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faßt ist, aber man muß doch bedenken, daß der Akt seit zweihundert Jahren besteht und nicht ohne recht reifliche Erwägung abgeändert werden kann. — Am Freitag fragte im englischen Unterhause William Redmond an, ob der deutsche Kaiser der britischen Regierung seine Schiedsrichterdienste in der Frage der Beendigung des Burenkrieges angeboten habe. Cranborne verneinte diese Frage. Redmond fragt dann weiter: Will die Regierung erwägen, ob es räthlich ist, den deutschen Kaiser um seinen Schieds spruch zu ersuchen? Der Sprecher ruft hierauf Red mond zur Ordnung. Die Frage Redmonds bleibt un beantwortet. Auf eine Anfrage theilt Hicks Beach mit, der bisher ausgegebene Betrag an Kriegskosten belaufe sich auf 81500 000 Pfund Sterl., die wöchentlichen Kosten auf etwa 1 250 000 Pfund Sterl. Brodrick er klärt, nach einer kürzlich aufgestellten Schätzung betrage die Zahl der noch im Felde stehenden Buren etwa 20 000 Mann, im Januar waren mehr als 16 000 Mann als Gefangene in den Händen der Engländer, diese Zahl habe sich aber in der letzten Zeit noch erhöht. Amerika. Newyork, 23. Febr. Nach den letzten Meldungen aus San Franzisko kamen bei dem Untergange des Dampfers „City of Rio de Janeiro" 122 Personen, darunter 19 Offiziere, um. Die Uebrigen sind zumeist Asiaten. Gerettet sind 79, darunter 12 Kajüten-Paffa- giere und 11 Offiziere. Der englische Konsul in Hong, kong, Wildmann, ertrank mit Weib und Kindern. Der Kapitän des Schiffes, Ward, stand auf Deck, bis er rings von Wasser umgeben war. Er stieg sodann die Kommandobrücke hinauf, fortgesetzt Befehle ertheilend, bis er mit dem Schiff unterging. Unter den Geretteten befindet sich der deutsche Korvettenkapitän Hecht, der mit dem Rettungsgürtel über Bord gesprungen war. Das Schiff führte eine Ladung im Werthe von über einer halben Million Dollar mit, darunter 600000 Mark ge münztes Geld. — Zum Untergang des Dampfers „Nio de Janeiro" werden noch folgende Einzelheiten gemeldet: Die Ur sache der Katastrophe war das vorschriftswidrige Vor gehen des Lootsen Jordan, indem er der Anordnung des Kapitärs nachkam, trotz Nebels die Fahrt fortzusetzen. Ä)er Lootse war, da sich das Schiff im Hafen befand, dessen alleiniger Befehlshaber. Der Dampfer lag die ganze Nacht vom Donnerstag zum Freitag infolge Nebels vor dem Goldenen Thore still. Um 5 Uhr Morgens lichtete er die Anker und fuhr unter der Leit ung des Lootsen Jordan dem Hasen zu; bald da rauf fuhr er auf einen Felsen und Jordan scheint ge rufen zu haben: „Alles in die Boote!" Eine Scene wildester Verwirrung folgte. Die Passagiers und die Mannschaften drängten sich durcheinander in die Boote, während Viele über Bord sprangen. Der Kapitän Ward ließ jedoch einige Boote noch anlegen, um Frauen aufzunehmen, auch einige Männer wurden in den Booten untergebracht und diese ruderten zur Stadt weg. Drei Boote sind nach San Francisco ge kommen. Sobald diese eintrafen, wurden sofort Dampfer und andere Fahrzeuge zum Wrack geschickt. Der Kapitän Ward soll sich im Salon eingcschloffen haben und mit dem Schiffe untergegangen sein. Der Lootse Jordan wurde schwer verletzt. Es gab ein furchtbares Krachen, als der Dampfer auffuhr, aber er blieb während einer Viertelstunde in derselben Lage, dann neigte er sich plötzlich nach vorn und ging unter, wobei ein kleiner Boot mit zwei Leuten von der Mannschaft, welche die Lage des Schiffes untersuchen sollten, zerstört wurden. Die Leichen von vier Chinesen und zwei weißen Frauen sind schon an die Küste ge waschen worden. — Nachdem der Dampfer auf den Felsen aufgcfahren war, versuchte der Capitän, ihn an Land zu steuern, aber das cindringende Wasser brachte die Kessel zum Explodiren und er sank in tiefem Wasser. Einer der Officiere des Schiffes soll Selbstmord be gangen haben, als das Unglück geschah. Viele Passagiere waren an Deck gekommen, um