Rohzucker I. Product Tranfito f.a B. Hamburg per April 9,12'/, bez., 9,15 Br., per Mai 9,10 Gd., 9,12'/. Br., per Juni 9,10 Gd., 9,15 Br., per Aua. 9,25 bez., 9,22'/. Br., per Okt.-Dez. 8,85 Gd., 8,92'/, Br. Stimmung: Stetig. »umdur«, 29. April. Weizen steigend. Holsteiner loco 165 bis 175, La Plata 136—138. — Roggen fest, südrusf. cif. Hamburg 109—114, do. loco HO bis 114, Mecklenburgischer 143 bis 153. Mai? fester, loco 117, La Plata 90. Hafer fest. Gerste stetig — Wetter: Schön. »romeu, 29. April. (Baumwolle). Tendenz: Matt. Upl. middl. loco 43 V, Pfg- lüvvrpoot, 29. April. (Baumwolle.) Muthmaßlicher Umsatz: 8000 Ballen. Stimmung: Ruhig. Import: > 000 Ballen. Preise unverändert. jUmsatz: 8000 Ballen, davon für Specu- lation und Export 300 Ballen verkauft. Amerikaner und Ostind. ruhig, Egypter ruhig, unregelmäßig. Middling amerikan. Lieferungen. April-Mai 4"/«, Verkäufer, Juni-Juli 4"/«. do., Aug.-Sept. 4'°/«« do., Oktober 4"/«« Werth. Zahlungsein st ellungen: Friedländer u. Galewsky, offene Handelsgesellschaft, Berlin. Gebr. Fleischer, öffentl. Handelsgenossenschaft, Bisztricz. Möbelhändler und Tapezierer Otto Alfred Tröger, Chemnitz. Cigarrengeschäft Grimm u. Olbers, Hamburg. Kaufmann Albert Ludwig Staude, Wiesa- Kamenz. Kaufmann Eugen Steinert, Kempen. (Rhl). Kauf mann Franz Andreas Hillger, Lehe. Damenconfectionsgesch. Adolf Weiß, München. Kaufm. Clauß Mohr, Nortoff. Buch- u. Papierhdlr. Josef Nowak, Pr.-Stargard. Verfehlte Ehen. Von Hans Senden. (Nachdr. verb.) 18. Fortsetzung. Seine Gedanken beschäftigten sich mit der jüngsten Vergangenheit. Er konnte mit dem Erfolge der Reise zufrieden sein. Ruhe war in ihn eingezogen — die heiß ersehnte Ruhe und neue Schaffensfreudigkeit. Ja, er war über sich selbst hinausgewachsen, er konnte wieder schaffen, frei und groß. Er hatte das eigene Verlangen nach dem Ideal seiner Seele niedergekämpft, sich befreit. Er zwang sich, das Leben nüchterner anzu sehen, mit dem Gegebenen zu rechnen und sich nicht mehr aufzureiben im Kampfe um Unmögliches, indem er nicht nachgelassen, einen Menschen in seine Jdeal- gestalt hineinzwivgen zu wollen, der unter seiner eisernen Handhabung fast zerbrach. Er hatte es aufgegeben, von Ilse zu verlangen, ein Stück von ihm selbst zu sein, er betrachtete sie jetzt wie ein theures, ihm anvertrautes Wesen, das niemals Geist von seinem Geiste werden würde, nie Fleisch von seinem Fleisch. Er litt unter der Vereinsamung seiner Seele, aber wie unter etwas Unabänderlichem, wie unter dem großen Fluch, der auf der sündigen Menschheit ruht und sie zu keinem vollen Glücke kommen läßt. Er halte alle Wünsche, alle Phantasie von seinem Berufe gab er sie wieder frei, da erlaubte er ihr, ihn zu führen und kühner formten sich seine Gestalten, lebensvoller entwickelten sich ihre Schicksale. Gerade die eigene, innere Ruhe und Wunschlosigkeit befähigten ihn, sich ganz seiner Schöpf ung hinzugeben; fein neuer Entwurf legte Zeugniß da von ab. Auch jetzt gehörten seine Gedanken dem Werdenden an und dar Meer begleitete sie wohlig mit seiner einlullenden Melodie; die Welle» schlugen an die Flanken des Schiffes, das sie wie ein siegreicher Held rurchsctmitt, dem ne nichts anhaben konnten im Ver- olgen seiner Bahn. Die Mittagsglocke tönte und versammelte bald die Fahrgäste im Speisesaal, in dem man die Wärme recht bemerkte, die oben die frische Brise nicht so zur