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hat sich von den Hinterlassenen des gestern verstorbenen Herrn Bürgermeisters Graf die Erlaubniß erbeten, ihn aus Dankbarkeit für die geleisteten treuen Dienste auf Kosten der Stadt beerdigen zu dürfen. Die Beisetzung, der eine Trauerfeier in unserer Hauptkirche vorausgeht, findet deshalb nun unter Theilnahme sämmtlicher hiesigen Vereine und Korporationen statt. Auch bleiben die hiesigen Schulen am Freitag nachmittag, dem Tage der Beisetzung, geschlossen. Das hiesige Rathhaüs trägt Trauerschmuck. Schandau, 4. Februar. Nirgends anderweit in Sachsen dürfte es vorkommen, daß ein Brautpaar mit den erforderlichen Trauzeugen rc., um zur Kirche zu gelangen, auf dem mit Treibeis gehenden Elbstrome fahren muß. Dieses Vorkommniß trug sich gestern im nahen Schmilka zu, das nach Schandau eingevfarrt ist. Im Elbthale und im Waldgebiete lag der Schnee der artig hoch, daß man es einem Brautzüge absolut nicht zumuthen konnte, den 1*/,stündigen Weg auf dem schmalen Elbpfade nach Schandau zurückzulegen, da es noch keine Straße von Schandau nach Schmilka giebt. Die Be theiligten wendeten sich daher an den Fährmeister von Postelwitz, der einen kleinen offenen Schraubendampfcr besitzt. Derselbe ließ sein Schiff stark anheizen und holte alsdann daS Brautpaar und die Hochzeitsgäste ab und förderte sie auch wieder nach Schmilka zurück. Trotz des starken Eisganges verlief die Fahrt ohne Störung. Gera, 4. Februar. Einen Scherz haben, wie die „Alt. Ztg." schreibt, mehrere Einwohner aus einem Vororte von Gera verübt. Sie kamen nämlich auf den Gedanken, eine Sammlung zum Besten der „armen" Engländer zu veranstalten, als Gegenstück zu den Buren- sammlungen. An ihrem Stammtisch wurde der Plan alsbald ausgeführt und „gesammelt" und auch insge- sammt — 13 Pf. zusammengescharrt. Fröhliche und schadenfrohe Gesichter gab es nun, denn es wurde be schlossen, die ganzen 13 Pf. ungesäumt an das englische Kriegsministerium nach London zu senden mit der Be merkung, diesen Betrag nach Belieben zur Deckung der Kosten für den südafrikanischen Raubkrieg zu verwenden, als Ergebniß einer „großen Sammlung" in den england- freundlichen Kreisen Geras. Nach Verlauf einer Woche kamen die 13 Pf. aus London wieder zurück. Die Spende war schnöde zurückgewiesen worden. Gerichtsverhandlungen. § Leipzig, 4. Februar. Der Streit der Ella Goltz mit der Reichsbank wegen der Werthpapiere des Oberfactors Grünthal wird die Gerichte noch weiter be schäftigen, nachdem das Reichsgericht jetzt das zu Gunsten der Goltz lautende Urtheil des Kammergerichts in Berlin aufgehoben hat. Ella Goltz, die jugendliche Geliebte Grünthals, dessen bedeutende Defraudationen und Fälschungen von Reichskassenscheinen damals Auf sehen erregten, halte im Jahre 1897, nach der Gehurt eines Kindes, von Grünchal eine Anzahl Actien der „Rheinisch-Westfälischen Industrie" und des „Rheinischen Stahlwerks" im Werth von ca. 531.00 M. zu ihrer und ihres Kindes Sicherheit geschenkt erhalten. Diese Papiere wurden bald nach der Verhaftung des Grünthal, im März 1898, mit anderen Papieren bei der Hebamme E., wohin die Goltz die Papiere gebracht hatte, be schlagnahmt. Die Goltz hat deshalb gegen die Reichs bank Klage erhoben auf Herausgabe der erwühuteu Papiere, welche ihr Eigenthum seren. Das Landgericht Berlin hat den Klageanspruch für gerechtfertigt ange sehen, und auch das Kammergericht Berlin, an welches sich die Reichsbank als Berufungsinstanz wandte, ver- urtheilte die Reichsbank in die Freigabe der Papiere, wenn die Klägerin einen ihr auferlegten Eid leiste, wozu die Klägerin sich auch bereit erklärte. Die Reichsbank beruhigte sich aber