Volltext Seite (XML)
— Als völlig unbegründet wird die Meldung be- zeichnet, datz da« Kriegsgericht des 15. Armeekorps die zwölfjährige Zuchthausstrafe de- Oberleutnants Rüger, der bekanntlich in Mörchingen am Geburtstage des Kaisers den Hauptmann Adam erschoß, in vierjährige Festungshaft umgewandelt und die Ausstoßung Rüger« au« dem Heere ansgehoben habe; die Angelegenheit be findet sich zur Zeit in der Berufungsinstanz. — Die „Post" schreibt: Dem „Manchester Guardian" wird aus Hewyork gemeldet, Deutschland treibe nach amerikanischer Ansicht die Chinesen dadurch zur Verzweiflung, daß es nun auch die Köpfe gewisser chinesischer Provinzialbeamten fordere. Die stetigen neuen Forderungen Deutschlands müßten den Argwohn erwecken, daß dieses chinesisches Gebiet zu annektiren be absichtige. Wir bemerken demgegenüber, daß, nachdem die Gesandten der Mächte in Peking die Frage be treffend die Bestrafung der Anstifter und Führer der fremdenfeindlichen Bewegung in Tschili erledigt haben, es sich nunmehr um die Sühne jener Metzeleien handelt, die in verschiedenen anderen chinesischen Provinzen statt gefunden haben, bei denen Missionare verschiedener Nationalität — vorwiegend jedoch Engländer und Amerikaner — ermordet worden sind. Die Frage, welche chinesischen Provinzialbeamten die außerhalb Tschilis begangenen Verbrechen gegen Fremde mit dem Tode zu büßen haben, ist durch Vertreter jener Länder geprüft worden, die bei diesen Metzeleien Angehörige verloren haben. Zur Zeit liegen die betreffenden Forderungen dem Gesandten-Kollegium in Peking vor, und nach Lage der Dinge handelt es sich nicht um deutsche, sondern — neben englischen — in erster Linie um amerikanische Forderungen. Es ist daher jedenfalls ein starkes Stück, trotz dieser Thatsachen Deutschlands Politik in China verdächtigen und verleumden zu wollen und ihr anzuhängen, daß sie in China „zur Verzweiflung treibe." — Die Gemeinde Zoar in Ohio, welche ein Stück unverfälschten deutschen Wesens in Amerika darstellte, hat nun aufgehört zu bestehen. Im Jahre 1817 waren etwa zweihundert Mitglieder einer Sekte aus Württem. berg nach Amerika ausgewandert. Ihr Führer war der Weber und Schullehrer Joseph Bäumeler. Die Leute siedelten sich in dem damals noch vollständig mit Urwald bestandenen nördlichen Ohio an, wo sie 5000 Acres Land erwarben und urbar machten. Ihr Gemeinwesen, das sie Zoar nannten, wurde nach kommunistischen Grund sätzen geführt und Hal als solches mehr als achtzig Jahre bestanden. So lange Bäumeler und sein „Jünger", der Gastwirth und Thierarzt Kreutzner, lebte, herrschte Ruhe und Frieden in dem kleinen Gemeinwesen. Später begannen aber Zwistigkeiten zu entstehen und schließlich haben die Gerichle angerufen werden muffen, die nun mehr eine Theilung des Vermögens unter die Mitglieder der Sekte angeordnet haben. Jedes Mitglied derselben erhält Land und Gebäulichkeiten im Werthe von fünf tausend Dollars. Bemerkenswerth ist es, daß in Zoar bis auf den heutigen Tag sich das Deutsche als Geschäfts- und Umgangssprache eihalten hat. — Wie aus Newyork gemeldet wird, ist Mr. Charles D. Schwab zum Direktor des neugcbildeten Riesen- Stahltrust mit einem Gehalt von 3200000 Mk. jährlich ausersehen. Dies ist das bei weitem höchste Gehalt, das in Amerika gezahlt worden ist. Schwab war Car- negies Geschäftsführer und sein vertrauter Geschäfts freund. Er begann als gewöhnlicher Arbeiter in Car- negies damals kleiner Betriebsanlage. Er war Tag und Nacht in seinem Betriebe thätig und wußte schließ lich ebensoviel oder mehr über die Operationen der großen Werke als Carnegie selbst. Er wurde sehr schnell befördert, wie in Amerika alle Leute seines Schlages; aber trotzdem ist das Steigen im Gehalt von 1000 M. jährlich zu 3200000 Mk. in noch nicht zwanzig Jahren auch für amerikanische Verhältnisse