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kontrakten habe. Es sei hoch erfreulich, daß die ein- fachen Thatsachen endlich praktisch und unwiderleglich den Leuten aller politischen Schattirungen vorgelegt seien. Die Regierung-Presse bemüht sich dagegen, das Urtheil al« einen Triumph Joseph Chamberlains hinzustellen. Südafrika. Kapstadt, 27. März. Die Pest gewinnt einen ernsteren Charakter. Der aus die Europäer entfallende Prozentsatz der Erkrankungen wächst. In Simonstown war ein Soldat de« Regiment» „Königin" unter ver dächtigen Erscheinungen erkrankt. Jetzt ist bei ihm Pest festgestellt worden. Ebenso sind ein Soldat des ersten irischen Regiment» im Lager von Greenpoint und ein Mann der Festungs-Artillerie an der Pest erkrankt: Ein Marinebeamter ist in Simon«town gestorben. Außerdem sind acht Farbige und zwei Europäer erkrankt, ein Farbiger ist gestorben. Oertliches «nd Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, den 28. März. — Der diesjährige ordentliche Gauturntag des Niedererzgebirgischen Gaues wurde am Sonntag im Saale des Gasthofe« zu Falken abgehalten. Anwesend waren circa 80 Abgeordnete. Die Jahresberichte de« Gauvertreters, des Gauturnwarts und GaukafsenwartS gaben eine Uebersicht über die Entwickelung und den gegenwärtigen Stand de« Gaue«. Die ousscheidenden Gaurathsmitglieder wurden sämmtlich wiedergewählt. Die Gausteuer beträgt für das laufende Jahr für jedes steuerzahlende Mitglied 5 Pfg. Die Zöglingsturnfahrt, verbunden mit Gerätheturnen rc., findet in diesem Sommer nach Mülsen St. Micheln statt. Das 25jährige Be- stehen des Niedererzgebirgischen Turngaues soll durch eine Festkneipe am 12. Mai im Schützenhause zu Hohenstein-Ernstthal (Altstadt) festlich begangen werden. — Im Bereich der sächsischen Staatseisenbahnen wird vom 1. April d. I. ab — gleich wie auf den übrigen deutschen Eisenbahnen — der Fahrpreis für beurlaubte Militärpersonen vom Feldwebel abwärts von 1,5 auf 1 Pfg. für den Mann und das Kilometer herabgesetzt, sodaß die während der Osterfeiertage beur laubten Mannschaften diese Fahrpreisermäßigung schon genießen können. Durch diese Aenderung deS Militär- tarifs wird die zur Zeit bestehende Unterscheidung in den Karten für dienstliche und Urlaubsreisen beseitigt.— Eine Ermäßigung des Fahrpreises für die im sächsischen Binnen-Personentarife unter § 11 vorgesehenen Reisen zu akademischen Ausflügen oder für Schulfahrten und Feriencolonien, zu milden Zwecken (und zwar im Interesse der öffentlichen Krankenpflege, im Interesse der Magda- lenenstifte, für mittellose Kranke, Blinde, Taubstumme und Waisen, sowie für Mitglieder von Krankenkassen), oder für Reisen der zu militärischen Dienstleistungen einbcrufenen, in Deutschland lebenden Wehrpflichtigen der österreichisch-ungarischen Monarchie tritt durch die eingangs erwähnte Maßnahme nicht ein. — Die Durchschnittspreise betrugen im Hauptmarkt orte Glauchau im Monat Februar sür 50 Kilo Hafer 8 M. 61 Pf., für 50 Kilo Heu 4 M. 31 Pf., für 50 Kilo Stroh 2 M. 63 Pf. — Nach Berichten aus Dresden sind sowohl in den Waldregionen der Sächsischen Schweiz wie auch in den Nebcnthälern rc. gewaltige Schneemassen angesammelt. In Bezug auf ein Hochwasser sind die Befürchtungen der Elbbewohner um so größer, als in Schifferkreisen gewisse Achnlichkciten mit den Wetterverhältnissen deS verhängnißvollen Frühjahrs 1845 beobachtet worden sind. Man trifft daher auch bereits entsprechende Vor kehrungen. — An der Unglücksstätte des Prinzen Albert in Wölkau soll ein Denkmal errichtet werden. Dasselbe wird in einem auf einem Sockel ruhenden Kreuz be stehen, 90 Centimeter Breite und 240 Centimeter Höhe erhalten. Am 23. d. Mts. haben Prinz Georg und Prinzessin Mathilde den Platz, wo der Prinz verun glückte, und das Sterbezimmer besichtigt. OelSnitz i. E., 27. März. Ein schrecklicher Un fall ereignete sich gestern