den Hafen zu sehen, als das Schiff enüief. Als es anrannte, schienen die Frauen alle Fassung zu verlieren und schrieen, während die Osficiere und Mannschaften ebenfalls ver wirrt waren. Die Chinesen waren noch mehr von der Panik ergriffen als dis Frauen; sie liefen an Deck, heulten und einige sprangen über Bord. Oertliches und Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, den 25. Februar. — Morgen DienLtag wird von Vorm. 9 Uhr ab in der Hausflur des hiesigen Nathhauscs das Fleisch eines wegen Tuberkulose beanstandeten Rindes in gekochtem Zustande, ü Psd. 40 Pig., öffentlich verkauft. — Die Geschäftsräume des Königlichen Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal werden am 1. und 2. März ge reinigt und können daher an diesen Tagen nur dringliche Sachen Erledigung finden. Die Musterung der Militärpflichtigen für den Aushebungsbezirk Hohenstein-Ernstthal findet im „Logen hails" statt. Es haben sich zu stellen: am 20. März früh '/,8 Uhr die Mannschaften aus Hermsdorf, Langen berg, Meinsdorf und Oberlungwitz, am 2l. März früh '/,8 Uhr die Mannschaften aus Gersdorf, Tirschheim, dem Jahrgange 1879 der Stadt Hohenstein-Ernstthal, sowie aus dem Jahrgange 1880 mit den Anfangsbuch staben bis k', am 22. März früh '/,8 Uhr die übrigen Mannschaften der Stadt Hohenstein-Ernstthal aus den Jahrgängen 1880 und 1881. — Eine gut besuchte öffentliche Volksversammlung fand am Sonnabend Abend im Gasthaus zur Zeche statt. Herr ReichStagSabgeordnetcr Auer referirte über die geplante Getreidezollerhöhung und wendete sich in zweistündiger Rede gegen daS Verlangen der Agrarier, welche zu Gunsten einer verhältnißmäßig kleinen Zahl Landwirthe, die, wenn sie sich in Noth befänden, die Schuld durch zu theueren Erkauf oder unnöthige Be lastung der Güter selbst trügen, das Brod der großen Masse des arbeitenden Volkes, der Klcinhandwerker und kleinen Beamten vertheuern wollten, sowie gegen die Regierung, die sich geneigt zeige, dieses Vorgehen zu unterstützen. Da nur Landwirthe mit 100 Hektaren Land und darüber Getreide verkaufen könnten, so kämen etwa nur 25 000 solcher Bauern in Frage, zu deren Vortheil die Millionen des deutschen Volkes geschädigt werden sollten. Der Redner berechnete die Mehraus gaben beim Eintritt der Zollerhöhung, er verbreitete sich über die mancherlei Nachtheile, die die Erhöhung des Getreidezolles mit sich bringe, ganz besonders wies er auf den in Aussicht gestellten Zollkrieg Rußlands mit Deutschland hin, wies ferner die Behauptung der Vertreter des Getreidezolles, diesen trage daS Ausland, zurück, bemängelte den Widerstand der Kreise, die den Getreidezoll befürworteten, bei Lohnforderungen der Arbeiter, trat für gänzliche Beseitigung der Schutzzölle ein und forderte zum energischen Protest gegen die Er» Höhung des Getreidezolles auf. Eine zur Verlesung ge brachte Resolution gegen die Getreidezollerhöhung wurde ohne Widerspruch angenommen. An der DiScussion betheiligte sich ein Herr Schneider auS Dresden, Ver treter der national-socialen Partei (Pfarrer Naumann's Richtung). Dieser erklärte, daß auch die National-Socialen auf dem Standpunkte der Socialdemokraten stehen und gegen die Getreidezollerhöhunq Front machen, dagegen aber von diesen abwichen, indem sie für die Colonial politik und für die Vervollkommnung der Land- und Seemacht einträten. Die Versammlung dauerte bis ^l Uhr und verlief ohne jede Störung. — Der Schueesturm am Sonnabend hat die StaatS- bahnen zumal in unserer nächsten Nachbarschaft in starke Mitleidenschaft gezogen. So ist am Sonnabend Nachmittag der '^5 Uhr von Wüstenbrand abgehende Personenzug zwischen Rabenstein und RöhrSdorf im Schnee stecken geblieben. Die Passagiere des Zuges geriethcn in eine sehr üble Lage, denn sie konnten sich nicht durch die hohen Schneewehen hindurcharbeiten und mußten wohl oder übel in dem Zuge bis Sonntag früh 3 Uhr auSharren, zu welcher