ein erstaunliches Faktum. Kiel, 28. Februar, In Friedrichstadt wurden die Dampfmühle, Windmühlen und Getreidespeicher der Finna Koeln durch Großfeuer zerstört. Rußland. Petersburg, 28. Febr. „Birshewija Wjedomosti" wirft einen Rückblick auf die deutsch-russischen Bezieh ungen und stellt dabei fest, daß der gegenwärtig be stehende Handelsvertrag ein sehr dankbarer Boden für die Entwickelung und Aufrechthaltung guter nachbar licher Beziehungen geworden sei. Der Artikel führt dann weiter aus, die Gefahr eines Krieges mit zwei Fronten sei für Deutschland durch den tzeutsch-russischen Handelsvertrag für absehbare Zeit geschwunden, ebenso die Möglichkeit eines deutsch russischen Krieges. Die absurde Doctrin, daß die industriellen und kommerziellen Beziehungen in den politischen Beziehungen keine Rolle spielen, und man daher einander wirthschaftlich ruiniren und dabei freundschaftliche Beziehungen beibe halten könne, sei nicht russischen Ursprungs. Oesterreich-Ungarn. — In österreichischen Abgeordnetenhause hat es wieder einmal eine regelrechte Prügelei gegeben. Abg. Freßl hielt eine Rede zum Protokoll, von der er selbst sagte, sie werde acht Stunden dauern. Zwei Stunden ertrug das Haus ruhig die tschechische Rede, während welcher der zweite Vizepräsident das Präsidium führte. Endlich brach Schönerer das schwüle Schweigen mit der Frage: „Ueber was sprechen Sie denn eigentlich?" Das war das Signal zu einem Skandal, der mit höhnischen Reden begann und bald in saftige Grob heiten ausartete, an denen sich auch die deutschen Abge ordneten der Linken betheiligten. Nachdem Vetter von der Lilie den Vizepräsidenten abgelöst und den tschechischen Redner auch nicht zum Schweigen brachte, kam es zu einer förmlichen Rauferei. Stein und Wolf waren zu den Bänken der Tschechen gegangen, um Freßl handgreiflich zu beweisen, daß seine tschechische Rede nicht zu ertragen sei. Die Tschechen kamen ihnen mit geballten Fäusten entgegen, und eine fürchter liche Balgerei folgte, während welcher der Lärm so groß war, daß man weder die Glocke noch die Stimme des Präsidenten hörte. Nach Wiederaufnahme der Sitzung sprach Freßl noch ganz kurze Zeit, dann brach er seine Rede ab, und die Alldeutschen gaben sich zu frieden. England. London, 28. Febr. Unweit des Leuchtschiffes an der Norfolker Küste collidirte gestern der Dampfer „Chamois", (3000 Registertons), von London nach Barcelona fahrend, mit einem noch unbekannten Dampfer. Letzterer sank nach zwanzig Minuten. Vier Mann stießen in einem Boot von „Chamois" ab behufs Rettung der Untergegangenen, verloren aber ihr eigenes Schiff und erreichten schließlich das Leuchtschiff. Der „Chamois" war stark beschädigt, sein Ausbleiben erregt Besorgniß. Die vier Geretteten vom „Chamois" erklären, mehrere vom untergegangenen Dampfer seien, solange die Schiffe zusammenhingen, auf den „Chamois" geklettert. Man fürchtet von großen Verlusten an Menschenleben. London, 28. Februar. Das Kriegsamt ver öffentlicht eine Statistik über die bisher nach Südafrika gesandten Truppen, wonach sich die Zahl derselben bis 1. Januar im Ganzen auf 282 379 Mann beläuft. Davon sind 107 633 Mann durch Tod, Krankheit oder sonstige Ursachen umgekommen. Belgien. Antwerpen, 28. Februar. 500 Italiener sind hier eingetroffen und werden von belgischen Agenten nach Harwich befördert, von wo sie als Freiwillige nach dem südafrikanischen Kriegsschauplatz eingeschifft werden. OerLliche^ rneS Sächsischem. Hohenstein-Ernstthal, den 1. März. — Ortskrankenkasse. Am Donnerstag Abend fand im Stadthaus eine außerordentliche Generalver sammlung der Allgemeinen Ortskrankenkasse statt. Der einzige Punkt der Tagesordnung betraf die nochmalige Berathung bez. Beschlußfassung über das einzuführende Klassensystem. Die vorgeschlagene Aenderung der be treffenden Paragraphen