früh gegen 1 Uhr auf eine n hiesigen Steinkohlenwerk. Der Tagearbeiter Georg Martin von hier war damit beschäftigt, den von der Scheibe eines Elevators abgefallenen Riemen wieder auf- zulegen. Er kam hierbei zwischen die im Gange befind liche Scheibe und Riemen, wurde von der Welle erfaßt, nach der Decke geschleudert und ihm dabei der linke Arm vollständig zermalmt und aus dem Körper gerissen. Der Schwerverletzte ist 40 Jahre alt und noch unver- heirathet. Lichtenstein, 27. März. Die letzte Versamm lung der Gewerbe-Vereins war sehr zahlreich besucht. Die Gewerbe-Ausstellungsfrage rief eine längere Aus- spräche der Mitglieder hervor und gelangte man allge mein zu der Ansicht, daß es unbedingt nölhig sei, einen Garantiesond zu beschaffen. Derselbe soll nun in Höhe von 1000 Mk. durch Aktien L 4 Mark geschafft werden. Die Aklienentnehmer haben vorläufig nur die Hälfte des Betrages jeder Aktie sofort bei Entnahme zu entrichten. Ein eventueller Reingewinn soll zur Hälfte der Gewerb lichen Fortbildungsschule, und zur anderen Hälfte an die Aktionäre verlheilt werden. Der Vorsitzende gab weiter die bereits gefaßten Beschlüsse der bestehenden Ausschüße bekannt, mit denen man im Allgemeinen ein verstanden war, nur wurde noch ergänzt, daß Ausstellern außerhalb de» hiesigen Amtsgerichtsbezirke» das Platzgeld mindesten« um 50°/o erhöht wird. — Vor gestern Nachmittag gegen 2 Uhr verübten vier junge Männer dadurch Unfug, daß sie den vor einem leeren Wagen gespannten Pferden in die Zügel griffen und da« Geschirr am Weiterfahren hinderten. Während nun der auf dem Wagen stehende Geschirrführer von diesem herunterspringen wollte, zogen die inzwischen von den Männern wieder lo«gelassenen Pferde an, so daß Kasten zu Falle kam und ihm ein Rad über die Schulter ging. Dem Umstande, daß der Wagen leer war, ist e« allein zu danken, daß dem Verunglückten anscheinend kein ernsterer Schaden zugefügt worden ist. Durch das führerlose Geschirr ist obendrein noch ein Fensterladen von einem Hause abgefahren worden. Die Vorüber dieser Unfuge« sind bereits ermittelt. Dresden, 27. März. Zur Ermordung des Kammermusikers Gunkel werden noch immer Thatsachen bekannt, die den wiederholt geschilderten Fall zu einem außergewöhnlichen stempeln. Ganz aus dem Rahmen der herkömmlichen Racheakte fallen namentlich die ruhig und klug überlegten Vorbereitungen, die von Seiten der Mörderin Jahnel getroffen wurden. Daß die Eifer süchtige die Ausführung des Morde« zunächst und in erster Linie im Königlichen Hosopernhause geplant hatte, haben wir bereits gemeldet. Noch ein anderer Fall aber spricht deutlich für den in jeder Hinsicht beabsichtigten Mord. Am Tage nach der That wurde der Polizei von Seiten eine« Dresdner GastwirtheS gemeldet, daß die Jahnel eine kleine Handtasche dort zur Aufbewahr ung gelaffen habe. Als die Polizei die Tasche beschlag nahmt und geöffnet, fand sie u. A. auch einen scharfge schliffenen Dolch, dessen Bestimmung wohl nicht zu ver kennen ist. Bei der Verhaftung hatte die Mörderin drei Revolver bei sich und einen in den Kleidern ein genähten Dolch. Leipzig, 26. März. Der Conflict zwischen den Aerzten und der Leitung der Ortskrankenkasse wird größer, denn wie verlautet, sind die Aerzte zu einer Einstellung ihrer Kassenthätigkeit entschlossen, wenn deren Wünsche bezüglich der ärztlichen Vertrauenscommission nicht realisirt werden. Chemnitz. Auf dem neuen städtischen Friedhof schoß sich am Montag ein Eisendreher in selbstmörderischer Absicht eine Kugel in den Kopf. Der Unglückliche wurde schwer verletzt in'« Stadtkrankenhaus eingeliefert. Limbach, 26. März. Die Errichtung einer Fort bildungsschule für coufirmirte Mädchen hatte Schul director Dr. Mäder für diese Ostern geplant. Um das Institut lebensfähig zu machen, sollten die Eltern der Schülerinnen an Rathsstelle einen Revers unterschreiben, der die