Empfind ung batte kommen lassen, denn heiß und grade schien die Sonne des Südens auf das Mittelländische Meer. Bei dem herrlichen Wetter und dem glatten Gang des Dampfers verlief die Mahlzeit animirt genug und der Kapitän fand eifrige, erfreute Zuhörer für seine Er zählungen von Fahrten, die nicht so gut abgelaufen waren. Mancher ängstliche Passagier dankte seinem Schöpfer noch 'mal besonders für die günstige Witterung. „Afrika, Land in Sicht!" Bald stand die Tafel ganz verlassen da. Jeder eilte an Deck, um den ersten Eindruck des Sonnen andes in sich auszunehmen. Es waren manche da runter, die es, wie Heinz und Ilse, zum erstenmale Schauen sollten und erwartungsvoll den schmalen Streifen Land sich allmählich vergrößern sahen. Die Fernröhre wurden eingestellt, um sich früher schon am Anblick des Kommenden zu erfreuen. Die Sonne stand senkrecht und blendend erhob sich als erstes erkenntlich die herrliche Kathedrale Nolre >ame d'Asrique auf schroffem Felsen aus dem Meere empor. Beherrichend sandte sie den einfahrenden Schiffen den Willkommensgruß entgegen. Der Dampfer näherte sich, das Land wurde deutlicher sichtba: und bald boten sich die weißen Häuser von Algier mit den sonne- bcglänzten Moscheen, die al« große, Helle Punkte alle« Licht einzusaugen schienen, den entzückten Blicken dar. Die Fahrt verlangsamte sich, die Passagiere hatten Zeit, den Anblick zu genießen. Das Boulevard de la Röpublique, das sich an der ?üste entlang zieht, wimmelte von Menschen der ver- chiedensten Race. Beim Verlassen des Dampfers hatten die Ankommenden Gelegenheit, den Araber im weißen Burnus, gemüthlich rauchend auf dem Geländer neben dem Südsranzosen, sitzen zu sehen. Die feine Pariserin, nach neuester Mode gekleidet, die englische Miß im Reiseanzug, der lang« Engländer im Tropenhelm stand ,neben dem französischen Soldaten, der Modegeck mit dem Monokle im Auge neben dem kaum bekleideten Neger oder dem Kabylen. Alle hatte ein und dasselbe hergetrieben — die Neugierde, das Landen der Dampfer» zu scheu und die neuen An^immlinge zu mustern. Sie mußten e» sich gefallen lassen, Leuten mit den ver schiedensten Sprachen der Welt, Stoff zu Bemerkungen zu liefern. Aber bald machten die Abgesandten der verschiedensten Hotels dem ein Ende und nahmen ihre Gäste in Empfang. Das Hotel Continental erfreute sich des größten Zuwachses. Auch Heinz gab ihm den Vorzug, trotzdem es eine halbe Stunde vom Hafen entfernt auf der Anhöhe liegt. Aber die herrliche Aus sicht und die gesunde, frische Luft entschädigt reichlich für die weite Entfernung von der Stadt und der schöne Hotelgarten mit seinen Palmen, Bananen, Orangen bäumen, Kaktushecken und all den Wunderblumen des Orients giebt dem Nordländer einen Begriff von dem Paradiese des Südens. XVIII. Schnell und sonmg verflossen die Tage unter süd lichem Himmel. Die Mitte des Februar war heran gekommen und Heinz konnte sich noch immer nicht von Algier trennen. Er hatte in dem vielbesuchten Hotel verschiedene interessante Bekanntschaften gemacht und namentlich mit einem Officier der Fremdenlegion in timere Beziehungen angeknüpft, dessen Eigenart ihn in hohem Grade fesselte. Baron Honvaaden war Holländer und sein aben teuerlicher Sinn hatte ihn schließlich zur Fremdenlegion verschlagen, wo das Leben ganz seinen Neigungen entsprach. Er speiste öfter im Hotel Continental und der Zufall hatte ihn Heinz' gegenüber