nicht bei diesem Urtheil, sondern legte Revision beim Reichsgericht ein, mit welcher sich der fünfte Civilsenat dieses Gerichtshofes zu beschäftigen hatte. Der höchste Gerichtshof kam zu einer anderen Ansicht als der 8. Civilsenat des Kammergerichts, indem er das Urtheil aushob und die Sache einem anderen Senate des Berufsgerichls zuwies. Zur Aufhebung führte, wie das Urtheil sagt: Daß, wenn der Beruf. ungSrichter auch die Frage "der Hehlerei und Theil nahme beachtet hat, so hat er doch nicht genügend das Landrecht und das neue bürgerliche Gesetzbuch in Betracht gezogen, und hätte die Frage prüfen müssen, ob nicht ein Verstoß gegen die guten Sitten darin zu finden sei, daß die Klägerin ein Geschenk in Höhe von ca. 53 000 M. annahm, obgleich sie wußte, daß diese Papiere durch Mittel erworben, welche durch die gefälschten Banknoten erzielt waren? — Das Urtheil des 8. Civilsenats des Kammergerichts Berlm wurde deshalb aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung an den 9. Civilsenat des KammcrqerichtS zurückverwiesen. tz Bei einer Schießübung in Neisse hatte am 29. November der Musketier Hasler vom 23. Infanterie- Regiment fahrlässig durch einen scharfen Schuß zwei Pioniere getödtet und einen dritten verletzt. Vom Kriegsgericht wurde Haßler am Sonnabend zu sieben Monaten Gefängniß, der die Korporalschaft führende Unteroffizier zu sechs Monaten Gefängniß und der Leutnant, der damals die Aufsicht führte, zu 14 Tagen Stubenarrest verurtheilt. Vermischtes. * Der frühere Kommerzienrath Wolff verläßt dem nächst das Plötzenseeer Gefängniß, nachdem er dort die 10 Jahre Gefängniß verbüßt hat, die ihm im Jahre 1890 wegen betrügerischen Bankerotts zudiktirt worden sind. Wolff, der ehemalige Inhaber der großen Bank firma Hirschfeld und Wolff, bei deren Zusammenbruch auch die Kaiserin Friedrich einen erheblichen Betrag verlor, verläßt die Anstalt als ein an Leib und Seele gebrochener Mann. Jahrelang schon liegt er in der Lazareth-Abtheilung an einer hartnäckigen Zuckerkrank heit. Trotzdem der Geheime Sanitätsrath Dr. Baer als erster Gefängnißarzt mehrfach die vorzeitige Ent lassung des W. befürwortet hatte, waren alle Ent- laffungs- und Begnadigungsgesuche an dem ablehnen- dn Verhalten der Staatsanwaltschaft gescheitert. * Oeffentlicher Sklavenhandel in San Francisco. Ung-Ah Gow, der im Chinesenviertel von San Francisco ein Restaurant mit „Damenbedienung' betreibt, ist auf amerikanischem Boden den Bräuchen des himmlischen Reiches treu geblieben. Die Heben, die in seinem Restaurant Thee und Neismein auftragen, ersteht er durch Geschäftsfreunde auf dem Sklavenmarkt in Kanton, auch glaubte er nach nachahmungswürdiger chinesischer Sitte vor Anbruch eines neuen Jahres seine Schulden bezahlen und dadurch sich den guten Willen der Götter erkaufen zu müssen. Das chinesische Neujahr steht nun vor der Thür und Ung-Ah-Gows Schulden waren so beträchtlich, daß er sich genölhigt sah, das lebende wie lodte Inventar seines Restaurants zu verauktioniren. Geschirr und Möbel wurden für einen Spottpreis los geschlagen, die Kellnerinnen aber brachten ihrem bis herigen Eigenthümcr Summen von je 6-—10 000 Mk. ein. — Ung konnte nun zwar seine Gläubiger befriedigen, aber es blieb ihm nicht genug Geld, ein neues Restaurant auszustatten, so verschaffte er sich dieses, in dem er auch die eigene 12jährige Tochter dem Auktionator übergab. — 20 000 Mk. erzielte diese Waare, die an scheinend willig dem neuen Besitzer folgte, aber es ver stand, einen Brief an die Missionsschule in San Francisco zu schicken. Agenten derselben befreiten sie. Die hohe Obrigkeit sieht angesichts solcher Vorgänge selten zum Einschreiten sich veranlaßt