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am 30. April 1903 durch Enthüllung seines Denkmals einzulösen.' — Zu den Verhandlungen zwischen Botha und Kitchener wird der „Voss. Ztg.' aus London, 11. März, geschrieben: Noch am Sonnabend meldeten die Zeitungen, daß am Montag die Waffenstreckung Bothas stattfinden und somit der langersehnte Friede gesichert sein werde. Der Montag ist gekommen, aber Bothas Unterwerfung hat er nicht gebracht. Die Zeitungen sind kleinlaut ge worden, und empfehlen ihren Lesern Geduld; genau dieselbe Sprache haben sie seit zwölf Monaten geführt. Geduld und immer wieder Geduld. Mit Louis Botha und seinem Bruder Christian ist wiederholt über die Waffenstrcckung unterhandelt worden, immer erfolglos, so daß dieses nicht die erste Enttäuschung ist, die dem englischen Philister zutheil wird. General Buller hat bekanntlich am Laings Nek mit Christian Botha unter handelt ; aber die Unterhandlungen zerschlugen sich, weil der Burengeneral politische Unabhängigkeit verlangte. Am Vorabend der Schlacht am Diamond Hügel, östlich von Pretoria, fanden ebenfalls Unterhandlungen statt zwischen Louis Botha und Lord Roberts; der letztere ritt aus dem englischen Hauptquartier zu einer Zu sammenkunft mit dem Burengeneral, als er unterwegs eine Botschaft erhielt, daß die Unterhandlungen abge brochen seien. Louis Botha hatte von den Erfolgen De Wels gehört und war entschlossen, weiter zu kämpfen. Auch seither ist gelegentlich unterhandelt worden. Wie cs scheint, hat Frau Louis Botha, die in Pretoria wohnt, das Amt einer Unterhändlerin übernommen. Es ist gar wohl möglich, daß in diesen Unterhandlungen die britische Regierung immer den ersten Schritt gethan hat. Daß das Kabinet des Lord Salisbury ängstlich bemüht ist, diesen äußerst kostspieligen Krieg möglichst bald zu Ende zu bringen, liegt auf der Hand. Das Publikum urtheilt heute ganz anders über den Burenkrieg als noch vor einem Jahre. Selbst solche Leute, die nach der Einnahme von Pretoria die unbedingte Waffenstreckung als die einzig annehmbare Grundlage des Friedens er klärten, führen heute eine ganz andere Sprache. Man hätte es nie zum Krieg kommen lassen sollen, heißt es jetzt allgemein. Man ist nach dem Schaden klug ge worden. Und der Schaden ist gewaltig groß, ja er wächst jeden Tag an. Nach dem Kreditverlange» des Kciegsministers zu schließen, wird der Krieg über 120 Mill. Pfd. Sterl, kosten. Der Schatzkanzler hat seine Voranschläge sür das nächste Finanzjahr ausgearbeitet, hält aber mit deren Vorlage noch zurück, weil er den Ausgang der angeknüpften Unterhandlungen abwarten will. Zerschlagen sie sich, so muß er Deckung für einen Fehlbetrag von mindestens 80 Mill. Pfd. Sterl, finden; die kann er nicht auftreiben ohne Erhöhung der Ein kommensteuer, wovon der Mittelstand am allerschwersten betroffen werde, oder durch Vertheuerung der Lebens- mittel durch Zölle, was den Arbeiterstand in Mitleiden schaft ziehen müßte. Der Burenkrieg trifft den englischen Bürger an seiner wundesten Stelle, an seinem Geld- beutel; je länger der Krieg dauert, desto größer wird John Bulls Friedensliebe. Das weiß man in Amster dam so gut wie in London, in Bothas Hauptquartier so gut wie in dem Lord Kitcheners. Bremen, 14. März. Die „Weser-Ztg." verzeichnet die Mittheilung, daß ein Schlossergeselle vor dem Unter- suchungsgericht ausgesagt habe, daß er die von Weiland bei dem Anschläge auf den Kaiser benutzte Lasche am Abend des Kaiserbesuchs auf dem Domhof verloren habe. Damit bestätigt sich, fügt das Blatt hinzu, die Aussage Weiland's, daß er die Lasche auf dem Domhofe gefunden habe, wo auch eine Zeugin sie liegen sah. Köln, 14. März. Im benachbarten Niehl gestand ein Einwohner ein, vor acht Jahren Zeuge der Er mordung eines dortigen Gutsbesitzers gewesen zu sein, dessen Leiche an einem näher bezeichneten Orte ver scharrt wurde, er habe Schweigegelder empfangen. Die Mörder drohten, ihn gleichfalls zu ermorden, wenn er Verrath übe. Als die Staatsanwaltschaft energisch auf ihn einwirkl, den Thäter zu nennen, versuchte er, sich durch einen Sprung in den Rhein das Leben zu nehmen, wurde indessen gerettet und nunmehr abgesührl. Die Ermordung des allseitig geachteten Gutsbesitzers rief da mals große Erregung hervor. Seitens des Staatsan walts wurde nunmehr eine Nachgrabung nach der Leiche aus dem bezeichneten Acker angeordnet. Gumbinnen, 14. März. Der „Preuß.