Zeit es endlich einer von Wüstenbrand abgclassencn Gütcrzugsmaschine gelang, den Zug zu erreichen und unter unendlichen Mühen nach Wüstenbrand zuückzubefördern. Um in dem Zuge nicht zu erfrieren, hatten sich die Passagiere, unter denen sich auch eine Frau mit einem halbjährigen Kinde be fand, in einem Wagen vierter Klasse vereinigt, woselbst tüchtig eingeheizt wurde. Das in Limbach stationirte Zugspersonal ist erst gestern früh 9 Uhr über Ch.mnitz in Limbach eingetroffen. Um 11 Uhr Vormittags konnte erst der erste Zug wieder verkehren. — Das vorläufige Ergebniß der Volkszählung vom 1. December 1900 im Königreiche Sachsen crgiebt 4 199 758 Bewohner, was gegen 1895 einen Zuwachs von 412,070 d. i. 10,88 Procent bedeutet. — Die „Zeitschrift für die gesammte Textil-Jndustrie" schreibt: „In der Tagespreise wurde neulich mitgetheilt, daß der Zolltarif vor Mitte Mai nicht an den Reichs tag kommen könne. Wie wir von wohlunterrichteter Seite erfahren, läßt sich augenblicklich ein ganz bestimmter Termin, wann der Zolltarif an den Reichstag kommt, noch nicht angeben. Der Zolltarif nebst Begründung wird in wenigen Tagen im Reichsschatzamt sertiggestellt sein, muß dann aber erst den Ressorts im Reiche und in Preußen zur Begutachtung zugehen und kommt sodann an den Bundesrath. Hieraus ganz allein erklärt sich zur Genüge die Zögerung, sodaß in der That eine frühzeitige Einb ingung in den Reichstag wenig wahr scheinlich ist. In dieser Session wird er aber sicher noch eingebracht. Die Begründung des Zolltarifes im Reichsschatzamt war eine so umfassende Arbeit, daß sie allein 600 gedruckte Seiten Großfolio einnimmt, und die Arbeit war eine so mühselige und stellte so große Anforderungen an die Arbeitskraft der Beamten im Reichsschatzamt, wie sie vielleicht noch niemals , an die selbe gestellt worden sind. Blonderen Anlaß wird unsere Textil-Jndustrie haben, mit der Begründung zu frieden zu sein. Sie umfaßt allein, was unsere Industrie betrifft, 100 Seiten. Auch können wir schon soviel ver- rathen, jdaß die Specificirung eine weitgehende, jedoch lange nicht so weitgehend ist, wie etwa im französischen Zolltarif, wo womöglich jedes Gewebe eine besondere Tarifnummer bildet. Dagegen werden diesmal die Fehler, die z. B. bei Ausstellung des Zolltarifes von 1891 gegenüber der Schweiz und Belgien gemacht wurden, vermiedeu werden. Ganz genau sind diesmal unterschieden bei Geweben beschnittene, gesäumte, gestickte u. s. w., sodaß der Fehler, Unterrubrikcn unter einen gemeinschaftlichen Zollsatz, dec für einzelne dcrUnterrubriken abergarnichlpaßt,einzubeziehen, sich nichtwiedcrholen kann. Die einzelnen Sätze für Textilartikel werden im neuen Zoll tarif theils erhöht, theilS aber auch ermäßigt und theils unverändert bleiben. Die Behauptung, daß die Ein bringung deS Zolltarifes sich infolge einer mangelhaften Begründung im RelchSamt des Innern so lange ver zögere, ist ohne Grund. Die ungemein umfangreiche Arbeit der Begründung im Reichsschatzamt ist eine ge nügende Erklärung dafür. Außerdem involvirt die Thatsache, selbst wenn sie zutreffend wäre, keineswegs den Vorwurf gegen das Reichsamt des Innern, den ein Theil der Presse erhoben hat. Eine mangelhafte Be gründung in einzelnen Tarifsätzen kann der besten Be hörde passiren." — Hinsichtlich der diesjährigen größeren Truppen übungen hat Se. Majestät der König Folgendes be stimmt: Die Aufstellung der Zeiteintheilrng für die Uebungen der Armeekorps hat, unter möglichster Be rücksichtigung der Ernteverhältnisse, gemäß Felddienst- Ordnung und Truppenübungsplatzvorschrift zu erfolgen. Beim 19. (2. König!. Sächs.) Armeekorps wird eine Cavallerie-Division unter Führung des König!. Generals L Irr suita Generalmajor v. Broizem, aufgestellt. Bei Auswahl des Uebungsgeländes und Durchführung der Hebungen ist auf Einschränkung des Flurschadens Be dacht zu nehmen. — Der Reichskanzler Graf Bülow hat neben dem sächsischen Staatsminister v. Metzsch den Ehrenvorsitz im geschäftsführenden Ausschuß der „Deutschen Städte ausstellung, Dresden 1903" übernommen. König Albert hat das Protektorat angenommen. — E'ne Erbschaft von dreiviertel Millionen Mark ist der Stadt Dresden von dem verstorbenen Commercien- rath Consul SH!"