und regle auch in diesem Falle sich nicht. — Fragt man dort am goldenen Thcre einen Polizeibeamten, wie er denn derartige Dinge dulden könne, sc erhält man die mit maßlosem Erstaunen gegebene Antwort: „Ja sehen Sie denn nicht, daß das Chinesen sind, die treiben eS einmal nicht anders." Die Stadl stellt Führer an, die ihre beträchtlichen Ab gaben entrichten und Fremde in die Geheimnisse des Chinesenviertels einweihen. Die guten Studtväter aber sind der Ansicht, daß man dort Gesetzesübertretungen schon deshalb nicht stören dürfe, weil Chinatown da durch seinen originelle» Chrraklec und die Stadt Fremden besuch einbüßen würde. HarrHeks-Nachrichten. Oori'.n, 6. Februar. (Wechsel-Cours). ltauL- Oiseaiit Mark Amsterdam 3',. 6 T 169,35 B per 100 fl. b. " ' 2M -168,20 G Brüssel und Antwerpen 8T 81,20 G pr. 100 Francs. 3M 80,45 G Italienische P.ätze - 10 T 76,8) G pr I00 Liere ° 2M — Schweiz. Pl. I0O Fre. - 10 T 81,— G London o 8 T 20,47 G pr. 1 Lstrl. 4 3M 20,27 G Madrid und Barcelona 5 "T — p:. 100 Pesetas 5 2M — Paris 3 ST 81,40 G p:: 100 Franc 3M 80,75 G Petersburg 5'/, T — vr. io» Rubel "3M — Marschau 100 Rubel 5'/, 8 T — Wie, ,,, 8 T 84,90 G per 100 Kr. 3 W. "3M 84,— G Reichsbank 5"/», Lomb.-Z.-F. 6°/» Herlin, 6 Febr. Spiritus 70er loco ohn- Fab 44,20 M. Umsatz: Id 000 Liter. K»^<Indlir« 0. Febr. Kornzucker cxc'. 84 "/g Rendement 10, 0 bis 10,25. Nachvrodu te exc!. 75"/» Rendement 7,70 bis 8,05. Stimmung: Ruhig. Krystallzucker 1 28,95. Brod- raffinade I 29,20. Ge n. Raffinade mit Faß 28,95 Gem. Melis i mit Faß 28,45. Rohzucker I. Product Transito f. a. B Hamburg per Febr. 9,30 Gd, 9,27'/, Br., per März 9,30 bcz., 9,35 Br., per Mai 9,50 Gd., 9,52'/, Br., per Aug. 9,70 Gd., 9,72'/, Br., per Sept. 9,20 Gd., 9,25 Br. Tendenz: Stetig. Uumdor . 0. Febr. Weizen stetig, Holsteiner loco 146 bis 156, La Plata 137—138. — Roggen ruhig, südruss. cif. Hamburg III bis 113, loco 112—114, Mecklenburgischer 136 bis 144. Mais ruhig, loco 105,50. — Hafer stetig, Gerste ruhig. Wetter: Schön. t-rviue», 6. Fedruar. (Baumwolle!. Tendenz: Matt. Upl. middl. loco 50'/« Pfg. lckvarp"0l, 6. Febr. (Baumwolle.) Muthmaßlicher Umsatz: 8000 Ballen. Stimmung: Ruhig. Im dort: 35000 Ballen. Preise '/,« bis '»« niedriger. Umsatz: 8000 davon für Ballen, Speculation und Export 50 > Ballen verkauft. Amerik. stetig, '/„ höher, Osrindischc ruhig, Egypter unverändert. Middling amerik. Lieferungen. Febr.-Marz 5'°/,« Käufer, April-Mai 5"/»« Verkäufer, Juni-Juli 5'/,« Käufer, Aug.- Sept. 4"'/«« Verkäufer. Zahlungseinstellungen: Kaufm. Fritz Kadisch, Gasglühlichtfabrik, Berlin. Kfm. Siegmund Salomon, Berlin. - Fabrikant Herm König, Charlottenburg. Kaufmann Eugen Friedr. Raff, Dresden. Kaufm. Carl Ludwig Bibow, Fried land (Mecklb.). Kaufm. Max Herrmann, Görlitz. Material- waarenhändler Julius Oskar Dähle-, Großschönau. Gold- und Silberwaarcnh. Carl Moritz Oskar Steisinger, Hamburg. Kaufm. Conrad Koch, Kesselstadt-Hanau. Kaufm. A. Feftecsen, Neukalen. Kfm. Emil Adolf Rentsch, Schlettau-Scheibenberg. Kaufm. Otto Siegel, Sprottau. Kaufm. Fr. Joseph Schade, Weißensee, Thür. Notirungen der Produkten - Börse zu Chemnitz, am 6. Februar 1901, Mittags ^1 Uhr. Witterung : Trübe. Tendenz: Besser. Getreide. Weizen, fremder do. sächsischer Roggen, hiesiger do. niederländisch-sächs. u. preuß. do. fremder Gerste, Brauwaare, fremde do. Brauwaare, sächsische do. Mahl- und Futterwaare Hafer, preußischer und sächsischer, neuer Mais, grobkörnig do. mittel do. Cinquantin Erbsen, Kochwaare do. Mahl- und Futterwaare Rodgenkleie Weizenkleie, grob Alles pr. 1000 Kilo netto. 