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28. Jahrgang- Nr. 66 Mittwoch, den 20. März 1901. Tagesgrschichte qualifizirten Prügelstrafe greisen müsset^ etwa nach den Vorbildern in China und Japan (Beifall.) Haupt fehler der Prügelstrafe würde immer sein und bleiben, daß den Einen schwer angreift, was der Andere sich abschüttelt. — Abg. Bebel: In Rußland, wo bekanntlich Prügelstrafe bestehe, sei auch schon eine Bewegung für deren Abschaffung vorhanden. Die Zunahme der Roh- heilSverbrechen habe ihre Ursache in unseren ganzen sozialen Verhältnissen. Wo die Frau mit arbeiten müsse, könne sie sich natürlich nicht um die Erziehung der Kinder kümmern; dazu kamen die Mängel der Volks bildung. — Nach längerer Debatte wird der Antrag der Kommission gegen die Konservativen angenommen. Berlin, 18. März. Der Centraloorstand deutscher Bäckerinnungen „Germania" hatte um eine Audienz beim Grasen von Bülow nachgesncht, um mündlich die Bedenken der Bäckermeister gegen die angeordneten bysienischen Einrichtungen in den Bäckereien zum Aus druck zu bringen. Vom Neichskanzleramt ist jetzt dem Vor stand die Mitthcilnng zugegangen, daß der Kanzler es ablehnt, die Deputarion zu empfangen. Der Vorstand hat daraufhin beschlossen, die in dieser Sacke ausge- arbeitele Petition dem Bundesrath, sowie den Fraktions- vorständen des Reichstages zu übermitteln. — Das deutsche Hilfskomitee für Ostasien hat dem Kaiser zur Unterstützung der Angehörigen, sowie der Hinterbliebenen der bei der Expedition in Ostasien be findlichen Personen 200 000 Mk. zur Verfügung gestellt. Der Kaiser hat bestimmt, daß hiervon 150 000 Mark dem Kriegsministerium und 50 000 Mk. dem Reichs marineamt überwiesen werden sollen. — Auch Frauen und Jungfrauen haben sich nun mehr im deutschen Reiche zusammengethan und in der Frage der Getreidezölle ihre Stimmen erhoben. In dem „An die deutschen Frauen!" gerichteten Aufrufe heißt es unter Anderem: „Der deutschen Hausfrau droht eine schwere Gefahr durch die von den Agrariern geforderte Erhöhung der Getreidezölle! Wir Frauen wollen nicht, daß die Lebensmittelpreise künstlich ge steigert werden; wir wollen nicht, daß das Haupt nahrungsmittel des Volkes, das Brot, vertheuert wird." — Die gestern in Stultgarl stattgefundene Versamm lung der Baumwollweber, welche 37 142 Webstühle repräsentirle, beschloß, die bestehende Betriebsreduktion im zweiten Quartal noch weiter auszudehnen, sodaß 8500 Webstühle bis dahin stillstehen. — Ein deutscher Arzt bei Dewets Colonne schildert die Gewaltmärsche derselben in der „Köln. Ztg." ein gehender. Er schreibt u. a.: „Es liegt auf der Hand, daß bei den Gewaltmärschen, die wir machten, Menschen und Thiere sehr herunterkamen. Alle Genußmittel, wie Kaffee, Thee, Zucker, Conserven usw., waren längst auf. gebraucht. Es gab für uns nur noch Fleisch und Maisbrei. Und waS für Fleisch! Wenn die Ochsen mit durchgetretenen, blutigen Hufen auf den Lagerplätzen zusammenbrachen und selbst Bambuspeitsche und Sjambok (Nilpferdpeitsche) sie nicht mehr zum Aufsteher, bewegen konnten, dann worden sie abgeschlachiet, und das Fleisch diente nns als Nahrung. An vielen Stellen fehlte es uns an Holz. Hier mußte ein anderes Brennmaterial zusammengesucht werden: getrockneter Ochsendünger. In vielen Fällen war gar keine Zeit zum Bereiten von Maisbrei. Dann wurde schnell mit dem gesammelten Ochsendünger Feuer gemacht, das oft noch zuckende Fleisch in Stücke geschnitten und auf das glimmende Brenn» material gelegt, bis es Halbwegs genießbar war. Hierauf wurde es ohne weitere Zuthaten hinuntergeschlungen. Bel dem großen Hunger, den wir in allen Fällen hatten, dachte keiner weiter über das Unappetitliche dieser Zu bereitung nach. Man durfte bei den Buren überhaupt nicht zimperlich sein, sonst kam man