plazirt. Bald waren beide Herren in lebhaftem Gespräch mit einander und der schon seit längerer Zeit in Algier lebende Baron erzählte Heinz viel Neues und Interessantes über die Sitten und Gebräuche der Araber. Heinz hatte sich entschlossen, eingehendere Studien des dortigen Leben« zu machen und Honvaaden sich ihm als Führer ange. boten. An dem heutigen Nachmittage wollten sie einen Ausflug nach dem Dorfe Bircadem machen, wo eine arabische Hochzeit stattfand. Der Leutnant hatte ein sehr flotte« Arabergespann, das nach dem Lunch vor dem Hotel vorfuhr. Ilse zeigte sich von den schlanken, schöngebauten Thieren sehr entzückt und Honvaaden erklärte Heinz, daß die Thiere in ihrer Heimath verhältnißmäßig sehr billig seien, aber nach Europa entsandt, dem Klima nicht gewachsen wären und meist bald eingingen. Dann sprang er auf dem Vordersitz und ergriff die Zügel. Ilse und Heinz stiegen ein und fort ging es, an den blühenden Gärten von Llustaplia supöriour entlang, die ihre be täubenden Düfte nachsandten. Der Wagen fuhr am 3gr<Iiii ck'sssai, dem Herr ichen botanischen Garten mit seinen Alleen von Palmen, Gummibäumen, Eukalypten und Bananen vorbei, durch das Dorf Noubah, immer auf der Höhe hin. Auf die reichen Weinberge brannte die Sonne hernieder. Araber waren gerade damit beschäftigt, die Reiser ubzuschneiden und in großen Hausen zu ver brennen. Honvaaden drehte sich herum: „Die Asche enthält Cali und daraus wird Seife fabriziert. Und sehen Sie dort unter uns, das ist das Seminar der Priester, dem der Kardinal de la Vigerie vorsteht. Sie haben hier nicht viel Glück mit der Mission, der Araber hängt zäh an seinem Glauben." „Bei dem man besser thäte, ihn zu lassen, er paßt für Land und Volk," erwiderte Heinz. (Fortsetzung folgt.) Eingesandt. Lebensversicherungsbank für Deutschland in Gotha. Die Geschäftsergebnisse der Gothaer Lebensversicherungsbank, der ältesten und nach der Ver sicherungssumme größten unter den deutschen Anstalten dieser Art, sind auch im Jahre 1900 wieder recht günstig gewesen. Neue Todesfallversicherungen — auf Lebenszeit oder mit Abkürzung auf ein bestimmtes Lebensjahr — wurden im Betrage von 43 172 600 Mark abgeschlossen. Jnsgesammt bestanden'Ende vorigen Jahres 114063 Versicherungen über 790 307 100 Mk. Die thatsächliche SlerbesallauSgabe von 14 331 617 Mark blieb um 2 756 463 Mark hinter dem erwartung«- mäßigen Betrage zurück. Der reine Jahresüberschuß stellt'sich auf 9 551 759 Mark; er ist um 1 330 909 Mark höher als im Jahre 1899 und überhaupt höher als in allen früheren Jahren. Zu diesem Ergebniß hat neben dem beträchtlichen Gewinn au« unterrechnung«- mäßiger Sterblichkeit und neben dem überrechnungs mäßigen Zinsbetrag besonders der Umstand beigetrage», daß die Verwaltungskosten auf dem außerordentlich niedrigen Satz von nur 5,„o^ der Jahreseinnahme ge halten werden konnten. Die Fonds der Bank erreichten die Höhe von 258 117 344 Mark. Hierunter befinden sich die al« Sicherheitsfonds zurückgestellten reinen Ueber- schüsse der letzten Jahre im Betrage von 36 541300 Mark, welche in diesem und den nächsten vier Jahren an die Versicherten al« Dividenden zur Verkeilung kommen. Im ganzen hat die Bank während ihr«» nun 72jährigen Wirksamkeit gegen 364 Millionen Piark M fällig gewordene Versicherungssummen auSgezahlt,^nd mehr als 182 Millionen Mark Dividende an ihre Ver sicherten zurückgewährt.