wurde angenommen. Darnach werden 7 Klassen eingeführt und beträgt der wöchent liche Beitrag im Ganzen in der 1. Klasse (Arbeitsver dienst wöchentlich 21 Mk. oder mehr) 48 Pfg., m der 2. Klasse (16.50—20.99 Mk.) 36 Pfg., in der 3. Klasse (12.00—16.49 Mk.) 30 Pfg., in der 4. Klasse (9.00—11.99 Mk.) 21 Pfg., in der 5. Klasse (6.00 bis 8.99 Mk.) 15 Pfg., in der 6. Klasse (3.60—5.90 Mk.) 10 Pfg. und in der 7. Klasse (unter 3.60 Mk.) 5 Pfg. Diesen erhöhten Beiträgen entsprechend wird auch die Krankenunlerstützung erhöht, und zwar auf 12 Mark 1. Kl., 9 Mk. 2. Kl., 7.50 Mk. 3. Kl., 5.28 Mk. 4. Klasse, 3.75 Mk. 5. Kl., 2.40 Mk. 6. Kl. und 1.20 Mk. 7. Klasse. An Sterbegeld wird entrichtet: 80 Mark bezw. 60 Mk., 50 Mk., 35 Mk., 25 Mk., 16 Mark und 8 Mk. — Pohle-Co ncert. Nächsten Donnerstag, den 8. März, wird, wie aus dem Jnseratentheile zu ersehen ist, im Schützenhaus Altstadt wiederum ein großes Extra- Concert von der Chemnitzer städtischen Capelle, unter der persönlichen Leitung des Herrn Directors Pohle, stattfinden. Daß auch diesmal Herr Pohle seinen hiesigen Zuhörern etwas Außergewöhnliches bieten wird, ist gewiß sicher, dafür bürgen die schon vorangegangenen Pohle'schen Concerle. Eine Bitte läßt Herr Pohle dies mal zum Ausdruck bringen, daß während des ersten Theiles das Rauchen unterlaßen werden möchte. Diese Rücksichtnahme, daß wenigstens der zweite Theil „rauch frei" ist, wird gewiß jeder Besucher beherzigen. — Das Königliche Ministerium dcs Innern hat in einer Verwaltungsstreitsachc eines Mitgliedes einer Orts krankenkasse mit der betreffenden Kasse wegen Erstattung von 100 Mark verlagsweise bezahlten Arzthonorars auf eingelegten Recurs entschieden, daß eine Ortskrankenkasse nicht verpflichtet ist, die Kosten für bloße Consultation eines Specialarztes, der Nichtkasfenarzt ist, im Dring- lichkeitsfallc zu tragen. In der betreffenden Entscheidung heißt es, daß die Erstattung der Kosten, welche durch Zuziehung eines anderen Arztes ohne vorherige Zu stimmung der Kasse entstanden sind, der Kasse nur dann angesonnen werden könne, wenn diese Zuziehung noth wendig und durch die Dringlichkeit geboten gewesen ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Specialarzt war nicht zur Behandlung, sondern nur zur Consultation herbeigerufen worden. Da die Zuziehung eines Special arztes zu einer Consultation der Ortskrankenkasse aber überhaupt nicht ongesonnen werden kann, so hat sich das Kgl. Ministerium nach alledem veranlaßt gesehen, den Anspruch der Klägerin als unbegründet zurückzu- wcisen. Auch hat die Klägerin die entstandenen Kosten zu tragen. — Geldknappheit und wirthschaftliche Krise kommen auch im Geschäftsverkehre der sächsischen Sparkassen zur Erscheinung; sie haben eine Abnahme der Einzahlungen und eine Zunahme der Rückzahlungen zur Folge. Als ein Zeichen der Zeit ist hervorzuheben, daß im Jahre 1900 die Einzahlungen hinter den Rückzahlungen zurück geblieben sind. In der ganzen zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts — vielleit auch feit viel längerer Zeit — ist dies nur noch einmal, nämlich im Jahre 1881 der Fall gewesen, wo sich die Einzahlungen auf 83,511,546 Alk. und die Rückzahlungen auf 84,881,677 Mk. be zifferten. Im letztverflossenen Jahre 1900 betrugen die Einzahlungen 207 Mill. Mk., die Rückzahlungen 232 Millionen Mk — Bei der Besprechung, die sächsische und preußische Eisenbahnbeamte in Leipzig abhielten, handelte es sich um die Vereinigung sämmtlicher Bahnhöfe in Leipzig, den bayrischen Bahnhof ausgenommen, zu einem Central bahnhof mit etwa 20 Gleisen nach Art des Central- bahnhofes in Frankfurt a. M. Um die Bauten ohne Beeinflussung des Betriebes aussühren zu können, ist für 1902 die Errichtung eines JnterimSbahnhoseS auf dem Gelände des Hotel« „Stadt Rom" geplant. Alle in Leipzig einmündenden