160—188 Mk. 149—154 „ 145—148 „ 152—154 „ 153—157 „ 170—190 „ 150—160 „ 130—150 „ 141—147 „ 121—123 „ 131—136 „ 144—150 „ 190—220 „ 000-000 „ 104—106 , 98—100 „ Obige Preise verstehen sich für Quantitäten von 10000 Kilo an Mehl. Kaiser-Auszug Mk. 30,00 Weizenmehl 00 „ 24,00 bis 25,00 do. 0 „ 22,50 „ 23,50 Roggenmehl 0 „ 23,50 „ 23,75 do. I „ 21,50 „ 21,75 pro 100 kx. netto. Comteß Kathrein. Roman von B. d. Lancken. 12. Fortsetzung. „Wenn Du lebtest, lieber, alter Papa", sagte sie, dem Oelgemälde zunickend, das über ihrem niedlichen Schreibtisch hing. „Du würdest Deine kleine Kath'rin lieb haben." An demselben Nachmittag irrte Hans Frobenius ziellos durch die Straßen, aber so wett er sich auch von der Thiergartenstraße entfernte, er kam immer wieder dahin zurück; seit er wußte, daß Elisabeth heim gekehrt, ließ ihn das Verlangen, sie wiederzusehen, nicht los und endlich konnte er demselben nicht mehr wider stehen ; er lenkte seine Schritte nach dem ihm bekannten Hause, läutete und fragte beim Pförtner, „ob Fräulein von Kottwitz zu Haufe sei." Der Mann bejahte, und ein Diener führte ihn auf die Veranda, wo er Elisa beth fand. Sie saß in einem Sessel neben dem Tisch, von dem der Diener das Kaffeeservice entfernt, nur der Korb mit den Blumen stand noch daraus, das Kistchen Cigarren und der Aschenbecher, daneben lag das Buch, aus dem Mangold gelesen hatte. Elisabeth batte den Arm auf den Tisch und den Kopf in die Hand gestützt, die andere ruhte im Schooß und hielt noch immer die Rose, die der Kommerzienrath ihr ge reicht. Der Ausdruck ihres schönen Gesichts war er regt, und um den Mund lag ein Zug gemischt von Unmuth und Kummer. Sie haderte mit sich selbst und mit ihrem Geschick, und die Worte, die die Großmutter einmal gesagt: „Dieses Verlöbniß ist eine Uebereilung" — kamen ihr seit Wochen nicht mehr aus dem Sinn; nicht mehr, seit sie zuerst bemerkt, daß sie einen tiefen, und wie sie Gelegenheit hatte zu beobachten, auch einen dauernden Eindruck auf den Kommerzienrath gemacht hatte. Heute war ihr die Gewißheit gekommen, daß ihre Zukunft sich anders gestalten würde, wenn sie frei wäre. Ein Kampf entspann sich zwischen ihren Ge fühlen für Hans und dem weit mächtigeren Verlangen nach einer glänzenden Lebensstellung. — „Elisabeth —!" Sie hatte sein Kommen nicht bemerkt, nun stand er fast neben ihr, als sie mit einem leisen Ruf des Schreckens aufsah. „Elisabeth!" — seine Stimme bebte, und seine Augen blickten sie an mit dem Ausdruck heißer, zärt licher Liebe; so viel Liebe, so viel Treue, Ehrlichkeit liegt darin, daß sie unwillkürlich die ihren senkt, und daß die Röthe des inneren Schuldbcwußtseins in ihre Wangen steigt. Er tritt ihr näher; sein ganzes Em pfinden drängt sich ihr entgegen, und er muß sich ge waltsam beherrschen, um sie nicht stürmisch in seine Arme, an sein Herz zu ziehen. „Endlich!" flüsterte er, „endlich! Gottlob, daß Du heimgekehrt bist. Die Trennung war entsetzlich, und Du hast so selten geschrieben." Sie befestigt die Rose in ihrem Gürtel und reicht ihm ohne ein Wort die Hand, die er mit warmen, zärtlichem Druck festhält, immer noch ihren Blick suchend. „Sieh mich an, Elisabeth," bittet er, „sieh mich doch an!" Sie thut's, — aber nur kurz und flüchtig, während ein Lächeln um ihre Lippen irrt; sie ist schön wie immer, und in seiner vornehmen, wahren Gesinnung findet er keine andere Deutung für ihr seltsames Ge bühren, als mädchenhafte Schüchternheit. Die lange Trennung hat sie einander wieder ferner gerückt und dann — hier — hat sie Rücksichten zu nehmen. „Ich habe mich sehr nach Dir gesehnt, Lieb," fährt er fort, „und als Dem Brief kam, Du seiest wieder hier, von da fand ich keine Ruhe mehr; ich wäre natürlich gleich gekommen, aber Du wünschtest es jcx nicht, — der Menschen wegen."