-Lithaulschen Ztg." zufolge ist der Unteroffizier Marten heute früh 4 Uhr von dem Mililärposten am Stallupöner Thor in Ctvilkleidung ergriffen worden. Er war bereits nach dem Stallupöner Kreise entkommen und kehre angeblich zurück, um sich selbst zu stellen. Rußland. — In Rußland zieht die Studentenbewegung immer weitere Kreise. Nicht allein, daß sie von Petersburg nach Kiew, Moskau, Charkow gedrungen ist, sie hat überall auch die Gährung unter den Arbeitern und be sonders den Fabrikarbeitern zum Ausbruch gebracht. In Moskau fanden große Arbeiterlumulte statt, woran sich nicht weniger als 4000 Arbeiter bethciligten. Es mußte Militär aufgeboten werden, und es gelang erst Halbweges Ruhe herzustellen, als die Haupträdelssührer verhaftet waren. In Charkow nahmen die Unruhe» noch größeren Umfang an. Diese Bewegungen hängen mit den Studenlenunruhen auf das Engste zusammen. Ueberall werden die Arbeiter durch Studirende aufge hetzt. In Petersburg ist unter der studirenden Jugend ein regulärer Streik ausgebrochen. An der Universität, dem technologischen Institut, der Berg- und Forstakademie besucht kein Student die Vorlesung. Es herrscht große Besorgniß, da man eine so allgemeine, einmüthige Un zufriedenheit nicht im Entferntesten geahnt hat. Der Gesundheitszustand des Cultusminsters Bogolepow, auf den bekanntlich von einem ehemaligen Studenten der Dorpater Universität Karpowitsch geschaffen wurde, läßt immer noch zu wünschen übrig. Proffeffor von Berg- mann, der zwecks Operation von Berlin hierhergerufen wurde, hat dieselben nicht ausgeführt, da die Kugel an einer ungefährlichen Stelle stecken geblieben ist. Der Czar besuchte den kranken Minister, doch verbot ein kaiser liches Circular, daß darüber in den russischen Zeitungen irgend etwas veröffentlicht würde. Oertliches und Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, den 15. März. — Vom 1. April ab werden Stückgüter an den Werktagen vor Sonn- und Festtagen bei der hiesigen Güterverwaltung nur bis 6 Uhr Abends angenommen. — Zu Ostern gelten im Bereiche der Sächsischen StaatSbahnenverwallung die am 26. März d. I. und an den folgenden Tagen gelösten gewöhnlichen Rückfahr- karten von tarifmäßig kürzerer Dauer bis zum 19. April d I. einschließlich. Die Vergünstigung erstreckt sich so wohl auf die Rückfahrkarten und Rundreisekarten im sächsischen Binnenverkehre, als auch auf die Rückfahr karten im Verkehre mit Stationen der meisten außer sächsischen, insbesondere der preußischen Bahnen. Das Nähere ist aus den Bekanntmachungen zu ersehen, die auf den Stationen angeschlagen sind. — Für das Feuerlöschwesen im Königreich Sachsen sind im Jahre 1899 rund 400 000 Mk. aus sächsischen Staatskassen ausgegeben worden. An Spritzenprämien und Belohnungen für Hilfeleistungen wurden 30516 Mark gewährt, an Beihilfen zu den Kosten des örtlichen Feuerlöschwesens 213 502 Mk, zur Anschaffung von Spritzen u. s. w. an 26 Gemeinden 22 800 Mk. Hierzu kommt noch alljährlich der sogenannte Feuerwehrsouds von 30 000 Mk., sodaß insgesammt die Summe der ge währten Unterstützungen 398 818 Mk beträgt. Rechnet man den ziemlich gleichen Betrag, welcher von den Mobiliarversicherungsgesellschaflcn gesetzlich zugeschossen werden muß, so beziffert sich die Summe, welche im Jahre 1899 aus Staatsmitteln und durch gesetzliche Zuschüsse den sächsischen Ortsfeuerlöschkassen zugeflossen ist oder für das Feuerlöschwesen ausgegeben wurde, auf etwa ^4 Millionen Mark. — Die ostasialische Verlustliste Nr. 10 weist die Namen dreier verwundeter und sechs todter Chinakämpfer auf. Unter Letzteren befindet sich ein Sachse, der Tambour Paul Richter aus Thiemendorf bei Flöha, der seiner Zeit bei der 8. Compagnie 6. Jnf.