Verpflichtung zum Besuche der Schule auf ein Jahr enthielt. Der Stadtrath hat indeß aus Zuständig- keitsgründen Bedenken getragen, zu dieser Maßnahme seine Mithilfe zu gewähren. Aus diesen Gründen wird nun diese städtische Fortbildungsschule für Mädchen zu nächst nicht ins Leben treten. Zwick au, 26. März. Die nach dem vorjährigen Bergarbeiterstreik im Zwickauer und Oelsnitz-Lugauer Revier wegen nicht rechtzeitiger Wiederaufnahme der Arbeit abgelegten Arbeiter wurden durch die Entlassung auch ihrer eingezahlten Knappschaftskassenbeiträge, die bei Einzelnen bis 800 M. und mehr betragen, verlustig erklärt. In letzter Instanz riefen sie jetzt das Reichs gericht an, dieses hat nunmehr gestern die erhobene Revision verworfen. — Die Werdauer und Crimmilschauer Vigogne spinnerei, die früher nur im Pleißengruude heimisch war, hat sich in den letzten Jahrzehnten vielfach in neuen Niederlassungen in Rußland und Böhmen festgesetzt. Neuerdings errichtet die Werdauer Firma C. B. Göldner, welche neben dem ausgedehnten Etablissement in Werdau eine große Spinnerei in Friedland in Böhmen und eine Tuchweberei in Brambach i. V. in der Nähe der böhmischen Grenze besitzt, in Haslau bei Asch in Böhmen eine weitere Fabrik. Frohburg, 26. März. Ein Unglücksfall er eignete sich gestern Nachmittag auf hiesigem Bahnhofe bei der Einfahrt eines Güterzuges von Leipzig. Als der 28 Jahre alle Bremser Albert Schenke, verheirathet und in L.-Connewitz wohnhaft, die Bremse anzog, stürzte er aus dem Bremserhäuschen, wobei er unter einen Güterwagen gerieth, so daß ihm der rechte Arm vollständig zermalmt wurde. Der Verletzte mußte nach Leipzig in'das Krankenhaus eingeliefert werden. Daselbst erfolgte die Amputation. Vermischtes. * Wie König Friedrich Wilhelm III. nach dem Tode der Königin Luise zum ersten Male wieder zum Lachen kam, erzählt die Regimentsgeschichte der „Mai käfer" wie folgt: Als im Jahre 1810 der königliche Hof in Potsdam weilte, war der König durch den Tod der Königin noch ganz gebrochen. Niemals erheiterte ein Lächeln sein Gesicht. Eines Tages war Leutnant von Knobelsdorff, der spätere Oberst, auf Wache und vertrieb sich die Zeit, wie gewöhnlich, durch geschichtliche Studien, indem er sich kurze Auszüge a»S dem Gelesenen machte. An diesem Tage beschäftigte er sich mit AttilaS KiiegSzügcn. Abends um 9 Uhr eilte er zum König, um die Wachtmeldung zu übergeben, in der bereits alle angekommcnon Fremden aufgeführt waren. Der König nahm die Meldung, ohne sie zu lesen, in Gegenwart der Prinzen und Minister entgegen. Als Knobelsdorff fort war, sagte er: „Ich möchte doch sehen, waS für Fremde angekommen sind," schlug die Liste auf und fand: „Attila, König der Hunnen." Der König schlug ein Helle« Lachen auf, zum ersten Male nach dem Tode seiner Gemahlin. Als Knobelsdorff seinen Jrrthum merkte, war er untröstlich, bis ein Prinz nach dem anderen und die Minister bei ihm erschienen und sich für die unwillkürliche Erheiterung deS Königs bedankten. * In dem Kölner Sittlichkeitsproceß fand bereit- die erste Verhandlung statt. Sie endete mit der Ver- urtheilung deS Kaufmanns Fiedler zu neun Monaten Gefängniß. Als Zeuginnen traten zwei Schwestern auf, die damals 11 und 13 Jahre alt waren. Jns- gesammt schweben in dieser Affaire, die noch bedeutend weitere Kreise ziehen dürfte als der Berliner Sternberg- Proceß, 36 Anklagen wegen schwerer Sittlichkeits-Ver brechen und wegen Kuppelei. Vierzehn junge Mädchen sind darin verwickelt. * Ein neues blutiges Familiendrama in Ungarn. Die Mordchronik kommt im Ungarlande anscheinend niemals zur Ruhe. Wieder wird von einer Schreckens- that berichtet, bei der eine ganze Familie durch Mord resp. Selbstmord ums Leben kam. Infolge eines Fa milienstreites überfiel in der Gemeinde Furjes der wohl habende Landwirth Babtista MisitS seine Gattin Ver- savia MisitS mit einem scharfen