schlecht weg. Die Nahrung der Thiere war ebenfalls sehr kümmerlich, da März. Reichstag. Der Gesetzent- keit Ausübung der freiwilligen Gerichtsbar- der non N^shllfe im Heere wurde mit der von der Kommlsston vorgeschlaqenen Bestimmung 'm Felde die Kriegs- und Ober? kiegsrathe ganz allgemein für die Entgegennahme von Versicherungen an sowie Aufnahme von Ur- kunden über Thatsachen zuständig sein sollen. — Die des Unfallfürsorgegesetzes für Beamte U''d für Personen des Soldatenstandes wurde auf Antrag des Abg. Smger wegen der schwachen Besetzung des Hauses von der Tagesordnung abgesetzt. — Die Wahl des Abg. v. Gersdorf (3. Wahlkreis Posen) wird beanstandet. — Eine Petition des Deutschen Gastwlrlhsverbandes, betreffend Regelung des Handels mit Konserven, wird der Regierung als Material über- Esen; denselben Antrag stellt die Kommission bezüg lich einer Petition um Erlaß eines Gesetzes zur Sicher- ung der Bauforderungen. — Abgq. Werner (Antis.) und Kirsch (Centr) treten sür die Forderung der Petenten ein. Letzterer bedauert, daß von den ver bündeten Regierungen keine Erklärung darüber vorliege, wie weit mandenn eigentlich mit den Vorbereitungen für ein solches Gesetz sei. — Abg. Hoch. (Soz.) tritt dem bei, verlangt aber, daß der Entwurf vor Allem auch die Bauarbeiter gegen Verlust ihrer Ansprüche schütze. — Abg. Bassermann (nat.-lib.) hält die Sache gleich falls für dringlich, und zwar müffe die Regelung un bedingt reichsgesetzlich erfolgen, nicht landesgesetzlich. Es werde wohl das Beste sein, alle solche Ansprüche durch Gewährung eines hypothekarischen Vorrechtes sicher zu stellen. — Der Antrag der Kommission wird angenommen. Eine Petition, die sich gegen die Ein führung der Privataufträge durch Militärbeschlagschmiede richtet, wird der Regierung zur Erwägung überwiesen. — Eine Petition um Einführung des Gymnasial- Reifezeugniffes als Vorbedingung des thierärztlichen Studiums beantragt die Kommission dem Reichskanzler zur Berücksichtigung zu überweisen. — Eine Petition betreffend Aufhebung der Bäckereiverordnung wird der Regierung als Material überwiesen, nachdem ein Antrag des Abg. Molkenbuhr auf Uebergang zur Tagesordnung nicht die nöthige Unterstützung gefunden. — Bezüglich Her Petition um Einführung der Prügel strafe beantragt die Kommission Uebergang zur Tages ordnung. — Abg. Oertel-Sachsen bedauert den Be schluß der Kommission und wird gegen ihn stimmen. Er wisse übrigens, daß auch in national liberalen und Centrumskreisen ein Umschwung der An. schauungen auf diesem Gebiete sich vorbereite. In diese zarten Keime wolle er nicht störend eingreifen. (Heiter keit). Er hoffe, daß schon in zwei Jahren der Reichstag eine gleichartige Petition dem Reichskanzler zur Berück sichtigung überweise. — Abg. Bassermann kann sich diesem Wunsche nicht anschließen; seine Fraktion habe sich erst kürzlich gegen die Wiedereinführung der Prügelstrafe erklärt. Seine Fraktion sei der Ansicht, daß die Prügel, strafe den Getroffenen nur noch mehr verrohe und herab würdige. (Beifall). - Abg. Werner sympathisnt zwar grundsätzlich mit der Prügelstrafe bei Rohheitsverbrechen, hat aber Bedenken wegen ihrer Handhabung. Richtig sei jedenfalls, daß mit Humanität bei Leuten, welche auf die tiefste Stufe Gerischer Rohheit gesunken seien, nichts zu machen sei. — Abg. Gröber: Wenn Herr Oertel meint, bei den Nationalliberalen und bei memen Freunden bereite sich ein Umschwung der Anschauungen vor, so wird er sehr euttäuscht werden. Mit der ein fachen Prügelstrafe werde es wohl auch nicht gethan sein, Herr Oertel werde vielmehr schließlich wohl zur nur das trockene Gras der Felder Mr das - Man sieht, was diese tapferen Menschen I» Vaterland leiden und opfern. - . < östlich von — Das Erscheinen Dewets ui verschiedener Kroonstad, zum Zwecke der Verein g g «^reichen" zersprengter Burenabtheilunqen, von . ."