-Reg. „König Wilhelm II. von Württemberg" Nr. 105 in Straßburg eingetreten und demnächst der 4. Compagnie 6. Ostasiatischen Infanterieregiments überwiesen worden war. Als Tobte werden in der Liste weiter aufgesührt Sergeant Müller aus Banerwitz in Schlesien und die Musketiere Metzmcyer aus Baden im Gcoßherzogthum, Wiersch aus Drietz, Platz aus Hohnau und Mecke aus Conradsdorf bei Reißen; als verwundet bei der Ex plosion des großen Arsenals zu Peking am 16. Dezbr. die Kanoniere Droht aus Ullersdorf, Kreis Bunzlau, Flügel aus Oberalphen, Kreis Landshut, und Musketier Hartzsch aus Fraureuth im Fürstenthum Reuß. — Ein interessantes Geschäft hatte der Vertreter der Gothaer Feuerversicherungsbank, Herr O. Eger in Grimma zu erledigen. Am 10. Dezember brannte im Kaiser- palast zu Peking das Winterquartier der 2. Eskadron des ostasiatischen Reiter-RegimentS ab. Zu hen Ge schädigten gehörte auch Herr Leutnant Kirsten, früher Adjutant des Königin-Husaren-RegimentS, und zwar be trug sein Verlust 1500 Mk. Dieser Betrag wurde ihm, da coulanter Weise die Gesellschaft die auswärtige Ver-- sicherung auch auf die Chinasahrer ausgedehnt hat, als bald überwiesen. Stollberg, 14. März. Wegen verweigerter Lohnerhöhung haben am Montag Vormittag sämmtliche Accordarbeiter der Strumpfwaarenfabrik von Albin Drechsel in Gornsdorf die Arbeit eingestellt. — Ein gräßlicher Unglücksfall trug sich am Montag in der Wolfschen Holzwoarenfabrik zu. Beim Auflegen des Riemens wurde der Arbeiter Gebhardt von der Trans mission erfaßt und viele Male herumgeschleudert, bis der Körper, dem sämmtliche Kleidungsstücke herabgerissen waren, als Leiche herunterficl. Der Unglückliche hatte das Genick wie überhaupt fast alle Knochen gebrochen. Leipzig, 14. März. DaS Befinden der durch Beilhicbe verletzten Frau Schuster ist ein solches, daß ihr Leben nicht gefährdet erscheint. Ihr Mann war nach dem Verbrechen geflüchtet und wurde im Walde aufgefunden und verhaftet. Chemnitz, 14. März. Heute, am 11. März, sind 25 Jahre verflossen, daß die Firma Max Kohl b-gründet wurde. Dieses Jubiläum bot den städtischen Collegien eine» Anlaß, dem jetzigen neuen Etablissement an der Adoifer Straße, den Werkstätten für Präcisions- mechanik und Elektrotechnik, einen Besuch abzustatten. Der Geschäftsbetrieb zerfällt in fünf verschiedene Ab- theilungen und erstreckt sich auf die Herstellung 1. von Apparaten für den Unterricht in der Physik und Chemie, 2. von Einrichtungen physikalischer und chemischer Hörsäle und Laboratorien, 3. von Apparaten zur Er zeugung und Verwerthung der Röntgenstrahlen, 4. von Meß- und Controllapparaten für die Textil- und Papierindustrie, 5. von electrischen Licht-, Kraft- und Telephonanlagen. Das Gesammtpersonal beträgt zur Zeit etwa 175 Mann. Der Besitzer deS Etablissements ist ein Sohn des früheren Chemnitzer Superintendenten Kohl und ein Bruder des bekannten BismarckforscherS Professor vr. Horst Kohl vom hiesigen königlichen Gymnasium. — Auf dem ersten Brückenbergschacht beiZwickau stürzte am Mittwoch Abend der Zimmerling Krauß von der 3. Sohle in den Sumpf und war sofort todt. Löbtau, 14. März. Die Löbtauer Blutthat wurde gestern Abend in der Sitzung des Gemeinderathes vom Gemeindevorstand Weigert in die Debatte gezogen. Die eingehendsten amtlichen Untersuchungen hätten ergeben, daß die Frau Kunte nur ein einziges Mal am Sonn- abend vor der That zu ihren Arbeitskolleginnen so ganz nebenbei geäußert har, daß ihr Mann irres Zeug ge redet habe. Das noch lebende 11jährige Mädchen be