*-'- h'nlerlassen worden und zwar hat derselbe die Stadt Dresden zur Univcrsalerbin eingesetzt. Die Summe soll für die Stadt und deren Wohllhätig- keitsanstalteu verwendet werden. So werden u. A. er halten daS Fied! ' '2 50 000 Mk., das Bürgerhospital 50,000 Mk., das vereinigte Frauenhospital 50,000 Mk. und das städtischc ^,.ccn- und Siechenhaus 50,000 Mk. Der ganze Nachlaß beträgt eine Million und fechshnnvert- tausend Mark. Hiervon sollen u. A noch folgende Legate abgezweigt werden: 50,000 Mk. dem dortigen Gemeinnützigen Verein für seine Ferienkolonien, 50,000 Mark der Gemeindc-Diaconie der KreuzkicLe, 100,000 Mark der Stadt GoSlar, in welcher der Erblasser ge boren worden ist, 30,000 Mk. der Stadt Glauchau für wohlthäiigc Stiftungen rc. Leipzig, 23. Februar. Zu dem Ottoschen Raub mord, der hier die Gemüther in Aufregung hält, ist zu melden, daß zwei Arbeitsburschen verhaftet und dec königlichen Staatsanwaltschaft überliefert worden, die der That verdächtig oder doch vielleicht Mftwiss-r sind. Beide junge Leute stammen aus Leipzig. — Nath und Stadtverordnete zu Zwickau haben über eine Verfügung der kgl. Kreishauptmannschast Beschwerde beim kgl. Ministerium des Innern geführt, weil die genannte Behörde dem Rathe verboten hat, ein ihm günstiges, vorläufig vollstreckbares Urtheil des kg!. Landgerichts durchzuführen. Es handelt sich um die Zuleitung der Schleusenwässer von Schedewitz in den städtischen Krebsgraben. Das Gericht hatte dem Rathe das Recht zugesprochen, diese Zuleitung zu ver hindern und die Kreishauptmannschaft hat untersagt, von diesem Rechte Gebrauch zu machen, da Schedewitz zur Zeit eine andere Ableitung für seine Schleusen wasser nicht besitzt. Die Entscheidung dieser Rechts frage ist wichtig für alle sächsischen Gemeinden. — Bei der Königin Marienhütte :n Cainsdorf soll in Kürze der Betrieb des Hochofens und der Ziegelei für längere Zeit eingestellt werden; auch ist mehreren Arbeitern, besonders Schlossern, wegen Mange! an Arbeit gekündigt worden. Kirchliches. Ein bemerkenswerthes Urtheil aus ^chinesischem Munde über die deutschen Missionare theilt die Rheinische Mission mit, dis in Südchina ein hoffnungs volles Arbeitsfeld besitzt. Auf Anordnung der chinesischen Behörden hatten sich dort zwar sämmtliche Europäer an die Küste zurückgezogen, aber die einge borenen Gehilfen konnten die Arbeit fast ohne alle Unterbrechung fortführen. Ais der Missionsarzt Dr. Olpp nach Tungkun zurückkchrte, sagten die dortigen Heiden, sie würden sein Hospital auf keinen Fall zer stört haben, sie hätten dessen Werth für die ganze Be völkerung längst erkannt. In diesem Kreis ist über haupt die Rheinische Mission während des Aufruhcs am wenigsten in Mitleidenschaft gezogen worden. Die französisch-katholischen Missionen und auch die dec amerikanischen Presbyterianer sind vielfach zerstört worden, die deutschen aber nicht. Nach einer Aeußer- ung des Tungkuner Kreismandarins ist das kein Zu fall. Er schrieb am 11. November v I. an den deutschen Konsul in Kanton: „Bei den vielen Unruhen in diesem Kreis sind niemals deutsche Missionsstationen beschädigt worden, ein Beweis, das; die deutschen Missionare geachtet sind und mit der Bevölkerung in Frieden und Harmonie leben, eine Anerkennung der deutschen Missionsthätigkeit, die in Zukunft reiche Früchte tragen wird." Die deutschen Missionare können sich dieses Urtheil gefallen lassen, nur hat leider der heidnische Pöbel in den weiter landeinwärts gelegenen Theilen der Kantonprovinz vor den deutschen Missionsstationen nicht immer Halt gemacht.