^nso wie Engländern „Räuberbanden" genannt, r st . hjx die Zerstörung der Teleqraphen-Kabel i - Mnn Buren noch immer frisch an ^r. Arb 1 French zu wiederholten Malen die Ding l und er in den östlichen Bezirken Transvcml g z, zusammengetrieben hat, so werfen auch trophäen" kein angenehmes Licht auf 6 Z mei- Englands in jenen Gebieten. Zur fleuch st treibungen diene der Bericht eines Mita Londoner „Standard" aus Pretoria, dtt dem rechten Flügel von General Finchs zurückgekommen war, die aus 15 000 gut de ff und berittener Truppen besteht. Er sagt: „Die ga z Straße war dicht besäet mit zerbrochenen und verlaßenen Wagen und allerhand anderem Material- G st Mengen von Burenfrauen, alten Männern und Kindern, die nach dem Lager der Flüchtigen transportirt wurden, sei man überall begegnet. Seit drei Wochen habe es in diesen Distrikten unausgesetzt geregnet, und alle Operationen habe man in einem unergründlichen Sumps und also unter ganz bedeutenden Schwierigkeiten aus führen müssen. 'Der östliche Theil des Lande« sei voll- kommen verwüstet. Bis Ende Februar seien diese Distrikte ganz dicht mit Buren bevölkert gewesen, bis dahin seien auch durchaus genug Vorräthe daselbst vorhanden ge wesen, während jetzt auch nicht eine einzige Nation im ganzen Lande aufgetrieben werden könne. Die stärkste Burenabtheilung, die gegenwärtig noch unter Waffen stehe, sei die, die General French vor sich hertreibe." — Einen Fehlbetrag von einer Milliarde dreihundert Millionen Mark wird das englische Volk für das Rechnungsjahr 1901/2 als Preis für die Andauer des südafrikanischen Krieges aufzubringen haben. — Auch die Minenbesitzer sind unzufrieden. Die Salisbury Gold Mining Company, eines der größeren Bergwerke am Rand, hielt vor Kurzem ihre General versammlung ab. Der Vorsitzende sprach sich sehr er bittert über die übermäßigen Preise aus, die die Regier ung für das Lagern von Dynamit in Port Elizabeth berechnet hätte. Solche Preise würde selbst die Trans vaalregierung nicht angesetzt haben, fügte er hinzu. Also doch! Vor dem Kriege wurde der Transvaal regierung die Capregierung als Muster vorgehalten. Nunmehr scheint man doch dann und wann zu erkennen, daß es nicht ganz so schlimm war, wie man vor gegeben hat. Rußland. Petersburg, 18. März. Die Gerüchte und unrichtigen Vermuthungen, welche in der deutschen Presse anläßlich des Artikels „Bereitet sich Rußland zu Handels verträgen vor?" aufgetaucht sind, und der Umstand, daß im Anschluß an die wirthschaftlichen Gesichtspunkte diesem Artikel der Charakter einer Politischen Kundgebung beigelegt worden ist, haben in dem gestrigen Westnik Finanssow und in der Handels- und Jndustrie-Zeitung einen neuen Artikel veranlaßt. Die officiösen Organe des Finanzministeriums behandeln zuerst den Anlaß zum Erscheinen jenes Artikels, welcher die deutsche Presse so lebhaft beschäftigte. Der Anlaß für das Er- scheinen desselben wäre die systematische Verbreitung von Gerüchten durch die deutsche Presse gewesen darüber daß in der Frage der Erhöhung der Getreidezölle schon ein Einvernehmen mit Rußland erreicht wäre Da diese Gerüchte in Deutschland von keiner Seite de'mentir» worden seien, wäre es Pflicht der gut unterrichteten russischen wirthschaftlichen Organe, dies zu thun In Redaction und Expedition: Bahnstraße 3 (nahe dem K. Amtsgericht). Telegramm-Adresse: Anzeiger Hohenstein-Ernstthal. iaglich Nachmittags" — "2" Sonn- und Festtage sm WMskiii4nWch MrlnMitz, AMrs, Lngan, Wüstenbrand, Ursprung, Mittelbach, Hermsdorf, Bernsdorf, Langenberg, Falken, Meinsdorf u^s^. Jnsertionsgebühren: die fünfgcspattene Corpus^ ? Pfg-- Raum für den Verbreitungsbezirk 10 Psg-, , Rabatt. Reclame 25 Pfg. Bei mehrmaliger Ausg^. VorM.