findet sich ständig auf dem Wege der Besserung und werde, was von dem behandelnden Arzt versichert wird, vielleicht bleibenden Schaden an ssiner Gesundhhcit nicht davontragen. Das Kind soll nach seiner völligen Ge- nesung in gute Pflege gebracht werden. Der Gemeinde vorstand machte ferner die Mittheilung, daß der Mörder Kunte, der jetzt zur Beobachtung im Siechenhaus ist, nach Mittheilung der Königl. Staatsanwaltschaft wahr scheinlich in etwa vier Wochen wieder auf freien Fuß gesetzt werden soll. Und zwar aus dem Grunde, weil strafrechtlich gegen K. nicht vorgegangen werden kann, da er die That im augenblicklichen Wahnsinn verübt hat, weil er aber nickt so geisteskrank ist, daß seine Unter bringung in einem Irrenhaus« möglich wäre. Diese Mittheilung wäre kaum als wahr hinzunehmen, wenn sie nicht von competeuter Stelle gemocht worden wäre. Mittweida. 14. März. Die hiesigen Schneider gehilfen sind in eine Lohnbewegung getreten. Sie fordern eine Lohnerhöhung um 10 bis 20 Prozent, sowie die Regelung verschiedener Werknattangelegenheiten. Gerichtsverhandlungen. 8 Das Schwurgericht zu Zwickau verurtheilte die ledige Dienstmagd Kleber aus Kührieth in der Ober pfalz wegen versuchten Todtschlags an ihrem neuge borenen Kinde zu 3 Jahren Gefängniß. tz Schönfels, 13. März. Der hier wohnhafte, oft vorbestrafte Tagelöhner Friedrich Wilhelm Schenk, im Jahre 1873 in Treuen i. V. geboren, wurde von dem Zwickauer Schwurgericht wegen Unterschlagung und Brandstiftung zu 3 Jahren 2 Monaten Zuchthaus bei 6jährigem Verlust der Ehrenrechte verurtheilt. Der Angeklagte war in vollem Umfange geständig, seinem früheren Dienstherrn, Rittergutsbesitzer Uhlig in Neu schönfels, 100 Mk. veruntreut und schließlich noch eine Scheune des Gutshofes in Braud gesteckt zu haben. Das unterschlagene Geld hat der Bursche verpraßt, fingirte aber, um seine That zu verheimlichen, einen Anfall, dessen Opfer er geworden sei. Die Scheune setzte er vorsetzlich in Brand, um „gleich ins Zuchthaus zu kommen." Die Scheune brannte total nieder. Zwei Schuppen waren sehr in Gefahr. Der Schaden an Gebäuden beläuft sich auf 6500 Mk., derjenige an Erntcvorräthen auf 8200 Mark. 8 Berlin. Der große Sternberg-Prozeß, der ein so furchtbares Aufsehen erregte, wird am Montag vor der siebenten Strafkammer des Königlichen Landgerichts Berlin 1 eine zweite Auflage erfahren. Wenige Tage vor Weihnachten endete bekanntlich der große Prozeß mit der Verurtheilung Sternbergs zu 2 Jahren Zucht haus und 5 Jahren Ehrverlust. Kaum war dies Ur theil bekannt geworden, da lies bei der Staatsanwalt schaft die Anzeige ein, daß der achtzehnfache Millionär sich noch weiter arger Sittlichkeitsverbrechen schuldig gemacht habe. Sein Absteigequartier war nicht nur in der Alexandrinenstraße 3d bei Fischer. Er trat außerdem mit einer bestraften Kupplerin in der Putl- kamerstraße 8 in Verbindung. Bei dieser, einer Wittwe Riewe, die daselbst zu ebenener Erde eine größere Wohnung unterhielt, hatte er sich im Jahre 1898 ein Zimmer mit besonderem Eingang für den monatlichen Miethspreis von 50 Mark gemiethet. Die Riewe be schäftigte als Auswärterin die damals noch nicht 15jährige Gertrud Kaper. Letztere, ein auffallend hübsches Mädchen, Tochter armer, aber sehr anständiger Eltern, erregte das Wohlgefallen Sternberg. Die Riewe verstand es, nicht bloß die Gertrud, sondern auch deren jüngere Schwester, die damals 13jährige Klara Kaper, dem Sternberg zuzuführen. Letzterer soll mit beiden Mädchen unzüchtigen Verkehr unterhalten haben. Wegen des Verkehrs mit der Gertrud Kaper hat deren Vater, der von diesen Vorgängen erst am 19. Dezember 1900 Kenntniß erhalten hat, am 24. Dezember, aus grund des 8 182 des Strafgesetzbuches, Strafantrag gestellt. Bankier Sternberg und die seit Weihnachten verhaftete Riewe haben sich daher am Montag vor eingangs be zeichnetem Gerichtshöfe zu verantworten.