Hauptlinien werden voraus- sichtlich in die Richtung des Berliner Bahnhofes verlegt. Das am Magdeburger Bahnhose liegende Steueramt soll fallen. Ferner dringt die Neugestaltung der Bahn- hofsverhältnisse in Leipzig die Beseitigung des jetzigen UebergabebahnhofeS mit sich. Dem Vernehmen nach tritt an seine Stelle ein großer Rangirbahnhof in Engels dorf im Osten und ein neuer Güterbahnhof im Westen von Leipzig. Dresden. Nach zehnjähriger unermüdlicher Arbeit sind nunmehr mit der Vollendung des neuen Personen hauptbahnhofes in Dresden-Neustadt die großartigen Bahnbauten in unserer Residenz in der Hauptsache zum Abschluß gebracht worden und nachdem Belastungsproben durch 10—20 Lokomotiven die Sicherheit der sämmt- lichen neuen Anlagen ergeben haben, wird am heutigen Freitag früh in der 6. Stunde aufdenseiben mit der Ein fahrt des ersten Zuges dec öffentliche Verkehr seinen Anfang nehmen. Das Publikum kann sich im Gegensatz zum Dresdner Personenhaupibahnhof trotz des großen Um- fange» des neuen Bahnhofes in demselben mit Leichtig keit und Schnelligkeit zurecht finden und dies dürfte mit einen Hauptgrund bilden, daß der eben vollendete Per sonenbahnhof in Dresden-Neustadt sehr bald ein hervor ragendes Beispiel moderner Bahnhofrbauten werden wird. Tharandt. Der Vorstand des hiesigen Forstrent amts wurde am Dienstag Nachmittag wegen Unter schlagung im Amte verhaftet und an das Landgericht Freiberg abgeliefert. Auerbach, 28. Febr. Die König!. Staatsanwalt schaft zu Plauen hatte es abgelehnt, gegen den Bürger meister Kretzschmar in Auerbach wegen der dem Stadt. Verordnetenkollegium daselbst in der Sitzung vom 4. Dezember 1900 angeblich zugesügten Beleidigung öffent lich Klage zu erheben, weil diese nicht im öffentlichen Interesse liege. Infolge dessen hat nun das Stadt verordnetenkollegium in seiner Sitzung am Dienstag Abend beschlossen, gegen den Bürgermeister Privatklage wegen Beleidigung zu erheben. In derselben Sitzung ist auch beschlossen worden, einen Protest gegen die Er höhung des Getreivezolles zu erlassen. Gerichtsverhandlungen. § Zwickau, 27. Februar. Ein unverbesserlicher Spitzbube hatte heute in der Person des 1848 in Unter- triebe! geborenen zuletzt in Limbach i. S. aufhältlich gewesenen Handarbeiters Christian August Stieber die Anklagebank inne. Derselbe ist schon vielfach wegen Diebstahls allein 6 Mal bestraft und hat erst Ende December 1899 das Zuchthaus, in dem er 3 Jahre zu gebracht hatte, verlassen. Am 10. September v. I. ist er mit dem Steinsetzer Höfer aus Hohenstein-Ernstthal von Limbach, wo Beide arbeiteten, nach Hohenstein- Ernstthal gegangen und hat sich schließlich hier, nach dem sie mehrfach eingekchrt waren, mit in die Höfer'sche Wohnung begeben. Hier hat er, als Höfer auf dem Sopha eingeschlasen war, diese Gelegenheit benutzt, dem selben das Portemonnaie aus der Tasche gezogen und daraus etwa 26 Mark baares Geld gestohlen, mit dem er sich alsbald aus dem Staube machte. Später ist er in Leipzig ergriffen worden. Das Gencht schickte ihn diesmal auf 2 Jahre 6 Monate ins Zuchthaus, erkannte ihm die bürgerlichen Ehrenrechte auf 8 Jahre ab und erklärte seine Stellung unter Polizeiaufsicht für zulässig. Z Dresden, 28. Februar. Ein unerhörter Fall von Nahrunqsmittelfälschung wurde heute vom hiesigen Amtsgericht abgeurtheilt. Der Fleischermeister Thomas aus Weixdorf und dessen Ehefrau wurden mit 1 Jahr bezw. 5 Monaten Gefängniß verurtheilt, weil Beide eine vom Fleischbeschauer als stark tuberkulös bezeichnete Kalbslunge, die dieser in den Abort geworfen hatte, aus diesem wieder hervorgeholt und verkauft hatten. § Hanau, 28. Febr. Der Schuhmacher Hilpert aus Achsenfurth, der seinen Reisegefährten Neumann au« Braunschweig bei Gelnhausen todtschlug und beraubte, wurde vom Schwurgericht zu 15 Jahren Zuchthaus ver- urtheilt.