Beile. Als deren Mutter Perfida Terbeus sie Vertheidigen wollte, schlachtete er zuerst die Mutter vor den Augen ihrer Tochter ab und stürzte dann in förmlicher Raserei auf die eigene Gattin, der er mit einem einzigen fürchterlichen Hiebe den Schädel spaltete, so daß auch sie neben der Leiche ihrer Mutter todt liegen blieb. Der Mörder flüchtete, und als die That entdeckt wurde, kam auch schon aus dem Dorfe Jabuka (Verseczer Bezirk) die Anzeige, Aabtisia Misits habe sich dort mit einem Revolver erschossen. * Das Kassenbuch der in Newyork verhafteten Wahr sagerin Mary Jones würde diese „weise" Frau im Mittelalter auf den Scheiterhaufen gebracht haben. Heute diente es nur als Material bei ihrer Processirung wegen Schwindels und als Beweis für den krassen Aberglauben, der noch im Volke herrscht. Das Studium dieses mit pedantischer Ordnungsliebe geführten Kassen buches muß auf den Menschenfreund einen tief betrübten Eindruck machen, wenn auch zahlreiche Eintragungen zum Lachen reizen. Da findet sich z. B. der Vermerk: „Verheirathete Frau zahlte einen Dollar, um ihren Mann unter den Pantoffel zu bekommen." Eine andere Kundin wollte 50 Dollars daran wenden, wenn Frau Jones bewirkte, daß sie zu Ostern den Geistlichen, in den sie verliebt war, heirathen könne. Andererseits finden sich jedoch auch sehr viele Eintragungen, die ähnlich wie folgende lauten: „Verheirathete Frau zahlte 10 Dollars; sie will den Tod ihres Mannes, um Jonnie heirathen zu sönnen." Bei anderen Buchungen dieser Art steht der Vermerk, daß die Frau den Mann beerben möchte. Waren diese Frauen aber überzeugt, daß Mary JoneS den frühzeitigen Tod ihrer Gatten herbeiführen könnte — und sie müssen es doch gewesen sein, da sie sonst nicht ihr Geld sür Zaubermittel ausgegeben hätten — so machten sie sich thatsächlich der Verschwörung wider das Leben schuldig, wenn sie auch, so klar ihre moralische Schuld erwiesen sein mag, dafür nicht ge richtlich belangt werden können. * Warum die Chinesen Ratten eßen. Seit der letzten Belagerung von Paris hat die Ratte als Nahr- ungsmittel einen gewißen Weltruf erworben. Trotzdem würde sich kaum ein Volk dazu entschließen, eine Ratte als Delicateße zu betrachten. Bei den Chinesen ist es natürlich anders, wie uns die chinesischen Anschauungen überhaupt geradezu als eine Umkehrung unserer eigenen erscheinen. Auch dem Chinesen ist die Natle freilich weniger eine Delicateße, sondern eher ein Medicament, oder man könnte auch sagen, ein Kosmeticum, und als solches könnte sie vielleicht auch noch einmal in Europa Eingang finden, vorausgesetzt, daß sich der chinesische Glaube an ihre Wirkung als wahr herausstellt. Die Ratten sollen nämlich sür den Menschen das beste Haar mittel sein, und da die Chinesen mehr Haar brauchen, als andere Menschen, welche nur einen eingebildeten Zopf tragen, so ist es ganz begreiflich, daß sie die Natle zu ihren Mahlzeiten herangezogen haben. Rattenfleisch soll auf die Haare des Menschen dieselbe Wirkung ausüben, wie die Carotten aus die der Pferde. Jeder Pferdebesitzer weiß, daß die Carotten das beste Mittel sind, um dem Fell der Pferde Glanz und Weichheit zu verleihen. In ähnlicher Weise sind die Chinesen und Chinesinnen seit urdenklichen Zeiten davon überzeugt, daß der Genuß von Raltenfleisch nicht nur dem Ausfall der Haare vorbeuge, sondern das Haar sogar wieder neu wachsen laße und ihm einen weichen Seidenglanz gebe. * Ein junges, hübsches Mädchen, Johanna Febvre, eine geborene Pariserin, hatte ihre Vaterstadt heimlich verlassen, nachdem sie ihrem Vater, einem ehrbaren Kaufmann, die nicht geringe Summe von 28 000 Frs. entwendet hatte. Alle Nachforschungen blieben lange Zeit hindurch erfolglos, bis es endlich, fast nach einem Jahre gelang, ihre Spur zu entdecken. Das junge Mädchen hatte währenddessen ein höchst aben teuerliches Leben geführt. Unter dem Namen einer